Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …, Gemarkung … Dieses Grundstück ist im Norden mit einem Wohnhaus und einer Garage bebaut und grenzt im Südwesten auf einer Länge von 5 m an das aus dem Grundstück Fl.Nr. … herausgemessene Grundstück Fl.Nr. … an. Dieses Grundstück soll mit einer zwischen den Grundstücken Fl.Nrn. … und … geplanten Zufahrt von der im Südwesten hiervon verlaufenden F. Straße aus straßenmäßig erschlossen werden.
Die genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „…“, der für das Grundstück Fl.Nr. … (Baugrundstück) keine Baugrenze festsetzt. Gemäß Vorbescheidsantrag vom 30. Juni 2013 beabsichtigen die Beigeladenen, dieses Grundstück mit einem Einfamilienwohnhaus mit Carport und Garage zu bebauen. Nach den Vorbescheidsunterlagen vom 9. Juli 2013 ist die Errichtung eines eingeschossigen Baukörpers mit Dachgeschoss in Abweichung vom Bebauungsplan, der eine Dachneigung bis zu 33 Grad vorsieht, mit einer Dachneigung von 35 Grad geplant.
Zu diesem Vorhaben erteilte der Markt … in der Sitzung seines Bau- und Umweltausschusses vom 15. Juli 2013 sein Einvernehmen.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2013 erteilte das Landratsamt … den Beigeladenen den beantragten Vorbescheid unter Gewährung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich Baugrenze (Haupt- und Nebengebäude) und hinsichtlich Dachneigung.
In den Gründen führt das Landratsamt an, dass die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar seien.
Dieser Bescheid wurde der Klägerin mit Einschreiben (Aufgabe zur Post am 5. Dezember 2013) zugestellt.
Mit dem bei Gericht am 7. Januar 2014 eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Landratsamtes … vom 5. Dezember 2014 aufzuheben.
Die Voraussetzungen für die erteilten Befreiungen lägen nicht vor. Nachbarliche Interessen seien vorliegend nicht berücksichtigt worden. Es sei noch nicht einmal eine Abwägung erfolgt. An der Grundstücksgrenze zu dem Nachbargrundstück befinde sich eine mehr als 50 Jahre alte Weide. Durch die Unterschreitung der Baugrenze sei eine Bebauung des Grundstücks ohne eine wesentliche Zurückschneidung der Weide bzw. Fällung des Baumes bzw. eine Kappung der Wurzeln derselben nicht möglich.
Das streitgegenständliche Wohngebiet sei gerade gekennzeichnet durch einen alten Baumbestand und durch eine jeweilige große Grundstücksgröße. Dies habe dazu geführt, dass sich viele Tiere, insbesondere seltene Vögel in den Gärten aufhalten würden, da sie durch die alten Bäume und die Größe des Grundstücks den erforderlichen Schutz finden würden. In dem Garten der Klägerin würden sich regelmäßig Buntspechte, Kleinspechte und der als besonders streng geschützte Grünspecht befinden.
Da nach derzeitiger Einschätzung von einem Fällen des alten und mithin sehr großen Baumes auszugehen sei, da dieser sehr dicht an der Grenze zum Nachbargrundstück gelegen sei, würde dies zu einer wesentlichen Störung und Veränderung des Lebensraumes der Vögel führen, so dass zu befürchten sei, dass die Tiere den gewohnten Lebensraum verlassen würden. Das Fällen des Baumes würde zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Grundstücks führen. So würde sowohl der Charakter des Grundstücks verlorengehen, welcher auf Grund der Größe und des Ausmaßes des Baumes wesentlich geprägt werde. Dieser Baum genieße auf Grund seines Alters Bestandsschutz. Das Fällen bzw. das erhebliche Zurückschneiden des Baumes würde eine entsprechende Beeinträchtigung bedeuten, welche ebenfalls zu berücksichtigen und mit den nachbarschaftlichen Interessen abzuwägen sei. Zudem führe jedwede Art der Veränderung zu einer erheblichen Änderung der Lichtverhältnisse. Der alte und breite Baum spende im Sommer sehr viel Schatten, da er sich am nordwestlichen Ende des Grundstücks befinde und gerade seinerzeit gepflanzt worden sei, um an den Sommerabenden einen schattigen Platz zu bescheren. Die gesamte Gartenanlage der Klägerin werde durch diesen Baum geprägt. Durch die Unterschreitung der Bebauungsgrenze gehe dem Grundstück sein parkähnlicher Charakter verloren. Das Grundstück sei derzeit von den Nachbargrundstücken nicht oder nur erschwert einzusehen. Die Bebauung unterhalb der Bebauungsgrenze würde dazu führen, dass die Nachbarn direkt das Grundstück der Klägerin einsehen könnten. Die Teilung des streitgegenständlichen Grundstückes führe zu einer Zersiedelung des Wohngebietes. Eine gesonderte Zuwegung sei nach Teilung erforderlich. Dies würde eine Belästigung der Nachbargrundstücke durch an- und abfahrende Autos zur Folge haben, ebenso eine Belästigung durch die vermehrte Personenzahl auf der Zuwegung. Der geplante Bau würde sich nicht einmal optisch in das Bebauungsgebiet eingliedern. Die Dachneigung entspreche nicht den Vorgaben für das Bebauungsgebiet. Die gesamte Struktur des Bebauungsgebietes würde sich durch die Befreiungen und die Erteilung einer Genehmigung ändern. Die erheblichen Änderungen würden die Grundzüge der Planung berühren. Die Abweichung sei städtebaulich nicht vertretbar. Dieses lasse sich ferner auch nicht mit den Gestaltungsrichtlinien des Marktes … in Einklang bringen. Unabhängig von den materiell nicht gegebenen Voraussetzungen sei der Bescheid auch aus formalen Gründen falsch.
Durch die Erteilung des Vorbescheids würden die Rechte der Klägerin erheblich verletzt. Das Landratsamt … beantragte, die Klage abzuweisen.
Eine Baugenehmigung bzw. ein Vorbescheid werde für ein Grundstück ausgesprochen und sei nicht personengebunden. Wer Eigentümer des Baugrundstücks sei, sei baurechtlich unerheblich. Naturschutzfachliche Belange stünden einer Bebauung nicht entgegen. Die erwähnten Gestaltungsrichtlinien des Marktes … stünden dem Bauvorhaben in keiner Weise entgegen. Bei den Gestaltungsrichtlinien handele es sich um Anforderungen, die beachtet werden müssten, wenn für eine Baumaßnahme Zuschüsse aus dem kommunalen Förderprogramm gewährt werden sollten. Der Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens stünden sie nicht entgegen. Zudem weiche die genehmigte Dachneigung lediglich um 2 Grad von den Festsetzungen des Bebauungsplanes ab, so dass von einer wesentlichen Abweichung nicht gesprochen werden könne. Die Nachverdichtung sei unter dem Gesichtspunkt des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden gewünscht, um die zusätzliche Inanspruchnahme von Bauflächen zu verringern (vgl. § 1 a Abs. 2 Satz 1 BauGB).
In dem dem Vorbescheidsverfahren folgenden Baugenehmigungsverfahren hat das Landratsamt … mit Bescheid vom 24. Februar 2014 eine Baugenehmigung unter Gewährung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich Baugrenze (Haupt- und Nebengebäude) und hinsichtlich Dachneigung erteilt.
Mit Beschluss vom 24. April 2014 hat die Kammer im Verfahren AN 3 S. 14.00460 den Antrag der Klägerin nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
Auf die Beschwerde der Klägerin hin ordnete der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Be-schluss vom 29. Juli 2014 (Az. 9 CS 14.1171) die aufschiebende Wirkung der Klage an und führte im Wesentlichen folgendes aus: Der Senat gehe mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Klägerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße und auch die Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestandes und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes … der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Das Beschwerdevorbringen der Klägerin, dass die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze sie in ihren Nachbarrechten verletze, lasse derzeit aber noch keine hinreichend sichere Prognose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu. Die Frage, ob die im Bebauungsplan „…“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück Fl.Nr. … nachbarschützende Wirkung entfalte, lasse sich nach summarischer Prüfung nicht ohne Weiteres beantworten. Anhaltspunkte für eine nachbarschutzvermittelnde Festsetzung könnten sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauBG) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplanes, vor allem aus den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend sei jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein nachbarschutzvermittelndes „Austauschverhältnis“ könne etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt seien, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zu Gute kommende unbebaute („grüne“) Fläche entstehe (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [rückwärtiger Ruhebereich]). Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass der Festsetzung der „seitlichen und rückwärtigen“ Baugrenzen nicht auch zumindest zum benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, sei auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lasse sich nämlich das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der …- und … sowie dem … und … gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1 bis 1 14 geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spreche unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führe nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („gründe“) Fläche von ca. 40 bis 60 m entstehe, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen.
Im Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 nahm das Landratsamt … im Wesentlichen hierzu wie folgt Stellung: Weitere Unterlagen zum Bebauungsplan (insbesondere eine Begründung oder eine Abwägung darstellende Gemeinderatsbeschlüsse) seien nicht mehr auffindbar. Nachdem die Bebauungsplanbegründung und Abwägungsentscheidungen der Gemeinde nicht gewürdigt werden könnten, sei eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhanges vorzunehmen.
Fakt sei hierbei, dass im gesamten Bebauungsplangebiet fast einheitlich große Grundstücke ausgewiesen worden seien, die dem damaligen Standard entsprochen hätten und allgemein finanzierbar gewesen seien. Weiterhin habe zum damaligen Zeitpunkt ein Bungalow die bevor zugte mondernste Wohnform dargestellt. Aspekte mit Umweltbezug seien auf Grund der damals niedrigen Energiekosten und der einen starken Energieverbrauch fördernden Bauweise lokalisiert an einem Nordhang wohl außen vor geblieben. Umweltbezogene Erwägungen (wie z.B. Schaffung von Ruhezonen,) die im Laufe der Zeit wohl frühestens ab Mitte der 80iger Jahre des vorherigen Jahrhunderts Eingang in bauplanerisches Denken und das allgemeine Empfinden gefunden hätten, könnten nicht als allgemeines Gedankengut der planenden Gemeinde, die zum damaligen Zeitpunkt die ersten beiden Bebauungspläne aufgestellt habe, unterstellt werden. Aus der Gesamtschau werde nicht ersichtlich, dass durch Anordnung der Straßen- und Gartenbereiche in jedem Geviert rückwärtige Ruhezonen geschaffen werden sollten. Es würden Bereiche überwiegen, in denen sich durch die Anordnung der Straßen Zonen ergäben, in denen die Gartenbereiche deutlich kleiner ausfallen würden. Die Anordnung um das geplante Baugrundstück stelle deshalb einen zufälligen Einzelfall und keinen regelhaften Grundzug der Planung dar. Sollte eine Nachverdichtung in diesem Bebauungsplan ausgeschlossen werden, könne ein Besitzerwechsel der Grundstücke wohl nur noch im Erbfall und nicht mehr durch Kauf erfolgen, da bei den heutigen Grundstückspreisen ein Erwerb nur noch wenigen sehr gut verdienenden und nicht mehr einem durchschnittlich verdienenden Bürger möglich sein sollte.
Zusammenfassend ließ die Klägerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. November 2014 vortragen, dass sie dabei bleibe, dass auch naturschutzrechtliche Bedenken gegen die geplante Bebauung gegeben seien und dass grundsätzlich entgegen den Ausführungen des Beklagten sehr wohl von einer nachbarschützenden Wirkung der Baugrenzen auszugehen sei. Auf den weiteren Inhalt dieses Schriftsatzes wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Akte des Landratsamtes … (BV-Nr. H 2013-0472) Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin kann auf Grund öffentlich-rechtlicher Normen das im Vorbescheidsverfahren für genehmigungsfähig erachtete Vorhaben nicht abwehren.
Die Klägerin wird durch den mit Bescheid des Landratsamtes … vom 5. Dezember 2013 erteilten Vorbescheid für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Carport auf dem Grundstück Fl.Nr. … in ihren Rechten nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung eines Bauantrages auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Ergänzend hierzu bestimmt Art. 71 Satz 4 BayBO, dass die Vorschriften über die Baugenehmigung von Art. 68 Abs. 1 bis 4 BayBO entsprechend gelten.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung eines erteilten Vorbescheids, der gemäß Art. 71 BayBO i.V.m. Art. 68 BayBO zu erteilen ist, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, entgegenstehen, haben Nachbarn nicht schon dann, wenn der Vorbescheid objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung eines Vorbescheids weiter voraus, dass die Nachbarn durch den Vorbescheid zugleich in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. BVerwG vom 6.10.1969 - 4 C 14.87, BayVBl. 1990, 154 ff.).
Die Klägerin wird durch den erteilten Vorbescheid des Landratsamtes … vom 5. Dezember 2013 weder in Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die gerade dem Schutz individueller Interessen dienen, noch hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme verletzt.
Zum Vortrag der Klägervertreterin, der im Wesentlichen deckungsgleich mit dem Vortrag ist, den diese im Klageverfahren AN 3 K 14.00461 und dem diesem Klageverfahren vorangegan genen Eilverfahren (AN 3 S. 14.00460) gemacht hat, hat die Kammer bereits in dem im Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 25. April 2014 Stellung genommen.
Zu den Ausführungen hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme und zu den klägerischen Einwendungen hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes … hat der BayVGH in dem im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss vom 29. Juli 2014 (9 CS 14.1171), auf den Bezug genommen wird, ausgeführt, dass dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhilft. Auch im Hauptsacheverfahren ist davon auszugehen, dass die Nachbarklage insoweit nicht erfolgreich ist.
Die nach dem o.g. VGH-Beschluss streitige Frage, ob die im Bebauungsplan „…“ „für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze nachbarschützende Wirkung entfaltet“ lässt sich nach den Erkenntnissen des Hauptsacheverfahrens nicht zu Gunsten der Klägerin, sondern zu Gunsten der Beigeladenen dahingehend beantworten, dass nicht von einer nachbarschützenden Funktion dieser seitlichen und rückwärtigen Baugrenze auszugehen ist.
Ausgehend vom Grundsatz, dass Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung haben, und der Überlegung, dass die Beantwortung der Frage, ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, vom Willen der Gemeinde als Planungsträger abhängt, hat die Kammer versucht, im Hauptsacheverfahren eine Klärung herbeizuführen.
Wie aber aus der Stellungnahme des Landratsamtes … vom 9. Oktober 2014, die sich auf die vorgelegten Schreiben des Marktes … vom 4. September 2014 und der Regierung von Mittelfranken vom 19. September 2014 bezieht, ersichtlich, sind weitere Unterlagen zum Bebauungsplan, insbesondere eine Begründung oder die Abwägung darstellende Gemeinderatsbeschlüsse nicht (mehr) auffindbar, so dass die Frage der nachbarschützenden Funktion der seitlichen und rückwärtigen Baugrenze im Bebauungsplan „…“ trotz aller Bemühungen des Gerichts unerweislich ist.
Es handelt sich damit um eine Frage der materiellen Beweislast (vgl. Kopp/Schenke VwGO, 15. Auflage, 2007, § 108 RdNr. 11).
Der Verwaltungsprozess kennt im Gegensatz zum Zivilprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und keine Beweisführungspflicht (formelle Beweislast), da diese mit dem Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO nicht vereinbar wären, sondern nur die materielle Beweislast des „non liquet“, das heißt die Notwendigkeit, die trotz aller Bemühungen des Gerichts gegebenenfalls verbleibende Unerweislichkeit von Tatsachen zu Lasten des Klägers oder des Beklagten gehen zu lassen.
Die Frage, wer die materielle Beweislast in diesem Sinne trägt, ist unerheblich von der Parteirolle des Klägers oder Beklagten im Prozess, da sie nach der Rechtsprechung eine Frage des materiellen Rechts, nicht des Prozessrechts ist.
Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet (Kopp/Schenke, a.a.O. § 108 RdNr. 13). Für die Frage der Nachbarklage hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. September 1969, IV C 18.67, NJW 1970, 263 festgestellt, dass nach dem Grundsatz, jeder Beteiligte trage die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihm günstigen Rechtsnormen, den klagenden Nachbarn regelmäßig die Beweislast trifft. Insoweit führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass gerade für den typischen Fall der Nachbarklage, in dem sich, was den grundsätzlichen Interessengegensatz anlangt, nicht der Nachbar und die Behörde, sondern Nachbar und Bauherr gegenüberstehen, jene Formel durchaus zu angemessenen Ergebnissen führt.
Übertragen auf den vorliegenden Fall trägt demnach die Klägerin als Nachbarin die materielle Beweislast dafür, dass die im Bebauungsplan „…“ festgesetzten seitlichen und rückwärtigen Baugrenzen nachbarschützende Wirkung haben.
Die oben ausgeführte Unerweislichkeit dieser Tatsache geht damit zu ihren Lasten. Zu Gunsten der Beigeladenen ist davon auszugehen, dass das Landratsamt bei den im Vorbescheid vom 5. Dezember 2013 erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich Baugrenze (Haupt- und Nebengebäude) und Dachneigung eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen dieses Bebauungsplanes erteilt hat.
Soweit der BayVGH in seinem im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss vom 29. Juli 2014 bei der Frage, ob die Festsetzung eines Bebauungsplanes ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll, darauf abstellt, dass letztlich ausschlaggebend sei, eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhanges vorzuneh men und insoweit anführt, dass ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ etwa dann gegeben sein kann, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Inneren eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht und sich insoweit auf einen Beschluss des 14. Senats vom 27. April 2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“] bezieht, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:
Wie sowohl aus dem Lageplan als auch aus dem vorgelegten Bebauungsplanauszug ersichtlich, haben nur die vier südlich des … und nördlich der … gelegenen Grundstücke mit den Fl.Nrn. …, …, … (Grundstück der Klägerin) und … dazu beigetragen, dass bislang eine unbebaute grüne Fläche zwischen den jeweiligen Wohnhäusern entstanden ist. Einen Beitrag zu dieser unbebauten grünen Fläche haben jedenfalls nicht die hiervon östlich entlang des Finkenweges und westlich entlang der … gelegenen Grundstücke geleistet, weil insbesondere entlang der … die Baugrenzen so gezogen sind, dass außerhalb der überbaubaren Flächen keine weiteren unbebaute grüne Flächen entstehen können. Wenn man in Anlehnung an die Rechtsprechung des 14. Senates so weit gehen will, dass in einem einheitlich bebauten Straßengeviert die rückwärtigen Baugrenzen nachbarschützend sind, weil im Inneren eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zu Gute kommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht, so würde dies bedeuten, dass bei allen innerhalb dieses Straßengevierts gelegenen Grundstücken jegliche Erweiterungsmöglichkeit unterbunden wäre. Nachdem im vorliegenden Fall die unbebaute („grüne“) Fläche hauptsächlich auf den vier aneinanderstoßenden Grundstücken entstanden ist, würde dies bedeuten, dass eine Erweiterungsmöglichkeit nur auf den vier aneinanderstoßenden Grundstücken nicht möglich ist, nicht aber auf den seitlichen entlang der … und entlang des … gelegenen Grundstücken, da diese nicht unter der Prämisse des Nachbarschutzes stünden. Die Kammer teilt die Auffassung des Landratsamtes …, dass aus der Gesamtschau nicht ersichtlich sei, dass durch Anordnung der Straßen- und Gartenbereiche in jenem Geviert rückwärtige Ruhezonen geschaffen werden sollten, sondern, dass die Anordnung um das geplante Baugrundstück einen zufälligen Einzelfall und keinen regelhaften Grundzug der Planung darstelle.
Aus der im Bebauungsplanauszug enthaltenen Bezeichnung „Bungalowsiedlung“ im streitgegenständlichen Bereich kann die Klägerin kein Abwehrrecht dahingehend ableiten, dass die außerhalb der überbaubaren Flächen gelegenen Flächen aus Gründen des Nachbarschutzes unbebaut bleiben sollen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch bezeichnet der aus dem indischen Sprachraum kommende Begriff „Bungalow“ ausschließlich, dass es sich um ein eingeschossiges Haus handelt, das häufig, aber nicht notwendigerweise ein Flachdach besitzt. Demnach verbleibt es, wie bereits im Eilbeschluss der Kammer vom 25. April 2014 ausgeführt, dabei, dass die betreffenden Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baugrenze und hinsichtlich der Dachneigung keine nachbarschützende Funktion haben.
Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, dass die mit dem erteilten Vorbescheid als genehmigungsfähig erachtete Bebauung auf dem Grundstück Fl.Nr. … gegenüber dem Anwesen der Klägerin nicht rücksichtslos ist.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.