Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 26. Okt. 2017 - AN 2 K 17.00008

bei uns veröffentlicht am26.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Bewertung einer Hausarbeit im Rahmen seines Studiums der Rechtswissenschaft mit der Note „ungenügend“.

Der Kläger studierte vom Sommersemester 2012 bis zum Sommersemester 2016 im Studiengang Rechtswissenschaft an der …Universität … (...). Im Sommersemester 2016 nahm er an der Hausarbeit im Rahmen der Lehrveranstaltung „Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene“ teil. Die Hausarbeit des Klägers wurde am 22. April 2016 mit 0 Punkten bewertet. Der Korrektor begründete die Bewertung unter anderem damit, dass der Kläger statt des vorgegebenen Korrekturrands von 5 cm auf der rechten Seite lediglich 2,5 cm Rand frei gelassen habe. Bei korrekter Formatierung hätte der Kläger 23 Seiten statt der erlaubten 20 Seiten benötigt. Pro überschrittener halben Seite werde ein Notenpunkt von der bei gewöhnlicher Korrektur erzielten Gesamtpunktzahl abgezogen.

In den Bearbeitungs- und Formathinweisen zu der Hausarbeit war folgendes festgelegt:

Der Umfang der Hausarbeit darf 20 Seiten (ohne Deckblatt, Gliederung und Literaturverzeichnis, aber mit Fußnoten) nicht übersteigen. Schrifttyp: Times New Roman; Schriftgröße: 12pt, Fußnoten Schriftgröße: 10 pt; Laufweite normal; Zeilenabstand: 1,5; rechts 5 cm Korrekturrand, links 2,5 cm Rand.

Formmängel, wozu auch gehäuft auftretende Rechtschreib-, Grammatik- oder Interpunktionsmängel gehören, führen zu Punktabzug.

Mit Schreiben vom 22. November 2016, eingegangen bei der Beklagten am 24. November 2016, erhob der Kläger Widerspruch gegen die Bewertung der Hausarbeit. Für den Abzug von sechs Notenpunkten fehle eine Rechtsgrundlage. Es ginge hier nicht um die Bewertung der Prüfungsleistung des Klägers unter Berücksichtigung des dem Prüfer zukommenden Bewertungsspielraums. Da es nicht ersichtlich sei, dass die Zahl der Anschläge pro Seite vorgegeben gewesen sei, sei es rechtswidrig, allein für die Überschreitung einer vorgegebenen Seitenzahl einen Punktabzug vorzunehmen. Der Prüfer hätte auch statt des Punktabzugs die ersten 20 Seiten korrigieren können.

Mit Stellungnahme vom 2. Dezember 2016 hielt der die Lehrveranstaltung verantwortende Dozent an der Bewertung mit 0 Punkten fest. Aus den Formathinweisen habe sich auf Grund der Angabe der Schriftart und -größe sowie des Zeichenabstands ergeben, wie dicht die 20 Seiten bedruckt werden dürften. Die Angabe der Anschlagszahl sei daher nicht erforderlich gewesen. Eine bei einer Hausarbeit abgeprüfte Fähigkeit sei auch, die prägnante und konzentrierte Präsentation aller im Sachverhalt angelegten Probleme auf einem begrenzten Platz. Die Arbeit des Klägers weise zwar brauchbare Passagen insbesondere im zweiten Teil auf, zeige aber auch zahlreiche Mängel, welche meist grundlegende Fertigkeiten und Kenntnisse zum bürgerlichen Recht beträfen. Bei Berücksichtigung dieser – für sich genommen bereits nicht mehr ausreichenden – sachlich-inhaltlichen Leistung und des Vorteils, den die genannte Umfangsüberschreitung von drei Seiten mit sich brachte, sei die Bewertung mit „ungenügend“ gerechtfertigt. Auch wenn man nicht pauschal nach der Faustformel des Erstkorrektors einen Punktabzug vornehme, sei die Arbeit mit ungenügend zu bewerten. Da gerade die Bearbeitung des zweiten Teils besser gelungen sei, hätte auch ein Verfahren, bei dem lediglich die ersten 20 Seiten bewertet worden wären, zu keinem anderen Ergebnis geführt.

Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2017 wurde Klage gegen die Bewertung der Hausarbeit erhoben. Mit Schriftsatz vom 4. April 2017 wurde die Klage begründet. Der Kläger habe keine Kenntnis von den Vorgaben betreffend Schrifttyp, Schriftgröße, Laufweite etc. gehabt. In den Bearbeitungs- und Formhinweisen werde nicht erwähnt, dass ein Verstoß gegen Formatvorgaben zu einem Punktabzug führe. Dass eine bloße Bewertung der ersten 20 Seiten zu keiner besseren Bewertung geführt hätte, sei nicht nachvollziehbar. Der Dozent habe nicht dargelegt, dass die ersten 20 Seiten völlig unbrauchbar gewesen seien. Da der Kläger ohne den vorgenommen Punktabzug sechs Punkte erhalten hätte, hätten die letzten drei Seiten alleine eine Bewertung mit sechs Punkten rechtfertigen müssen, da die ersten 20 Seiten nach Ansicht des Dozenten ja mit 0 Punkten zu bewerten seien. Zudem sei für die Sanktion der Nichteinhaltung der Formvorgaben eine Rechtsgrundlage erforderlich. Eine Satzung, in der geregelt sei, wie mit einer Überschreitung des vorgegebenen Umfangs einer Hausarbeit umzugehen sei, gebe es nicht. Der Bewertungsspielraum gelte nur für die „reine Bewertung“ der Arbeit, also ob diese gut oder schlecht sei, ob die Argumentation schlüssig sei oder nicht. Der Beurteilungsspielraum umfasse nicht den Punktabzug wegen eines Verstoßes gegen die Formatvorgaben, da dies eine Entscheidung unabhängig von der Leistungserbringung des Klägers sei. Da sich aus den Formatvorgaben nicht ergebe, was die Konsequenz eines Verstoßes sei, könnten die Studenten davon ausgehen, dass es sich nur um unverbindliche Vorgaben handle. Die Bewertung der Hausarbeit mit 0 anstatt mit sechs Punkten sei somit willkürlich.

Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017 und beantragt,

Klageabweisung.

Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017 begründete die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag. Die organisatorische Abwicklung der Lehrveranstaltung „Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene“ sei über die Lern- und Prüfungsplattform … gelaufen. Das Merkblatt „Formalia“ sei vor der Ausgabe der Hausarbeit am 28. Januar 2016 auf … bereitgestellt worden und habe den Teilnehmern die gesamte Bearbeitungszeit über zur Verfügung gestanden. Der Aufgabentext der Hausarbeit habe ab 8. Februar 2016 zur Verfügung gestanden. Der Kläger sei dem Kurs am 15. März 2016 beigetreten. Dass er keine Kenntnis von den Bearbeitungshinweisen gehabt habe, sei daher unglaubhaft. Zudem erklärten sich die Studenten nach § 2a Abs. 2 der Satzung der … über die Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation (ImmaS) mit der Immatrikulation einverstanden, dass die Kommunikation in Bezug auf das Studium über die von der … bereitgestellten elektronischen Mittel, darunter auch …, stattfinden kann. Spätestens mit seinem Beitritt zu der Lehrveranstaltung „Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene“ hätte der Kläger daher Kenntnis von den Formathinweisen haben können und müssen. In den Formathinweisen sei auch klargestellt gewesen, dass ein Verstoß gegen die Formathinweise zu Punktabzug führe. Die Bewertung der Hausarbeit mit 0 Punkten bewege sich als prüfungsspezifische Wertung im Rahmen des dem Prüfer zustehenden Bewertungsspielraums. Die Bewertung der Hausarbeit treffe entgegen der Klägerseite keine Aussage darüber, welche Punktzahl bei einer Einhaltung der Formathinweise zu vergeben gewesen wäre. Die fachspezifische Ausgestaltung einer Hausarbeit rechtfertige den Punktabzug wegen formeller Mängel. Die Bewertung sei als prüfungsspezifische Wertung vom Beurteilungsspielraum des Prüfers umfasst; eine gesonderte Rechtsgrundlage hierfür nicht erforderlich.

Mit Schriftsatz vom 17. August 2017 ergänzte der Kläger seinen Vortrag. Gemäß § 9 Abs. 4 Studienordnung der … sei der Umfang der im Rahmen der Übung für Fortgeschrittene zu stellenden Arbeiten spätesten zwei Wochen vor Beginn der Lehrveranstaltung festzulegen. Da die Formathinweise am 28. Januar 2016 und der Aufgabentext am 8. Februar 2016 bekannt gegeben worden seien, sei die 2-Wochen-Frist nicht eingehalten. In den Formathinweisen sei lediglich festgelegt, dass bei einem Verstoß gegen die Hinweise ein „Punktabzug“ und nicht ein „Punkteabzug“ vorgenommen werden könne. Dies bedeute, es hätte maximal ein Punkt abgezogen werden können. Es sei nicht angemessen, dass wegen einer Überschreitung des Umfangs um lediglich drei Seiten ein Punkteabzug von sechs Punkten erfolge und sich so eine Arbeit mit der Note „ausreichend obere Grenze“ zu einer Arbeit mit der Note „ungenügend“ verwandle. Der Dozent habe sich zwar nicht festgelegt, welche Note der Kläger bei einer Einhaltung der Formatvorgaben erhalten hätte. Der Dozent habe in seiner Stellungnahme jedoch ausgeführt, dass der Erstkorrektor mit der in der Bewertung angeführten Formulierung „gelingt ordentlich“ jeweils zum Ausdruck gebracht habe, dass insoweit eine ausreichende Leistung vorliege. Ein pauschaler Abzug von zwei Punkten pro Seite würde dazu führen, dass ein Student, der alle Probleme erkennt und abarbeitet, hierfür jedoch 30 Seiten benötigt, statt 18 Punkten 0 Punkte erhält. Eine inhaltlich sehr gute Arbeit würde somit ausschließlich unter Hinweis auf die vorgeschriebene Seitenzahl mit 0 Punkten bewertet. Dies sei absurd.

Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 15. September 2017. § 9 Abs. 4 StudienO meine mit Lehrveranstaltung die Lehreinheit. Die streitgegenständliche Lehreinheit gehöre zur Lehrveranstaltung „Übung im Bürgerlichen Recht für Fortgeschrittene“ im Sommersemester 2016. Die Vorlesung zur Übung im Bürgerlichen Recht habe erstmals am 26. April 2016 stattgefunden. Mit der Veröffentlichung des Merkblatts „Formalia“ am 28. Januar 2016 habe die Bestimmung des Umfangs der Lehrveranstaltung zwölf Wochen vor Beginn der Lehrveranstaltung stattgefunden. Im Übrigen greife bei Hausarbeiten die speziellere Regelung des § 12 StudienO, wonach die Bearbeitungszeit für Hausarbeiten ganz oder teilweise während der vorlesungsfreien Zeit liegen dürfe und in diesen Fällen ein entsprechender Hinweis durch Ankündigung in der üblichen Weise erfolge. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch seien die Begriffe „Punktabzug“ und „Punkteabzug“ gleichzusetzen. Die abschließende Bewertung durch den Dozenten habe auch nicht an der pauschalen Formel des Erstkorrektors festgehalten, sondern die Leistung in Beziehung zu dem Verstoß gegen die Formathinweise gesetzt. Der Punkteabzug wegen Verstoßes gegen die Formathinweise führe auch nicht zu absurden Ergebnisses. Die Bewertung einer inhaltlich sehr guten Arbeit mit 0 Punkten bei einer Überschreitung der Seitenanzahl um zehn Seiten sei gerechtfertigt, da der Student in diesem Falle die Aufgabenstellung nicht verstanden habe.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.

Gründe

Es kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da beide Parteien einverstanden sind.

Der Kläger wendet sich gegen die Bewertung seiner Hausarbeit mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte). Das klägerische Begehren ist mangels Antragsstellung dahingehend gemäß § 88 VwGO auszulegen, dass der Kläger unter Aufhebung der Bewertung seiner Hausarbeit, eine Neubewertung dieser Hausarbeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts anstrebt.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO zulässig. Die Bewertung der Hausarbeit mit der Note „ungenügend“ (0 Punkte) ist ein Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG. Ob eine einzelne Prüfungsleistung Regelungsqualität innehat, ist anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären (BVerwG, U.v. 23.5.2012 – 6 C 8/11 – juris Rn. 14). Die streitgegenständliche Hausarbeit ist zwar Teil des Leistungsnachweises über die Übung für Fortgeschrittene im Zivilrecht. Das Nichtbestehen der Hausarbeit hat aber dennoch eigenständige Regelungswirkung, da dieses Nichtbestehen nicht mit einer anderen Teilleistung im Rahmen des Leistungsnachweises über die Übung für Fortgeschrittene im Zivilrecht ausgeglichen werden kann, sondern jede einzelne Teilleistung bestanden werden muss. § 9 der Studienordnung der …Universität … für den Studiengang Rechtswissenschaft mit dem Abschluss der Ersten Juristischen Prüfung vom 10. September 2004 (StudO) bestimmt, dass der Leistungsnachweis in den Übungen für Fortgeschrittene erteilt wird, wenn zwei Arbeiten mindestens mit der Note ausreichend bewertet worden sind. Ein Ausgleich zwischen einzelnen – auch nicht bestandenen – Leistungen, wie beispielsweise in der Juristischen Universitätsprüfung oder der Ersten Juristischen Staatsprüfung, bei denen jeweils nur das Endergebnis angefochten werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2010 – 7 ZB 08.1476 – juris Rn. 12 ff.), findet hier gerade nicht statt. Da gemäß § 24 Abs. 1 JAPO der Leistungsnachweis in der Übung für Fortgeschrittene im Zivilrecht für eine Anmeldung zur Ersten Juristischen Staatsprüfung erforderlich ist, entfaltet die Feststellung des Nichtbestehens in der Hausarbeit für den Kläger Regelungswirkung unabhängig davon, wie oft der Kläger die Möglichkeit hat, die Hausarbeit im Rahmen dieser Übung zu wiederholen.

Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Prüfungsentscheidung rechtmäßig ist und dem Kläger somit kein Anspruch auf eine Neubewertung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zukommt, vgl. § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.

Prüfungsentscheidungen überprüft das Gericht abweichend von der sonstigen im Verwaltungsrecht geltenden umfassenden Untersuchungsmaxime nur, soweit der klägerische Vortrag in konkreter und substantiierter Form Indizien für rechtlich relevante Verfahrensfehler oder Bewertungsmängel enthält oder sich dem Gericht entsprechende Fehler anderweitig aufdrängen.

Das Prüfungsverfahren ist nicht fehlerhaft verlaufen. Jedenfalls wäre ein etwaiger Verfahrensfehler mangels Auswirkungen auf das Prüfungsergebnis unbeachtlich.

Dass die einzuhaltenden Formalia nicht zwei Wochen vor Ausgabe des Sachverhalts bekannt gegeben wurden, ist kein Fehler im Prüfungsverfahren. § 9 Abs. 4 Satz 2 StudO bestimmt im Hinblick auf die Übungen für Fortgeschrittene, dass der Umfang der zu erbringenden Leistungsnachweise spätestens zwei Wochen vor Beginn der Lehrveranstaltung zu bestimmen ist. Zwar ist die Argumentation der Beklagten, die Lehrveranstaltung beginne erst mit der ersten Vorlesung in dieser Lehrveranstaltung und nicht mit der Bearbeitung der Hausarbeit, zweifelhaft. Es ist aber davon auszugehen, dass „Umfang“ im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 2 StudO nicht die konkrete Seitenzahl einer Hausarbeit meint, sondern die Anzahl der Klausuren beziehungsweise Hausarbeiten, die im Rahmen der Übung für Fortgeschrittene zu erbringen sind. Dies folgt bereits daraus, dass § 9 Abs. 4 Satz 2 StudO vom Umfang der „Leistungsnachweise“ und nicht vom Umfang der einzelnen innerhalb des Leistungsnachweises zu erbringenden „Arbeit“ spricht. Dass diese Begriffe zu unterscheiden sind, zeigt § 9 Abs. 5 Satz 1 StudO, der bestimmt, dass derLeistungsnachweis in den Übungen für Fortgeschrittene erteilt wird, wenn zwei Arbeiten mindestens mit der Note ausreichend bewertet worden sind. Des Weiteren ist § 9 Abs. 4 Satz 2 StudO im Zusammenhang mit § 9 Abs. 4 Satz 1 StudO zu sehen. § 9 Abs. 4 Satz 1 StudO bestimmt, dass innerhalb einer Übung für Fortgeschrittene vier bis fünf schriftliche Arbeiten gestellt werden, von denen wiederum zwei Hausarbeiten sein können. Daher ist davon auszugehen, dass sich Satz 2 dieses Absatzes gerade auf die durch § 9 Abs. 4 Satz 1 StudO mögliche Auswahl der zu erbringenden Einzelarbeiten bezieht.

Jedenfalls ist aber für den Fall, dass eine Arbeit innerhalb der Übung für Fortgeschritten in Form einer Hausarbeit gestellt wird, deren Bearbeitungszeit – wie hier – ganz oder teilweise während der vorlesungsfreien Zeit liegt, § 12 StudO die gegenüber § 9 Abs. 4 Satz 2 StudO speziellere Regelung. § 12 Satz 2 StudO bestimmt, dass in diesen Fällen am Ende der vorausgehenden Vorlesungszeit ein entsprechender Hinweis durch Ankündigung in der üblichen Weise erfolgt. Die Vorlesungszeit im Wintersemester endet üblicherweise Anfang Februar. Da Ende Januar der Hinweis auf die Hausarbeit durch Einstellen des Merkblatts „Formalia“ auf der Lern- und Prüfungsplattform „StudOn“ erfolgte, liegt ein Verstoß gegen § 12 Satz 2 StudO nicht vor.

Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass das Merkblatt „Formalia“ zu spät bekannt gegeben worden wäre, mangelt es jedenfalls an einem Beruhen der Bewertung auf diesem Formverstoß. Auch im Übrigen sind dem Kläger durch diese Vorgehensweise keine Nachteile im Prüfungsverfahren entstanden.

Die Prüfungsbehörde hat die Prüflinge grundsätzlich über die wesentlichen Umstände der Prüfung rechtzeitig zu informieren. Falls die Prüfungsbehörde dieser Pflicht nicht oder zu spät nachkommt, müssen Nachteile, die dem Prüfling dadurch entstanden sind, ausgeglichen werden. Entscheidend ist dabei, ob die negative Prüfungsentscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruht, ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis also nicht ausgeschlossen werden kann (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 188).

Wäre das Merkblatt „Formalia“ früher bekannt gegeben worden, hätte das auf das konkrete Prüfungsverfahren des Klägers keinen Einfluss gehabt, da der Kläger ohnehin erst am 15. März 2016, also eineinhalb Monate nach Bereitstellung des Merkblatts am 28. Januar 2016 und über einen Monat nach Ausgabe des Sachverhalts am 8. Februar 2016 der Gruppe auf „StudOn“ beigetreten ist. Dem Kläger persönlich ist daher nicht auf Grund einer etwaigen zu späten Bekanntgabe des Seitenumfangs Bedenkzeit dafür verlorengegangen, ob er die Hausarbeit mitschreiben möchte und wieviel Zeit er für die Bearbeitung einplanen muss. Dem Kläger sind somit keine Nachteile aus einer etwaigen zu späten Bekanntgabe der Formalia entstanden.

Schließlich ist es ausgeschlossen, dass die negative Prüfungsentscheidung im Übrigen auf diesem behaupteten Verfahrensfehler beruht. Ein Beruhen könnte allenfalls angenommen werden, wenn der Kläger gar keine Kenntnis von den einzuhaltenden Formalia gehabt oder von diesen erst erfahren hätte, nachdem er bereits die Bearbeitung der Hausarbeit aufgenommen hatte. Der Kläger hatte vorliegend jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt Kenntnis von dem Merkblatt, zu dem er mit der Bearbeitung der Hausarbeit begonnen hat, beziehungsweise hätte Kenntnis haben können und müssen. Der Kläger hat folglich während des gesamten Zeitraums der Bearbeitung der Hausarbeit gewusst oder hätte wissen müssen, dass die Seitenanzahl auf 20 Seiten begrenzt und ein bestimmter Korrekturrand einzuhalten war und dass ein Verstoß gegen diese Begrenzung in die Bewertung der Hausarbeit einfließt.

Zwar bestritt der Kläger zunächst, Kenntnis von den vorgegebenen Formalia gehabt zu haben. Die Beklagte hat aber unbestritten und unter Vorlage einer Anmeldeliste vorgetragen, dass der Kläger dem entsprechenden Kurs bei „StudOn“ beigetreten ist. Spätestens mit seinem Beitritt zu der Gruppe hatte der Kläger daher die Möglichkeit, von dem Merkblatt Kenntnis zu nehmen. Da sich Studenten der Beklagten gemäß § 2a Abs. 2 Satzung der …Universität … (***) über die Immatrikulation, Rückmeldung und Exmatrikulation (ImmaS) mit ihrer Immatrikulation an der … einverstanden erklären, dass die Kommunikation über die elektronischen Portale zur Studiums- und Prüfungsverwaltung stattfinden kann, hätte der Kläger alle im Rahmen der Bearbeitung der Hausarbeit relevanten Inhalte zur Kenntnis nehmen müssen. Daher kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob der Kläger von dem Merkblatt zu den Formalia der Hausarbeit tatsächlich Kenntnis hatte oder nicht.

Da alle Teilnehmer der Hausarbeit zum gleichen Zeitpunkt die Möglichkeit hatten, von dem Merkblatt „Formalia“ Kenntnis zu erlangen, ist auch kein Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit ersichtlich. Dass der Kläger faktisch erst später von dem Merkblatt Kenntnis erlangte, ändert hieran nichts, da er jedenfalls die Möglichkeit hatte, zu einem früheren Zeitpunkt der „…“-Gruppe beizutreten.

Der Hinweis in dem Merkblatt, dass Formmängel zu Punktabzug führen, zeigte dem Kläger die Konsequenzen einer Unterschreitung des Korrekturrandes und der damit verbundenen Überschreitung der Seitenzahl deutlich auf. Dieser Hinweis konnte auch nicht – wie von der Klägerseite angedeutet – dahingehend verstanden werden, dass höchstens ein Punkt abgezogen wird. Wie die Beklagte richtig darstellt, kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff „Punktabzug“ auch gemeint sein, dass mehrere Punkte abgezogen werden. Die Hinweise zu den einzuhaltenden Formvorgaben in dem Merkblatt „Formalia“ sind auch im Übrigen widerspruchsfrei und verständlich. Der Gesamtumfang der Hausarbeit war durch Angabe der Seitenzahl, der Größe der Seitenränder, der Laufweite, der Schriftgröße und des Zeilenabstands klar bestimmt.

In materieller Hinsicht ist die Bewertung der Hausarbeit unter Berücksichtigung des dem Prüfer zustehenden Beurteilungsspielraums nicht zu beanstanden.

Prüfungsfehler unterliegen rechtlich nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Prüfern kommt bei ihren Entscheidungen ein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum zu, der nur begrenzt verwaltungsgerichtlich überprüft wird. Die Prüfungsentscheidung stellt ein wertendes Urteil der Prüfer dar, das von Einschätzungen und Erfahrungen ausgeht, die diese im Laufe ihrer Prüfungspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Eine Prüfungsnote lässt sich in der Regel nicht isoliert betrachten, sondern nur in einem Bezugssystem, im Vergleich zu anderen Prüflingen und in Relation auf den Prüfungsstoff. Die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zu Grunde liegen, lassen sich nicht regelhaft erfassen und überprüfen. Eine singuläre Kontrolle einer Einzelnote im Verwaltungsprozess durch das Gericht, das über dieses Bezugssystem, die spezifische Prüfungserfahrung und die fachlichen Kenntnisse nicht verfügt, würde dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht widersprechen, weil vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien nicht mehr garantiert wären.

Materielle Rügen wie die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabe, die Einordnung der Prüfungsleistung in das Punktebzw. Beurteilungssystem des Prüfers, die Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung des Prüflings, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung und die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels unterliegen grundsätzlich der Letztentscheidungskompetenz der Prüfungsbehörden. Bei materiellen Rügen erstreckt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob die Prüfer objektive und rechtlich beachtliche Grenzen ihres Bewertungsspielraums überschritten haben, insbesondere ob das anzuwendende Recht verkannt, ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde gelegt wurde, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt oder sachfremde oder willkürliche Erwägungen angestellt wurden (zusammenfassend BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – NVwZ 2004, 1375).

Die Berücksichtigung und Gewichtung der Überschreitung der vorgegebenen Seitenzahl bei der Bearbeitung einer Hausarbeit ist Teil des Beurteilungsspielraums des Prüfers, da im Rahmen einer Hausarbeit die Einhaltung der Formalia, wie die Beachtung der vorgegebenen Seitenzahl bei korrekter Formatierung, Teil der abgeprüften Leistung ist. Neben der inhaltlichen Bearbeitung soll der Prüfling im Rahmen einer Hausarbeit aufzeigen, dass er auch die formalen Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens beherrscht und dass er in der Lage ist, unter richtiger Schwerpunktsetzung die im Sachverhalt aufgeworfenen juristischen Probleme auf einer begrenzten Seitenzahl darzustellen. Bei dem vorgenommen Punktabzug wegen der Überschreitung der Seitenzahl handelt es sich somit entgegen der klägerischen Ansicht nicht um eine neben der eigentlichen Bewertung stehende Sanktion, wie es beispielsweise die Bewertung einer Arbeit mit 0 Punkten wegen Unterschleifs wäre. Aus diesem Grund war keine gesonderte Rechtsgrundlage für die negative Berücksichtigung der Überschreitung der Seitenanzahl erforderlich. Entscheidend ist in formaler Hinsicht allein, dass die Prüflinge bei der Bearbeitung der Prüfungsaufgabe wissen, welche Formalia sie einzuhalten haben und dass die Beachtung der Formalia Teil der Prüfungsleistung ist, sie also über Prüfungsgegenstand und -bewertung in ausreichender Weise informiert sind. Dies ist, wie oben dargestellt, der Fall gewesen.

Der Prüfer hat seinen Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der Hausarbeit des Klägers mit 0 Punkten nicht überschritten.

Zunächst ist festzustellen, dass entgegen den klägerischen Ausführungen die Hausarbeit des Klägers von den Prüfern in inhaltlicher Hinsicht nicht mit sechs Punkten bewertet wurde und allein auf Grund des Formverstoßes sechs Punkte abgezogen wurden. Die Klägerseite verkennt dabei, dass der Erstkorrektur zwar bei seiner Vorgehensweise auf ein Minus von sechs Punkten für den Formverstoß kommt, eine Gesamtbewertung der Hausarbeit unter 0 Punkte aber ersichtlich nicht in Betracht kommt und somit die ursprüngliche Punktzahl unter sechs Punkten gelegen haben kann. Bereits der Erstkorrektor hat in seiner Bewertungsbegründung dargestellt, dass die Arbeit auch ohne Berücksichtigung der Seitenüberschreitung keine ausreichende Leistung darstellt und damit allenfalls mit drei Punkten zu bewerten wäre. Der Erstkorrektor führte in seiner Begründung aus, dass die Arbeit „inhaltlich und formal nicht zufriedenstellend“ ist. Dabei stellte der Erstkorrektor unter anderem fest, dass der Kläger nicht nur einen gravierenden Grundlagenfehler begangen, sondern auch dass er das Hauptproblem in der Aufgabe 1 viel zu oberflächlich bearbeitet hat. Der Kläger tritt diesen Feststellungen nicht entgegen. Soweit der Erstkorrektur die Bearbeitung der Aufgabe 2 als „insgesamt ordentlich“ beschreibt, bringt er damit nach Klarstellung des Dozenten in seiner Stellungnahme vom 2. Dezember 2016 zum Ausdruck, dass im Hinblick auf die Aufgabe 2 eine ausreichende Leistung vorliegt. Im Zusammenspiel mit der Bewertung der Aufgabe 1 ergibt sich jedoch, dass die Hausarbeit insgesamt allein in inhaltlicher Hinsicht als nicht bestanden bewertet wurde. Der Dozent hat sich dieser Bewertung in seiner Stellungnahme vom 2. Dezember 2016 in nicht zu beanstandender Weise angeschlossen, indem er ausführt, dass die sachlich-inhaltliche Leistung für sich genommen auf Grund zahlreicher Mängel, welche meist grundlegende Fertigkeiten und Kenntnisse vom bürgerlichen Recht betreffen, bereits nicht mehr ausreichend ist. Auch dieser Einschätzung ist der Kläger nicht entgegengetreten.

Dass der Erstkorrektor und der Dozent der Veranstaltung ihren Beurteilungsspielraum bei der Gewichtung und Einbeziehung des Formverstoßes in die Gesamtbewertung der Arbeit überschritten haben, ist nicht substantiiert vorgetragen und im Übrigen nicht ersichtlich. Es ist jedenfalls nicht sachfremd, eine bereits aus inhaltlichen Gründen jedenfalls mangelhafte Leistung auf Grund einer Überschreitung der vorgegebenen Seitenzahl um drei Seiten mit der Note „ungenügend“ zu bewerten. Der Dozent hat in seiner Stellungnahme vom 2. Dezember 2016 dargestellt, dass auch die von der Klägerseite vorgeschlagene alternative Bewertung allein der ersten 20 Seiten zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte, da die aufgezeigten Mängel gerade im ersten Teil der Hausarbeit angesiedelt und die positiven Aspekte gegen Ende zu finden seien. Dem wurde im Klageverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Zudem würde ein solches Bewertungsverfahren allein dazu führen, dass im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Seitenzahl die erforderliche Chancengleichheit zwischen dem Kläger und den anderen Teilnehmern an der Hausarbeit hergestellt würde. Es wäre nicht zu beanstanden, wenn zusätzlich zu der Nichtbewertung der letzten drei Seiten der Hausarbeit der Formverstoß mit negativer Gewichtung in die Gesamtbewertung einbezogen würde.

Somit wäre auch bei der von der Klägerseite vorgeschlagenen alternativen Korrektur der Hausarbeit eine Bewertung mit der Note „ungenügend“ nicht außerhalb des Beurteilungsspielraums.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 26. Okt. 2017 - AN 2 K 17.00008

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 26. Okt. 2017 - AN 2 K 17.00008

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 26. Okt. 2017 - AN 2 K 17.00008 zitiert 5 §§.

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 23. Mai 2012 - 6 C 8/11

bei uns veröffentlicht am 23.05.2012

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr der Beklagte das Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung mitteilte.

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr der Beklagte das Nichtbestehen der ersten juristischen Staatsprüfung mitteilte.

2

Die Klägerin legte im Jahre 2001 ohne Erfolg die erste juristische Staatsprüfung ab. In der Wiederholungsprüfung fertigte sie eine Hausarbeit und vier Aufsichtsarbeiten an. Die Bewertung dieser Arbeiten führte insgesamt zu einer Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung nicht ausreichte. Das Justizprüfungsamt teilte der Klägerin deshalb mit Bescheid vom 3. Mai 2005 mit, sie habe die Prüfung nicht bestanden. Die Klägerin legte Widerspruch ein, mit dem sie Einwendungen gegen die Bewertung sowohl der Hausarbeit als auch der vier Aufsichtsarbeiten erhob. Auf diesen Widerspruch hob das Justizprüfungsamt durch Bescheid vom 24. April 2006 den Bescheid vom 3. Mai 2005 auf: Die Klägerin habe zu Recht gerügt, dass die Aufgabenstellung der Hausarbeit zu umfangreich sei. Sie sei deshalb zur Anfertigung einer neuen Hausarbeit zuzulassen. Ihre Einwände gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten seien indessen unbegründet. Die Klägerin fertigte erneut eine Hausarbeit an, erreichte aber mit deren Bewertung unter Einschluss der zuvor geschriebenen Aufsichtsarbeiten wiederum nicht die Punktzahl, die für das Bestehen der Prüfung erforderlich ist. Mit Bescheid vom 24. Januar 2007 teilte ihr der Beklagte erneut das Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung mit. Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2007 zurück.

3

Die Klägerin hat Klage erhoben, zu deren Begründung sie die Bewertung sowohl der weiteren Hausarbeit als auch der ursprünglich angefertigten Aufsichtsarbeiten angegriffen hat.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Klägerin durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Hinsichtlich der Hausarbeit sei die Klägerin mit ihren Einwendungen zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits deswegen teilweise ausgeschlossen, weil es insoweit an einer rechtzeitigen Rüge fehle. Die Einwendungen der Klägerin beträfen durchgängig materielle Bewertungs- und Korrekturfehler, die sie im Gegensatz zu Verfahrensfehlern auch ohne vorherige Rüge gerichtlich geltend machen könne. Solche Fehler lägen aber der Sache nach nicht vor. Die von den beiden Korrektoren herangezogenen Anforderungsmaßstäbe lägen innerhalb ihres gerichtlich nicht überprüfbaren prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums. Soweit die Klägerin die Neubewertung ihrer Aufsichtsarbeiten beanspruche, sei sie mit diesem Begehren im gerichtlichen Streitverfahren ausgeschlossen. Dies könne zwar entgegen dem erstinstanzlichen Urteil nicht damit begründet werden, dass der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen sei. Die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen sei kein abtrennbarer, isoliert bestandskraftfähiger Teil des Prüfungsbescheides. Gleichwohl habe die Klägerin aber insoweit keinen schutzwürdigen Rechtsanspruch auf eine gerichtliche Überprüfung. Aus der Einheit der Prüfung folge, dass die Bewertungen derjenigen Einzelleistungen, gegen die der Kandidat innerhalb der Rechtsmittelfristen keine Einwände erhebe, als feststehende Berechnungsgrundlage in den neuerlichen Prüfungsbescheid einflössen. Der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe die Fortsetzung des Prüfungsverfahrens nur im Hinblick auf die Hausarbeit zugestanden. Die Noten der Aufsichtsarbeiten hingegen habe die Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Rechtsmittelfrist gelten lassen.

5

Ihre vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision hat die Klägerin im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Hausarbeit sei in ihrer Aufgabe 1 c) mehrdeutig, widersprüchlich, nicht verständlich und deshalb faktisch nicht lösbar. Soweit sie Einwände gegen die Aufsichtsarbeiten geltend mache, sei sie mit diesen Einwänden nicht präkludiert. Eine solche Präklusion ergebe sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Bestandskraft. Die Bewertungen von Aufsichtsarbeiten seien keine Teilverwaltungsakte und deshalb als solche nicht der Bestandskraft fähig. Etwas anderes gelte nicht mit Blick auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. April 2006. Hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten treffe dieser Bescheid keine rechtskraftfähige Versagungsregelung, sondern erschöpfe sich in einer Nichtstattgabe, die als solche nicht habe in Bestandskraft erwachsen können. Mangels Regelungscharakters könne der Widerspruchsbescheid insoweit nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze der materiellen Rechtskraft von Bescheidungsurteilen in Bestandskraft erwachsen. Sie habe ihr Klagerecht nicht verwirkt.

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Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2010 und des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2009 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2007 und seinen Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2007 aufzuheben

sowie dem Beklagten aufzugeben,

sie zur erneuten Anfertigung einer Examenshausarbeit zuzulassen, hilfsweise, ihre Examenshausarbeit nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,

sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Wahlpflichtfach nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten

und

die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Öffentliches Recht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten,

sie zur erneuten Anfertigung einer Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht zuzulassen, hilfsweise, die von ihr erstellte Aufsichtsarbeit im Fach Strafrecht nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.

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Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klägerin habe mit ihrem Widerspruch vom 26. Mai 2005 ausdrücklich die Bewertung der dort genannten Aufsichtsarbeiten angegriffen und so zum Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens gemacht. Mit seinem Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 habe er den Widerspruch der Klägerin insoweit beschieden, weil er in den Gründen näher ausgeführt habe, weshalb die geltend gemachten Bewertungsfehler der Aufsichtsarbeiten nicht vorlägen. Die damit erfolgte Zurückweisung der Bewertungsrügen zu den Aufsichtsarbeiten sei nachfolgend nicht durch eine spätere Widerspruchsbescheidung ersetzt worden. Es habe deshalb der Klägerin oblegen, vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 anzufechten. Da sie dies versäumt habe, sei dieser Bescheid in Bezug auf die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in Bestandskraft erwachsen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu Unrecht gehindert gesehen, die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Fächern Strafrecht und Öffentliches Recht sowie im Wahlpflichtfach zu überprüfen. Das Berufungsurteil verletzt insofern das Grundrecht der Klägerin aus Art. 19 Abs. 4 GG und mithin revisibles Recht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (unten 1.). Hingegen ist das Berufungsurteil hinsichtlich der Würdigung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (unten 2.). Da der Senat die zur Überprüfung der Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten notwendige Tatsachenwürdigung nicht selbst vornehmen kann, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

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1. Akte öffentlicher Gewalt, gegen die der hierdurch belastete Bürger gerichtlich vorgeht, sind grundsätzlich vom Gericht umfassend, d.h. unter Berücksichtigung sämtlicher sie tragender rechtlicher und tatsächlicher Gründe, daraufhin zu überprüfen, ob sie dessen Rechte verletzen. Diese Maßgabe gilt auch, wenn ein Prüfling sich gegen einen Prüfungsbescheid wendet, mit dem in sein Grundrecht auf Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen wird. Unerheblich ist hierbei, dass dem Rechtsschutzinteresse des Prüflings regelmäßig am besten durch Erhebung einer Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage statt durch Erhebung einer Anfechtungsklage gedient ist. Die vom Prüfling erstrebte, auf Neubewertung oder Wiederholung von Prüfungsleistungen gerichtete Bescheidung wird vom Gericht nur ausgesprochen, soweit die bisherigen Bewertungen sich als rechtsfehlerhaft erweisen. Insofern schließt das Bescheidungsbegehren ein Anfechtungsbegehren ein (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, S. 305 Rn. 828). Wird Letzteres nicht isoliert verfolgt, folgt hieraus kein stichhaltiger Grund, den gerichtlichen Kontrollumfang im Ansatz abweichend zu bemessen.

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Klammert ein Gericht von vornherein die Bewertungen einzelner Prüfungsleistungen und mithin tragende Gründe des Verwaltungshandelns, gegen das der Prüfling vorgeht und von dessen Rechtmäßigkeit der Erfolg seiner Bescheidungsklage abhängt, von der Überprüfung aus und behandelt sie als unabänderlich feststehend, so verkürzt dies den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Anspruch des Prüflings auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Dies bedarf zu seiner Rechtmäßigkeit einer den Anforderungen dieser Norm genügenden Rechtfertigung. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen hat, die Klägerin könne die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten im Klageverfahren gegen den Prüfungsbescheid vom 24. Januar 2007 nicht mehr angreifen. Mit diesem Prüfungsbescheid wurde der Klägerin neben der Bewertung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit als abschließendes Ergebnis des Prüfungsverfahrens mitgeteilt, sie habe die erste juristische Staatsprüfung nicht bestanden. Dieses Ergebnis ergab sich unter anderem aufgrund der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten, auch wenn der Beklagte auf diese in der Begründung des Bescheids nicht gesondert eingegangen ist. Eine rechtliche Grundlage dafür, dass diese Bewertungen von der gerichtlichen Überprüfung des Bescheids ausgenommen worden sind, ist nicht ersichtlich.

12

a) Der Senat hält ein Unterlassen der Überprüfung der Bewertung von Prüfungsleistungen im gerichtlichen Verfahren insoweit im Regelfall für zulässig, als ein Prüfling dort die Bewertung nicht durch Erhebung substantiierter Einwendungen in Frage stellt und damit eine Verletzung seiner Rechte nicht geltend macht (Urteil vom 16. März 1994 - BVerwG 6 C 5.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 329 S. 9). Im vorliegenden Fall hat allerdings, wie auch der Beklagte nicht in Abrede stellt, die Klägerin die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten in den Vorinstanzen mit substantiierten Einwendungen angegriffen.

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b) Eine gerichtliche Überprüfung findet nicht statt, soweit es sich bei einem angegriffenen Verwaltungshandeln um einen in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsakt handelt. Das Institut der Bestandskraft, das sich aus dem Ziel der Rechtssicherheit rechtfertigt und im Verwaltungsprozessrecht über die Normierung von Widerspruchs- und Klagefristen für Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren im Näheren ausgestaltet wird, ist mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar (BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 <269>). Allerdings stellen die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten der Klägerin keine Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG dar und sind somit der Bestandskraft nicht fähig.

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aa) Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass die Benotungen einzelner Prüfungsleistungen regelmäßig keine selbständige rechtliche Bedeutung haben, sondern lediglich eine Grundlage der behördlichen Entscheidung über das Bestehen und Nichtbestehen der Prüfung bilden, die ihrerseits eine rechtliche Regelung enthält und daher den Verwaltungsakt darstellt, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. Beschluss vom 25. März 2003 - BVerwG 6 B 8.03 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 404 S. 60; Urteil vom 16. März 1994 a.a.O. S. 8 f.). Ferner hat der Senat hervorgehoben, dass der Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung in der jeweiligen Prüfungsordnung aufgrund einer besonderen Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens eine selbständige rechtliche Bedeutung zuerkannt sein kann (Beschluss vom 25. März 2003 a.a.O. S. 60 f.). Der vorliegende Fall gibt dem Senat Gelegenheit zu der Klarstellung, dass die Frage, ob einer Einzelnote Regelungsqualität im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG zukommt, ausschließlich anhand der jeweiligen Prüfungsordnung zu klären ist. Fehlen dort ausdrückliche Festlegungen, ist sie mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden zu beantworten. Das Bundesrecht enthält diesbezüglich - vom Ausnahmefall bundesrechtlich normierter Prüfungsverfahren abgesehen - keine Vorgaben, auch nicht im Sinne einer hilfsweise anzuwendenden Vermutungsregel, wonach "im Zweifel" von einer fehlenden selbständigen Regelungsqualität von Einzelnoten auszugehen wäre. Für solche Vorgaben ist ein bundesrechtlicher Geltungsgrund nicht ersichtlich. Er ergibt sich insbesondere nicht aus der bundesrechtlichen Normierung der Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 VwVfG, die auch den verwaltungsprozessualen Bedeutungsgehalt des Begriffs prägt und über § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zur Revisibilität wortlautgleicher landesverfahrensrechtlicher Bestimmungen führt. Ob ein Verwaltungshandeln diese Begriffsmerkmale erfüllt, kann nicht der Regelung in § 35 Satz 1 VwVfG selbst, sondern nur dem jeweils einschlägigen Fachrecht entnommen werden, unbeschadet des Umstands, dass dessen Auslegung sodann für die Anwendung des bundesrechtlichen Begriffs des Verwaltungsakts bestimmend wird (vgl. Beschluss vom 27. April 1976 - BVerwG 7 B 6.76 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 74 S. 40).

15

Allerdings muss die Ausgestaltung prüfungsrechtlicher Bestimmungen mit den bundesrechtlichen Vorgaben aus Art. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein. Von daher wird der Normgeber im Prüfungsrecht, sofern er Einzelbenotungen als selbständige, der Bestandskraft fähige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG auszugestalten beabsichtigt, jenseits von prozessökonomischen Aspekten zu erwägen haben, ob die sich hieraus für den Prüfling in prozessualer Hinsicht ergebenden Obliegenheiten verhältnismäßig wären.

16

bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil nicht aufgezeigt, dass die Bewertungen einzelner Aufsichtsarbeiten in der ersten juristischen Staatsprüfung nach dem einschlägigen Prüfungsrecht des Landes Hessen als selbständige Regelungen im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG ausgestaltet wären, sondern ist davon ausgegangen, dass ihnen diese Qualität abgeht. Der Senat sieht keine Veranlassung, diesem Befund entgegenzutreten.

17

c) Die Aufsichtsarbeiten der Klägerin durften nicht deshalb von der gerichtlichen Überprüfung des Prüfungsbescheids vom 24. Januar 2007 ausgenommen werden, weil der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2006 eine dies ergebende Regelung getroffen hätte, die ihrerseits dadurch in Bestandskraft erwachsen wäre, dass die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist Klage erhoben hat.

18

aa) Dies folgt im vorliegenden Fall schon daraus, dass ein entsprechender Regelungswille des Beklagten - so er denn subjektiv bestanden hätte - für die Klägerin nicht erkennbar geworden ist. Ob die Maßnahme einer Behörde die Merkmale eines Verwaltungsakts erfüllt, insbesondere eine für den Betroffenen verbindliche, zur Rechtsbeständigkeit führende Regelung bilden soll, ist danach zu beurteilen, wie der Empfänger sie unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (Urteile vom 20. November 1990 - BVerwG 1 C 8.89 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 7 S. 6 und vom 17. August 1995 - BVerwG 1 C 15.94 - BVerwGE 99, 101 <103> = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 14 S. 47; vgl. auch Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 12. Aufl. 2011, § 35 Rn. 54 m.w.N.). Die Klägerin musste aufgrund des Widerspruchsbescheids nicht davon ausgehen, dass der Beklagte mit diesem eine verbindliche, die verwaltungsprozessuale Klagefrist in Lauf setzende verbindliche Entscheidung des Inhalts treffen wollte, wonach hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten das Prüfungsverfahren beendet sei und ein Recht der Klägerin auf Neubewertung oder Neuanfertigung ihrer Aufsichtsarbeiten nicht bestehe. Zwar werden in der Begründung des Bescheids die Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten als sachlich nicht zutreffend beurteilt und ist hier davon die Rede, ihr Widerspruch sei "als unbegründet zurückzuweisen". Auf der anderen Seite hat der Widerspruchsbescheid im Tenor den ursprünglichen Prüfungsbescheid vom 3. Mai 2005 vollumfänglich aufgehoben, keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten und die Kostenlast vollständig dem Beklagten auferlegt. Zudem wird in seiner Begründung das Urteil des Senats vom 16. März 1994 (a.a.O.) erwähnt, welches - wie dargelegt - unter anderem den Hinweis enthält, dass der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen im Regelfall die Verwaltungsaktqualität und damit die Bestandskraftfähigkeit abgeht. In Anbetracht dieses Gesamtbildes war aus der Empfängerperspektive nicht darauf zu schließen, dass der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten - über die Mitteilung hinausgehend, dass deren Bewertung nicht zu beanstanden und von behördlicher Seite daher nichts zu veranlassen sei - eine rechtsverbindliche Entscheidung über das Nichtbestehen eines Anspruchs auf erneute Bewertung bzw. Prüfungswiederholung herbeiführen wollte, gegen die zur Vermeidung eines Verlusts des gerichtlichen Überprüfungsanspruchs innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO Klage zu erheben gewesen wäre.

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bb) Eine solche Regelung zu treffen wäre dem Beklagten auch verwehrt gewesen.

20

(1) Stünde der Prüfungsbehörde im Rahmen einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung, mit der dem Begehren des Prüflings nach Neubewertung bzw. Prüfungswiederholung hinsichtlich einzelner Prüfungsleistungen entsprochen wird, die Befugnis zu, hinsichtlich der Bewertungen der übrigen Prüfungsleistungen abschlägige, eigenständig bestandskraftfähige Entscheidungen zu treffen, würde die materiell-rechtliche Festlegung, wonach Einzelbewertungen eine selbständige Regelungsqualität abgeht, im praktischen Ergebnis ebenso wie der prozessrechtliche Befund unterlaufen, dass das Institut der Bestandskraft an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpft. Die Einzelbewertungen würden auf diese Weise einen ähnlichen materiell-rechtlichen und prozessrechtlichen Status erlangen wie Regelungen, welche die Begriffsmerkmale des § 35 Satz 1 VwVfG erfüllen. Dies hätte zur Folge, dass über das Ergebnis ein- und derselben Prüfung unter Umständen unterschiedliche Verwaltungsstreitverfahren zu führen wären.

21

(2) Eine solche Befugnis ergibt sich nicht aus der Bestimmung in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, die im Falle einer gespaltenen gerichtlichen Entscheidung über die Begründetheit von Einwendungen gegen verschiedene Prüfungsbewertungen zu der Konsequenz führt, dass eine im Bescheidungsurteil kundgetane Rechtsauffassung, wonach einzelne dieser Prüfungsleistungen rechtsfehlerfrei bewertet worden sind, in Rechtskraft erwachsen kann. Eine vergleichbare Vorschrift hat der Gesetzgeber für das Widerspruchsverfahren nicht erlassen. Gegen eine entsprechende Anwendung von § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO im Widerspruchsverfahren sprechen bereits in grundsätzlicher Hinsicht die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen von gerichtlicher und widerspruchsbehördlicher Entscheidungstätigkeit. Die Vorschrift trägt dem Erfordernis der Wahrung von Entscheidungsprärogativen der Exekutive insbesondere in Fällen administrativer Ermessens- und Beurteilungsspielräume Rechnung und damit einem Gesichtspunkt, der sich auf das Verhältnis zwischen Widerspruchs- und Ausgangsbehörde in aller Regel nicht übertragen lässt. Hinzu kommt, dass der Verlust des Anspruchs auf (weitere) gerichtliche Überprüfung grundrechtlich schwerer wiegt, wenn er bereits im vorprozessualen Stadium eintritt. Die Frage, ob § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO in bestimmten Konstellationen dennoch einer entsprechenden Anwendung im Widerspruchsverfahren zugänglich ist, bedarf im vorliegenden Verfahren indes keiner abschließenden Klärung. Jedenfalls muss eine solche Anwendung dann ausscheiden, wenn sie - wie hier - die Maßgabe des Normgebers im Prüfungsrecht leerlaufen ließe, wonach Einzelbewertungen keine selbständige Regelungsqualität zukommt. Mit dieser Maßgabe ist die weitergehende konzeptionelle Vorstellung verknüpft, dass der gerichtliche Rechtsschutz auf den abschließenden Prüfungsbescheid zu konzentrieren ist und - als Kehrseite hiervon - dass für den Prüfling keine Obliegenheit bestehen soll, parallel zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens bereits Verwaltungsstreitverfahren betreiben zu müssen, sofern er sich mit dem abschlägigen Teil einer gespaltenen Widerspruchsentscheidung nicht zufrieden gibt. Dieses Konzept zu relativieren, ist dem Normgeber vorbehalten.

22

d) Eine Verwirkung des Anspruchs der Klägerin auf gerichtliche Überprüfung der Bewertungen ihrer Aufsichtsarbeiten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hiergegen ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nichts zu erinnern.

23

2. Soweit die Klägerin die Unbestimmtheit der Aufgabenstellung ihrer neuerlich angefertigten Hausarbeit einwendet, kann sie hiermit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben. Der Senat ist an die Würdigung des Berufungsgerichts, wonach die Bewertungsbegründungen von Erst- und Zweitprüfer keine auf eine Unbestimmtheit der Frage 1 c) hindeutenden Verständnisunterschiede offenbaren würden, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 S. 275 f., vom 21. Oktober 1993 - BVerwG 6 C 12.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 320 S. 309, vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396 S. 28 und vom 19. Dezember 2001 - BVerwG 6 C 14.01 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400 S. 38). Verfahrensrügen hat die Klägerin weder hiergegen noch in anderer Hinsicht erhoben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.