Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 27. Feb. 2014 - 11 K 13.31155
Gericht
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung von Ziffern 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 3. Dezember 2013 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Der nach eigenen Angaben am ... in ... geborene Kläger, ein pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volkszugehörigkeit, nach eigenen Angaben der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya zugehörig, begehrt die Flüchtlingszuerkennung, hilfsweise Abschiebungsschutz.
Er reiste am ... 2012 unerlaubt in das Bundesgebiet ein und stellte am ...2012 Asylantrag. Zur Person war er nicht ausgewiesen.
Anlässlich der Befragung zur Identitätsklärung bei der ZRS Nordbayern, Außenstelle Zirndorf am 18. Januar 2012 gab er nach seiner Religion befragt an (Bl. 28 ff. der Bundesamtsakte = BA), er sei Ahmadiyya/Islam. Seinen ca. vor zwei Monaten in ... ausgestellten Reisepass, mit dem er eingereist sei, habe der Schlepper in ... einbehalten. Ein Visum habe ihm der Schlepper besorgt. Am ... 2011 sei er von ... nach ... geflogen und bei der Polizeikontrolle problemlos durchgelassen worden. Zuletzt habe er in der Stadt ..., Provinz Punjab gewohnt. Ein Onkel von ihm sei in Deutschland. Bei diesem habe er sich bis zum 21. November 2011 aufgehalten. Sein Leben sei in Gefahr, weil er in der Ahmadiyya Glaubensgemeinschaft sei. Er habe seine Frau und seine vier Kinder in Pakistan zurückgelassen.
Bei seiner Anhörung am 13. Juni 2012 im Rahmen der Vorprüfung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab er an (Bl. 38 ff. BA), er habe Kontakt zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in Deutschland. Eine Mitgliedsbescheinigung habe er beantragt. Deshalb sei er in ... gewesen. Der lokale Präsident namens Shamim Khalid sei dorthin gekommen. Ein Abdullah Wagishauser sei der Leiter der Gemeinschaft für Gesamtdeutschland. Er sei mit einem pakistanischen Reisepass ausgereist, den ihm der Schlepper abgenommen habe. Darin habe sich sein Lichtbild befunden. Welcher Name darin gestanden sei, wisse er nicht. Geboren worden sei er in ..., Dorf Nr. ..., Gemeinde ..., Distrikt ... Bis zu seiner Ausreise am ... 2011 habe er dort im Haus seiner Eltern zusammen mit den Eltern, einer Schwester, drei Brüdern, einer Schwägerin, seiner Ehefrau und seinen Kindern gewohnt. Er habe sich nach ... zur Verwandtschaft begeben und habe sich dort bis zum 3. Januar 2012 aufgehalten. Er habe am ... 2007 geheiratet. Seine Ehefrau und seine Kinder lebten im Moment bei deren Mutter in ... Sein Vater sei Bauer von Beruf, seine Mutter Hausfrau. Die wirtschaftliche Situation der Familie sei durchschnittlich gewesen. Er habe noch Verwandtschaft in Pakistan. Als jedoch sein Vater im Jahr 1992 in die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya eingetreten sei, sei der Kontakt abgebrochen worden. Bei der genannten Verwandtschaft in ... handele es sich um einen sehr guten Freund seines Vaters. Sie pflegten sehr gute Kontakte. Im Jahr 2006 habe er die 12. Klasse absolviert. Seit dem Jahr 2001 habe er im ... Hospital in ... gearbeitet. Er habe dort eine Ausbildung zum Arzthelfer abgeschlossen und anschließend vier Jahre lang dort als Arzthelfer gearbeitet. Die Tätigkeit dort habe er im Jahr 2009 beendet. Bis zu seiner Ausreise sei er dann als Taxifahrer tätig gewesen. Zu seinen Ausreisegründen befragt, gab er an, die Umstände, unter denen die Mitglieder seiner Glaubensgemeinschaft in Pakistan leben müssten, seien bekannt. Sein Bruder sei in der Gemeinde engagiert gewesen und habe für diese gearbeitet, weshalb dieser dann auch nach Schweden gegangen sei. Dieser sei für sieben kleine Gemeinden zuständig gewesen. Dieser sei bedroht worden. Man habe von diesem verlangt, diese Tätigkeit einzustellen. Dieser habe sich geweigert und sei zwei bis viermal bedroht worden. Eines Tages sei dieser unterwegs gewesen, um eine kleine Gemeinde zu besuchen. Da hätten Mullahs auf ihn geschossen. Sein Bruder sei auf dem Motorrad unterwegs gewesen. Das hätten diese ihm abgenommen. Dann sei dieser auf dem Boden gelegen. Er, ein Bruder und Freunde seien hingegangen und hätten seinen Bruder nach ... ins Krankenhaus gebracht. Dort sei dieser behandelt worden. Dann sei von der Gemeinde seine Heirat nach Schweden arrangiert worden. Im Jahr 2009 habe er seine Tätigkeit im Krankenhaus beendet und sei anschließend in seinen Heimatort zurückgegangen. Dort sei er für Bildung, Erziehung und Auflistung der Mitglieder der Gemeinde zuständig gewesen. Auf Nachfragen gab er hierzu an, es habe ein Programm gegeben, was man unterrichte. Es sei um die Bildung der Gemeindemitglieder gegangen. Er habe die Kinder unterrichtet, so dass diese eine Missionierungstätigkeit hätten aufnehmen können. Er habe seine Arbeit sehr gut gemacht und deshalb habe ihn dann die Gemeinde für die sechs bis sieben Gemeinden, für die sein Bruder vorher zuständig gewesen sei, verantwortlich gemacht. Er habe den Kindern den Glauben beigebracht, so dass sie später eine Missionierungstätigkeit hätten aufnehmen können. Er habe seine Arbeit so gemacht, wie vorher sein Bruder. Er habe Drohanrufe erhalten. Diese hätten zu ihm gesagt, sie hätten ihn beobachtet. Er arbeite für die Gemeinde. Er habe keine Lehre aus der Behandlung seines Bruders gezogen. Sie wüssten, dass sein Sohn zur Schule geht und hätten gedroht, diesen zu entführen. Er habe seiner Familie von den Drohanrufen zunächst nichts erzählt. Als diese dann damit gedroht hätten, seinen Sohn zu entführen, habe er mit seinem Vater darüber gesprochen. Später habe er auch seine Mobiltelefonnummer nicht mehr verwendet. Am 8. Dezember 2011 sei er zu einer Gemeinde unterwegs gewesen. Er sei mit einem Motorrad unterwegs gewesen, das er von der Gemeinde bekommen habe. Auf einer Kreuzung sei er von bewaffneten Leuten angehalten und bedroht worden. Diese hätten ihn nicht mehr auf diesem Motorrad sehen wollen. Dann hätten diese gesagt, weil er Kinder habe, würde er nicht umgebracht. Er solle aber immer das Schicksal seines Bruders vor Augen haben. Sie sollten als neue Mitglieder nicht mehr mit der Gemeinde zusammenarbeiten. Sie hätten seinen Bruder auch töten können, aber diesem nur eine Lektion erteilten wollen. Dies sei die letzte Warnung. Vorher habe er nicht Angst gehabt, aber jetzt Angst bekommen. Diese hätten ihn aufgefordert, mit seiner Ehefrau und seinen Kindern das Dorf zu verlassen, sonst würden sie umgebracht. Er sei durcheinander gewesen und habe mit seinem Vater darüber gesprochen. Dieser habe ihn nach ... geschickt. Seine Ehefrau und seine Kinder habe er zu deren Mutter geschickt. Der Freund seines Vaters habe Kontakt zu dem Schlepper gehabt. Diesem habe er Bilder von sich gegeben und dieser habe dann die Papiere besorgt und dann sei er ausgereist. Das sei seine Geschichte. Auf Nachfragen gab der Kläger noch an, es habe in der Gemeinde verschiedenen Unterricht für die Kinder gegeben. Es sei alles von der Gemeinde vorgeschrieben gewesen. Die Kinder würden über die Gebete unterrichtet. Die würden über Kalima unterrichtet. Man unterrichte verschiedene Gebete. Erst würden die Kinder den Koran nur arabisch lesen und später werde diesen dann die Übersetzung beigebracht. Dann gebe man den Kindern auch allgemeine Informationen über den Islam. Es sei auch darüber gesprochen worden, dass die Beiträge gezahlt würden. Die kleinen Gemeinden bekämen auch Ahmadiyya-Literatur. Dann habe er über seine Tätigkeit einen Bericht erstellt und der Gemeinde geschickt. Jeden Freitag habe er eine Gemeinde besucht. Eine Gemeinde sei 80 km entfernt gewesen und die anderen hätten sich in einem Umkreis von 10 km befunden. Diese hätten ..., und ... geheißen. Die Gemeindevorstände hätten wie folgt geheißen: ... in ..., ... in ..., in ..., in ..., und ... in ... und ... in ... Der Kläger wurde dazu aufgefordert, bezüglich seiner Tätigkeit für seine Glaubensgemeinschaft in Pakistan eine Bescheinigung von dieser binnen einer Frist von zwei Monaten beizubringen. Auf Frage, warum er nicht zusammen mit seiner Familie in den Heimat-ort seiner Frau gegangen sei, gab er an, in Pakistan sei für die Ahmadis keine Stadt sicher. Sie hätten keine Alternative gehabt. Der sicherste Ort für sie in Pakistan sei zwar ... Aber auch dort sei ein Präsident der Gemeinde von der Polizei getötet worden, nachdem dieser vorher schwer gefoltert worden sei. Dieser sei eine wichtige Person innerhalb der Gemeinde gewesen, so wie er auch. Die Gegner seien sehr mächtig. Probleme mit den Behörden in Pakistan habe er nicht gehabt. Bei einer Rückkehr würde er umgebracht. Wäre er nur eine Woche länger dort geblieben, hätte man ihn umgebracht. Er möchte seine Kinder hierher holen.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2012 (Bl. 46 BA) bescheinigte der Vorsitzende der Ahmadiyya Muslim Jamaat in Deutschland, Frankfurt/Main, dass der Kläger seit Geburt dort Mitglied sei.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2013 (Bl. 48 ff.BA) erkannte das BAMF die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziffer 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte den Kläger mit Abschiebungsandrohung zuvorderst nach Pakistan zur Ausreise auf (Ziffer 5). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter seien nicht erfüllt, da der Kläger eine begründete Furcht in diesem Sinne nicht glaubhaft gemacht habe. Die Angaben des Klägers zu seiner angeblich so wichtigen Position innerhalb der örtlichen Ahmadiyya-Gemeinschaft und zu seinen Aufgaben für diese seien nämlich äußerst oberflächlich und entbehrten jeglicher Details, insbesondere habe er weitere Erläuterungen zu seiner angeblichen Bildungstätigkeit für diese Gemeinde nicht zu geben vermocht. Es bestünden daher erhebliche Zweifel daran, dass er tatsächlich derart aktiv in seiner Glaubensgemeinschaft gewesen sei. Schließlich habe er auch nicht plausibel erklären können, warum seine Ehefrau und seine Kinder offensichtlich völlig unbehelligt in ... leben könnten, während dies für ihn nicht möglich sein sollte. Der Kläger könne sich auch nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft mit Erfolg auf Gruppenverfolgung berufen (wurde weiter ausgeführt). Vorliegend lasse sich nicht feststellen, dass es zum unverzichtbaren Selbstverständnis des Klägers im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung gehöre, die verbotenen Betätigungen gleichwohl auszuüben. Der Kläger habe mit keinem Wort vorgetragen, dass für ihn z. B. das Tragen der Kalima, das Rufen des Azans, die Bezeichnung ihrer Gebetshäuser als Moscheen usw. zum unverzichtbaren religiösen Selbstverständnis gehören und das ein Verzicht auf diese Betätigungsformen ihn in seiner religiösen Existenz ernsthaft gefährden würde. Der Kläger habe schon nicht vorgetragen, dass er seinen Glauben in Pakistan aktiv praktiziert und regelmäßig ausgeübt habe. Erst recht sei nicht behauptet worden, dass er ein aktives Mitglied in seiner Ahmadiyya-Gemeinde gewesen sei. Wie bereits ausgeführt, könne ihm nicht geglaubt werden, eine besondere Position dort inne gehabt zu haben. Einer Aufforderung zu entsprechendem Nachweis sei er nicht nachgekommen. Auch das geschilderte Einreiseverhalten des Klägers lasse auf die Unterdrückung der Identitätsprüfung schließen und spreche damit auch gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Klägers. Allein wegen der Stellung des Asylantrags habe er bei einer Rückkehr nicht mit staatlichen Repressalien zu rechnen. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und für die Feststellung der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (wurde weiter ausgeführt). Es sei dem jungen, offensichtlich gesunden Kläger zuzumuten, in sein Heimatland zurückzukehren und dort selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Zudem verfüge er über eine Familie, die ihm bei Gründung einer neuen Existenz behilflich sein könne. Die verfügten aufenthaltsbeenden Maßnahmen beruhten auf §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylVfG, 59 AufenthG.
Dieser Bescheid wurde am 12. Dezember 2013 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16. Dezember 2013, eingegangen am 17. Dezember 2014, ließ der Kläger hiergegen Klage erheben und beantragen,
1. Ziffern 2 bis 4 des Bescheids der Beklagten vom 3. Dezember 2013 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
3. die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Der Sachvortrag des Klägers trage das geltend gemachte Schutzbegehren. Auf Rechtsprechung, die eine religiöse Verfolgung der Ahmadis in Pakistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit annehmen, wurde verwiesen. Neben dieser Einschränkung der Religionsfreiheit seien die Ahmadis noch vielen anderweitigen Verfolgungen ausgesetzt wie Übergriffen seitens orthodoxer Moslems, Bedrohungen und Anschlägen, willkürliche und wahrheitswidrige Strafanzeigen und schließlich insbesondere die Tötungsaufrufkampagne der radikal islamistischen Organisation Khatm-e-Nabuwat. Zumindest in der Zusammenschau erscheine die Verfolgungsfurcht eines religiös geprägten Mitglieds der Ahmadiyya-Gemeinde als begründet.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2014 beantragte die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 15. Januar 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen und mit Ladungsschreiben vom selben Tag den Beteiligten mitgeteilt, welche Auskünfte sachkundiger Stellen in das Verfahren eingeführt wurden.
Mit Gerichtsschreiben vom 20. Januar 2014 wurde dem Kläger unter Fristsetzung und mit Präklusionshinweis Gelegenheit gegeben, seine Betätigung für die Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft in Pakistan und hier vorzutragen und zu belegen.
Hierauf ließ er unter Vorlage diverser Schreiben und Unterlagen mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 3. Februar 2014 vortragen, dass er religiös sehr geprägt sei. Außer den üblichen Gebets- und sonstigen Pflichten nehme er jede Gelegenheit wahr, den Belangen seiner Glaubensgemeinschaft zu dienen. Er sei sog. Moosi, was sich aus einer Wassiyat-Nummer seiner Beitragsbescheinigung ergebe. Dies sei eine religionsstrenge Sondergruppe, die sich zu einer ganz besonders gewissenhaften und glaubenskonformen Lebensführung verpflichtet habe, den doppelten Mitgliedsbeitrag bezahle und einen Teil des Vermögens der Glaubensgemeinschaft vermacht habe. Er nehme an sämtlichen regionalen Veranstaltungen und auch an den zentralen Großveranstaltungen teil oder sei dort Helfer, sowie an Fortbildungsveranstaltungen. Auch sei er Mitglied der Unterorganisation Waqar-e-Amal und verrichte Reinigungsarbeiten als ehrenvolle Arbeit mit der Hand als Beispiel sozialbezogener und gemeinnütziger Aktivitäten seiner Glaubensgemeinschaft. Schließlich habe er zwei Ämter inne und auch einen Briefverkehr mit dem Kalifen geführt.
Mit Telefax seines Bevollmächtigten vom 25. Februar 2014 ließ er abschließend vortragen, dass er Beweismittel für seine religiösen Aktivitäten in Pakistan nicht vorlegen könne und die vorgelegten Unterlagen ausreichend Rückschlüsse auf seinen Drang zum aktiven Ausüben seines Glaubens in Pakistan zuließen.
Wegen der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2014 wird auf die Sitzungsniederschrift und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Bundesamtsakte verwiesen.
Gründe
Die zulässig erhobene und sachdienlich nach dem Begehren auszulegende Klage auf Verpflichtung zur Flüchtlingszuerkennung, hilfsweise zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach
§ 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG, § 60 Abs. 3 AufenthG und weiter hilfsweise zur Feststellung nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Ziffern des angefochtenen Bescheids des BAMF ist auch begründet, weil dem Kläger ein Anspruch auf Flüchtlingszuerkennung zukommt und der angefochtene Bescheid daher rechtswidrig und aufzuheben ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auf das hilfsweise gestellte Begehren auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG, § 60 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG ist daher nicht mehr einzugehen.
Der Kläger hat vorliegend glaubhaft gemacht, den Bedrohungen nach §§ 3 Abs. 1 AsylVfG, 60 Abs. 1 AufenthG im Sinne einer religiös motivierten Verfolgung durch relevante Akteure bereits in Pakistan ausgesetzt gewesen zu sein, solche drohten auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und auch bei einer Rückkehr sind solche weiterhin zu befürchten.
Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylVfG in der nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Fassung von Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474; vgl. auch nunmehr § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Abs. 1 ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG; ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Damit soll der Flüchtlingsbegriff nach § 60 Abs. 1 Sätze 1, 3, 4 und 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der durch Art. 1 Nr. 48 a) des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 geänderten Fassung, der die frühere Regelung in § 51 Abs. 1 AuslG ersetzt hatte (BT-Drks. 15/420 S. 91) und die Vorgaben zum Flüchtlingsschutz entsprechend der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl L 304/12). sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) aufgenommen hatte (BT-Drks. 16/5065 S. 184 bis 186),
im Wortlaut der in Art. 1 A GK und der in der Richtlinie 2011/95/EU enthaltenen Definition angepasst und Kohärenz mit der Entscheidungspraxis anderer Mitgliedsstaaten gewährleistet werden (BT-Drks. 17/13063 S. 19). In den §§ 3 a bis e in der ebenfalls ab dem 1. Dezember 2013 anwendbaren Fassung von Art. 1 Nr. 7 des vorgenannten Gesetzes sind nunmehr in Umsetzung von Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU (BT-Drks. a. a. O.) die Voraussetzungen für Verfolgungshandlungen, Verfolgungsgründe, für Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann und für Akteure, die Schutz bieten können, sowie für den internen Schutz geregelt. Bei Geltendmachung einer Verfolgung wegen der Religion sind dabei Art. 10 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 2 d) der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie (QRL = Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011, ABl. L 337/9 vom 20.12.2011) in der Auslegung durch die Rechtsprechung des EuGH (U. v. 5.9.2012 - C-71/11 und C-99/11 - juris) und in der Folge des BVerwG (U. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris) zu beachten. Dabei ist zunächst von einem weiten Religionsbegriff auszugehen, der auch die religiöse Betätigung in der Öffentlichkeit umfasst. Weiter stellt nicht jeder Eingriff in die Religionsfreiheit auch bereits eine Verfolgungshandlung dar. Vielmehr ist im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Ausländers nach der Art der Repressionen und deren Folgen und abhängig von objektiven und subjektiven Gesichtspunkten zu prüfen, ob ein gravierender Verstoß vergleichbar der Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts vorliegt und der Ausländer aufgrund der Religionsausübung in seinem Heimatland dann tatsächlich Gefahr läuft, durch einen relevanten Akteur verfolgt oder unmenschlich oder erniedrigend behandelt oder bestraft zu werden wie es beim Verbot der Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich der Fall sein wird. Eine entsprechende Verfolgungsfurcht ist dann begründet, wenn vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Verfolgungsgefahr aussetzen, wobei ihm nicht zugemutet werden kann, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (EuGH a. a. O.). Die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis muss daher zur Wahrung der religiösen Identität besonders wichtig sein, wobei diese dabei zentrales Element und für den Ausländer unverzichtbar sein muss, weshalb eine bloß enge Verbundenheit mit dem Glauben ohne entsprechende Praxis nicht genügt. Daher ist bei Ahmadis aus Pakistan festzustellen, ob und seit wann sie der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft angehören, was regelmäßig eine Anfrage beim AMJ erfordert. Schließlich ist die Glaubensausübung in Pakistan und in Deutschland zu ermitteln, wobei sämtliche Nachweise zur vollen Überzeugung des Gerichts erfolgen müssen (BVerwG a. a. O.). Nichtstaatliche Akteure in diesem Sinn können dabei wie bisher auch Einzelpersonen sein (BVerwG, U. v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 - juris). Wie bisher darf die Auslegung dieses umgesetzten nationalen Rechts aber nicht hinter den Maßstäben der genannten Vorschriften der QRL zurückbleiben, da ansonsten das nationale Recht richtlinienkonform anzuwenden wäre (Marx § 1 AsylVfG Rn. 79). Der Vorverfolgungsmaßstab des Art. 4 Abs. 4 QRL ist nunmehr unmittelbar anwendbar. In diesem Zusammenhang ist es für das Eingreifen der genannten Beweiserleichterung erforderlich, das ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht (BVerwG, U. v. 27.4. 2010 - 10 C 4/09 - juris). Wie sich aus Art. 4 Abs. 2, 5 a), c) und e) QRL ergibt, ist in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung der Verfolgungsgründe (vgl. bereits BVerwG, B. v. 20.8. 1974 - I B 15.74
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger eine dementsprechende Bedrohung oder Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure glaubhaft gemacht. Eine solche Glaubhaftmachung setzt voraus, dass eine nach Auskunftslage relevante Gefährdung vorgetragen wird, insbesondere eine Gefährdungssituation einer als (besonders) gefährdet angesehenen Personengruppe vorliegt (Auswärtiges Amt = AA, ständige Lageberichterstattung, zuletzt vom 2.11.2012, Schweizerische Flüchtlingshilfe = SFH vom 6.9.2004 und CSIS vom 5.5.2011) und der Kläger unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere auch seines angegebenen Herkommens, Bildungsstands und Alters im Kern dieses in den Anhörungen manifestierten Vorbringens wesentlich gleichbleibende und nicht deutlich davon abweichende möglichst detaillierte und konkrete Angaben macht. Dies ist hier nach Überzeugung des Gerichts gegeben.
Der Kläger hat zum Kern seiner Verfolgung, nämlich der lebensbedrohlichen Nachstellung durch orthodoxe Muslime (Mullahs) aufgrund seiner Tätigkeit für die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in seiner Heimat, die er von seinem ebenfalls bedrohten, deswegen verletzten und daher ins Ausland geflohenen Bruder übernommen habe, im Wesentlichen widerspruchsfrei, plausibel und entgegen der Ansicht des BAMF auch detailliert vorgetragen. So gab er auch in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2014 widerspruchsfrei und ausreichend konkret das an, was er bereits bei seiner Bundesamtsanhörung geschildert hatte, wo er bereits Einzelheiten dieser Tätigkeit unter Nennung von Örtlichkeiten und Personen angegeben hatte. Als er freitags in seinem Auftrag für die örtlichen Glaubensgemeinden seiner Heimat unterwegs war, wurde er durch Mullahs abgefangen und unter ausdrücklichem Hinweis auf das Schicksal seines Bruders, der früher diese Funktion ausgeübt und deswegen angeschossen worden sei, ein letztes Mal verwarnt. Nach den Umständen des Einzelfalls musste der Kläger davon ausgehen, dass nunmehr ernst gemacht würde und er ist dann ausgereist, um sein Leben zu retten. Damit wurde dem Kläger seine religiöse Betätigung für die Gemeinden der Ahmadi unterbunden und ihm bei Zuwiderhandlung mit dem Tod gedroht. Dies stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Religionsfreiheit und -ausübung des Klägers dar und bedeutete gleichzeitig eine Lebensgefahr, wenn er, wie es seine Überzeugung an sich verlangt hätte, weiter tätig gewesen wäre. Damit ist der Kläger vorverfolgt aus Pakistan ausgereist.
Ein Anspruch auf Flüchtlingszuerkennung besteht im Übrigen auch unter dem Gesichtspunkt einer unmittelbar oder mittelbar staatlichen oder nichtstaatlichen Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in Pakistan nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Eine diesbezügliche Verfolgung drohte dabei schon im Zeitpunkt der Ausreise und sie droht auch derzeit unmittelbar bzw. ist beachtlich wahrscheinlich.
Über die Behandlung von Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in Pakistan berichten die Auskunftsstellen in den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln weitgehend übereinstimmend. Nach dem Auswärtigen Amt werde die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya von den meisten muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung im Jahr 1974 sei diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz geworden. Streitpunkt sei vor allem der Anspruch des Ahmadiyya-Gründers, im Rang eines Propheten zu stehen. Seit den 1950er Jahren sei es in Pakistan immer wieder zu Ausschreitungen gegen Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft gekommen, die von radikal-islamistischen Gruppen geschürt worden seien. Die Ahmadis zählten in Pakistan drei bis vier Millionen, davon 500.000 bis 600.000 bekennende Mitglieder. Nach anderen Schätzungen liege die Zahl der bekennenden Mitglieder niedriger. In Deutschland soll die größte und einflussreichste Gruppe, die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) nach eigenen Angaben 50.000 Mitglieder zählen. Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebe in Pakistan friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen. Berichtet werde aber weiterhin über einzelne Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis. Im Jahr 2011 seien sechs Ahmadis wahrscheinlich aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ermordet worden. Die Ahmadis würden durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert. Ihnen werde zwar vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt. Gleichzeitig sei es ihnen aber ausdrücklich verboten, sich als Muslime zu bezeichnen oder sich wie Muslime zu verhalten. Dieses Verbot für Nicht-Muslime sei im pakistanischen Strafgesetzbuch (PPC) in § 298c niedergelegt und mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert. Im Jahr 2010 seien 67 Strafverfahren gegen Ahmadis nach § 298c PPC eingeleitet worden. Dabei bestehe immer die Gefahr, dass ein solches Verfahren um den Vorwurf der Blasphemie nach § 295c PPC erweitert werde. In der Berufungsinstanz erfolge aber häufig eine Abänderung des Strafvorwurfs, so dass die für Blasphemie zwingend vorgesehen Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe (auf 25 Jahre begrenzt) umgewandelt werde. Die Strafverfahren gegen Ahmadis würden in der Regel von islamistischen Gruppierungen wie der Khat-e-Nabuwwat in Gang gebracht. Dabei werde die Blasphemie-Gesetzgebung dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den verschiedensten Motiven heraus unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund hätten. Oft gehe es auch nur um Misshelligkeiten zwischen Nachbarn, Streitigkeiten zwischen Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz. Bei den gegen sie gerichteten Strafverfahren seien die Aussichten der Ahmadis auf ein faires Gerichtsverfahren zumindest in der ersten Instanz gering, da die Gerichte in vielen Fällen von extremistischen religiösen Gruppen unter Druck gesetzt würden. Als einzige religiöse Minderheit würden die Ahmadis auch auf einer gesonderten Wählerliste geführt. Ahmadis seien derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie sich selbst als Muslime verstünden und deshalb nicht für nicht-muslimische Parteien kandidierten (ständige Lageberichterstattung, zuletzt vom 2.11.2012).
Nach den Jahresberichten 2011 und 2012 von ai seien Ahmadis bei religiös motivierten Ausschreitungen durch sektiererische Gruppen getötet worden, so am 28. Mai 2010 bei Anschlägen auf zwei Moscheen in Lahore, ohne dass diese strafrechtlich belangt worden seien. Die Blasphemie-Gesetze dienten weiterhin als Vorwand, um gegen Ahmadis vorzugehen. Im Juni 2011 seien in Faisalbad Listen mit prominenten Mitgliedern der Ahmadis verteilt worden, mit dem Aufruf, diese als Akt des Dschihad zu töten. Nach der Schweizerischen Flüchtlingshilfe litten Ahmadis auch weiterhin unter dieser Situation. Mullahs predigten von ihren Kanzeln in den Moscheen gegen sie, reifen zum sozialen Boykott auf und forderten jeden guten Muslim auf, diese zu verfolgen oder gar umzubringen, ohne dass solche Machenschaften staatlicherseits geahndet worden seien. Schüler und Studenten der Ahmadi würden wegen ihres Glaubens aus den Schulen verwiesen, sie verlören ihre Arbeitsstellen, sobald ihre Glaubenszugehörigkeit bekannt werde, und ihnen werde öffentlich gedroht, entweder ihren Glauben aufzugeben oder getötet zu werden, ohne dass staatlicherseits dagegen etwas unternommen würde (Auskunft vom 6.9. 2004). Der UNHCR ist der Auffassung, dass Ahmadis seit ihrer Gründung schwerwiegenden rechtlichen Beschränkungen und staatlich legitimierten Diskriminierungen unterlägen. Berichten zufolge habe die Zahl von Blasphemie-Anschuldigungen wieder zugenommen. Ahmadis würden oft aus unberechtigten Gründen oder um persönliche oder wirtschaftliche Konflikte beizulegen, religiöser Delikte beschuldigt. Religiöse Gewalt und insbesondere gezielte Tötungen hätten wieder zugenommen. Ahmadis, die Mitglieder anderer Glaubensgemeinschaften heirateten, seien von Repressalien durch die Gemeinschaft oder die Familie des Ehepartners betroffen, bis zur Androhung von Gewalt und falschen strafrechtlichen Anzeigen. Die diskriminierende Stimmung in der Bevölkerung gegen die Ahmadis werde von den Behörden toleriert, sie gewährten wenig oder gar keinen Schutz. In bestimmten Bereichen sei die Diskriminierung institutionalisiert wie bei der Ausstellung von Pässen und Identitätskarten, die Teilnahme an Wahlen, die Wahrnehmung von Eigentumsrechten und der Zugang zu Bildung wie die Meinungs- und Pressefreiheit (Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Angehörigen religiöser Minderheiten in Pakistan vom 10.10.2012). Nach dem österreichischen Bundesasylamt (BAA) bestehe auch in der Mittelschicht und bei den Gebildeten wenig Akzeptanz für die Ahmadis. Wenn sich diese selbst als Muslime bezeichneten, könne eine Anklage basierend auf spezifisch auf Ahmadis bezogen Strafvorschriften erfolgen oder gar ein gewaltsamer Übergriff. Sie seien die am stärksten benachteiligte Minderheit (Bericht zur Fact Finding Mission von Juni 2013). Die Verfolgungssituation der Ahmadis ergibt sich ferner auch aus allgemeinkundigen Quellen (Wikipedia unter „Ahmadiyya“ und Report on the persecution of Ahmadis in Pakistan during the year 2012 unter www.persecutionofahmadis.org) und kann auch den Feststellungen aus Gerichtsverfahren entnommen werden (vgl. VGH BW, U. v. 27.9.2010 - A 10 S 689/08 -juris und U. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 - juris sowie Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 19.4.2012).
Nach Würdigung und Bewertung dieser Erkenntnismittel im Wege einer Gesamtschau der maßgeblichen Kriterien ist das Gericht bei Anwendung der entsprechenden Maßstäbe unter Beachtung der vorliegenden Rechtsprechung (VGH BW, U. v. 12.6.2013 - A 11 S 757/13 - juris, VG Giessen, U. v. 11.7.2013 - 5 K 1316/12.GI.A - juris, Sächs OVG, B. v. 25.11.2013 - A 1 A 12/13 - juris und VG Köln, U. v. 13.12.2013 - 23 K 2414/13.A - juris), an die Anschluss erfolgt, der Überzeugung, dass schon durch Erlass und Vollzug der vorgenannten Strafvorschriften des PPC, die gezielt gegen die Ahmadis gerichtet sind, eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit vorliegt, weil sich diese Glaubensgemeinschaft und damit jedes ihrer Mitglieder als Muslime versteht, ihnen dieses Bekenntnis in der Öffentlichkeit nicht nur verboten ist, sondern mit erheblicher Strafbewehrung versehen ist und dem pakistanischen Staat nicht nur bewusst ist, sondern auch beabsichtigt ist, dass sich Ahmadi von ihrem Glauben her als Muslime definieren und hiervon nicht abrücken werden. Hinzu kommen die vor allem von der SFH und vom UNHCR geschilderten Diskriminierungen im gesellschaftlichen, im sozialen und im rechtlichen Bereich, die in ihrer Gesamtheit ebenfalls einem Verfolgungsprogramm gleichkommen und daher die Tendenz einer schweren Menschenrechtswidrigkeit in sich tragen. Hinzu kommt als besonders gravierend und die eigentliche Verfolgungsgefahr begründend, dass diese staatlich vorgegebene Ächtung der Ahmadis diese rechtlos macht und den Angriffen radikaler Gruppen aus welchen Gründen auch immer aussetzt. Sie sind dann dem Mob der Straße hilflos ausgeliefert. Bekennt sich daher ein Ahmadi in Pakistan öffentlich zu seiner Glaubensgemeinschaft, insbesondere wird er für diese nach außen hin erkennbar tätig, setzt er sich allein hierdurch der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus, weil er dadurch an sich jederzeit damit rechnen muss, gemeldet, verraten oder auch nur denunziert zu werden, was ihn ungeschützt den Nachstellungen radikaler Gruppen, zumal eigens zur Bekämpfung der Ahmadis gegründeter Organisationen wie Pasban Khatme Nabuwwat in Pakistan aussetzt, wobei die religiöse Radikalisierung in den letzten Jahren in Pakistan besorgniserregend auch allgemein noch weiter zugenommen hat. Bei der Bestimmung des Maßes der beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit (oder im Rahmen einer Zumutbarkeitsprüfung als Missbrauchsabwehr vgl. Lübbe ZAR 2013,272) wird nach der vorgenannten Rechtsprechung davon ausgegangen, dass Mitglieder der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya (Ahmadis) in Pakistan dann einer an ihre Religionszugehörigkeit anknüpfenden religiösen Verfolgung ausgesetzt sind, wenn sie von ihrer Glaubenszugehörigkeit als subjektives Kriterium identitätsprägend bestimmt sind, wobei Art und Umfang ihrer Glaubensbetätigung in Pakistan und in Deutschland als objektive Kriterien Indizwirkung haben, so dass sie ihre Glaubenszugehörigkeit bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht verheimlichen würden, wobei ihnen dies rechtlich auch gar nicht abverlangt werden könnte, sondern ihre Glaubensausübung - insbesondere auch werbend und missionierend - fortführen würden und sich daher einer beachtlich wahrscheinlichen Gefährdung durch den pakistanischen Staat, aber vor allem durch religiös radikale Gruppen aussetzen würden.
Dies trifft nach den soeben dargelegten Maßstäben für diesen Kläger zu. Er hat ausreichend glaubhaft gemacht, aus innerer Überzeugung Ahmadi zu sein, für seine Glaubensgemeinschaft nach seinen glaubhaften Angaben bereits in Pakistan tätig gewesen zu sein und auch in Deutschland aktiv in der AMJ zu sein, was den Schluss zulässt und was der Kläger selbst auch bestätigt, dass seine Religion für ihn sehr wichtig und identitätsprägend ist auch in dem Sinn, dass er diese öffentlich bekennen muss und für diese auch werben muss. Er ist seit seiner Geburt nach seinem Verständnis Mitglied der AMJ, was ihm die deutsche Zentrale mit Schreiben vom 13. Juni 2012 (Bl. 46 BA) bescheinigt hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2014 sei er bereits in Pakistan Moosi, also Angehöriger einer bei den Ahmadi herausgehobenen glaubensstrengen Gruppe gewesen. Nach dem Schreiben der deutschen Zentrale des AMJ, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist, obwohl ihr allerdings auch antidemokratische, antichristliche und antisemitische Tendenzen vorgehalten werden (Wikipedia a. a. O.), vom 1. November 2012 an VG Köln würden zunächst die Angaben eines Mitglieds in Pakistan und in der örtlichen Gemeinde in Deutschland überprüft und erst dann bestätigt. Dass eine solche Bescheinigung hier nicht vorliegt, ist unschädlich, da eine solche wohl ausdrücklich verlangt werden muss und sich das religiöse Verhalten des Klägers schon aus seinen Angaben und vorgelegten Unterlagen ergibt. Auch in Deutschland ist der Kläger wiederum sehr aktiv und für die AMJ präsent. Er trägt vor, auch hier nicht nur normales Mitglied zu sein, sondern der Sondergruppe der Moosi (weiterhin) anzugehören, die sich - wie bereits angedeutet - zu einer besonders gewissenhaften und glaubenskonformen Lebensführung verpflichtet haben. Er nimmt regelmäßig an zentralen Großveranstaltungen, regionalen Veranstaltungen und Hauptversammlungen teil wie auch an regelmäßigen Fortbildungen. Nach seinen Angaben ist er als Mitglied einer Unterorganisation mit Reinigungsarbeiten betraut, was zur Verhinderung einer elitären Einstellung auch religiös motiviert sei. In der örtlichen Gemeinschaft ... hat er für die Jahre 2013 bis 2016 die Funktionen Sec. Waqfe Nau und Ad. Sec. Mal nachgewiesen, was nach dem Schreiben der deutschen Zentrale der AMJ vom 24. Dezember 2012 an VG Giessen entsprechend der dort genannten Organisationsstruktur und den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2014 wohl Sekretär für den Bereich Kinder und Ausbildung, ergänzender Sekretär im Bereich finanzielle Angelegenheiten und für organisatorische Aufgaben zuständig bedeuten dürfte. Diese religiösen Betätigungen in Deutschland hat er durch Unterlagen nachgewiesen, die mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 3. Februar 2014 vorgelegt wurden. Zusammenfassend entsteht dadurch das Bild eines überzeugten, streng gläubigen Ahmadi, der dem Khalifen ergeben ist, wie sein Weinen in der mündlichen Verhandlung erkennen ließ, als der Khalif genannt wurde, er auch fest in die hiesige Organisationsstruktur eingebunden ist und seine Glaubensüberzeugung auch nach außen hin mit Nachdruck vertritt. Dies würde er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch bei einer Rückkehr nach Pakistan fortsetzen. Hierzu gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2014 überzeugend an, dass er bei einer Rückkehr nach Pakistan seine Pflicht, seiner Glaubensgemeinschaft zu dienen, erfüllen würde auch in der Konsequenz, dann als Märtyrer zu sterben. Im Fall der Rückkehr wäre er dann eben den oben geschilderten Verfolgungsmaßnahmen des pakistanischen Staates oder islamistischer Eiferer ausgesetzt.
Der Kläger kann auch nicht auf eine interne Schutzmöglichkeit, insbesondere in den Großstädten hier der Provinz Punjab oder auf den Hauptsitz der AMJ in der Stadt ..., auch wenn er sich dort früher selbst aufgehalten hatte, verwiesen werden, da eine entsprechende sichere Existenzmöglichkeit dort und damit außerhalb seiner Heimat nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit angenommen werden könnte.
Nach dem nunmehrigen § 3e AsylVfG in Umsetzung von Art. 8 Abs. 1 QRL wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, d. h. benötigt ein Drittausländer keinen internationalen Schutz, sofern in einem Teil des Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, wobei die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL zu beachten ist (BVerwG, U. v. 5.5.2009 - 10 C 21/08 - juris), besteht, der Drittausländer dorthin sicher und legal reisen kann, dort aufgenommen wird und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält oder niederlässt. Dabei sind nach Abs. 2 dieser Vorschrift die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände (vgl. Art. 4 Abs. 3 c QRL) des Drittausländers zu berücksichtigen. Damit wird die Nachrangigkeit des Schutzes verdeutlicht. Der Drittausländer muss am Zufluchtsort aber eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden d. h. es muss zumindest (in faktischer Hinsicht) das Existenzminimum gewährleistet sein, was er unter persönlich zumutbaren Bemühungen sichern können muss. Dies gilt auch, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Unerheblich ist, ob eine Gefährdung am Herkunftsort in gleicher Weise besteht. Darüber hinaus ist auch erforderlich, dass das Zufluchtsgebiet für den Drittausländer erreichbar ist (BT-Drks. 16/5065 S. 185; BVerwG, U. v. 29.5. 2008 - 10 C10-12/07 - juris).
Über die Voraussetzungen eines solch internen Schutzes oder einer inländischen Fluchtalternative berichtet das AA in seiner ständigen Lageberichterstattung, zuletzt vom 2. November 2012. Für Angehörige aller Gruppen gelte, dass ein Ausweichen in der Regel das Aufgeben der wirtschaftlichen Basis mit sich bringe. In den Städten, vor allem den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan, lebten potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, könnten in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liege, unbehelligt leben. Der UNHCR (Stellungnahme vom 14.5.2012 und zusammenfassende Übersetzung vom 10.10.2012) hält insoweit bestimmte Einschränkungen für angezeigt. So sei wegen der schlechten Sicherheitslage dort interner Schutz nicht in den Stammesgebieten (FATA) und den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan gegeben. Er komme wegen der geographischen Reichweite einiger bewaffneter militanter Gruppen wie Laskar-e-Jhangvi und Sipah-e-Sahaba auch grundsätzlich nicht für Personen in Betracht, die gefährdet sind, von diesen Gruppen verfolgt zu werden. Interner Schutz sei schließlich auch in den Fällen nicht anzunehmen, in denen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine strafrechtliche Verfolgung wegen Blasphemie oder wegen der Zugehörigkeit zu den Ahmadiyya erfolgt. Jedenfalls für gläubige und ihren Glauben öffentlich bekennende Ahmadis ist nach den oben gemachten Feststellungen von einer landesweiten Verfolgung auszugehen und eine sichere Existenzgrundlage daher weder in den Großstädten des Punjab noch in der Stadt Rabwah anzunehmen (VGH BW und VG Köln a. a. O.).
2.
Nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG erlässt das Bundesamt die Abschiebungsandrohung (nur), wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wird und er keinen Aufenthaltstitel besitzt. Das bedeutet umgekehrt ausgedrückt, dass im Fall der Asylanerkennung oder der Flüchtlingszuerkennung eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen darf. Wird letzteres im gerichtlichen Verfahren - wenn auch noch nicht rechtskräftig - festgestellt, ist neben der Aufhebung der entsprechenden Antragsablehnung im Bundesamtsbescheid auch die verfügte Abschiebungsandrohung mit Ausreisefristbestimmung rechtswidrig und daher aufzuheben.
Nach diesen Grundsätzen sind hier wegen der vorgenannten Verpflichtung zur Flüchtlingszuerkennung die Ziffern 2 und 4 des angefochtenen Bescheids aufzuheben.
Nach alledem ist der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO und 83 b AsylVfG.
moreResultsText
Annotations
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn
- 1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder - 2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
- 1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder - 2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.
(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.
(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.
(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.
(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.
(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn
- 1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder - 2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.