Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 28. Jan. 2014 - 4 K 12.00777
Gericht
Tenor
1. Soweit das Verfahren für die Vergangenheit für erledigt erklärt wurde, wird es eingestellt.
Im Übrigen wird der Bescheid des Beklagten vom 29. September 2009 in der Fassung des Bescheids vom 16. Juni 2010 aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist in Ziffer 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die auf das Gebiet des Freistaats Bayern beschränkte Untersagung von Glücksspielwerbung im Internet. Die Klägerin ist ein in Wien (Österreich) ansässiges Tochterunternehmen der europäischen Handballföderation und Betreiberin der (englischsprachigen) Internet-Seite www...com. Auf dieser Internetseite, die Informationen zur Sportart Handball bietet, befindet sich eine sogenannte Banner-Werbung für „...com“ mit einer Verlinkung zum dortigen Glücksspielangebot, das neben Sportwetten auch Casinospiele und Poker umfasst.
Nach einer mit Schreiben vom 21. September 2009 erfolgten Anhörung untersagte die Regierung von Mittelfranken der Klägerin mit Bescheid vom 29. September 2009 im Internet für öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) zu werben, soweit die Werbung vom Gebiet des Freistaates Bayern aus abrufbar ist (Ziffer 1 des Bescheides) und drohte ihr für den Fall der Zuwiderhandlung nach dem Ablauf des vierten Tages nach dem Tag der Zustellung des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,00 Euro an (Ziffer 2 des Bescheides). Für den Bescheid wird eine Gebühr von 1.500,00 Euro erhoben.
Zur Begründung wurde im Bescheid ausgeführt, unter der Marke ... würden öffentliche Glücksspiele im Internet veranstaltet oder vermittelt, für die nach § 5 Abs. 3 GlüStV jegliche Werbung im Internet verboten sei. Solche Werbung im Internet stelle auch eine Bannerwerbung mit oder ohne Hyperlinks dar wie auf der Internetseite der Klägerin www....com vorhanden. Die Untersagung nach Ziffer 1 gelte sowohl in Fällen, in denen der Werbetreibende Glücksspiele im Sinn von § 3 GlüStV selbst veranstalte, also auch in Fällen, in denen er Glücksspiele im Sinn von § 3 GlüStV lediglich vermittle. Für die Untersagung nach Ziffer 1 sei nicht von Bedeutung, ob die Veranstaltung oder Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen im Sinn von § 3 GlüStV erlaubt oder unerlaubt erfolge. Dies sei lediglich dafür bedeutsam, ob auch noch ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 GlüStV vorliege. Das Verbot des § 5 Abs. 3 GlüStV gelte auch dann, wenn eine Teilnahmemöglichkeit in Bayern bestehe, das Glücksspiel aber außerhalb Bayerns veranstaltet oder vermittelt werde. Denn die in § 5 GlüStV normierten Werbebeschränkungen, insbesondere auch § 5 Abs. 3 GlüStV, gelten sogar für öffentliche Glücksspiele im Sinn von § 3 GlüStV, die rechtmäßig im Ausland veranstaltet würden, weil keine - die Erlaubnispflicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV auslösende - Teilnahmemöglichkeit im Inland bestehe, wie etwa bei ausländischen Spielbanken. Wie die Klägerin die auf Bayern beschränkte Untersagungsanordnung umsetze, stehe in ihrem eigenen Ermessen. Neben der vollständigen Einstellung der Werbung könnte die Klägerin also auch z. B. ein zuverlässiges technisches Internet Geolokalisierungsverfahren installieren, das den Ausschluss der Abrufbarkeit der Werbung vom Gebiet des Freistaates Bayern aus sicherstelle. Die Untersagungsanordnung sei verhältnismäßig wie ermessensgerecht, der Glücksspielstaatsvertrag sei auch verfassungsgemäß und europarechtskonform. Die Androhung des Zwangsgeldes sei notwendig und dessen Höhe angemessen, die Umsetzungsfrist im Bescheid ausreichend und die festgesetzte Gebühr angemessen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. Oktober 2009 (Eingang bei Gericht) Klage, die zunächst unter dem Az. AN 4 K 09.01866 erfasst wurde.
Zugleich beantragte die Klägerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 29. September 2009 und trug zur Begründung vor, der vorliegende Fall unterscheide sich von anderweitigen Verfahren mit vergleichbarer Thematik schon dadurch, dass hier erstmalig einem ausländischen Internet-Marketing-Unternehmen untersagt werde, Werbung für ein wiederum in einem anderen ausländischen EU-Mitgliedsstaat ansässiges Sportwettenveranstaltungsunternehmen zu betreiben, obgleich die Internet-Seite lediglich in englischer Sprache abgefasst sei und überhaupt keinen Bezug zu deutschem oder bayerischem Publikum bestehe. Abgesehen von der schon nicht bestehenden technischen Möglichkeit, die Untersagungsverfügung umzusetzen, fehle es an der Verhältnismäßigkeit der Untersagung sowie bereits an der Zuständigkeit der Regierung von Mittelfranken. Im Übrigen sei Ziffer 1 des Bescheides, der pauschal die Werbung im Internet für öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV untersage, zu unbestimmt. Die Verfügung verstoße auch gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht.
Auch die vom Beklagten eingeräumte Frist von lediglich vier Tagen sei unangemessen kurz und könne nicht befolgt werden. Selbst wenn man eine Geolokalisationstechnik installieren wollte, nähme dies mindestens 14 Tage in Anspruch.
Rechtsfehlerhaft sei auch die für die Verfügung erhobene Gebühr in Höhe von 1.500,00 Euro.
Der Beklagte trug im damaligen Verfahren mit dem Az. AN 4 S 09.01870 zur Begründung seines Ablehnungsantrages vor, die auf der von der Klägerin betriebenen Internet-Seite befindliche Werbung bewerbe nicht nur das Glücksspielprodukt „Sportwette“, sondern das gesamte Glücksspielportfolio der Marke ... Die Klägerin könne sich im Übrigen nicht darauf berufen, dass sie ihren Sitz in Österreich habe, der Server sich in Österreich befinde und die Seite in englischer Sprache gehalten sei. Bei dieser Thematik handele es sich nicht um eine Frage der Zuständigkeit oder der Verbandskompetenz, vielmehr gehe es allenfalls um eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Abgesehen davon, dass eine Internet-Geolokalisation nach Nationalstaaten als möglich anzusehen sei und von Glücksspielanbietern - z. B. ... - derzeit auch praktiziert werde, stelle sich allenfalls die Frage, ob im Ausnahmefall die Einstellung des Angebots deshalb als unzumutbar angesehen werden müsse, weil die mittelbaren faktischen Auswirkungen auf die Abrufbarkeit im Ausland derart gravierend seien, dass die auf Bayern beschränkte Untersagungsanordnung als unverhältnismäßig anzusehen sei. Ein solcher Ausnahmetatbestand könne allenfalls dann möglicherweise denkbar sein, wenn eine Internet-Seite in keiner Weise an den deutschen Markt gerichtet sei. Wenn aber eine Internet-Seite jedenfalls auch für deutsche und damit auch für bayerische Internet-Nutzer potentiell von gewissem Interesse sei, könne von vorn herein die Unverhältnismäßigkeit einer auf Bayern beschränkten Untersagungsanordnung nicht in Betracht kommen. Durch den Sitz des Seitenanbieters im Ausland könne sich ein Internet-Angebot nicht der Geltung des deutschen Rechts entziehen.
Die im Bescheid gesetzte Erfüllungsfrist (in concreto bis zum Ablauf des 6.10.2009) sei wesentlich länger als rechtlich geboten. Ein sehr schnell (innerhalb weniger Minuten) und ohne Mühe realisierbarer Weg, der Untersagungsanordnung nachzukommen, würde die vollständige Entfernung der Glücksspielwerbung sein. Selbstverständlich stehe es der Klägerin aber auch frei, etwa die Internet-Geolokalisationstechnik einzusetzen. Der für eine Umsetzung des Bescheides mittels Internet-Geolokalisationstechnik erforderliche Zeitaufwand brauche bei der Bemessung der Frist jedoch nicht berücksichtigt zu werden.
Auch die Gebührenfestsetzung sei rechtmäßig. Die festgesetzte Gebühr von 1.500,00 Euro liege im untersten Fünfzehntel des vorgegebenen Gebührenrahmens. Der bayerische Landesgesetzgeber habe sowohl positive als auch negative Auswirkungen der Amtshandlung für die Gebührenhöhe für relevant erklärt.
Mit Beschluss der Kammer vom 27. Oktober 2009 wurde die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. Oktober 2009 gegen den Bescheid vom 29. September 2009 angeordnet. In der Begründung führte die Kammer aus, es bestünden nach summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der unter Ziffer 1 dieses Bescheids verfügten Untersagungsanordnung, während die unter Ziffer 2 des Bescheids gesetzte Vier-Tages-Frist aller Voraussicht nach rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze.
Die hiergegen vom Beklagten eingelegte Beschwerde wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 19. Mai 2010 (10 CS 09.2672) zurückgewiesen.
Mit Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 16. Februar 2010 wurde sodann die Ziffer 2 des Bescheids vom 29. September 2009 aufgehoben und Ziffer 1 dahingehend ergänzt, dass der Klägerin nach dem Ablauf von sechs Wochen ab dem Tag der Bekanntgabe dieses Bescheids untersagt werde, im Internet für öffentliches Glücksspiel i. S. v. § 3 GlüStV zu werben, soweit die Werbung vom Gebiet des Freistaats Bayern aus abrufbar sei.
Mit Beschluss der Kammer vom 4. November 2011 (AN 4 S 11.02056) wurde sodann auf Antrag des Beklagten der Beschluss der Kammer vom 27. Oktober 2009 abgeändert und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kammer habe bei summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung, die Bedenken hinsichtlich der Fristsetzung seien durch die mit Bescheid vom 16. Juni 2010 verfügten Änderungen ausgeräumt.
Zur Begründung der Klage führte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten insbesondere mit Schriftsätzen vom 2. Oktober 2009, 10. Mai 2012, 3. September 2012, 15. Oktober 2012, 14. Oktober 2013 sowie 16. Januar 2014 im Wesentlichen aus, das unter dem Lotterie-Staatsvertrag bestehende staatliche Wettmonopol habe im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2007 die unionsrechtliche Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verletzt, in diesem Zeitraum dürften die Monopolregelungen wegen des Unionsrechtsverstoßes auch nicht übergangsweise angewendet werden. Das unter dem Glücksspielstaatsvertrag a. F. bis zum 30. Juni 2012 bzw. bis zum 30. November 2012 bestehende staatliche Sportwettenmonopol verletze die unionsrechtliche Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit und dürfe ebenfalls nicht übergangsweise angewandt werden. Diese Unionsrechtswidrigkeit ergebe sich aus der Inkohärenz des staatlichen Sportwettenmonopols aufgrund der seinen (vorgeblichen) Zielen widersprechenden Werbepraxis, die die verfassungs- und unionsrechtlich unzulässigen fiskalischen Interessen belege. Diese Inkohärenz ergebe sich auch aus der Werbung des Monopolträgers für andere Monopolangebote als die Sportwetten und darüber hinaus auch aus der vom deutschen Lotto- und Toto-Block koordinierten, von den Monopolträgern landesübergreifend abgestimmten Werbung. Weiter sei in Bezug auf das gewerbliche Automatenspiel zur Annahme einer Inkohärenz zu überprüfen, ob die dort bestehende Politik zur Folge habe, dass das Monopol nicht mehr wirksam zum Erreichen der mit ihm verfolgten Ziele beitragen könne. Eine wegen der Anwendung der rechtswidrigen Monopolregelung ermessensfehlerhafte Untersagung unerlaubter Sportwettenvermittlung könne nicht rückwirkend durch ein Nachschieben monopolunabhängiger Ermessensentscheidungen geheilt werden. Die Grenzen erlaubter Werbung unterlägen keiner Dynamik und seien auch nicht abhängig vom Suchtpotenzial des jeweils beworbenen Produkts. Schließlich sei eine Werbung strikt untersagt, die sich an potenzielle Kunden richte, also an solche, die bisher nicht zum Glücksspiel entschlossen seien. Die Unzulässigkeit der Werbung durch staatliche Anbieter führe zur Unanwendbarkeit der entsprechenden Normen, dies gelte gerade für das hier betroffene Werbeverbot, so dass dieses ebenfalls unionsrechtswidrig und damit nicht anwendbar sei. Denn wenn seitens der Landeslotteriegesellschaften über Jahre und bis heute unzulässig geworben werde und die Behörden dies nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts auch noch geduldet hätten, sei natürlich gerade das Werbeverbot nicht mehr anwendbar, wie auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schon festgestellt habe.
Daraus ergebe sich weiter, dass die Behörde ihre Ermessenserwägungen nicht austauschen dürfe und könne, da heute eine völlig veränderte Rechtslage bestehe. Es gebe nämlich kein Monopol für Sportwetten mehr, ein neues Erlaubnisverfahren beim Hessischen Innenministerium laufe und sei immer noch nicht abgeschlossen, an dem sich die Fa. ...com Internet Ltd. erfolgreich beteilige, diese als Werbepartner der Klägerin verfüge zwischenzeitlich auch noch über Erlaubnisse in Schleswig-Holstein, wonach sie übrigens auch werben dürfe, deshalb müsste der Beklagte seine Ermessenserwägungen vollständig austauschen, falls er an der Verfügung festhalten wolle. Abgesehen davon, dass dies bis heute nicht geschehen sei, wäre es nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht mehr möglich. Schließlich sei nach neuer Rechtslage auch eine offensichtliche Erlaubnisfähigkeit des Wettanbieters gegeben.
Schließlich habe die Regierung von Mittelfranken mit der gegenständlichen Verfügung der Klägerin nicht nur untersagt, nach Ablauf einer Frist von vier Wochen ab Zustellung des Bescheids im Internet nicht mehr für Glücksspiel der Marke ... werben zu dürfen, sondern jegliche Bewerbung für öffentliches Glücksspiel im Internet untersagt. Dies bedeute, dass die Klägerin danach weder für einen privaten Wettanbieter noch für eine staatliche Lotteriegesellschaft oder sonst einen Glücksspielanbieter werben dürfe, wobei ein solches Verbot von Werbung im Internet heute nicht mehr bestehe. Das damals im Glücksspielstaatsvertrag a. F. enthaltene vollständige Internetveranstaltungs- und Werbeverbot bestehe inzwischen nicht mehr, weshalb auch deshalb die Verfügung nicht mehr aufrechterhalten könne und sich insbesondere die Ermessenserwägungen des Beklagten als rechtsfehlerhaft erwiesen.
Die Verfügung sei auch rechtswidrig, da das Verbot der Bewerbung von Glücksspielangeboten im Internet mit höherrangigem Recht, insbesondere Verfassungsrecht und europäischem Gemeinschaftsrecht, nicht in Einklang gestanden habe und bis heute nicht stehe. Die Regelung sei unverhältnismäßig, weil Behörden anderer deutscher Bundesländer die Bewerbung von Glücksspiel im Internet nicht untersagt hätten, weil Hunderte von Werbemaßnahmen unterschiedlichster Unternehmungen und Hunderte von Glücksspielseiten im Internet, insbesondere auch in Bayern, seit Jahren aufrufbar seien und eine wirksame Unterbindung weder tatsächlich noch rechtlich möglich gewesen sei. Auch sei eine solche Unterbindung durch die bayerischen und bundesweiten Aufsichtsbehörden nicht erfolgt, die Beklagte habe lediglich in Einzelfällen Verfügungen gegen unterschiedliche Wettanbieter erlassen, diese seien jedoch nicht vollstreckbar gewesen. Dies zeige, dass das ausgesprochene Verbot der Bewerbung von Glücksspielen im Internet faktisch nicht umgesetzt werden könne, weil den deutschen Behörden hierzu die nötigen tatsächlichen und rechtlichen Mittel fehlten, insbesondere ein Vollzug der Ordnungsbehörden gegen Tausende von ausländischen Unternehmen nicht möglich sei. Damit sei die Verfügung schon nicht geeignet, um ein entsprechendes Verbot durchzusetzen.
Weiter wurde unter Verweis auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Die Ordnungsverfügung sei aber auch deshalb rechtswidrig, weil sie allein tatsächlich und faktisch von der Klägerin nicht umgesetzt werden könnte und auch weil insbesondere die Frist von vier Wochen nicht ausreichend sei. Es sei technisch nicht möglich, eine Internetseite so zu gestalten, dass in einem einzelnen Bundesland die Werbung eines einzelnen Wettpartners für bayerische Bürger aus Bayern heraus nicht zu sehen sei, während die Werbung in anderen Bundesländern und außerhalb Deutschlands veröffentlicht werden dürfte. Dies sei auch unter Einsatz einer Geolokalisationstechnik nicht möglich. Nachdem in Schleswig-Holstein seit dem 1. Januar 2012 eine veränderte Gesetzeslage bestanden habe, die die damals erteilten Erlaubnisse für Glücksspiel im Internet, von denen eine auch an die Fa. ...com Internet Ltd. ergangen sei, sei ein Verweis auf die Möglichkeit einer deutschlandweiten Umsetzung des Werbeverbots nicht mehr ausreichend, da ja zumindest in Schleswig-Holstein wohl das Veranstalten von Sportwetten und Glücksspiel im Internet als auch die Werbung dafür ausdrücklich zulässig sei. Schließlich werde auf iPhones und iPads verwiesen, die fortlaufend in Autos und anderen Verkehrsmitteln über Landesgrenzen hin und her transportiert würden. Die unterschiedlichen Rechtslagen in einzelnen deutschen Bundesländern führten zudem ebenfalls zu einer inkohärenten Rechtslage. Solches ergebe sich auch aus den widersprechenden Regelungen einerseits im neuen Glücksspieländerungsstaatsvertrag bezüglich des Casinospiels, da die unter anderem ... vom Land Schleswig-Holstein erteilten Erlaubnisse weiterbestünden und damit eine inkohärente Rechtslage bestehe.
Auch sei jedenfalls seit dem 1. Juli 2012 und dem Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrags das bestehende Monopol für Sportwetten faktisch aufgehoben worden. Die Fa. ...com Internet Ltd. habe sich an dem durchgeführten Lizenzverfahren beteiligt und bisher alle Stufen erfolgreich abgeschlossen, sie sei auch vom Hessischen Innenministerium zur Vorstellung verschiedener Konzepte eingeladen worden, was nur bei Vorliegen der Mindestanforderungen in Bezug auf den jeweiligen Bewerber erfolge. Es sei auch von einer offensichtlichen Erlaubnisfähigkeit bezüglich der Fa. ... auszugehen, nachdem alle erdenklichen Gesichtspunkte wie Zuverlässigkeit, Liquidität und Sachkunde nachgewiesen worden seien. Dass das Lizenzverfahren in Hessen sich hinziehe und bis heute ein Ende nicht absehbar sei, könne nicht zum Nachteil der Klägerin gewertet werden.
Seit Mitte 2012 bestehe grundsätzlich weiterhin ein Werbeverbot im Internet nach § 5 Abs. 3 GlüStV, indes seien aber Ausnahmen davon zulässig. Da aber Voraussetzung für eine solche Ausnahme eine Lizenz sei und das Konzessionsverfahren gerade noch nicht abgeschlossen sei, könne im jetzigen Zeitpunkt eine Untersagungsverfügung nicht mehr auf § 5 Abs. 3 GlüStV gestützt werden. Schließlich gehe jede Untersagungsverfügung auf jeden Fall zu weit, wenn sie der Klägerin jegliche Werbung für Glücksspielprodukte im Internet untersage, selbst wenn diese Unternehmen hierfür heute eine Erlaubnis bekommen hätten. Es hätten inzwischen verschiedene Lotterieunternehmen wie Tipp 24 oder Lotto 24 und Faber Erlaubnisse zum Betrieb von Lotterien über das Internet und auch deren Bewerbung erhalten. Nach der gegenständlichen Verfügung dürfe die Klägerin auch für diese Unternehmen nicht werben, was zumindest ermessensfehlerhaft sei. Schließlich habe das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen vom 20. Juni 2013 (8 C 10.12, 8 C 12.12 und 8 C 17.12) das Sportwettenmonopol in Nordrhein-Westfalen für gemeinschaftswidrig erachtet und zum Ausdruck gebracht, dass die staatlichen Monopolträger allesamt systematisch zum Glücksspiel anreizend werben würden, was darauf hindeute, dass das Monopol nicht der Suchtbekämpfung, sondern im Wesentlichen fiskalischen Zwecken diene. Es sei dort festgestellt worden, dass sich Dauerverwaltungsakte für zurückliegende Zeiträume Tag für Tag erledigten, weshalb beabsichtigt sei, den Rechtsstreit jedenfalls für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2012, gegebenenfalls bis heute für erledigt zu erklären. Das Gericht werde insoweit im Verhandlungstermin um Hinweis gebeten, ob es ebenfalls von einer Erledigung für zurückliegende Zeiträume ausgehe. Die Kosten einer Entscheidung für die zurückliegenden Zeiträume bis zum 30. Juni 2012 hätte in jedem Fall der Beklagte zu tragen. Falls der Beklagte seine Untersagungsverfügung weiter aufrechterhalten wolle, wäre das Verfahren bezüglich eines für erledigt erklärten Zeitraums abzutrennen und in einem weiteren Verfahren zu untersuchen, ob die Behörde zu Recht den Austausch von Ermessenserwägungen in der Verfügung vorgenommen habe und sich diese nunmehr als rechtmäßig erweise oder nicht. Für zurückliegende Zeiträume sei jedenfalls ein Ausschluss von Ermessenserwägungen keinesfalls möglich, wie das Bundesverwaltungsgericht in den genannten Entscheidungen festgestellt habe. Auch der Versuch der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Dezember 2013, die Begründung der Verfügung auszutauschen oder zu ergänzen, sei unzulässig und rechtsfehlerhaft. Zum einen lasse sich in diesem Schreiben kein Austausch der Ermessenserwägungen feststellen. Denn hierfür wären absolut klarstellende Ausführungen der Behörde notwendig. Die formelle Illegalität erfülle den Tatbestand der Untersagungsermächtigung und eröffne damit nur das Ermessen, dessen Ausübung müsse sich daher nach anderen Kriterien richten. Ebenfalls sei ein rückwirkender Austausch der maßgeblichen Ermessenserwägungen nicht möglich. Eine konkrete Neuausübung des Ermessens unter Berücksichtigung der neuen Gesetzeslage lasse sich dem Schreiben vom 20. Dezember 2013 nicht klar und unmissverständlich entnehmen, auch werde der Verwaltungsakt nicht aufgehoben oder in seinem Wesen mit neuer Begründung verändert. Der Beklagte halte schlicht an der alten Verfügung fest, nehme keinerlei Veränderungen vor, wobei nicht einmal erkennbar sei, ob der hier versuchte Austausch von Ermessenserwägungen nunmehr nur für die Vergangenheit oder auch für die Zukunft erfolgen sollte.
Schließlich sei zu beachten, dass in nahezu allen deutschen Bundesländern weder gegen Internet-Wettanbieter noch gegen Internet-Casinoanbieter, noch gegen deren Werbepartner eingeschritten werde, mindestens seit dem 1. Juli 2012, jedenfalls aber seit dem Urteil des EuGH vom 8. September 2010. Für die Unternehmensgruppe ... seien lediglich in zwei Bundesländern Ordnungsverfügungen aufrechterhalten worden, in Bayern und in Nordrhein-Westfalen, wo gerade die einfluss- und umsatzstärksten Lotteriegesellschaften säßen. In allen anderen Bundesländern seien Ordnungsverfügungen aufgehoben oder für nicht mehr weiter vollziehbar erklärt worden. Die Kommission für die Zulassung und Aufsicht der Medienanstalten habe in einem Schreiben an den Verband privater Rundfunkveranstalter vom 26. September 2012 ausgeführt, dass vereinbart worden sei, in der Übergangszeit bis zur Konzessionierung von Glücksspielanbietern nach dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag und der darauf basierenden Erlaubnisse Werbung im Fernsehprogramm als zulässig zu bewerten und dagegen nicht einzuschreiten, sofern es sich um Glücksspielanbieter handele, die einen Bewerbungsantrag im Konzessionsverfahren gestellt hätten. In allen deutschen Bundesländern außerhalb Bayerns finde derzeit ein Vollzug gegen die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten und anderen Glücksspielprodukten der ...-Gruppe nicht oder nicht mehr statt, auch die Bewerbung der Produkte werde nicht mehr beanstandet. Es werde auch nicht eingeschritten gegen die bis dato nicht genehmigte Werbung anderer Wettanbieter, Casino- und Glücksspielbetreiber aus den unterschiedlichsten europäischen Ländern und die Werbung der Landeslotteriegesellschaft oder deren Vermittler in nahezu allen deutschen Bundesländern geduldet. Gleiches gelte für Werbemaßnahmen in den unterschiedlichen Fußballstadien. Es sei praktisch in jedem Stadion Werbung unterschiedlichster privater Wettveranstalter oder auch seitens des staatlichen Anbieters O. vorhanden.
Schließlich sei die Verwaltungsgebühr von 1.500,00 Euro in der Ordnungsverfügung rechtswidrig, weil sie unverhältnismäßig hoch sei, etwa im Vergleich zum Verfahren FC Schalke 04, wo die Behörde für eine nahezu inhaltsgleiche Verfügung 750,00 Euro erhoben habe. Keinesfalls werde diese Gebühr dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand gerecht, zumal die Behörde eine Vielzahl praktisch inhaltsgleicher Verfügungen erstellt habe. Dabei könne auch das wirtschaftliche Interesse der Klägerin und vermeintlich erzielbare Umsätze nicht Grundlage der Bemessung der Verwaltungsgebühr sein, abgesehen davon, dass sich daraus die unterschiedliche Gebührenhöhe in den genannten Verfahren nicht ergebe. Es werde auch auf die Gebührenfestsetzung im Verfahren der Fa. I. verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 29. September 2009 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 16. Juni 2010 aufzuheben.
Soweit durch den Bescheid vom 16. Juni 2010 die Ziffer 2 des Bescheids vom 29. September 2009 aufgehoben wurde, erklärte die Klägerin das Verfahren mit Schriftsatz vom 25. August 2010 für erledigt.
Die Beklagte stimmte mit Schreiben vom 30. August 2010 der teilweisen Erledigungserklärung zu und beantragte im Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird insbesondere mit Schriftsätzen vom 30. Mai 2012 und 20. Dezember 2013 ausgeführt, in Bezug auf die Werbung für die auf www...com rechtswidrigerweise durchgeführte Veranstaltung oder Vermittlung von Poker- und Casinospielen über das Internet sei keine Erlaubnismöglichkeit eingeführt worden, welche vom Beklagten zu berücksichtigen wäre. Soweit nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV n. F. eine Erlaubnismöglichkeit hinsichtlich Werbung für Sportwetten im Internet vorgesehen sei, so bleibe entsprechend der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2013 (8 C 15.12) eine Untersagung zur Gefahrenabwehr erforderlich, solange nicht offensichtlich sei, dass materielle Legalität vorliege oder jedenfalls mit Nebenbestimmungen gesichert werden könne. Für die Klägerin sei keine Werbeerlaubnis nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV erteilt worden, auch eine offensichtliche materielle Legalität sei zu verneinen. Gegen die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 sei Revision anhängig. Die Vorschrift des § 5 Abs. 3 GlüStV werde von der sogenannten Monopolrechtsprechung nicht berührt, da sie nicht monopolakkzessorisch sei. Sie sei vielmehr Teil der allgemeinen sicherheitsrechtlichen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und bedürfe einer Abgrenzung zu der unter Geltung des Monopols entwickelten Rechtsprechung. Die Untersagung sei verhältnismäßig, d. h. geeignet, erforderlich und angemessen, das Ziel der Einhaltung des Verbots des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV zu erreichen. Es liege insbesondere weder ein Fall rechtlicher noch tatsächlicher Unmöglichkeit vor. Wie die Klägerin die Verpflichtung aus der Untersagungsverfügung erfüllen wolle, sei ihr überlassen. Die der Fa. ...com Internet Ltd. erteilte schleswig-holsteinische Genehmigung für Online-Glücksspiele im Internet betreffe nicht den derzeitigen Internetauftritt dieser Firma, denn von Schleswig-Holstein würden nur Internetangebote mit top-level-Domain für Deutschland genehmigt. Das bedeute, dass Internetangebote, welche unter einer .com-Adresse geschaltet seien, auch in Schleswig-Holstein nicht erlaubt seien. Der Internetauftritt unter www...com/de, für den die Klägerin werbe, sei somit in keinem Bundesland erlaubt. Damit bleibe es bei der gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach auch eine Abschaltung des Angebots im gesamten Bundesgebiet zumutbar sei. Anders sei es erst, sobald sich das von der Klägerin beworbene Glücksspielangebot im Rahmen der von Schleswig-Holstein erteilten Genehmigung halte. Technisch und rechtlich wäre es aber auch möglich, durch die Implementierung eines geeigneten, dem jeweils aktuellen Stand der Technik entsprechenden Geolokalisationsverfahrens (einschließlich anderer Lokalisierungsverfahren wie insbesondere Mobilfunkortung) eine Spielteilnahme aus Bayern zu verhindern. Die Anbringung eines bloßen Rechtshinweises, dass Personen, die sich zum Zeitpunkt der Spielteilnahme in Bayern aufhielten, nicht teilnehmen dürften, sei ebenso wenig ausreichend wie die bloße Anfrage an den Spielteilnehmer nach seinem Aufenthaltsort.
Was die gemeinschaftsrechtliche Kohärenzprüfung angehe, so sei lediglich auf den Freistaat Bayern und nicht Deutschland oder andere Länder abzustellen. Die Kohärenz werde im Rahmen der Verhältnismäßigkeit geprüft. Ausgangspunkt sei dabei der den mitgliedsstaatlichen Gesetzgebern vom EuGH in ständiger Rechtsprechung zuerkannte Gestaltungs- und Wertungsspielraum. Den Inhalt des Kohärenzgebotes habe das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 11. Juli 2011 (8 C 12/10) so beschrieben, dass der Mitgliedsstaat die Gemeinwohlziele, denen die Regelung dienen und die diese legitimieren sollten, im Anwendungsbereich der Regelung auch tatsächlich verfolgen und nicht in Wahrheit etwas anderes anstreben dürfe. Die in Rede stehende Regelung dürfe nicht durch die Politik in anderen Glücksspielsektoren konterkariert werden. Sachlich gehe der EuGH nicht von einem Erfordernis der Gesamtkohärenz aus, sondern lasse für jeden Bereich des Glücksspiels grundsätzlich eine gesonderte Prüfung zu. Unterschiedliche Arten von Glücksspielen könnten unterschiedliche Regelungen rechtfertigen, das Kohärenzgebot sei kein Uniformitätsgebot. In Deutschland sei angesichts der Eigenständigkeit der Länder und der bundesstaatlichen Gliederung nicht etwa ein bundesweites Sportwettenmonopol der Länder vorhanden, sondern es existierten auf Basis des Glücksspielstaatsvertrags landesrechtliche Sportwettenmonopole der einzelnen Länder. Die pauschale Betrachtung der Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland verbiete sich demgemäß. Dies sei auch bei der Auslegung der EuGH-Rechtsprechung zu berücksichtigen. Demnach sei das Abstellen auf gesetzliche Regelungen oder tatsächliche Umstände etwa in Schleswig-Holstein nicht geeignet, die Gemeinschaftsrechtskonformität des Internetvertriebsverbots in Bayern in Zweifel zu ziehen. Auch könne auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Veranstalten und Vermitteln von Pferdewetten im Internet verwiesen werden (U. v. 1.6.2011, 8 C 5.10). Daraus ergebe sich, dass ein Vollzugsdefizit im Bereich der Pferdewetten die Eignung des Internetverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV nicht konterkariere. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass dem Pferdewettmarkt innerhalb des gesamten Glücksspielmarktes lediglich eine marginale Bedeutung zukomme. Daraus folge, dass auch eine Öffnung des Internets für Glücksspiel im Land Schleswig-Holstein im Vergleich zum gesamten Bundesgebiet nur eine verschwindend geringe Auswirkung habe, nämlich nur etwa 3% des Marktanteils, und an der Kohärenz des Internetverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV nichts ändere. Dem stehe auch die Entscheidung des EuGH vom 30. Juni 2011 (Rs.c-212/08-Zeturf) nicht entgegen. Diese besage unter anderem, dass bei der Prüfung der Unionsrechtskonformität glücksspielrechtlicher Monopolvorschriften unter bestimmten Voraussetzungen der monopolisierte Bereich in seiner Gesamtheit zu betrachten sei, wenn der Verbraucher die Vertriebswege über Internet und die herkömmlichen Vertriebswege als austauschbar ansehe. Dies habe auf die Prüfung der Kohärenz davon unabhängiger Internetverbote und damit auf die hierzu ergangene aktuelle Rechtsprechung keinerlei Auswirkungen.
Mit Schriftsätzen vom 20. Dezember 2013 und 23. Januar 2014 an die Klägerin erklärte die Regierung von Mittelfranken, der Beklagte ergänze damit seine Ermessenserwägungen für den Untersagungsbescheid, da die beobachteten Werbeverstöße auch nach Wirksamwerden des ersten GlüÄndStV zum 1. Juli 2012 nach der neuen Rechtslage zu untersagen seien, eine Wesensänderung liege insoweit nicht vor. Soweit das beworbene Glücksspielangebot von keiner Konzession gedeckt sei und zudem keine Werbeerlaubnis nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV vorliege, gelte weiterhin das strikte Werbeverbot. Allerdings betreibe die Klägerin auf ihrer Homepage Werbung für Glücksspielangebote, für die diese Voraussetzungen nicht vorlägen. Falls und soweit für die von dem gegenständlichen Bescheid erfasste Internetwerbung durch die gemäß § 9 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GlüStV zuständigen Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen eine Erlaubnis erteilt werde, werde die Untersagung gegenstandslos; dies sei dem Bescheid ohne Weiteres im Weg der Auslegung zu entnehmen. Soweit keine Erlaubnis nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV vorliege, gelte weiterhin das Internetwerbeverbot des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV. Die Beworbene www...com sei nicht unter einer top-label-Domain für Deutschland geschaltet, deshalb bestehe insofern auch keine offensichtliche Erlaubnisfähigkeit. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2013 träfen nur Aussagen zur Rechtfertigung eines Monopols und bezögen sich ausschließlich auf den GlüStV 2008. Die Anwendbarkeit der allgemeinen ordnungsrechtlichen Bestimmungen und Verbote (§ 4 Abs. 4 und 5, Abs. 3 GlüStV) würden hiervon nicht berührt, diese seien nicht monopolakkzessorisch, sondern Teil der allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundregulierung. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2012 sei angefochten, verschiedene Bayerische Gerichte folgten auch dieser Auffassung nicht. Schließlich sei nach § 5 Abs. 3 n. F. zu berücksichtigen, dass für die Werbung nunmehr geänderte Maßstäbe gelten (Schwarzmarktbekämpfung). Außerdem sei zu beachten, dass ein Verbot mit Erlaubnismöglichkeit qualitativ nicht gleichzusetzen sei einem strikten dauerhaften Verbot, über das der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden habe. Die Untersagung sei zur Erreichung der in § 1 GlüStV genannten Ziele geeignet und erforderlich. Es bestehe auch kein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Weiterführung der Werbung, da die Gewinnerzielungsabsicht das öffentliche Interesse nicht überwiege. Die eingeräumte Frist sei ausreichend, selbst der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe einen Zeitraum von vier Wochen als untere Grenze für rechtmäßig erklärt, während im Bescheid vom 16. Juni 2010 eine Frist von sechs Wochen der Klägerin eingeräumt worden sei. Auch die Verwaltungsgebühr sei rechtmäßig.
In der mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2014 beantragte der Klägervertreter die Aufhebung des Bescheids vom 29. September 2009 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 16. Juni 2010 für die Zukunft und erklärte im Übrigen den Rechtsstreit für erledigt. Die Beklagtenvertreter stimmten der Erledigungserklärung zu und beantragten, im Übrigen die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch auf die beigezogenen Akten der zu diesem Verfahren gehörenden Eilverfahren verwiesen. Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist, soweit das Verfahren nicht durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien beendet wurde, zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 29. September 2009 in der Fassung des Bescheids vom 26. Februar 2010 ist, soweit er noch angefochten ist, also mit Wirkung für die Zukunft, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da es sich bei der hier angefochtenen Untersagungsverfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, der ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft angefochten wird.
1. Die Anfechtungsklage der Klägerin ist bereits deshalb begründet, weil die angefochtene Untersagungsverfügung in ihrer Nr. 1. als Einzelfallregelung nicht dem Bestimmtheitserfordernis genügt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 20 Abs. 3 GG).
Nach diesen Vorschriften muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies bedeutet, dass der Adressat in die Lage versetzt sein muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, darüber hinaus muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen der Vollstreckung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. Der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Einzubeziehen sind bei der Feststellung des objektiven Erklärungswertes alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände, insbesondere auch die Begründung der Verwaltungsaktes (zum Vorstehenden BVerwG, U. v. 16.10.2013, 8 C 21.12).
In Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids hat der Beklagte der Klägerin Werbung für öffentliches Glücksspiel im Sinn von § 3 GlüStV über das Internet in Bayern untersagt. Aus der Begründung des Bescheids ergibt sich, dass der Klägerin nicht nur Werbung für verbotenes, sondern auch für legales öffentlichen Glücksspiels im Internet untersagt werden soll. Des Weiteren wird die Untersagung der Werbung für die Veranstaltung und der Vermittlung von öffentlichem Glücksspiel nicht beschränkt auf die Domain www...com.
Die Untersagungsverfügung bezieht sich also insbesondere nicht auf die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und bis heute von der Klägerin betriebene Internetseite ...com und die dort vorhandene Werbung für www...com und die dortigen Glücksspielangebote, sondern auf jegliche zukünftige Aktivität der Klägerin in Bezug auf Werbung für Glücksspiel im Internet, soweit dies von Bayern aus abrufbar ist. Dass die Untersagungsverfügung einschränkend auszulegen wäre, etwa dahingehend, dass nur Werbung für unerlaubtes Glücksspiel bzw. unerlaubte Werbung untersagt werde, ist weder dem Tenor noch der Begründung des Bescheids zu entnehmen, zumal zum Zeitpunkt des Erlass des Bescheides nach § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 die Werbung für öffentliches Glücksspiel generell verboten war. Mit diesem Inhalt gilt der Bescheid bis heute unverändert fort, da eine Konkretisierung oder Beschränkung der ursprünglich getroffenen Untersagungsverfügung nicht erfolgt ist. Damit aber hat der Beklagte mit der weiten Fassung der Untersagungsverfügung keine bestimmte, konkrete Einzelfallregelung getroffen, sondern lediglich die abstrakt generelle gesetzliche Regelung wiedergegeben und deren Konkretisierung offen gelassen. Damit fehlt es aber an einem hinreichend bestimmten Verwaltungsakt (vgl. BVerwG a. a. O.). Diese umfassende Untersagungsverfügung ist gegen die Klägerin ergangen, obwohl diese unstreitig seit Erlass des Bescheides keine andere Werbung für Glücksspiel im Internet betrieben hat und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie in Zukunft solches tun könnte. Damit geht der Umfang der Untersagungsverfügung weit über das hinaus, was von der Klägerin in den vergangenen Jahren tatsächlich unternommen wurde.
2. Die Klage hat auch deshalb Erfolg, weil die Regierung von Mittelfranken das ihr nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 GlüStV eröffnete Ermessen, insbesondere auch das ihr bei mehreren Störern, deren Inanspruchnahme in Frage kommt, bestehende Auswahlermessen, nicht ausgeübt hat.
2.1 Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV kann die zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen erlassen, um unerlaubte Werbung für Glücksspiel zu unterbinden. Die auf der Internetseite www...com vorhandene Werbung für die auf der Internetseite www...com angebotenen Glücksspiele verstößt gegen das grundsätzliche Verbot der Werbung für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels im Internet (§ 5 Abs. 3 GlüStV). Die Klägerin besitzt auch keine Erlaubnis für die Werbung von Glücksspiel im Internet in Bayern. Die Klägerin kann damit grundsätzlich nach den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätzen der Störerauswahl aus Art. 9 LStVG bzw. Art. 8 ff. PAG als Störer in Anspruch genommen werden, zumal § 9 Abs. 1 GlüStV keine Regelung dahingehend enthält, wem gegenüber die erforderliche Anordnung zur Einhaltung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag oder aufgrund des Staatsvertrags begründeten öffentlich-rechtlichen Pflichten zu ergehen hat.
Allerdings geht die Behörde nach ihren eigenen Angaben seit mehr als zwei Jahren nicht mehr gegen Werbetreibende für Glücksspiel im Internet in Bayern vor, da nach den Angaben der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2014 zwar Verstöße gegen das Glücksspielverbot im Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV ermittelt und gelegentlich auch Verfahren eingeleitet werden, es aber seit dem 1. Januar 2012 zu keiner neuen Untersagungsverfügung gekommen ist. Im Hinblick auf die kaum absehbare Zahl Werbetreibender für Glücksspiel im Internet, sei es für Sportwetten, Casinospiele, Poker oder anderes, ist es zwar nicht erforderlich, dass die Behörde gegen jeden Werbenden, dessen Angebot von Bayern aus abrufbar ist, vorgeht. Allerdings bedarf die Auswahl der Störer, gegen die mit Untersagungsbescheiden vorgegangen wird, gegenüber den weitaus zahlreicheren Störern, gegen die solche Bescheide nicht erlassen werden, einer Begründung und eines schlüssigen Konzepts. Dies ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Weder konnten die Beklagtenvertreter darlegen, nach welchen Kriterien die Klägerin ursprünglich im Jahr 2009, noch weshalb sie weiterhin in Anspruch genommen wird, obwohl eine Vielzahl anderer Störer existiert und bekannt ist, gegen die nicht effektiv vorgegangen wird, noch findet offenbar seit zwei Jahren, d. h. insbesondere seit dem Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrags am 1. Juli 2012, überhaupt eine Untersagung von Werbung für Glücksspiel im Internet in Bayern statt. Weshalb an den Untersagungsbescheiden gegen die Klägerin auch jetzt noch festgehalten wird, bedürfte der Begründung, eine solche ist aber bisher nicht ersichtlich.
Hinzu kommt, dass es sich bei www...com um eine englischsprachige Internetseite handelt, deren Werbewirksamkeit für potentielle Glücksspieler in Bayern keinesfalls vergleichbar oder größer sein dürfte als die der zahlreichen deutschsprachigen Internetseiten mit gleichbarer Werbung. Weshalb also gerade die Klägerin als Störer ausgewählt wurde, bedürfte entsprechender Begründung, was aber weder im Bescheid noch bis heute im Verfahren geschehen ist.
2.2 Bedenken begegnet die von der Beklagten aufrechterhaltene Untersagungsverfügung gegen die Klägerin auch deshalb, weil seit dem 1. Juli 2012 sowohl das grundsätzliche Internetverbot für ausgewählte Glücksspielbereiche als auch für entsprechende Werbung gelockert wurde und somit die Basis für die Ermessensentscheidung eine andere ist. Nach § 4 Abs. 4 GlüStV besteht zwar weiterhin ein grundsätzliches Internetverbot für Glücksspiele, § 4 Abs. 5 GlüStV sieht nunmehr jedoch die Möglichkeit vor, bei Vorliegen der aufgeführten Tatbestandsvoraussetzungen eine Erlaubnis zum Vertrieb bzw. zur Veranstaltung und Vermittlung von Lotterien und Sportwetten im Internet zu erhalten. Gleiches gilt für das Veranstalten und Vermitteln von Pferdewetten im Internet (§ 27 Abs. 2 GlüStV). Auch das vorher nach § 5 Abs. 3 GlüStV 2008 ausnahmslos gültige Werbungsverbot für Glücksspiel im Internet gilt zwar nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV 2012 grundsätzlich fort, wird aber durch § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV relativiert. Ein uneingeschränktes Verbot von Werbung für Glücksspiele im Internet in ganz Deutschland ohne Erlaubnisfähigkeit, von der die streitige Ermessensentscheidung ursprünglich ausgegangen ist, besteht nicht mehr. Vielmehr wurden in Schleswig-Holstein auf Grundlage des dortigen Glücksspielgesetzes im Jahr 2012 an eine Reihe von Sportwettenanbietern Lizenzen auch für Werbung erteilt. In den anderen Bundesländern ist der Vertrieb von Lotterien und Sportwetten über das Internet unter den in § 4 Abs. 5 GlüStV genannten Voraussetzungen sowohl für den staatlichen Veranstalter (vgl. § 10 Abs. 1 bis 3, 6 GlüStV) als auch für Konzessionsinhaber (vgl. § 10a Abs. 4 Sätze 1 und 2 GlüStV) grundsätzlich erlaubnisfähig. Tatsächlich wird das Glücksspiel im Internet von staatlichen Veranstaltern bereits umfangreich wieder angeboten und beworben (vgl. etwa www.l.-b...de, www.f...de, u. a.), das Konzessionsvergabeverfahren für die privaten Anbieter ist noch nicht abgeschlossen, ob es in diesem Jahr zur Lizenzvergabe kommen wird, ist offen.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht seine ursprüngliche Rechtsprechung, nach der der Erlaubnisvorbehalt eine vollständige Untersagung nur bei fehlender Erlaubnisfähigkeit rechtfertigt (vgl. BVerwG, U. v. 1.6.2011, 8 C 2.10), inzwischen dahingehend korrigiert, dass die vollständige Untersagung nur dann rechtswidrig wäre, wenn die Erlaubnisfähigkeit offenkundig wäre (BVerwG, U. v. 16.5.2013, 8 C 40.12). Dennoch hätte sich der Beklagte im angefochtenen Bescheid jedenfalls seit dem 1. Juli 2012 mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob eine vollständige Untersagung der Werbung für das gesamte Internetangebot der ...-Gruppe vor der Entscheidung im Lizenzierungsverfahren für Sportwetten eine verhältnismäßige und den Vorgaben des Art. 12 Abs. 1 GG sowie der europäischen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) entsprechende Maßnahme darstellt. Dies erscheint auch deshalb fraglich, weil sich das nach § 4 Abs. 4 GlüStV auch jetzt grundsätzlich weiterhin bestehende Internetverbot wie das sich aus § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV grundsätzlich bestehende Werbeverbot auch noch nach dem Abschluss des Konzessionsvergabeverfahrens durchsetzen ließen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 24.8.2012, OVG 1 S 44.12). Der angefochtene Bescheid enthält aber keine Ausführungen dahingehend, dass der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung die neue Sach- und Rechtslage berücksichtigt hätte. Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Regierung von Mittelfranken mit Schreiben vom 20. Dezember 2013 und 23. Januar 2014vorgenommene Ergänzung der Bescheidsbegründung.
3. Erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung ergeben sich auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot.
So stellt sich die Frage, ob die Untersagungsverfügung auch heute unter den veränderten Umständen geeignet ist, die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages und das in § 5 Abs. 3 GlüStV normierte grundsätzliche Verbot der Werbung für die Veranstaltung von nicht erlaubtem Glücksspiel im Internet in Bayern durchzusetzen.
Denn angesichts des selektiven Vorgehens der Behörde gegen einzelne Werbende, während zahlreiche weitere Werbeangebote für nicht in Bayern zugelassenes Glücksspiel im Internet, etwa auf von zahlreichen Bundesligavereinen in den populären Sportarten wie Fußball, Handball, Basketball betriebenen Internetseiten (wie z. B. Links auf den Internetseiten des Hamburger SV, SV Werder Bremen, SC Freiburg und TSG Hoffenheim zum Glücksspielanbieter tipico, des VfB Stuttgart zu i. und des FC Bayern München Basketball zu bwin) ungeahndet bleiben, ist praktisch ausgeschlossen, dass das Vorgehen der Behörde eine geeignete und effektive Maßnahme zur Durchsetzung der damit verfolgten Ziele darstellt, zumal seit Jahren auch in Bayern so gut wie gar nicht mehr gegen andere Werbetreibende vorgegangen wird.
Weiter stellt sich die Frage, wenn die Klägerin mit Hilfe eines Geolokalisationsverfahrens IP-Adressen, deren Standort in Bayern liegt, vom Besuch ihrer Internetseite ausschließen könnte, ob anhand der heute gerichtsbekannt weit verbreiteten Anonymisierungsprogramme überhaupt die effektive Möglichkeit besteht, damit in hinreichendem Umfang Spieler mit Aufenthalt in Bayern von der Teilnahme am unerlaubten Glücksspiel im Internet auszuschließen. Wie insbesondere die Diskussion um Abmahnungen an angeblich illegale Nutzer des Internetportals R. T. gezeigt hat, gehen deutsche Internetnutzer mehr und mehr dazu über, anonym im Internet zu surfen, indem sie dem Seitenbetreiber mittels geeigneter, auch kostenfrei erhältlicher Software, nicht ihre eigene, sondern eine fiktive IP-Adresse übermitteln. Die Meinung der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung, von der Klägerin werde nur der Einsatz eines Geolokalisationsverfahrens auf heutigem Standard verlangt, die Möglichkeit von Verstößen dagegen ihr nicht zur Last gelegt, reicht nicht aus, um die Geeignetheit des Vorgehens der Behörde heute noch zu belegen. Hinzu kommen die vielfältigen Möglichkeiten, von mobilen Geräten aus im Internet zu surfen und damit auch Glücksspielseiten zu besuchen und dort zu spielen. Ob insofern der Einsatz von entsprechenden Geolokalisationsprogrammen möglich und sinnvoll ist, insbesondere auch in den Grenzregionen des Freistaats Bayern, und wie verhindert werden soll, dass sich vom Bayerischen Staatsgebiet aus Nutzer einmal in österreichische oder in anderen Bundesländern gelegene Sendemasten einwählen und so am Internetglücksspiel teilnehmen, ist weiterhin nicht geklärt.
4. Weitere erhebliche Bedenken hegt die Kammer gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids im Hinblick auf dessen Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht.
Im Hinblick auf die bereits oben dargelegte Verfahrensweise des Beklagten, wonach seit 1. Januar 2012 Untersagungsbescheide gegen Glücksspielwerbung im Internet nicht mehr ergangen sind, liegt es nahe, ungeachtet der insofern fehlenden Ermessensbetätigung auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen.
Weiterhin hat die Kammer erhebliche Zweifel daran, dass die hier maßgeblichen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags 2012 mit dem europäischen Recht vereinbar sind. Bezüglich der Regelung im Glücksspielstaatsvertrag 2008 hat das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des früheren Sportwettenmonopols im Hinblick auf Nordrhein-Westfalen bestätigt, dass die dort bis November 2012 (wegen des erst rückwirkenden Inkrafttretens des neuen Glücksspielstaatsvertrags) geltenden Regelungen zum Sportwettenmonopol wegen der systematisch zum Glücksspiel anreizenden Werbung des Monopolträgers nicht den unionsrechtlichen Kohärenzanforderungen genügten (BVerwG, U. v. 20.6.2013, 8 C 10.12; 8 C 12.12; 8 C 17.12). Da die Situation in Bayern vergleichbar ist, wie sich etwa aus der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Darüber hinaus hat die Kammer auch erhebliche Zweifel daran, ob sich die Situation nach dem Erlass des Glücksspielstaatsvertrags und dessen Inkrafttreten ab dem 1. Juli 2012 insoweit in relevanter Weise geändert hat. Vielmehr spricht nach Auffassung der Kammer viel dafür, dass auch insofern erhebliche Zweifel an der Kohärenz der Regelungen und deren Umsetzung im Hinblick auf die nach wie vor massive Werbung für Glücksspiel und Sportwetten im Internet durch die staatlich lizenzierten Veranstalter wie Toto, Lotto, Faber, O. bestehen. So wird weiterhin im Rundfunk verbreitet für besondere Gewinnchancen unter Hinweis auf deren Höhe geworben, auch erfolgt indirekte Werbung etwa dadurch, dass nach wie vor samstags und mittwochs die Lottozahlen und Nebenwetten in den Hauptnachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Sender verkündet werden, ohne dass insofern ein journalistisches Interesse oder ein Nachrichtenwert erkennbar wäre. Wenn dies für das vorliegende Verfahren allein entscheidungserheblich gewesen wäre, hätte die Kammer eine Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 24. Januar 2013 (I ZR 171/10) in Erwägung gezogen, um die entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu dieser Frage abzuwarten. Dies erscheint jedoch im Hinblick auf die weiteren Gründe, die zur vollständigen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führen, nicht als notwendig.
5. Nachdem nach Auffassung der Kammer somit die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung gegen die Klägerin feststeht, sind auch die Nebenentscheidungen im angefochtenen Bescheid rechtswidrig, ohne dass es noch auf die Frage ankommt, ob etwa die in Ziffer 4 des Bescheides festgesetzte Gebühr von 1.500,00 Euro für sich genommen rechtswidrig wären. Auch insofern bestehen nach Ansicht der Kammer gerade auch im Hinblick auf die nicht nachvollziehbare und auch aus dem Bescheid nicht erkennbare Begründung der festgesetzten Gebühr, genauso wie die unterschiedliche Höhe der Kostenfestsetzung etwa hinsichtlich der vergleichbaren Untersagungsverfügung im Verfahren AN 4 K 12.01406 (750,00 Euro)als nicht nachvollziehbar und damit voraussichtlich rechtswidrig.
Damit war der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nämlich für die Vergangenheit, ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 VwGO. Demgemäß entspricht es billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten insoweit aufzuerlegen, da die Klage bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung aller Voraussicht nach erfolgreich gewesen wäre; denn der angefochtene Bescheid war, wie oben dargelegt, schon zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig und blieb dies bis zur gerichtlichen Entscheidung. Dies gilt auch, soweit das Verfahren im Hinblick auf die im Bescheid vom 16. Februar 2010 vorgenommenen Änderungen bereits zuvor teilweise für erledigt erklärt worden war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 709 ZPO. Die Berufung war hier nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 1 Nr. 3 und 4 VwGO vorliegt.
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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.