Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 02. Mai 2014 - 11 K 14.30012
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Der nach eigenen Angaben am ... in ... geborene Kläger, ein afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Glaubens wendet sich gegen den Widerruf des bestandskräftig durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)festgestellten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
Der damals minderjährige Kläger hatte am ... 2010 Asylantrag gestellt (Bl. 1 der Bundesamtserstakte = BEA). Zur Person war er nicht ausgewiesen. Nach dem Clearingprotokoll vom. 28. Mai 2010 (Bl. 2 und 3 BEA) habe seine Mutter entscheiden, dass er ausreisen solle, da alle Bewohner seiner Heimatgegend von Seiten afghanischer Stellen verdächtigt worden seien, mit den Taliban zu sympathisieren bzw. Taliban zu sein.
Bei seiner Anhörung am ... 2010 in D. (Bl. 31 ff. BEA) im Rahmen der Vorprüfung beim BAMF hatte er angegeben, dass sein Vater mit einer Pistole erschossen worden sei, weil man diesen zu Unrecht verdächtigt habe, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Drei Jahre später sei er ausgereist, weil seine Mutter gemeint habe, er sei in Gefahr, da er älter geworden sei. In A. lebten noch seine Mutter, seine Geschwister und in ...ein Bruder seines Vaters, zu dem sie aber wenig Kontakt gehabt hätten.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2010(Bl. 43 ff. BEA) hatte das BAMF den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt (Ziffer 1), festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen (Ziffer 2), festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 3) und den Kläger mit Abschiebungsandrohung zuvorderst nach A. zur Ausreise aufgefordert (Ziffer 4). Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter seien nicht erfüllt, da der Kläger nach eigenen Angaben auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Ebenso wenig bestehe ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Aus dem Vorbringen des Klägers ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er politischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei oder bei einer Rückkehr nach A. solche befürchten müsse. Politisch motivierte Verfolgung von Seiten des afghanischen Staates sei weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Angehörige der vom Kläger genannten Gruppe seien auch gegen ihn persönlich offensichtlich nicht vorgegangen. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, insbesondere auch im Sinne von Satz 1 lägen nicht vor (war ebenfalls weiter ausgeführt worden). Nach dem Sachvortrag des Klägers lebten seine Mutter sowie weitere Verwandte weiterhin in A.. Unter den gegebenen Voraussetzungen sei davon auszugehen, dass der Kläger bei Rückkehr in sein Heimatland dort Unterkunft und Unterstützung finde und insofern das zum Leben notwendige Existenzminimum gesichert sei. Eine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben bestehe also nicht. Die verfügten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beruhten auf §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylVfG, 59 AufenthG.
Mit Schreiben des zuständigen Jugendamts vom 2. November 2010 (Bl. 69 und 70 BEA) hatte der Kläger hiergegen Klage erheben lassen mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3und 7 Satz 2 AufenthG, äußerst hilfsweise nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Es sei in keiner Weise rechtlich nachvollziehbar, dass dem minderjährigen Kläger nicht einmal humanitärer Abschiebungsschutz zugute komme. Da dies mit den internationalen Richtlinien nicht ansatzweise vereinbar sei, wurde um kurzfristige Abhilfe aufgefordert.
Mit Gerichtsschreiben vom 12. Juli 2011 (Bl. 87 BEA) hatte die zuständige Einzelrichterin des Verwaltungsgerichts D. bei der Außenstelle D. des BAMF angefragt, ob aufgrund des vom Kläger angegebenen Alters und seiner Herkunft sowie seiner Angabe im Clearingprotokoll, dass er seit seiner Ausreise keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter habe, zugunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt werde. Nach Aktenvermerk vom 18. Juli 2011 (Bl. 88 BEA) sei eine solche positive Entscheidung aus folgenden Gründen zu treffen: Der Kläger sei noch minderjährig. Bisher habe er mit seiner Muttern und zwei Geschwistern in ... gewohnt. Er habe entsprechend dem Clearingprotokoll zu seiner Familie seit seiner Ausreise keinen Kontakt mehr. In Anbetracht dessen sei zurzeit eine gesicherte Rückführung des Klägers nach A. nicht möglich, zumal diese auch nur nach ... erfolgen könnte, der Kläger aber aus ... stamme.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. Juli 2011 (Bl. 90 und 91 BEA) hatte dann das BAMF die Ziffern 3 und 4 des Bescheids vom 26.10.2010 aufgehoben (Ziffer 1) und weiter festgestellt, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich A. vorliegt und im Übrigen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer2). Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen aufgrund der Minderjährigkeit des Klägers vor. Der Kläger wäre ohne familiäre Bindungen nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen.
Nachdem der Kläger daraufhin mit Schreiben vom 26. August 2011 (Bl. 115 BEA) seine Klage (im Übrigen) zurückgenommen hatte, war das Klageverfahren mit Beschluss des Verwaltungsgerichts D. vom 9. September 2011 Az.: 18 K 7464/10.A (Bl. 118 und 119 BEA) eingestellt worden.
Mit Schreiben vom 20. März 2013 (Bl. 1 der Bundesamtsakte im Widerrufsverfahren = BWA) teilte die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt ... mit, dass der Kläger zwischenzeitlich wegen versuchten Totschlags durch noch nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts ... zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei. In diesem Zusammenhang sollen aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet werden. Da der Kläger nunmehr volljährig geworden sei, stelle sich die Frage, ob das mit der Minderjährigkeit des Klägers begründete Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG obsolet geworden sei.
Mit Vermerk vom 3. September 2013 (Bl. 7 ff. BWA) wurde ein Widerrufsverfahren gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG eingeleitet. Eine extreme Gefahrenlage, wie sie zum damaligen Zeitpunkt festzustellen gewesen sei, liege heute nicht mehr vor. Die Sicherheits- und Versorgungslage sei zumindest im Raum ... nach der Auskunftslage nicht mehr so schlecht, dass jeder Rückkehrer extrem gefährdet wäre. Auch nach der Rechtsprechung sei davon auszugehen, dass der Kläger als volljähriger, gesunder Mann auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Fall einer Rückkehr in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen, sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.
Mit Schreiben vom 10. September 2013 (Bl. 13 und 14 BWA) wurde der Kläger angehört.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 (Bl. 18 ff. BWA) widerrief dann das BAMF die mit Bescheid vom 21. Juli 2011 getroffene Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG lägen nicht mehr vor, da sich die Sachlage seit der Entscheidung des BAMF vom 21. Juli 2011 zwischenzeitlich geändert habe. Eine extreme Gefahrenlage sei nämlich nicht mehr gegeben. Die Sicherheits- und Versorgungslage sei zumindest im Raum ... nicht mehr derart schlecht (wurde weiter ausgeführt). Auch nach der Rechtsprechung könnten jedenfalls alleinstehende, arbeitsfähige, gesunde männliche Rückkehrer eine noch ausreichende Existenz erlangen. Die Rückkehr des nunmehr erwachsenen Klägers ermögliche es diesem daher, sich in A., speziell in ..., zu etablieren.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 (Bl. 31 BWA) übersandte die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt ... das den Kläger betreffende nunmehr rechtskräftige Strafurteil (Bl. 32 bis 63 BWA).
Mit Telefax seiner früheren Bevollmächtigten vom 22. November 2013 ließ der Kläger hiergegen Klage zum Verwaltungsgericht D. erheben und beantragen,
den Bescheid des BAMF vom 17. Oktober 2013 aufzuheben.
Er sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16. April 2014 ließ der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragen und die Klage begründen. Bei seiner Ausreise sei er durch eine kriminelle Vereinigung namens „Share“ verfolgt worden. Sein entsprechendes Vorbringen sei glaubhaft (wurde weiter ausgeführt). Weiter bestehe eine individuelle Gefahr aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, nämlich der Gruppe der alleinstehenden jungen afghanischen Männer im wehrfähigen Alter. Diese Gruppe sei vermehrt Zwangsrekrutierungen ausgesetzt. Ferner habe die Innenministerkonferenz am 23./24. Juni 2013 beschlossen, dass die bisherige Beschlusslage zur Rückführung nach A. insbesondere in Folge des Abzugs der ausländischen Streitkräfte einer Überprüfung und Neubewertung bedürfe. Schließlich bestehe für den Kläger auch keine inländische Fluchtalternative, insbesondere wäre auch in ... sein Existenzminimum nicht gewährleistet. In ... verfüge er über keinerlei Kontakte, auch nicht zu einem dort lebenden Onkel. Finanzielle Unterstützung könne er auch nicht von seiner Familie erwarten. Er verfüge aufgrund seines Alters auch noch über keine gefestigte Persönlichkeit, über keine Berufsausbildung oder auch nur berufliche Erfahrung. Völlig auf sich allein gestellt, sei er nicht in der Lage, sein Leben selbstständig zu bestreiten.
Mit Beschluss vom 24. April 2014 wurde der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.
Nachdem zunächst eine Verweisung an das Verwaltungsgericht Arnsberg angedacht war und obwohl die zuständige Ausländerbehörde mit Schreiben vom 4. Dezember 2013 mitgeteilt hatte, dass sich der Kläger aus Haftgründen in ... aufzuhalten habe, erklärte sich das Verwaltungsgericht D. mit Beschluss vom 27. Dezember 2013 Az.: 18 K 8975/13.A für örtlich nicht zuständig und verwies den Rechtsstreit hierher.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2014verzichtete das BAMF, nicht aber die nunmehrigen Klägerbevollmächtigten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Beschluss vom 26. März 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen und mit Ladungsschreiben vom selben Tag den Beteiligten mitgeteilt, welche Auskünfte sachkundiger Stellen in das Verfahren eingeführt wurden.
Wegen der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2014 wird auf die Sitzungsniederschrift und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Gerichtsakte und auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Gründe
Die statthafte Anfechtungsklage auf Aufhebung des Widerrufs der positiven Feststellung zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im angefochtenen Bescheid des BAMF (Marx § 73 AsylVfG Rn. 271), wobei das Gericht trotz Bedenken an den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts D. vom 27. Dezember 2013 gebunden ist, ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 17. Oktober 2013, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß §§ 77 Abs. 2 AsylVfG, 117 Abs. 5 VwGO verwiesen wird, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Bundesamt hat nämlich die im Bescheid vom 21. Juli2011 ausgesprochene Feststellung, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich A. vorliegt, zutreffend widerrufen. Dessen Voraussetzungen sind nämlich nachträglich entfallen und zugleich liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote der § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vor.
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist entsprechend § 77 Abs. 1 AsylVfG nunmehr § 73c Abs. 2 AsylVfG (HessVGH, U. v. 30.1.2014 - 8 A 119/12.A - juris), der durch Art. 1 Nr. 48 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3480) eingefügt wurde und der dem früheren § 73 Abs. 3 AsylVfG entspricht und die Rücknahme und den Widerruf von nationalen Abschiebungsverboten regelt (BT-Drs. 17/13063 S. 23), weshalb die Erlöschensregelungen für den internationalen und den subsidiären Schutz in Art. 11 und 16 der vorgenannten unionsrechtlichen Richtlinie nicht anwendbar sind. Damit kann die bisherige Rechtsprechung und Literatur zu dieser Vorschrift weiter herangezogen werden. Danach ist die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. (5 oder) 7 AufenthG zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, wobei Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen sind. Auch insoweit muss eine beachtliche Veränderung der Sach- und Rechtslage eingetreten sein, insbesondere wenn neue Tatsachen eine andere Grundlage für die Gefahrenprognose des Abschiebungsverbots ergeben (BayVGH,B. v. 26.3.1998 - 24 ZB 98.31018 und BVerwG, U. v. 18.9.2001 -1 C 7/01und U. v. 29.9.2011 - 10 C 24/10 - jeweils juris). Es handelt sich um eine gegenüber den Aufhebungsmöglichkeiten der Asylanerkennung und der nunmehrigen Flüchtlingszuerkennung in § 73 AsylVfG und des nunmehrigen subsidiären Schutzes in § 73b AsylVfG eigenständige und abschließende Sonderregelung (VG Ansbach, U. v. 23.9.1999 - AN 17 K 99.31173, OVG NRW, B. v. 13.10.2005 - 13 A 3690/05.A - jeweils juris; Marx § 73 AsylVfG Rn. 214 ff., Hofmann/Hoffmann § 73 AsylVfG Rn. 48). In diesem Zusammenhang ist der Streitgegenstand des die Rechtmäßigkeit eines Rücknahmebescheids - und gleiches muss für den Widerrufsbescheid gelten - betreffenden Verfahrens mit dem Streitgegenstand des Verfahrens, in dem es um die Asylberechtigung - und gleiches muss für die Feststellung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG gelten - geht, nicht identisch (BVerwG, B. v. 21.3.1990 - 9 B 276/89 und BayVGH, B. v. 7.5.1997 - 24 B 96.32589 - jeweils juris). Auch hierbei ist auf die Verhältnisse und Umstände abzustellen, die das BAMF seinerzeit zur Feststellung des Abschiebungsverbots veranlasst haben (Hofmann/Hoffmann a. a. O.). Die einjährige Ausschlussfrist gemäß §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung (BVerwG a. a. O.). Wurde einem Ausländer im vorangegangenen Asylverfahren nationaler Abschiebungsschutz, insbesondere nach § 60 Abs. 7 AufenthG gewährt, ist dieser also zu widerrufen, wenn sich die Sachlage so verändert hat, dass die Voraussetzungen für das früher festgestellte nationale Abschiebungshindernis entfallen sind und auch keine anderen nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG einschließlich der verfassungskonformen Anwendung von Satz 1 und 3 vorliegen (BVerwG a. a. O.).
Der streitgegenständliche Widerruf durch das BAMF ist nach diesen Grundsätzen rechtlich nicht zu beanstanden. Es liegen nämlich weder im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung vom 17. Oktober 2013 noch im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung die Voraussetzungen weiterhin vor, die entsprechend dem Bescheid des BAMF vom 21. Juli2011 zur Feststellung nach § 60 Abs. 7 AufenthG geführt haben (1). Gleichzeitig liegen auch keine anderen nationalen Abschiebungsverbote vor (2).
1. Die positive Feststellung des Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 7 (Satz 1) AufenthG in Ziffer 2 des Bescheids des BAMF vom 21. Juli 2011 (Bl. 90 BEA) erfolgte aktenkundig ersichtlich auf das Vorbringen in der damaligen Klageschrift vom 2. November 2010, wonach es in keiner Weise rechtlich nachvollziehbar sei, dass einem minderjährigen Asylantragsteller nicht einmal humanitärer Abschiebungsschutz zugute komme, was mit den internationalen Richtlinien nicht ansatzweise vereinbar sei und weswegen um kurzfristige Abhilfe gebeten wurde (Bl. 70 BEA), und der Anfrage der damals zuständigen Einzelrichterin vom 12. Juli 2011, ob aufgrund des vom Kläger angegebenen Alters, seiner Herkunft sowie seiner Angabe, seit der Ausreise keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter zu haben, dieses Abschiebungsverbot festgestellt werde (Bl. 87 BEA). Im Vermerk zu seiner positiven Entscheidung hatte das BAMF am 18. Juli 2011 ausgeführt (Bl. 88 BEA), dass in Anbetracht dessen zur Zeit eine gesicherte Rückführung des Klägers nach A. nicht möglich sei.
Diese Rechtsansicht zur Rückführung Minderjähriger wurde damals vertreten. Denn in diesem Zusammenhang waren zwar weder das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 (KRK) noch das Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA) vom 5. Oktober 1961, aber Art. 5 Abs. 1 der Entschließung des Rats vom 26. Juni 1997 betreffend unbegleitete minderjährige Staatsangehörige dritter Länder (97/C 221/03), der nach Weisungslage im Vollzug des Ausländer- und Asylrechts zu beachten war, einschlägig gewesen, wonach der Minderjährige nur dann in sein Herkunftsland zurückgeführt werden kann, wenn dort bei seiner Ankunft - gemäß den Bedürfnissen, die seinem Alter und dem von ihm erreichten Maß an Selbstständigkeit entsprechen - eine angemessene Aufgabe und Betreuung gewährleistet sind. Nach Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 (Rückführungsrichtlinie = RüFüRL) hat vor der Abschiebung unbegleiteter Minderjähriger eine Vergewisserung dahingehend zu erfolgen, dass die Minderjährigen einem Mitglied ihrer Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Rückkehrstaat übergeben werden. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Fehlens eines familiären Hintergrunds regelmäßig bezogen auf A. nicht gegeben. Nach der Lageberichterstattung des Auswärtigen Amts existierten und existieren dort nämlich adäquate staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige jedenfalls nicht in der geforderten Art und Weise. In solchen Fällen wurden daher aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bejaht (zuletzt VGH BW, U. v. 27.4.2012 - A 11 S 3392/11, aber aufgehoben durch BVerwG, U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 aA bereits VG Ansbach, U. v. 27.9.2012 - AN 11 K 12.30158 - jeweils juris). Hiervon ausgehend hat sich schon durch den Eintritt der Volljährigkeit des Klägers zum 1. März 2013 die Sach- und Rechtslage tatsächlich geändert (BVerwG a. a. O.). Für die Rückführung des Klägers als nunmehr Volljährigem gelten die genannten (Schutz-)Vorschriften nämlich nicht mehr. Weiter wird nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der Vorschrift des § 58 Abs. 1a AufenthG in der Fassung des Zweiten Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 22. November 20112011, BGBl. I S. 2258, die Art. 10 Abs. 2 der RüFüRL umsetzt, wonach sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers die Behörde zu vergewissern hat, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird, ein dem unbegleiteten Minderjährigen im Sinne eines Vollstreckungshindernisses gleichwertiger Abschiebungsschutz vermittelt (BVerwG a. a. O.).Damit wäre mit dieser Rechtsprechung die frühere positive Feststellung zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nunmehr sogar rechtswidrig (geworden). Schließlich hat das BAMF im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt, dass nach der überwiegenden Auskunftslage und der obergerichtlichen Rechtsprechung für junge, gesunde und arbeitsfähige Afghanen die Voraussetzungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen.
2. Dem Kläger stehen auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine nationalen Abschiebungsverbote zu, wobei die Voraussetzungen des Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bereits bestandskräftig mit Bescheid des BAMF vom 26. Oktober 2010 verneint wurden und dieser Anspruch daher in verfahrensmäßig zulässiger Weise schon abgeschichtet worden sein dürfte. Die Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG erfolgen insoweit nur vorsorglich.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG in der Fassung von Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Diese Vorschrift entspricht dem früheren § 53 Abs. 4 AuslG (BT-Drks. 15/420 S. 91), weshalb die hierzu ergangene Rechtsprechung und Literatur weiter herangezogen werden kann. Sie verweist auf die EMRK, soweit sich aus dieser Abschiebungshindernisse ergeben und bezieht sich nur auf solche zielstaatsbezogener Art (Hailbronner § 60 AufenthG Rn. 145). Soweit Art. 3 EMRK zur Anwendung steht, ist der sachliche Schutzbereich mit dem des § 60 Abs. 2 AufenthG identisch und geht jedenfalls nicht über diesen hinaus (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris und VGH BW, U. v. 24.7.2013 - A 11 S 967/13 - juris). Er betrifft nunmehr auch nicht nur Gefahren, die seitens des Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen (BVerwG, U. v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris unter Aufgabe der bisherigen anderslautenden Rechtsprechung). Das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK dürfte im Übrigen grundsätzlich nicht zielstaatsbezogen wirken. Jedenfalls ist für eine vergleichbare Beeinträchtigung grundlegender Menschenrechtsgarantien Voraussetzung, dass der äußerste menschenrechtliche Mindeststandard unterschritten wird (Hailbronner § 60 AufenthG Rn. 150 ff.).
Vorliegend ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen, welches Recht der EMRK hier ein solches Abschiebungsverbot begründen soll. Nach Würdigung der Auskunftslage (AA, Lagebericht vom 4.6.2013 und zuletzt vom 31.3.2014, UNHCR vom 6.8.2013 und SFH vom 30.9.2013) und der Rechtsprechung (BayVGH, B. v. 20.6.2012 - 13a ZB 11.30479, OVG NRW, B. v. 26.3.2013 - 13 A 332/13.A, VG Ansbach, U. v. 22.7.2013 - AN 11 K 13.30249 und HessVGH, U. v. 30.1.2014 - 8 A 119/12.A) droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach A. eine Zwangsrekrutierung nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit, weil hierzu das bloße Alter ohne Hinzutreten besonderer, insbesondere örtlicher und persönlicher Umstände, die Rückkehrer grundsätzlich schon nicht erfüllen, nicht ausreicht und ansonsten eine entsprechende Verfolgungsdichte jedenfalls nicht angenommen werden kann.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll - also im Sinne intendierten Ermessens - von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insoweit kann auf die Rechtsprechung zum bisherigen § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zurückgegriffen werden, da in dieser Vorschrift wie bisher Gefahren umfasst sind, die nicht bereits in den Regelungsbereich der vorhergehenden Absätze dieser Vorschrift fallen, wie beispielsweise allgemeine Notlagen im Zielstaat (BT/Drks. a. a. O. S. 187). Nach Satz 2 sind aber Gefahren nach dem Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, aber (nur) bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, wozu insbesondere auch Gefahren durch eine unzureichende Versorgungslage oder eine schwierige Existenzlage bei Rückkehr zählen (BVerwG, U. v. 29.6.2010 a. a. O.). Danach kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von sonstigen Ausländergruppen allgemein oder in einzelne Zielländer für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer im Abschiebezielstaat lebenden Bevölkerungsgruppe gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potentiell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums befunden wird. Diese Rechtslage ist in diesem Zusammenhang heranzuziehen (BVerwG a. a. O.), da die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 15 c QRL sowie zu Art. 4 Abs. 4 QRL hier nicht anwendbar ist. Schutz vor Abschiebung darf bundesrechtlich in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 (Satz 1) AufenthG auch ausnahmsweise dann (nur) gewährt werden, wenn der Ausländer in seinem Heimatstaat einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzungen ausgeliefert wäre (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4/98 - juris und U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - juris). Eine solche extreme allgemeine Gefahrenlage wird dahin umschrieben, dass eine Abschiebung in diesem Fall bedeute, den Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen auszuliefern. Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutverletzungen, sondern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad angesprochen. Diese Gefahren müssen alsbald nach Rückkehr in die Heimat drohen, wenn auch nicht schon am Tag der Ankunft dort (BVerwG a. a. O.). Die Rückkehr in den Heimatstaat muss für den Ausländer verfassungsrechtlich unzumutbar sein (BVerwG, U. v. 29.6.2010 a. a. O.). Die so beschriebene Gefahr muss auch landesweit drohen (BVerwG, U. v. 15.4.1997 a. a. O.). Sichere Landesteile müssen ohne extreme Gefahren erreichbar sein (BVerwG, U. v. 2.9.1997 a. a. O.). Die Sperrwirkung des nunmehrigen Satz 2 des § 60 Abs. 7 AufenthG ist nicht nur zu beachten, wenn Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG oder ein Abschiebestopp-Erlass nach § 60 a AufenthG besteht, sondern auch dann, wenn - aus den Gründen der genannten Abschiebungsverbote - eine andere ausländerrechtliche Erlasslage oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung dem betroffenen Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung vermitteln (BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - juris).
Nach diesen Grundsätzen liegen bei Auswertung und Würdigung der Auskunftslage nach Überzeugung des Gerichts aber auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 (Satz 1) AufenthG mit der hier erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht vor. Durch das sinngemäße Klagevorbringen, bei einer Rückkehr nach A. bestehe aufgrund der allgemeinen Lage und Verhältnisse dort, auch wenn sie nicht in Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt stehen, keine ausreichende Existenzgrundlage, wird schon das Vorliegen dieses Abschiebungshindernisses im maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt nicht substantiiert. Denn solche lagebedingten, mindestens eine ganze Bevölkerungsgruppe - wie hier alle aus dem Ausland rückkehrenden afghanischen Flüchtlinge - betreffenden Beeinträchtigungen sind entsprechend der vorstehenden ausgeführten Rechtslage unter die Sätze 1 und 2 des § 60 Abs. 7 AufenthG zu subsumieren, weshalb der Schutzbereich dieses Abschiebungsverbots erst dann eröffnet ist, wenn die allgemeine Gefahrenlage derart extrem ist, dass praktisch jeder einzelne Gruppenangehörige im Falle der Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, sowie wenn diese Gefahr landesweit bestünde oder zumindest ein Ausweichen bei Rückkehr nicht möglich wäre. Das Vorliegen einer derartigen extremen Gefahrenlage mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit kann nach Überzeugung des Gerichts den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen grundsätzlich - von Ausnahmen abgesehen - aber nicht entnommen werden.
Nach der Berichterstattung des Auswärtigen Amts (Lageberichte vom 13.7.2006, vom 17.3.2007, vom 7.3.2008, vom 3.2.2009, vom 28.10.2009, vom 27.7.2010, vom 9.2.2011, vom 10.1.2012, vom 4.6.2013 und zuletzt vom 31.3.2014), stellt sich die Sicherheitslage (auch außerhalb bewaffneter Konflikte) regional sehr unterschiedlich dar. Während im Süden und Osten des Landes Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte gegen die Zentralregierung und die Präsenz der internationalen Gemeinschaft die primäre Sicherheitsbedrohung darstellen, beeinträchtigen im Norden und Westen die Rivalitäten lokaler Machthaber und Milizenführer die Sicherheitssituation. Die organisierte Kriminalität hat landesweit stark zugenommen. Wachsende Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit der bisherigen Regierungspolitik, das Wiedererstarken der Taliban und die zunehmende Kriminalität sowie die Aktivitäten illegaler Milizen und bewaffnete Konflikte zwischen Ethnien bestimmen das Bild. Ob eine Person sich einer möglichen Gefährdung durch ein Ausweichen im Land entziehen kann, hängt maßgeblich von dem Grad ihrer familiären, tribalen und sozialen Vernetzung ab. Auch im Raum K. hat sich die Sicherheitslage zwar nicht verbessert, aber auch nicht wesentlich verschlechtert. Im landesweiten Vergleich ist K. eine leidliche sichere Stadt, auch wenn das Gefühl der Unsicherheit durch eine Serie spektakulärer Terroranschläge allgemein zugenommen hat. Für frühere Bewohner K.s ist sie in Teilen ausreichend sicher mit Ausnahme von Distrikten, in denen mitunter von lokalen Machthabern und kriminellen Banden ausgehende Bedrohungen gegen die Bevölkerung und gegen Rückkehrer beobachtet wurden. Gelegentlich kommt es zu Raketenbeschuss und Selbstmordattentaten. Auch gibt es vereinzelt Übergriffe von Polizei und Sicherheitskräften auf die Zivilbevölkerung. Hauptanschlagsziele waren neben afghanischen Sicherheitskräften auch ausländische Truppen und Nichtregierungsorganisationen sowie bei Entführungen afghanische Staatsangehörige zumeist mit allgemein kriminellem Hintergrund zwecks Erpressung von Lösegeld. Die Menschenrechtssituation hat sich zuletzt nicht wesentlich verbessert. Die größte Bedrohung der Menschenrechte geht von lokalen Machthabern und Kommandeuren (Warlords) aus, deren Tätigkeit die Zentralregierung nur begrenzt kontrollieren kann. Die Wirtschaftslage ist weiterhin desolat, auch wenn ein bescheidener wirtschaftlicher Aufschwung in manchen Städten wie K. und H. eingesetzt hat. Erste Schritte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen sind eingeleitet. Die Ernte 2009 ist besser ausgefallen als erwartet und hat zu einer Verbesserung der Gesamtversorgungslage im Land geführt. Die Vereinten Nationen versorgen nach wie vor Millionen von Afghanen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. In K. und zunehmend auch in anderen großen Städten hat sich die Versorgungslage zwar grundsätzlich verbessert, weil es dort Nahrungsmittel in ausreichendem Maße gibt und auch Wohnraum zu Verfügung steht, wenn auch Mieten stark gestiegen sind; aber wegen mangelnder Kaufkraft profitieren längst nicht alle Bevölkerungsschichten davon. In anderen Gebieten A.s kann die Versorgungslage als weiterhin nicht zufriedenstellend bis völlig unzureichend beschrieben werden, wobei gerade in ländlichen Gebieten starke Mangelernährung herrscht. Die individuelle Versorgung hängt entscheidend davon ab, über welche finanziellen Mittel der Einzelne verfügt und ob er Grundeigentum hat. Diese Einschätzung gilt auch für rückkehrende Frauen. Mangels staatlicher Sozialsysteme übernehmen Familien und Stammesverbände die soziale Absicherung. Rückkehrer, die außerhalb des Familienverbands oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, wenn ihnen das notwendige soziale oder familiärer Netzwerk sowie die notwendigen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen. Sie können auf übersteigerte Erwartungen ihrer finanziellen Möglichkeiten treffen, so dass von ihnen überhöhte Preise verlangt und sie nicht als vollwertigen Afghanen behandelt werden. Andererseits bringe diese in der Mehrzahl der Fälle höhere Finanzmittel, eine qualifiziertere Ausbildung und umfangreichere Sprachenkenntnisse mit, was bei der Reintegration einen deutlichen Vorteil darstelle, zumal es dem Land an ausgebildeten Facharbeitern und Akademikern fehlt. Die medizinische Versorgung ist aufgrund fehlender Medikamente, Geräte und Ärzte und mangels ausgebildeten Hilfspersonals trotz mancher Verbesserungen völlig unzureichend. Aufgrund der schlechteren Sicherheitslage ist die Zahl der freiwillig Rückkehrenden, die zwischen März 2002 und April 2010 auf etwa 4,5 Millionen Menschen geschätzt wurde, signifikant zurückgegangen. Freiwillig zurückkehrende Afghanen kamen früher meist bei Familienangehörigen unter, was die nur knapp vorhandenen Ressourcen wie Wohnraum und Versorgung noch weiter strapazierte. Eine zunehmende Zahl von Rückkehrern verfüge aber nicht mehr über diese Anschlussmöglichkeiten, weshalb sich ein zuständiges afghanisches Ministerium mit Unterstützung des UNHCR um eine Neuansiedlung dieser Flüchtlinge bemühe. Der UNHCR (Stellungnahmen von Mai 2006, vom 25.4.2007, von Januar 2008, vom 25.2. und vom 6.10.2008, vom 10.11.2009, vom 30.11.2009 an BayVGH und Richtlinie zur Feststellung eines internationalen Schutzbedarfs vom 17.12.2010 und zuletzt vom 6.8.2013) hält die Voraussetzungen für eine Rückkehr afghanischer Flüchtlinge aus Europa derzeit weder unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit noch im Hinblick auf die Versorgungslage als gegeben. Es sollten solche Personen nicht zur Rückkehr gezwungen werden, die sich in einer schwierigen Situation befinden, etwa weil sie mittellos und ohne Land sind oder aber weil sie in dem von Familien- und Stammesverbänden geprägten A. ohne Unterstützung durch ihre Familie auskommen müssten; es wurden bestimmte Hauptgruppen mit besonderem Schutzbedarf aufgelistet, die aus humanitären Gründen nicht zurückkehren sollten. Bestimmte Landesteile sind von der schwierigen Sicherheitssituation besonders betroffen. Diese wurden im Einzelnen aufgelistet. Erwerbsmöglichkeiten seien nur sehr eingeschränkt vorhanden. Die Situation am Arbeitsmarkt habe sich weiter verschärft. Die Lebenshaltungskosten seien stark angestiegen und die Versorgungssituation mit Grundnahrungsmitteln und die Zugangsmöglichkeiten hierzu seien unzureichend. Ob ein Rückkehrer von einer Mangelsituation betroffen sein werde, hänge von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (Stellungnahme vom 11.11.2011 an OVG RhPf). Nach Ansicht von Amnesty International im Schreiben vom 28. Juli 2003 sei eine Rückkehr von Flüchtlingen nach A. bei der derzeitigen Sicherheits- und Menschenrechtslage dort nicht zumutbar. Nach einer weiteren Einschätzung der Situation im Schreiben vom 17. Januar 2007 an HessVGH sei dort die Sicherheitslage als prekär und desolat und die Versorgungslage als hochproblematisch zu bezeichnen. Nach Auffassung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Updates vom 3. Februar 2006, vom 21.8.2008, vom 26.2.2009, vom 11.8.2009, vom 11.8.2010, vom 23.8.2011, vom 3.9.2012 und vom 30.9.2013), hat sich die Sicherheitslage in A. das fünfte Jahr in Folge verschlechtert. Die Gewaltakte seien um 40% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Lokale Kriegsherren halten ihre starken Machtstellungen nach wie vor durch Einschüchterung und Gewaltanwendung gegenüber der Bevölkerung aufrecht. Kriminelle Banden und regierungsfeindliche Gruppierungen führen weiterhin auch in K. und Zentralafghanistan Entführungen zwecks Lösegelderpressung durch. Im Folgenden wurden 15 Personengruppen als speziell gefährdet geltender Menschen aufgezählt. In wirtschaftlicher Hinsicht sei zu beachten, dass A. das zweitärmste Land der Welt sei. Es würden mehr Menschen an den Folgen der Armut als an den direkten Folgen des bewaffneten Konflikts sterben. Es gebe eine große Unterernährung. Der Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und Unterkünften habe sich aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen insbesondere im Süden und Südosten des Landes massiv verschlechtert. Die Arbeitslosenquote sei hoch. Die Zahl der freiwilligen Rückkehrer sei stark gesunken. Ein Großteil der Rückkehrer sehen sich mit Unterkunftsproblemen konfrontiert oder verfügen über kein stabiles Einkommen. Viele Rückkehrer haben sich am Rand von K. in informellen Siedlungen niedergelassen, wo sie oft keinen Zugang zu Elektrizität, sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen haben. Ende Juni 2013 lebten in A. über 570.000 intern Vertriebene. Nach Meinung der Gesellschaft für bedrohte Völker-Schweiz (Reisebericht von Juli 2003) sei aufgrund der prekären Sicherheitssituation in weiten Teilen des Landes eine zwangsweise Rückführung afghanischer Flüchtlinge in absehbarer Zeit nicht zumutbar. Nach dem Untersuchungsbericht vom Informationsverbund Asyl e.V. für den Zeitraum März/April bis Juni 2005 gestaltet sich das Leben für Rückkehrer aus dem westlichen Ausland nach A. generell problematisch, jedoch unterschiedlich für einzelne Personengruppen. Nach Dr. D. (Gutachten vom 13.1.2006 an VG Wiesbaden, vom 23.1.2006, vom 4.12.2006 an HessVGH und vom 3.12.2008 an HessVGH), ist die Lage zurückkehrender Flüchtlinge so katastrophal, dass unmittelbar eine Existenzgefährdung für sie bestehe. Die Sicherheitslage habe sich in letzter Zeit dramatisch verschärft und hinsichtlich der Versorgungslage sei Lebensmittelknappheit gegeben. Nach P. (Humanitäre Lage in K. in: Informationsverbund Asyl e.V. 2006 Seite 9), habe der unkontrollierte Bevölkerungszuwachs in K. zu ernsten Problemen bei der Versorgung mit Wohnraum, Wasser, Strom, bei der ohnehin unzureichenden Gesundheitsversorgung, beim Arbeitsmarkt und bei der allgemeinen Sicherheitslage geführt. Diese Quellenauswertung wurde von Y. (Sicherheitslage in A. und humanitäre Lage in K. in: Asylmagazin 2011,406 bis411) fortgeführt. Zur Arbeitsmarktsituation nimmt R. im Schreiben vom 15. Januar 2008 an RhPf OVG Stellung. Danach ist die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung in den Städten und ländlichen gebieten hoch. Die Wahrscheinlichkeit, eine auf Dauer angelegte und den Lebensunterhalt sichernde Erwerbsmöglichkeit zu finden, ist gering. Diese Einschätzung gilt besonders für ungelernte männlicher Arbeitskräfte. Allerdings sei davon auszugehen, dass Rückkehrer nach K. dort über persönliche Kontakte verfügten, diese auch nutzen und an Informationen über Arbeit und Beschäftigung kommen würden. Wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Reintegration sei jedenfalls die berufliche Qualifikation. Nach Dr. G. (Stellungnahme vom 31. Januar 2008 an RhPf OVG) sei diese Einschätzung zutreffend. Legale Erwerbsmöglichkeiten seien kaum gegeben, es sei denn der Rückkehrer verfüge über eine besondere berufliche Qualifikation. Ansonsten sei die Gefahr, das Existenzminimum nicht sichern zu können, hoch. Auf eine Unterstützung von Hilfsorganisationen könne man sich nicht verlassen. Nach den Berichten der AGEF ... vom 8. Juni 2011 sei davon auszugehen, dass für einen nicht oder nur geringfügig qualifizierten Rückkehrer ebenso wie für einen einheimischen Arbeitssuchenden mit diesen Voraussetzungen geringe Chancen für eine dauerhafte Beschäftigung mit geregeltem Einkommen bestehen. Das Existenzminimum für eine Einzelperson könne aber durch Tagelöhner- und Aushilfsjobs ermöglicht werden. Fälle mit Todesfolge von Rückkehrern aufgrund von Hunger und Mangelernährung seien nicht feststellbar. Migranten, denen es gelungen sei, schwierige Wege und Situationen bis nach Europa zu meistern, gehörten zum mobileren Teil der afghanischen Bevölkerung und schafften es erfahrungsgemäß, ihre Beziehungen so zu gestalten, dass sie ihr Überleben sichern könnten. Auch könnte eine Neuansiedlung insbesondere im städtischen Raum heute auch ohne Bindung oder Abhängigkeit bzw. Unterstützung familiärer Strukturen erfolgen.
Nach alledem kann trotz der dargestellten überaus schlechten Sicherheits- und Versorgungslage, soweit letztere nicht durch einen bewaffneten Konflikt bedingt ist, ausgehend vom vorgenannten rechtlichen Maßstab aber nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa mit der definitionsmäßig bestimmten existenziellen Bedrohung rechnen müsste. Irgendwelche besonderen Umstände, die speziell bei diesem volljährigem, gesunden und arbeitsfähigen Kläger ausnahmsweise doch eine relevante Gefährdung insbesondere wegen Zugehörigkeit zu einer der betreffenden schutzwürdigen Personengruppe (vgl. hierzu UNHCR und SFH a. a. O.) begründen würden, sind hier ebenfalls nicht anzunehmen. Eine Einzelfallprüfung führt hier auch nicht dazu, dass nach Würdigung der Auskunftslage selbst ein bescheidenes Auskommen in A. durch einfache Tätigkeit ausgeschlossen wäre. Entsprechendes gilt für eine Unterkunft. Nach den vorstehenden Ausführungen droht auch keine Zwangsrekrutierung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
Diese Auffassung wird auch in der (obergerichtlichen) Rechtsprechung vertreten (OVG RhPf, U. v. 21.3.2012 - 8 A 11050/10 - juris, OVG NRW, B. v. 10.8.2012 - 13 A 151/12.A - juris, nunmehr auch VGH BW, U.v 6.3.2012 - A 11 S 3177/11 - juris, BayVGH, U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris, U. v. 1.3.2013 - 13a B 12.30011 - juris und U. v. 13.5.2013 - 13a B 12. 30052 - juris, HessVGH, U. v. 30.1.2014 - 8 A 19/12.A - juris, siehe auch die Rechtsprechungsnachweise bei D. in: Asylmagazin 2012,416 bis 424; eine bloße Mangelernährung genügt nicht und der Vortrag einer fehlenden Unterstützung durch Familie, Sippe oder Stamm oder internationale Organisationen muss substantiiert sein BVerwG, U. v. 29.6.2010 a. a. O. und U. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris).
Nach alledem kann ausgehend vom vorgenannten rechtlichen Maßstab trotz der vorstehend dargestellten überaus schlechten allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger als Rückkehrer aus Europa in seiner Herkunfts-/Heimatregion alsbald den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden erleiden müsste. Irgendwelche besonderen Umstände, die speziell bei diesem volljährigem, gesunden und arbeitsfähigen Kläger ausnahmsweise doch eine relevante Gefährdung insbesondere wegen Zugehörigkeit zu einer der betreffenden schutzwürdigen Personengruppe, begründen würden, sind hier weder im Einzelnen geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Klägers kann ebenfalls unter Bezugnahme auf vorstehende Ausführungen insoweit auch keine besondere davon abweichende Situation angenommen werden. Schließlich ergibt sich dieses Abschiebungsverbot entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht in Anwendung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 und der Beschlusslage der IMK zu Rückführungen nach A. entsprechend der Sitzung vom 4. bis 6. Dezember 2013, da dort zwar eine Überprüfung und Neubewertung der rückführungsrelevanten Situation vorgesehen ist, sich aber an der weiterhin geltenden Einzelfallprüfung nichts geändert hat. Diese Auffassung, auf die auch maßgeblich abzustellen ist, da nach den derzeitigen ausländerbehördlichen Verwaltungsvorschriften in Bayern also nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Erlass- oder Weisungslage besteht, die vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz bietet (BayVGH, B. v. 9.1.2007 - 6 ZB 04.30489 - juris), wird auch in der (obergerichtlichen) Rechtsprechung überwiegend vertreten (Zitate wie vor).
Nach alledem ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 02. Mai 2014 - 11 K 14.30012
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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 02. Mai 2014 - 11 K 14.30012 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf des ihm zuerkannten Abschiebungsschutzes hinsichtlich Afghanistans.
- 2
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Der 1986 in Kabul geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er reiste Ende 2000 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - im Juli 2001 ab. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 AuslG nicht vorliegen. Allerdings stellte es fest, dass zugunsten des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Afghanistans vorliegt. Diese Feststellung stützte das Bundesamt auf die dem damals noch minderjährigen Kläger drohende Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder die Nordallianz.
- 3
-
Mit Bescheid vom 28. September 2006 widerrief das Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (Nr. 1) und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die innenpolitische Situation in Afghanistan seit dem Sturz der Talibanherrschaft im November 2001 grundlegend geändert habe. Es sei nicht zu erwarten, dass das zerschlagene Talibanregime wieder an die Macht gelange, so dass von den Taliban wieder eine Verfolgungsgefahr ausgehen könne. Es bestünden für Rückkehrer aus Deutschland aufgrund der allgemeinen Versorgungs- und Sicherheitslage auch keine extremen Gefahren, die bei verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach dieser Vorschrift führten.
- 4
-
Das Verwaltungsgericht hat den Widerrufsbescheid im Februar 2008 aufgehoben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Januar 2010 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 AsylVfG für den Widerruf des dem Kläger zugebilligten Abschiebungsverbots lägen nicht vor. Es bestehe für ihn im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul, eine Extremgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Diese erfordere die Gewährung eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Kläger habe in Afghanistan keine ordnungsgemäße Schulausbildung erhalten und könne seine Heimatsprache Dari nur eingeschränkt lesen und schreiben. Er sei bei seiner Ausreise erst 14 Jahre alt gewesen und habe in Afghanistan weder eine Ausbildung erhalten noch eine Berufstätigkeit ausgeübt. Nach seinem mehr als neunjährigen Aufenthalt in Deutschland erscheine es kaum denkbar, dass er sein Überleben in den chaotischen Verhältnissen Kabuls selbst sichern könne. Auch seine Sicherheit sei dort hochgradig gefährdet. Er könne nicht auf eine familiäre Unterstützung zurückgreifen. Selbst wenn er aus dem Ausland ab und zu finanzielle Hilfen erhielte, wäre dies nicht geeignet, seine Existenz wirksam zu gewährleisten.
- 5
-
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Sie macht geltend, dass der Widerruf des Abschiebungsverbots rechtmäßig sei. Der Verwaltungsgerichtshof verfehle die Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer Extremgefahr. Außerdem verletzte er die Anforderungen des § 108 Abs. 1 VwGO an die richterliche Überzeugungsbildung, wenn er es für die Annahme einer derartigen Gefahr ausreichen lasse, dass bestimmte Tatsachen "plausibel" erscheinen, ohne sich hierzu eine Überzeugung zu bilden.
- 6
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Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt und unterstützt die Revision.
Entscheidungsgründe
- 7
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Der Senat konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters des Klägers verhandeln und entscheiden, da dieser in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
- 8
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Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat den auf § 73 Abs. 3 AsylVfG gestützten Widerrufsbescheid deshalb als rechtswidrig angesehen, weil es der Auffassung war, dass dem Kläger in Bezug auf Afghanistan weiterhin Abschiebungsschutz nach nationalem Recht - nunmehr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - zusteht. Die hierfür angeführte Begründung ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Senat nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden. Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Gegenstand des Verfahrens zunächst das Hauptbegehren des Klägers auf Aufhebung des auf § 73 Abs. 3 AsylVfG gestützten Widerrufsbescheids ist. Dieses - hier in erster und zweiter Instanz erfolgreiche - Begehren ist begründet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Widerruf nicht erfüllt sind. Nach § 73 Abs. 3 AsylVfG setzt der Widerruf des nach nationalem Recht gewährten Abschiebungsschutzes voraus, dass die Voraussetzungen für das ursprünglich zuerkannte Abschiebungsverbot (hier nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990) nachträglich entfallen sind und auch nicht aus anderen Gründen Abschiebungsschutz nach nationalem Recht (jetzt nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG einschließlich der verfassungskonformen Anwendung von Satz 1 und 3) zu gewähren ist. Dabei sind alle Rechtsgrundlagen für den nationalen Abschiebungsschutz, der jedenfalls seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 einen einheitlichen, nicht weiter teilbaren Streitgegenstand bildet, in die Prüfung einzubeziehen.
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Darüber hinaus ist im Falle des Widerrufs eines Abschiebungsschutzes nach nationalem Recht seit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes grundsätzlich auch über den neu hinzugekommenen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutz zu entscheiden, der seinerseits einen selbstständigen, nicht weiter teilbaren Streitgegenstand bildet (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11). Soweit in Übergangsfällen - wie hier - der Widerrufsbescheid des Bundesamts vor dem 28. August 2007 ergangen ist und deshalb den unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutz noch nicht berücksichtigt, ist das Bestehen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes im gerichtlichen Verfahren jedenfalls dann (erstmals) zu prüfen, wenn der Widerruf des an sich nachrangigen nationalen Abschiebungsschutzes durchgreift. Denn in diesem Fall ist das Klagebegehren des Klägers regelmäßig - und so auch hier - sachdienlich dahin auszulegen, dass er zumindest hilfsweise für den Fall des Wegfalls des nationalen Abschiebungsschutzes die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots erreichen will. Der vorherigen Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beim Bundesamt bedarf es insoweit nicht. Weiterhin kann in diesen Übergangsfällen der Anspruch auf unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutz im Rechtsstreit um den Widerruf des nationalen Abschiebungsschutzes auch mit einem weiteren Hauptantrag und damit unabhängig von dem Wegfall oder Fortbestand des nationalen Abschiebungsschutzes geltend gemacht werden (zur Zulässigkeit eines solchen Antrags: Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 16 bis 18). Eine Verpflichtung zur Stellung eines solchen weiteren Hauptantrags zur Durchsetzung des grundsätzlich vorrangigen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsschutzes besteht allerdings in den in die Übergangszeit fallenden Widerrufsfällen wie dem vorliegenden nicht, da es Sache des Klägers ist, ob er sich mit dem Fortbestand des bisher gewährten nationalen Abschiebungsschutzes begnügen oder daneben zusätzlich den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz erstreiten will. Anders als bei der Verpflichtungsklage auf erstmalige Feststellung von Abschiebungsverboten bedarf es beim Streit um die Rechtmäßigkeit des Widerrufs eines nach nationalem Recht gewährten Abschiebungsschutzes mit Blick auf die dem Asylverfahrensgesetz zugrunde liegende Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime nicht notwendig der Klärung, ob neben dem einmal gewährten nationalen Abschiebungsschutz auch noch ein unionsrechtlich begründeter besteht (vgl. aber zur Notwendigkeit gestufter Klageanträge in Erst- oder Folgeschutzverfahren: Urteil vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen Rn. 13).
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1. Der Widerruf des Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG im Bescheid vom 28. September 2006 ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Maßgeblich ist hierfür die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids (Beschluss vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 46.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 24 Rn. 15). Nach § 73 Abs. 3 AsylVfG in der auch derzeit noch unverändert geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) ist die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen, zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.
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Dem Widerruf nach § 73 Abs. 3 AsylVfG steht die einjährige Ausschlussfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht entgegen. Denn diese Frist beginnt erst mit dem Abschluss des Anhörungsverfahrens - hier eingeleitet im Juni 2006 - zu laufen (vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <292>), so dass zum Zeitpunkt des Widerrufs noch kein Jahr verstrichen war. Die einjährige Ausschlussfrist findet im Übrigen aber für das Widerrufsverfahren nach § 73 Abs. 3 AsylVfG auch keine Anwendung. Das ergibt sich aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der in § 73 AsylVfG getroffenen Regelungen.
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Die Frage, ob die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG auch im Rahmen des Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG a.F. galt, hatte das Bundesverwaltungsgericht zunächst stets offenlassen können, weil es in den zu entscheidenden Fällen nicht darauf ankam. Nach Einführung der Dreijahresfrist für die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen mit der Folge des gegebenenfalls zwingenden Widerrufs der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung durch § 73 Abs. 2a AsylVfG zum 1. Januar 2005 hat es allerdings entschieden, dass die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG jedenfalls in den Fällen keine Anwendung findet, in denen die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung innerhalb der Dreijahresfrist nach Unanfechtbarkeit der Anerkennungsentscheidung widerrufen wird (Urteil vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 14 f.). Maßgeblich hierfür war die Erwägung, dass der Gesetzgeber mit der Dreijahresfrist dem Bundesamt einen bestimmten, auf die Besonderheiten des Asyl- und Ausländerrechts abgestimmten zeitlichen Rahmen vorgegeben hat, der nach dem Sinn und Zweck der Regelung erkennbar abschließend ist und nicht durch weitere (allgemeine) Fristen wieder verengt werden sollte. Ob dies auch für den Widerruf von Asyl- und Flüchtlingsanerkennungen nach Ablauf der Dreijahresfrist gilt, hat der Senat offengelassen. Für den Widerruf der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG, der in § 73 Abs. 3 AsylVfG zwingend und ohne jede Einschränkung vorgeschrieben ist, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, folgt daraus, dass auch hier von einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung auszugehen ist, die eine Anwendung der Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG verbietet. Zwar ist für den Widerruf der Feststellung von Abschiebungsverboten kein besonderer zeitlicher Rahmen wie in § 73 Abs. 2a AsylVfG vorgesehen. Es wäre aber ein Wertungswiderspruch, wenn die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung innerhalb der ersten drei Jahre nach ihrer Unanfechtbarkeit unter leichteren formellen Vorraussetzungen, nämlich ohne Beachtung der Jahresfrist, widerrufen werden könnte als eine Gewährung von sonstigem, nachrangigem Abschiebungsschutz. Dies hat der Gesetzgeber, der - wie § 73 Abs. 3 AsylVfG zeigt - den Fortbestand von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG besonders eng und unmittelbar an die materielle Schutzbedürftigkeit binden wollte, erkennbar nicht gewollt. Der Widerruf von Abschiebungsschutz nach § 73 Abs. 3 AsylVfG ist deshalb auch nach Ablauf eines Jahres nach Kenntnis des Bundesamts von den Widerrufsgründen zulässig (so im Ergebnis auch OVG Münster, Beschluss vom 15. Oktober 2010 - 13 A 1639/10.A - juris Rn. 16; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. November 2010 - 3 N 46.09 - juris Rn. 6; OVG Hamburg, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 4 Bf 40/05.AZ - juris).
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Dass die einjährige Ausschlussfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG für das Widerrufsverfahren nach § 73 Abs. 3 AsylVfG keine Anwendung findet, gilt im Übrigen auch für die Rechtslage nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007. Durch das Richtlinienumsetzungsgesetz wurden sogar weitere Spezialregelungen zu Widerruf und Rücknahme nach § 73 AsylVfG getroffen (vgl. etwa § 73 Abs. 2b und c, Abs. 4 und 7 AsylVfG). Das bestätigt, dass der Gesetzgeber den Widerruf von Abschiebungsverboten im Asylverfahrensgesetz auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht abschließend regeln wollte.
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2a) Ob der Widerruf den materiellen Voraussetzungen entspricht, bestimmt sich nach § 73 Abs. 3 AsylVfG i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970). Danach ist die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen, zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Der dem Kläger gewährte nationale Abschiebungsschutz ist somit zu widerrufen, wenn sich die Sachlage so verändert hat, dass die Voraussetzungen für das vom Bundesamt im Juli 2001 festgestellte Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990 entfallen sind (1) und auch keine anderen nationalen Abschiebungsverbote vorliegen (2).
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(1) § 73 Abs. 3 AsylVfG verlangt für den Widerruf eines Abschiebungshindernisses eine beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse. Durch neue Tatsachen muss sich eine andere Grundlage für die Gefahrenprognose bei dem jeweiligen Abschiebungsverbot ergeben. Deshalb reicht für den Widerruf eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 in verfassungskonformer Anwendung (jetzt: § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG) allein der Umstand, dass für den Betroffenen keine verfassungswidrige Schutzlücke mehr besteht, etwa weil er nunmehr unionsrechtlichen Abschiebungsschutz z.B. gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG beanspruchen kann oder die Abschiebung nachträglich durch Ländererlass gemäß § 60a AufenthG vorübergehend ausgesetzt wird, nicht aus. Zwar kann das genannte Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Anwendung im Wege einer Durchbrechung der in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG angeordneten Sperrwirkung für allgemeine Gefahren nur festgestellt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG unvereinbare Schutzlücke bestünde (Urteile vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 12 und vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 32 m.w.N.). Die damit einhergehende Subsidiarität dieses Abschiebungsverbots hat indes im Falle des Widerrufs nicht das gleiche Gewicht. Die Voraussetzungen für die Feststellung dieses Abschiebungsverbots einerseits und den Widerruf andererseits sind deshalb insoweit nicht vollends deckungsgleich.
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(2) Sind die tatsächlichen Voraussetzungen für das konkret festgestellte Abschiebungsverbot entfallen, ist zu prüfen, ob nationaler Abschiebungsschutz aus anderen Gründen besteht (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG einschließlich der verfassungskonformen Anwendung von Satz 1 und 3). Des Weiteren bestimmt sich der Widerruf ausschließlich nach den Vorschriften des nationalen Rechts. Weder dem Gesetzestext noch den Materialien zum Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber Vorgaben des Unionsrechts - namentlich Art. 16 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 zum Erlöschen des subsidiären Schutzes - über die unionsrechtlich begründeten Tatbestände des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG hinaus auch auf den nationalen Abschiebungsschutz erstrecken wollte.
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b) Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen im Fall des Klägers mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Denn er hat zugunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG wegen Vorliegens einer Extremgefahr bejaht, dabei aber die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Voraussetzungen für die Annahme eines solchen Abschiebungsverbots verfehlt.
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Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
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Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.).
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Der Verwaltungsgerichtshof hat diese rechtlichen Maßstäbe für die verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in wesentlichen Teilen verkannt. Er bezieht sich zwar ausdrücklich auf den Maßstab der Extremgefahr und zitiert in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (UA S. 6). Bei der Rechtsanwendung indes füllt er ihn mit Merkmalen auf, die weit hinter den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Anforderungen zurückbleiben.
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Das Vorliegen einer Extremgefahr begründet der Verwaltungsgerichtshof damit, es erscheine kaum denkbar, dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan sein Überleben "in den chaotischen Verhältnissen Kabuls" sichern könne (UA S. 9). Auch eine gelegentliche finanzielle Unterstützung aus dem Ausland sei "letztlich nicht geeignet, seine Existenz wirksam zu gewährleisten" (UA S. 10). Diese im Rahmen der Subsumtion herangezogenen Tatsachen lassen jedoch nicht den Schluss darauf zu, dass der Kläger dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, wie das den Anforderungen an eine Extremgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht. Denn die fehlende Möglichkeit einer wirksamen Existenzsicherung führt nicht zwangsläufig zur Existenzvernichtung oder zu schwersten Gesundheitsschäden. Damit verfehlt das Berufungsurteil den Begriff der Extremgefahr.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Entscheidung zudem nicht die weiteren für eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erforderlichen Voraussetzungen zugrunde gelegt, dass sich die Gefahr mit hoher Wahrscheinlichkeit und alsbald nach der Rückkehr des Klägers realisieren muss. Auf diese Voraussetzungen geht das Berufungsurteil überhaupt nicht ein. Die gewählte Formulierung, eine Sicherung des Überlebens erscheine "kaum denkbar" (UA S. 9) entspricht nicht dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab, dass gleichsam sehenden Auges der sichere Tod oder schwerste Verletzungen drohen müssen. Gegen das Erfordernis der alsbaldigen Realisierung der Gefahr spricht, dass das Gericht eine wirksame Existenzsicherung für erforderlich hält, um die Extremgefahr abzuwenden, und damit für die Verneinung der Gefahr auf eine längerfristige Zeitperspektive abstellt.
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3a) Bei seiner erneuten Befassung mit der Sache wird das Berufungsgericht unter Zugrundelegung der für die erneute Entscheidung maßgeblichen Erkenntnislage zu prüfen haben, ob die für die ursprüngliche Zubilligung nationalen Abschiebungsschutzes durch das Bundesamt ausschlaggebende Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die Taliban bei Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich entfallen ist (vgl. hierzu etwa den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9. Februar 2011 S. 22 und die Auskunft von Amnesty International an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 21. Dezember 2010).
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b) Sollte die Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Kläger entfallen sein, ist das Berufungsgericht gehalten, sich bei der erneuten Prüfung eines Abschiebungsverbots wegen Vorliegens einer Extremgefahr in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG die vom Bundesverwaltungsgericht hierzu entwickelten rechtlichen Maßstäbe zu beachten und seiner Überzeugungsbildung zugrunde zu legen. Dabei wird es sich auch mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte auseinanderzusetzen haben (vgl. etwa Urteil des VGH München vom 3. Februar 2011 - 13 a B 10.30394 - juris, das sich seinerseits allerdings auch nicht mit der gegenteiligen Rechtsprechung des Berufungsgerichts auseinandersetzt; vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 29. Juni 2010 a.a.O. Rn. 22).
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c) Sollte es für das Vorliegen einer Extremgefahr weiterhin entscheidungserheblich auf die individuellen Möglichkeiten des Klägers ankommen, sich Nahrungsmittel zu beschaffen, wird der Verwaltungsgerichtshof der Frage nachzugehen haben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger mit finanzieller Unterstützung durch seine im Ausland lebenden Eltern und sonstigen Familienangehörigen rechnen kann, unter anderem durch seine in Deutschland lebende Schwester. Sofern sich für den Verwaltungsgerichtshof weiterhin die Frage stellt, ob der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer erhöhten Gefährdung seiner Sicherheit durch eine erfolgte Beschlagnahme eines Hauses seines Vaters in Kabul durch einen Mudschaheddin-General ausgesetzt wäre (UA S. 9), wird zu untersuchen sein, aufgrund welcher konkreten Umstände sich hieraus eine Gefahr für den Kläger auch ohne Geltendmachung eigener Ansprüche an dem Haus ergeben kann.
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d) Sollte der Hauptantrag des Klägers, der auf die Aufhebung des Widerrufs des nationalen Abschiebungsschutzes gerichtet ist, keinen Erfolg haben, wird der Verwaltungsgerichtshof über den Hilfsantrag auf Feststellung eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots zu entscheiden haben. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger schon in seiner Klageschrift angekündigt. Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof brauchten hierüber bisher nicht entscheiden, da es dem Kläger vorrangig um den Erhalt des ihm bereits gewährten nationalen Abschiebungsschutzes geht, den ihm die Instanzgerichte zugesprochen haben. Der Kläger durfte sein Begehren auch in dieser Form in einen Haupt- und Hilfsantrag kleiden (siehe oben Rn. 10).
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat; - 3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,
- 1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.
(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. Oktober 2011 - A 6 K 1088/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Gründe
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(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.
(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.
(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.
(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer
- 1.
unerlaubt eingereist ist, - 2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder - 3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer
- 1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, - 2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist, - 3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist, - 4.
mittellos ist, - 5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt, - 6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder - 7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.
(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.
(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.
(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.
(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.
(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.
(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der am … in Mazar-i Sharif geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 AufenthG vorliegen.
- 2
Nachdem er nach eigenen Angaben am 31. März 2004 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, beantragte er unter dem 7. April 2004, als Asylberechtigter anerkannt zu werden.
- 3
Zur Begründung seines Asylbegehrens führte er in seiner Anhörung vom 20. April 2004 an, dass er gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Sein Vater sei etwa eine Woche vor der Ausreise verstorben. Der Kläger habe die Koranschule besucht und danach im Geschäft des Vaters mitgearbeitet. Dieser sei Teppichhändler gewesen. Die Familie habe sich in einer guten wirtschaftlichen Lage befunden. Vor der Ausreise habe sein Vater allerdings etwa 60.000 Dollar Schulden gehabt. Die Gläubiger hätten die Familie bedroht. Grund für die Schulden sei gewesen, dass drei Ladungen Teppiche auf dem Weg nach Pakistan gestohlen worden seien. Ein Freund seines Vaters habe die Ausreise organisiert. Hierzu habe der Kläger aus dem Haus der Familie Geld geholt, das dort versteckt gewesen sei. An den Schlepper habe die Familie 20.000 Dollar bezahlt. Die Verwandten des Klägers lebten in Deutschland oder der Türkei.
- 4
Mit Bescheid vom 15. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 sowie des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 5
Am 1. Dezember 2005 hat der Kläger Klage erhoben, die er auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt hat.
- 6
Mit Urteil vom 19. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen und den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2005 insoweit aufgehoben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen der dortigen unzureichenden Versorgungslage einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre.
- 7
Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat die Beklagte angeführt, dass die vom Verwaltungsgericht angenommene extreme Gefahrenlage nicht vorliege. Die Sicherheits- und Versorgungslage insbesondere im Raum Kabul sei nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Für einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann wie den Kläger sei davon auszugehen, dass er im Raum Kabul eine vergleichsweise stabile Existenz sichern könne.
- 8
Der Kläger ist der Berufung unter Verweis auf die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegengetreten.
- 9
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in hinreichender zeitlicher Nähe in einen unausweichlich lebensbedrohlichen Zustand geraten würde. Er könne seinen Lebensunterhalt weder aus eigener Kraft noch durch Zuwendungen Dritter bestreiten. Auch ein Zugang zu medizinischer Versorgung sei nahezu ausgeschlossen. Insoweit gerate er zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen.
- 10
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2010 – 10 C 9.09 − die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- 11
Die Beklagte führt im weiteren Verfahren ergänzend aus, dass im Falle des Klägers auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzuerkennen sei. Im Herkunftsgebiet des Klägers, dem Bereich um die Stadt Mazar-i Sharif könne nicht von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgegangen werden. Zudem sei angesichts der Strukturen in der afghanischen Gesellschaft damit zu rechnen, dass der Kläger Unterstützung durch einen Stammes- oder Familienverband finden werde.
- 12
Die Beklagte beantragt,
- 13
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2006 die Klage insgesamt abzuweisen.
- 14
Der Kläger beantragt,
- 15
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass vorrangig das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungshindernisses festgestellt wird.
- 16
Er ist der Auffassung, dass die eingeholten Gutachten die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 6. Mai 2008 bestätigten. Er laufe Gefahr, bei einer Rückkehr in sein Heimatland an Mangelernährung zu sterben.
- 17
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen P. R., Dr. B. G. sowie Dr. K. L. und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakte sowie die in das Verfahren eigeführten Erkenntnismittel verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
- 20
Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.
- 21
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zu, noch sind in seinem Fall die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben.
- 22
1. In die Entscheidung des Senates waren – worauf bereits das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hingewiesen hat – die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorrangig vor dem Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu dessen Feststellung das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, einzubeziehen.
- 23
Die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote, zu denen neben § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gehört und deren Grundlagen sich aus Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie – ergeben, sind mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I 2007, 1970) im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsbescheid der Beklagten – wie hier − sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote erfasst und der Kläger die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote in sein Verfahren einbezogen hat. Die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den nationalen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 ─, BVerwGE 136, 360 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 6).
- 24
2. Im Falle des Klägers liegen indessen die Voraussetzungen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nicht vor.
- 25
a. Was die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG angeht, so hat sich der Kläger nicht hierauf berufen. Es ergeben sich auch ansonsten keine Hinweise darauf, dass er bei seiner Rückkehr der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sowie der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Soweit er die Befürchtung geäußert hat, er könne von den Gläubigern seines Vaters misshandelt werden, kann es – ungeachtet der Frage, wie derartige Übergriffe Privater rechtlich einzuordnen sind – nicht als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden, dass der Aufenthaltsort des Klägers bei einer Rückkehr von diesen Personen ermittelt und er von ihnen aufgegriffen werden kann.
- 26
b. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor.
- 27
aa. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
- 28
Im Falle des Klägers kann dahinstehen, ob in seiner Herkunftsregion, der Provinz Balkh, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Denn jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass er infolge eines solchen Konfliktes einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Eine mögliche bewaffnete Auseinandersetzung erreicht in der Provinz Balkh keine solche Gefahrendichte, dass sich aus der allgemeinen Lage bereits eine individuelle ernsthafte Bedrohung für jede Person ergibt, die sich dort aufhält.
- 29
bb. Was eine sich im Rahmen einer allgemeinen Gefahrenlage bestehende Bedrohung angeht, so ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zunächst richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der bei Vorliegen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie, der durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt wurde, keine Sperrwirkung entfaltet. Der Betroffene muss sich bei einer allgemeinen Gefahr nicht mit der in § 60 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aussetzung der Abschiebung zufriedengeben, da ihm nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 191 und juris, Rn. 31).
- 30
cc. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit dann anzunehmen, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Mit einer solchen Auslegung wird dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie Rechnung getragen, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen. Hiernach verlangt eine dennoch erfolgende Berücksichtigung eine Ausnahmesituation mit einem hohen Gefahrengrad. Hingegen kann der zur Gewährung subsidiären Schutzes erforderliche Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Betroffene zu belegen vermag, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände in besonderem Maße hierdurch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rechtssache C-465/07 Elgafaji, Rn. 35 bis 39).
- 31
Für die Annahme einer entsprechenden Bedrohung ist dabei auch nach nationalem Recht erforderlich, dass sie durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgelöst wird. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ist auch Bestandteil der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geworden. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz entnehmen lässt (BT-Drs. 16/5065, S. 187), war es Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie und damit auch das Erfordernis willkürlicher Gewalt in vollem Umfang in nationales Recht umzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 32). Von willkürlicher Gewalt ist auszugehen, wenn sich die in Frage stehende Gewalt auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O., Rn. 34).
- 32
Hiernach ist dann ein besonders hohes Maß willkürlicher Gewalt erforderlich, wenn keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Liegen solche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönlichen Besonderheiten, die den Rückkehrer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, wie etwa eine berufliche Verpflichtung sich in Gefahrennähe aufzuhalten. Hierzu können aber auch persönliche Umstände gerechnet werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie, aufgrund derer der Betroffene zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33; Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 −, juris Rn. 18). Beschränkt sich ein bewaffneter Konflikt auf einzelne Landesteile, so kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Betroffenen erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren muss. Bei der Feststellung, ob eine entsprechende individuelle erhebliche Gefahr gegeben ist, ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, erforderlich, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden. Weiterhin bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33). Die entsprechende Gefahr muss dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 20). Was die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende quantitative Beurteilung angeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. November 2011 (- 10 C 13/10 -, juris Rn. 22 f.) das Risiko, bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 800 verletzt oder getötet zu werden, als für die Annahme einer individuellen Gefahr keinesfalls hinreichend angesehen.
- 33
dd. Nach diesen Kriterien ist der Kläger aufgrund der allgemeinen Situation in seiner Herkunftsprovinz keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt.
- 34
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass es landesweit in unterschiedlicher Intensität zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischen Regierungstruppen und der unter Führung der NATO operierenden internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf der einen sowie den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite kommt. Das Land ist durch eine andauernde Instabilität geprägt. Insgesamt ist in den Jahren 2010 und 2011 eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Die Zahl der Anschläge hat sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 65 % erhöht. Während nach wie vor ein Schwerpunkt der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land in den südlichen und südöstlichen Regionen festzustellen ist, lässt sich gleichzeitig eine stärkere geografische Verteilung entsprechender Vorfälle konstatieren (vgl. UNHCR, Gutachten vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; ders., Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Die für das Jahr 2010 genannte Zahl getöteter Zivilpersonen schwankt in einzelnen Quellen zwischen 2.428 (amnesty international, Report 2011 Afghanistan vom 18. August 2011) und 2.777 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Landesweit ist im 1. Halbjahr 2011 ein Anstieg der Zahl der getöteten Zivilsten um 15 % festzustellen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Für das gesamte Jahr 2011 wird eine Zahl von 3021 ziviler Todesopfer genannt (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012), so dass erneut von einem beträchtlichen Anstieg auszugehen ist. Die Zahl der im Land insgesamt gemeldeten Angriffe bewaffneter oppositioneller Gruppierungen belief sich im Jahr 2011 auf 13.983 (The Afghanistan NGO Safety Office – ANSO, Quaterly Data Report Q.4 2011, Januar 2012).
- 35
Demgegenüber zeigt sich in der Provinz Balkh durch die Anwesenheit internationaler Organisationen und Militärs ein vergleichsweise sicheres Umfeld. Als problematisch hat sich in den vergangenen Jahren eher die hohe Kriminalitätsrate erwiesen. Die Situation in dieser Region wird als vergleichsweise friedlich eingeschätzt. Sie gehört zu den Provinzen, die in den zurückliegenden Jahren vom Konflikt am wenigsten betroffen waren (D-A-CH Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010). War in den Jahren 2009 und 2010 im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord, zu dem auch die Provinz Balkh gehört und das in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif seinen Sitz hat, ein signifikanter Anstieg der Auseinandersetzungen festzustellen, kam es im ersten Halbjahr 2011 wieder zu einem Rückgang der Übergriffe um 50 %. Dabei ist es den afghanischen Sicherheitskräften und den ISAF-Einheiten gelungen, in den Regionen Kundus und Nord-Baghlan die regierungsfeindlichen Kräfte weitgehend aus ihren traditionellen Hochburgen zu verdrängen. Auch in den nordwestlichen Provinzen und damit in Balkh konnten – wenn auch nicht in diesem Ausmaß − militärische Fortschritte erzielt werden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012). Mit diesem Vorgehen dürfte auch der seit 2008 feststellbaren und als problematisch angesehenen Infiltration des Nordens Afghanistans durch regierungsfeindliche Gruppierungen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011) entgegengewirkt worden sein. In der Provinz Balkh ereigneten sich im Jahr 2010 183 Angriffe oppositioneller bewaffneter Gruppierungen. Diese Anzahl ging im Jahr 2011 auf 144 zurück (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012).
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Bei einer Bevölkerungszahl in der Provinz von 1,2 Mio. Einwohnern, die sich auf 17.000 km² erstreckt (71 Einwohner pro km²; vgl.: D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich − Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010), entfiel bei 144 registrierten Anschlägen oppositioneller Gruppierungen ein solcher Vorfall auf etwa 8300 Einwohner. Demgegenüber ereignet sich in Afghanistan insgesamt bei etwa 31 Mio. Einwohnern und 13.983 Übergriffen landesweit (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012) ein Angriff je 2.200 Einwohner. Wenngleich auf die Region bezogene Opferzahlen nicht ersichtlich sind, so kann doch aus der allgemeinen Einschätzung der Sicherheitslage und der vergleichsweise niedrigen Zahl der Anschläge geschlossen werden, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, in einen derartigen Vorfall als Zivilperson einbezogen zu werden und damit einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.
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Angesichts dieser Gesamtsituation wirkt es sich auch nicht zugunsten des Klägers aus, dass die medizinische Versorgungslage in Afghanistan – insbesondere in ländlichen Bereichen − weiterhin als unzureichend angesehen werden muss und ein Zugang zu Gesundheitseinrichtungen nicht gewährleistet ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011). Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt, so dass es insoweit nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ob die Folgen einer Verletzung durch eine schnelle und wirksame medizinische Behandlung gemindert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 23).
- 38
ee. Besondere persönliche Umstände, die sich gefahrerhöhend auswirkten, sind im Falle des Klägers ebenfalls nicht ersichtlich. Er gehört in seiner Heimatregion der Bevölkerungsmehrheit der Tadschiken an. Soweit der Kläger in seinem Asylverfahren darauf verwiesen hat, dass die Familie von den Gläubigern seines Vaters bedroht worden sei, steht dieser Vorfall in keinem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Sicherheitskräften sowie den ISAF-Einheiten.
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3. Kann hiernach auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht festgestellt werden, so gilt dies gleichermaßen für das gegenüber den unionsrechtlichen Abschiebungsverboten nachrangig zu prüfende nationale Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG.
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a. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 3 dieser Regelung sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Der Kläger beruft sich indessen im Wesentlichen gerade auf die allgemein ungünstigen Verhältnisse in seinem Heimatland. Bei diesen der Bevölkerung allgemein drohenden Gefahren gilt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch der Vorrang einer politischen Leitentscheidung im Wege einer generellen Aussetzung der Abschiebung. Soweit der Kläger daneben auf die Gefahr abstellt, Opfer der Gläubiger seines Vaters zu werden, fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten, dass er als dessen Sohn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von diesen Personen ausfindig gemacht werden kann.
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Die nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bestehende Sperrwirkung ist allerdings im Wege der verfassungskonformen Auslegung dann einzuschränken, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine extreme Gefahrenlage dergestalt zu gewärtigen hätte, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würde und die obersten Landesbehörden von der nach § 60 a Abs. 1 AufenthG bestehenden Ermächtigung, die Abschiebung auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 und juris, Rn. 14; Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 - juris, Rn. 19). Die Gefahrenlage muss landesweit bestehen (VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 -, juris, Rn. 20).
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Was die für die Abweichung von der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erforderliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr angeht, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes von einem gegenüber dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die extremen Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Zudem müssen sich die Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O., juris, Rn. 15).
- 43
b. Im Falle des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen an das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei einer Rückkehr nach Afghanistan erfüllt sind.
- 44
Jedenfalls bei einer Rückkehr nach Kabul ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seinem alsbaldigen Tod oder schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Afghanistan durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt ist, die zu einer schwierigen Versorgungslage führt. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die verbreitete Armut führt landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Im Jahr 2011 war die Getreideernte nach überdurchschnittlichen Ernten in den Jahren 2009 und 2010 wieder signifikant niedriger als in den Vorjahren. Staatliche soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden. Der IWF rechnet indessen für das laufende afghanische Fiskaljahr mit einem Wachstum von 8 % des Bruttoinlandsproduktes außerhalb des Landwirtschaftssektors. Langfristig rechnen Experten bis zum Jahr 2030 mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 5 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012), so dass sich mittelfristig die Perspektive einer Besserung der Verhältnisse ergibt. Erwerbsmöglichkeiten sind für einen Großteil der Bevölkerung nur eingeschränkt vorhanden. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwa 40 %. Etwa 80 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Selbst nicht arbeitslose Afghanen erzielen durch ihre Arbeit nur in 13,5 % der Fälle regelmäßige Einkünfte. Unproblematisch ist die Situation lediglich für hochqualifizierte Kräfte wie Ingenieure, Finanz- und Verwaltungsfachleute. Für die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, kommt es wesentlich auf die Einbindung des Betroffenen in den erweiterten Familien- oder Bekanntenkreis an, der auch das soziale Sicherheitsnetz begründet (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. Oktober 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011 -).
- 45
Dem Kläger droht indes auch vor dem Hintergrund der geschilderten allgemeinen Lage in der Hauptstadt Kabul keine extreme Gefahrenlage. Die Lage dort ist durch eine positive Wirtschaftsentwicklung geprägt. Dies führt allerdings dazu, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt wegen der steigenden Zahl der Binnenvertriebenen und der wirtschaftlichen Migration aus anderen Landesteilen weiter verschärft. Weitere Folge dieser starken Zuwanderung aus anderen Landesteilen ist, dass die Lebenshaltungskosten und damit die Kosten für eine Unterkunft bedeutend höher liegen als in anderen Landesteilen (vgl. Gutachterliche Stellungnahme von Dr. K. L. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 09. Juni 2011; Gutachten des UNHCR an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011).
- 46
Als unwahrscheinlich ist zudem die Option anzusehen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr eine Arbeitsstelle findet, die seinen Lebensunterhalt dauerhaft gewährleistet. Vielmehr wird er voraussichtlich darauf angewiesen sein, sich als Tagelöhner zu verdingen (vgl. Gutachten von P. R. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2008). Grundlage hierfür ist insbesondere der Bauboom in der Hauptstadt, der die entsprechenden Möglichkeiten erheblich ausgeweitet hat. Bei der Arbeitssuche kommt überdies der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppierung in der Hauptstadt, da diese multiethnisch und kosmopolitisch geprägt ist, keine so große Bedeutung zu, wie es in der Provinz der Fall ist (Gutachten von Dr. B. G. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008). Insoweit wird der Kläger nicht in gleichem Maße auf die Unterstützung durch seinen Stammes- oder Familienclan angewiesen sein, wie dies in anderen Regionen seines Heimatlandes der Fall wäre.
- 47
Was die Möglichkeit angeht, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, so ist in seinem Falle weiterhin zu berücksichtigen, dass er alleinstehend ist und daher nicht in der Verantwortung steht, den Unterhalt von Ehefrau oder Kindern gleichfalls sicherzustellen. Hiernach ist aber bereits nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland ohne Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige nicht in der Lage wäre, durch eine - wenn auch unregelmäßige - Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zumindest in bescheidenem Umfang durch eine Tagelöhnertätigkeit zu erzielen (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 2011). Insoweit ergibt sich auch keine ernstliche Verschlechterung der Situation dadurch, dass er sich längere Zeit, nämlich seit dem Jahre 2004, außerhalb seines Heimatlandes aufgehalten hat. Selbst wenn sich hieraus eine Erschwernis bei der Arbeitssuche ergeben sollte (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG RP vom 31. Oktober 2011), so besteht jedoch keine Einschränkung der Eignung für einfache körperliche Tätigkeiten. Insoweit sind es gerade junge, kräftige Männer, die am ehesten die Chance haben, sich auf dem Arbeitsmarkt für Tätigkeiten durchzusetzen, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt ist (vgl. Gutachten von Dr. Mostafa Danesch an den HessVGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Was den Kläger angeht, kommt hinzu, dass er vor seiner Ausreise im Teppichhandel seines Vaters mitgeholfen und dadurch Erfahrungen im Wirtschaftsleben seines Heimatlandes erworben hat.
- 48
Auch die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Zwar ist in Afghanistan etwa ein Drittel der Bevölkerung von Mangelernährung betroffen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass den Betroffenen keine ausreichende Nahrung für ein gesundes und aktives Leben zur Verfügung steht (Stellungnahme des UNHCR vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz). Dies bedeutet indessen nicht, dass bei diesem Bevölkerungsanteil bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen in erheblichem Ausmaß eingetreten sind. Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei etwa einem Drittel der afghanischen Bevölkerung die Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigung durch Mangelernährung besteht. Die von Frau Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2008 geschilderten Folgen der Mangelernährung können in einem solchen Fall eintreten; sie sind aber nicht zwingend. Hinzu kommt, dass es auch bei der Gefahr von Armut und Mangelernährung demographische Risikogruppen gibt. Bei der Definition der Begriffe der absoluten Armut (1 Dollar und weniger pro Tag), von der etwa 36 % der Afghanen betroffen sind, und des Lebens knapp über der Armutsgrenze (2 bis 3 Dollar), das 37 % der afghanischen Bevölkerung führen, wird auf die Verhältnisse einer sechs- bis achtköpfigen Großfamilie abgestellt (vgl. Gutachten von Dr. M. D. an den Hessischen VGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Dies bestätigt aber die Annahme, dass gerade nicht junge, alleinstehende Männer, sondern eher Familien mit mehreren Kindern in besonderem Maße in Afghanistan existentiell gefährdet sind.
- 49
Da der Kläger nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ernsthafter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, kann bei ihm, der keine Vorerkrankungen dargelegt hat, auch nicht mit einer alsbald nach der Rückkehr drohenden extremen Gefahrenlage allein wegen der – insbesondere in ländlichen Bereichen – unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011) gerechnet werden.
- 50
Insgesamt kann hiernach zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland in eine ernsthafte Gefahrenlage gerät, für deren alsbald nach der Rückkehr erfolgenden Eintritt spricht aber keine hohe Wahrscheinlichkeit.
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Die Ansicht, dass für junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die beruflich nicht besonders qualifiziert sind und nicht auf den Rückhalt von Familie oder Bekannten zurückgreifen können, in Kabul keine extreme Gefahrensituation besteht, wird von der überwiegenden Zahl der Obergerichte geteilt (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 610/08 −; BayVGH, Urteil vom 03. Februar 2011 – 13a B 10.30394 −, juris Rn. 37; OVG NW, Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A −, juris Rn. 68 und Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A −, juris Rn. 7; OVG SH, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 −, juris Rn. 34; a.A. wohl: HessVGH, Urteil vom 25.08.2011 – 8 A 1659/10.A −, Juris Rn. 93 ).
- 52
Was einen möglichen Aufenthalt des Klägers in Kabul angeht, so liegen auch in diesem Bereich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor. Ausweislich des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012 kann die Sicherheitslage in Kabul weiterhin als stabil angesehen werden. Zwar hätten sich seit Januar 2011 in der Hauptstadt mehrere spektakuläre Selbstmordanschläge ereignet. Zuvor sei es allerdings über einen Zeitraum von fast 18 Monaten hinweg zu praktisch keinerlei Anschlägen gekommen. Es handelte sich um einzelne spektakuläre Anschläge auf exponierte Ziele (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Insgesamt waren 71 Tote in der Zivilbevölkerung Kabuls zu verzeichnen, wovon 67 Personen Opfer von sechs Selbstmordanschlägen wurden (vgl. UNAMA, Afghanistan, Annual Report 2011, Februar 2012). Diese Umstände sprechen bereits dagegen, in Kabul einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt anzunehmen (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3177/11 −). Jedenfalls ergibt sich aber keine erhebliche Gefahr für jeden Rückkehrer, Opfer einer bewaffneten Auseinandersetzung zu werden. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 3,5 bis 4,5 Mio. Menschen (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010) und einer Konzentration der Übergriffe auf wenige Vorfälle fehlt es an der erforderlichen Gefahrendichte.
- 53
Die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
- 54
Soweit der Kläger sich mit Schriftsatz vom 01. April 2012 an den Senat gewandt hat, bestand kein Anlass, erneut in eine mündliche Verhandlung einzutreten, da er seinen bisherigen Vortrag lediglich konkretisiert hat.
- 55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
- 56
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.
- 57
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tatbestand
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Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.
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Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 3
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Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.
- 4
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Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
- 9
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1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.
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2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).
- 11
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3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).
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3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).
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Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.
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Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).
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Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.
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3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.
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3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.
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a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.
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Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).
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b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.
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Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).
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Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).
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Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).
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Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).
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Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.
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Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).
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Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).
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Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.
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4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
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5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.
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5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.
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a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).
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Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.
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b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).
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Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.
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Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).
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Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.
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Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.