Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 14. Juli 2015 - AN 9 S 15.00716

published on 14/07/2015 00:00
Verwaltungsgericht Ansbach Beschluss, 14. Juli 2015 - AN 9 S 15.00716
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Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller erstreben die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen eine dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung.

Die Antragsteller sind Miteigentümer des Grundstücks ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... in ... Nördlich angrenzend an das Grundstück der Antragsteller befindet sich das Grundstück des Beigeladenen zu 2), Fl.Nr. ... Gemarkung ..., ... in ..., das ehemals dem Beigeladenen zu 1) gehörte.

Für das streitgegenständliche Anwesen war am 18. Februar 1998 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses (10 Wohneinheiten) mit Tiefgarage erteilt worden. Nach mehrfacher Verlängerung deren Geltungsdauer durch die Beklagte erlosch die erteilte Baugenehmigung durch Zeitablauf am 19. August 2010.

Der Beigeladene zu 1) als Voreigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... beantragte am 17. Oktober 2012 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses (sieben Wohneinheiten) mit Tiefgarage (sieben Stellplätze) und Spielplatz. Der ursprüngliche Bauantrag vom Oktober 2012 wurde im Rahmen der Nachbarbeteiligung von den Antragstellern unterschrieben.

Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans Nr. ... vom 6. März 1969, der als Art der baulichen Nutzung ein Mischgebiet MI nach § 6 BauNVO 1962 festsetzt.

Nach Mitteilung der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2013, dass dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstünden (Art. 6 Abs. 5 BayBO, Art. 48 BayBO, Art. 47 BayBO), reichte der Beigeladene zu 1) am 14. August 2013 eine Tekturplanung ein, die von den Antragstellern nicht unterschrieben war. Mit Schreiben vom 13. März 2014 teilte der Beigeladene zu 1) der Antragsgegnerin unter namentlicher Nennung u. a. der Antragsteller mit, dass die Nachbarschaft über das Bauvorhaben durch Vorlage der Eingabepläne beteiligt worden sei. Vorhabensgegenstand der eingereichten Tekturpläne war die Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit zehn Wohneinheiten mit Tiefgarage und Spielplatz. Unter dem 4. Februar 2014 beantragte der Beigeladene zu 1) eine isolierte Abweichung von bauordnungsrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen auf dem Grundstück.

Mit Bescheid vom 14. April 2014 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen zu 1) die baurechtliche Genehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses (zehn Wohneinheiten) mit Tiefgarage und Spielplatz unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans wegen Überschreitung der festgesetzten Zahl der Vollgeschosse sowie wegen Errichtung einer Wohnbebauung auf einer festgesetzten Fläche für Garagen und unter Erteilung einer Abweichung wegen Nichteinhaltung der nach Art. 6 Abs. 5 und 6 BayBO erforderlichen seitlichen Abstandsflächen nach Norden und Süden. Zur Begründung der Abweichung von den erforderlichen Abstandsflächen im Verhältnis zum Grundstück der Antragsteller Fl.Nr. ... wird in der Baugenehmigung ausgeführt, die Wohngebäude auf dem Nachbargrundstück seien aufgrund der bedingten innerstädtischen Lage selbst unter Erteilung von Abweichungen genehmigt worden. Unter anderem hätten die Abstandsflächen zum Baugrundstück nicht eingehalten werden können. Zwar seien die Abstandsflächenbelastungen durch das beantragte Bauvorhaben von etwas größerem Umfang, als diejenigen, die seinerzeit durch das Nachbargebäude auf das Baugrundstück angefallen seien. Die Einhaltung der halben Abstandsflächentiefe sei aber auch hier weitestgehend gegeben und könne nur aufgrund des atypischen Grenzverlaufs durch die abknickende Grundstücksgrenze geringfügig nicht auf dem Baugrundstück eingehalten werden. Aufenthaltsräume des Nachbargebäudes würden durch das Bauvorhaben nicht tangiert, insofern bleibe die Mindestbelichtung gewahrt. Ferner seien auch durch die Ausrichtung des beantragten Gebäudes keine unzumutbaren Beeinträchtigungen hinsichtlich der Besonnung des Nachbargrundstücks zu erwarten. Die durch das Abstandsflächenrecht geschützten nachbarlichen Belange würden insofern nicht unzumutbar beeinträchtigt.

Die Baugenehmigung wurde im Amtsblatt Nr. 9 der Antragsgegnerin vom 30. April 2014 öffentlich bekanntgemacht. Eine Ausfertigung der Baugenehmigung wurde einem Nachbarn, der Eigentümer des Flurstücks Nr. ..., Gemarkung ..., ist und im Baugenehmigungsverfahren Einwendungen erhoben hatte, mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Unter dem 19. August 2014 zeigte die Beigeladene zu 2) einen Bauherrnwechsel an und beantragte unter Vorlage einer Tekturplanung einen Änderungsbescheid. Die Tekturplanung betraf die Einhausung der Tiefgaragenzufahrt, Änderungen des Terrassengeländers sowie eine geringfügige Erweiterung der Dachgeschosswohnung. Zum Baugenehmigungsbescheid vom 14. April 2014 erteilte die Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin der Beigeladenen zu 2) unter dem 3. November 2014 einen Änderungsbescheid. Am 9. September 2014 ging die Baubeginnsanzeige bei der Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin ein.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 23. April 2015 haben die Antragsteller gegen die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 14. April 2014 Klage erhoben.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragsteller hätten keine Kenntnis von den genehmigten Tekturplänen gehabt. Die Tekturplanung sei den Antragstellern vom Bauwerber nicht vorgelegt worden. Insofern hätte ihnen von Amts wegen eine Ausfertigung des Baugenehmigungsbescheids zugestellt werden müssen. Die Antragsgegnerin habe dies unterlassen und stattdessen versucht, die Zustellung durch eine öffentliche Bekanntmachung zu ersetzen (Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO). Die Voraussetzungen für eine Ersatzbekanntmachung hätten im vorliegenden Fall jedoch in mehrerlei Hinsicht nicht vorgelegen. Es seien bereits nicht mehr als 20 Eigentümer, die dem Vorhaben nicht zugestimmt hätten. Darüber hinaus handele es sich bei dieser Vorschrift um eine Kann-Bestimmung. Hiernach müsse die Antragsgegnerin ihr Ermessen ausüben, was sie vorliegend entweder nicht, jedenfalls aber fehlerhaft getan habe. Die ursprüngliche Planung, die der Antragstellerin zu 1) vorgelegt worden sei, hätte ein im Vergleich zu dem im Bau befindlichen Vorhaben wesentlich kleineres Gebäude betroffen, das insbesondere die Abstandsflächen zum Grundstück der Kläger eingehalten hätte. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid habe die Antragsgegnerin ein Vorhaben genehmigt, das mit zwei Außenwänden an die Grundstücksgrenze gebaut werden dürfe und zusätzlich mit ca. 4 m Abstand zum Grundstück der Antragstellerin zu 1) eine Wandhöhe von über 8 m aufweise. Wenn Nachbarrechte so gravierend wie im vorliegenden Fall betroffen seien, verbiete sich eine Ersetzung der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung. Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Antragsteller hätte zwingend erfolgen müssen. Das Ermessen, die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung zu ersetzen, sei bei einer derartigen Beeinträchtigung von Rechten Dritter auf Null reduziert. Die dem Grundstück der Antragsteller zugewandte Wand mit einer Endhöhe von voraussichtlich mehr als 8,80 m löse verpflichtend einzuhaltende Abstandsflächen von über 4 m in das Grundstück der Antragsteller aus. Eine solche Abstandsflächenübernahme sei nur möglich, wenn gesichert sei, dass die betroffene Fläche nicht überbaut werde oder der Nachbar schriftlich zustimme. Weder die eine noch die andere Voraussetzung habe vorgelegen. Dass das angegriffene Bauvorhaben die einzuhaltenden Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller in so eklatanter Weise verletze, sei erst jetzt aufgrund des Baufortschritts offenkundig geworden. Der Antragsteller zu 2), der nicht vor Ort wohne, habe erst im Laufe der Woche vor der Klageerhebung durch seine geschiedene Frau, die das Anwesen ... zeitweise bewohne, von dem Bauvorhaben, seinem Umfang und der daraus resultierenden Beeinträchtigung erfahren.

Vorsorglich wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Antragsteller seien ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten. Die Antragstellerin zu 1) habe ihre Unterschrift für ein Vorhaben geleistet, das sie nicht beeinträchtigt hätte und sei daher in dem Glauben gewesen, dass dieses auch verwirklicht werde. Grund zu der Annahme, dass eine völlig andere Tekturplanung durch die Beklagte genehmigt worden sei, ohne dass sie beteiligt worden sei, habe nicht bestanden. Erst durch den Baufortschritt Mitte des Monats April sei ersichtlich geworden, dass das jetzige Vorhaben von dem, zu dem die Nachbarunterschrift geleistet worden sei, massiv abweiche und ihre Rechte als Eigentümerin massiv beeinträchtigt würden. Der Antragsteller zu 2) habe erst im Laufe einer Woche vor Klageerhebung von den klagerechtfertigenden Umständen erfahren.

Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 28. April 2015, eingegangen am 29. April 2015, haben die Antragsteller Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 14. April 2014 gestellt. Zur Begründung wird vorgetragen, eine Interessenabwägung ergebe ein überwiegendes Aussetzungsinteresse der Antragsteller gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Eine summarische Überprüfung der Klage der Antragsteller ergebe, dass der angegriffene Genehmigungsbescheid der Antragsgegnerin offensichtlich rechtswidrig sei und die Antragsteller in ihren Rechten verletze.

Die Antragsteller beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24. April 2015 gegen den Baugenehmigungsbescheid der Stadt Nürnberg vom 14. April 2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, es gebe unstreitig mehr als 20 beteiligte Nachbarn. Die Voraussetzungen des Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO für eine öffentliche Bekanntmachung hätten deshalb vorgelegen. Die Antragsgegnerin habe in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon abgesehen, die Baugenehmigung vom 14. April 2014 den Antragstellern nach Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO persönlich zuzustellen. Es habe im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde gelegen, von der Zustellung gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO Gebrauch zu machen. Die Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin übe ihr Ermessen regelmäßig so aus, dass sie bei mehr als 20 Beteiligten die Form der öffentlichen Bekanntmachung wähle. Dies entspreche dem geltenden Recht. Die Antragsgegnerin habe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass sie den Antragstellern die Baugenehmigung in jedem Falle zustellen werde. Nur weil an einen der Nachbarn persönlich nach Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO zugestellt worden sei, hätten die übrigen Nachbarn nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihnen gegenüber ähnlich verfahren werde.

Der Beigeladene zu 2) beantragt,

den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der ursprüngliche Grenzabstand zum Grundstück der Antragsteller sei von 10,4 m auf 8,8 m reduziert worden. Eine weitere Beschwer der Antragsteller liege demnach nicht vor. Die Formalien der öffentlichen Bekanntmachung gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO seien voll umfänglich eingehalten. Es seien mehr als 20 beteiligte Nachbarn vorhanden. Im Rahmen der Bekanntmachung sei der volle Wortlaut des verfügenden Teils und der Baugenehmigung nicht bekannt zu geben, insbesondere auch nicht die entsprechenden Nebenbestimmungen, Auflagen, Ausnahmen bzw. Befreiungen. Eine entsprechende ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung sei beigefügt gewesen. Bei näherer Betrachtung der Baugenehmigung ergebe sich außerdem, dass ein gravierender Eingriff in Nachbarrechte eben nicht vorliege. Im Bereich des Grundstücks der Antragsteller liege eine geringfügige Überschreitung vor. Hintergrund sei, dass ein atypischer Grenzverlauf durch die abknickende Grundstücksgrenze vorliege. Aufenthaltsräume der Antragsteller würden von dem Bauvorhaben nicht tangiert. Die Mindestbelichtung bleibe gewahrt. Eine unzumutbare Beeinträchtigung liege nicht vor. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne keinen Erfolg haben, da die Antragstellerin zu 1) zu einem Bauvorhaben, welches im Verhältnis zu der nunmehr streitgegenständlichen Baugenehmigung im Verhältnis zum Grundstück der Antragsteller identisch sei, ihre Zustimmung gegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegende Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die an den Beigeladenen zu 1) ergangene Baugenehmigung der Stadt ... vom 14. April 2014 anzuordnen, kann wegen Bestandskraft des angefochtenen Bescheids keinen Erfolg haben.

Ein Antrag nach § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO ist nur dann statthaft, wenn ein gegenüber dem Antragsteller noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt vorliegt, der entweder kraft Gesetzes oder kraft behördlicher Vollziehungsanordnung sofort vollziehbar ist (vgl. VG München, B.v. 27.3.2014 - M 12 S 14.579 - juris; Kopp/Schenke, VwGO-Komm., 19. Aufl. 2013, § 80 RdNr. 130). Einem Antrag, die aufschiebende Wirkung einer nicht mehr fristgerechten Klage gegen einen bestandskräftigen Verwaltungsakt anzuordnen, fehlt es insoweit am Rechtsschutzbedürfnis.

Die angefochtene Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 14. April 2014 ist aufgrund der fehlerfreien, die Zustellung ersetzenden öffentlichen Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO den Antragstellern gegenüber bestandskräftig geworden (vgl. nachfolgend 1.). Den Antragstellern ist mangels vorliegender Wiedereinsetzungsgründe nach § 60 Abs. 1 VwGO auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (vgl. nachfolgend 2.).

1. Aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt der Stadt ... vom 30. April 2014 wurde die Zustellung der Baugenehmigung vom 14. April 2014 gegenüber den Antragstellern gemäß Art. 66 Abs. 2 S. 4, 6 BayBO ordnungsgemäß bewirkt.

Nach Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Änderungspläne, insbesondere Tekturpläne, auch wenn sie während des Baugenehmigungsverfahrens eingereicht werden, oder Bauvorlagen für Nachtragsgenehmigungen sind ebenfalls den Nachbarn zur Unterzeichnung vorzulegen, soweit durch die Änderungen möglicherweise zusätzlich schutzwürdige nachbarliche Belange betroffen werden (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO Kommentar, Stand 02/2015, Art. 66 Rn. 114). Eine erneute Nachbarbeteiligung ist ausnahmsweise nur dann entbehrlich, wenn die Änderung aus der Sicht des Nachbarn so geringfügig ist, dass sie noch durch die geleistete Unterschrift gedeckt ist (BayVGH, U. v. 24.5.1993 - 26 B 92.1937 - juris).

Nach Eingabe der Tekturpläne durch den Beigeladenen zu 1) war vorliegend eine erneute Nachbarbeteiligung nach Art. 66 Abs. 1 S. 1 BayBO erforderlich.

Der formelle Anspruch des Nachbarn auf Beteiligung ist indes nicht so zu verstehen, dass der Nachbar diesen Anspruch gegebenenfalls vor Gericht isoliert durchsetzen könnte oder sich diesbezügliche Fehler unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung auswirkten (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO Kommentar, Stand 02/2015, Art. 66 Rn. 5, 208). Ein diesbezüglicher Verfahrensmangel allein begründet nicht die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung. Art. 66 BayBO ist nämlich nicht in dem Sinne nachbarschützend, dass die Nichtbeteiligung von Nachbarn schon für sich allein die Baugenehmigung diesen Nachbarn gegenüber rechtswidrig macht (vgl. BayVGH, B. v. 12:7:2010 - 14 CS 10.327 - juris). Aus diesem Grund kann es vorliegend dahinstehen, ob die vom Beigeladenen zu 1) am 13. März 2014 abgegebene Erklärung, wonach u. A. die Antragsteller durch Vorlage der Eingabepläne beteiligt wurden, zutreffend ist.

Hat ein Nachbar nicht zugestimmt, so ist ihm gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO eine Ausfertigung der Baugenehmigung zuzustellen. Diese Zustellung kann nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO bei mehr als 20 Beteiligten im Sinne von Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO, d. h., wenn mehr als 20 Nachbarn im gleichen Interesse beteiligt sind, durch öffentliche Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Bauaufsichtsbehörde ersetzt werden. Gegen die dem Planfeststellungsrecht nachgebildete Regelung in Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt nämlich die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgewährleistung nicht absolut, sondern ist im Konfliktfall mit widerstreitenden Verfassungsprinzipien, insbesondere dem Prinzip der Rechtssicherheit und dem Prinzip der Verwaltungseffizienz (vgl. Art. 20 Abs. 2 und Art. 83 ff. GG) in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.1983 - 4 C 40.44, 45/81 - NJW 1984, S. 188 ff.). Die Vorschrift sollte ausweislich der Gesetzesbegründung bei einer Vielzahl von Nachbarn, insbesondere im Verhältnis zu größeren Wohnungseigentümergemeinschaften als Nachbarn in einem gewissen Umfang Verfahrenserleichterungen und Beschleunigungen bewirken und zur Vereinfachung und zur Kostenminderung bei der nach Abs. 1 Satz 6 ansonsten erforderlichen Einzelzustellung an die Nachbarn beitragen (vgl. LT-Drs. 12/13482 S. 63).

Für die Anwendung des Art. 66 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BayBO ist unter Berücksichtigung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich, dass mehr als 20 Nachbarn existieren, die dem Bauvorhaben nicht zugestimmt haben (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148; B.v. 4.4.2011 - 14 CS 11.263 - jeweils juris; B.v. 3.2.1997 - 2 CS 96.3563 -

NVwZ-RR 1998, 487). Der Begriff des Nachbarn im Sinne von Art. 66 Abs. 1 Satz 3 BayBO erfasst dabei alle Grundstücke, die durch das Vorhaben in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Belangen berührt sein können. Das bedeutet, dass ein Grundstück dann benachbart im Sinne des Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist, wenn das Bauvorhaben so zu diesem Grundstück liegt, dass es sich auf dieses und besonders dessen Nutzung unmittelbar und tatsächlich auswirken kann. Im Regelfall werden nur die unmittelbar angrenzenden Grundstücke benachbart sein (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2011 a. a. O.).

Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die zustellungsersetzende öffentliche Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BayBO für den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 14. April 2014 aller Voraussicht nach vor. Die erforderliche Anzahl von über 20 im gleichen Interesse beteiligten, unmittelbar an das Vorhabensgrundstück angrenzenden Nachbarn ist vorliegend aufgrund größerer Wohnungseigentümergemeinschaften auch unter Berücksichtigung bereits erfolgter nachbarlicher Zustimmung sowie Mehrfachnennungen bei weitem erreicht. Da Wohnungseigentum als eine qualifizierte Form des Miteigentums untrennbar mit dem Sondereigentum an der Wohnung verknüpft ist und somit jeder benachbarte Wohnungseigentümer die öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte geltend machen kann (vgl. LT-Drs. 12/13482, S. 63), ist bei Vorliegen von 37 unmittelbar benachbarten Grundstücksmiteigentümern die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, von der Möglichkeit einer öffentlichen Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO Gebrauch zu machen, nicht zu beanstanden.

Die Bekanntmachung vom 30. April 2014 im amtlichen Veröffentlichungsblatt der Stadt ..., Seite 178, enthält gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz BayBO den verfügenden Teil der Baugenehmigung, die Rechtsbehelfsbelehrung sowie einen Hinweis darauf, wo die Akten des Baugenehmigungsverfahrens eingesehen werden können. Darüber hinaus enthält die öffentliche Bekanntmachung den Hinweis, dass die Zustellung mit dem Tag der Bekanntmachung als bewirkt gilt. Für den Inhalt der Bekanntmachung genügt eine sog. „Anstoßwirkung“ gegenüber den Betroffenen, da der volle Inhalt bei der Baugenehmigungsbehörde eingesehen werden kann. Es genügt daher eine Bekanntmachung, die eine inhaltliche Bezeichnung der wesentlichen Merkmale des Vorhabens und der dazu getroffenen Regelungen enthält (BVerwG, U. v. 27.5.1983, - 4 C 40, 44, 45/81-, NJW 1984, 188). Der Inhalt der vorliegenden öffentlichen Bekanntmachung vom 30. April 2014 wird der geforderten Anstoßwirkung - so das Ergebnis der summarischen Prüfung - hinreichend gerecht.

Da der mit der gesetzlichen Regelung in Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO bezweckte Entlastungseffekt regelmäßig ausreicht, die Ermessensentscheidung der Behörde für die Wahl dieser Verfahrensvariante zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.1997 a. a. O.), ist vorliegend auch nicht zu beanstanden, dass die Behörde keine Gruppen unterschiedlicher Betroffenheit gebildet hat, um zwischen individueller Zustellung und öffentlicher Bekanntmachung zu differenzieren (vgl. ebenso VG Ansbach, B.v. 17.1.2011 - AN 18 S 10.02407 - juris). Eine gleichheitswidrige Behandlung der betroffenen Nachbarn ist insoweit nicht erkennbar. Auch wenn die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren neben der öffentlichen Bekanntmachung an die Eigentümer eines benachbarten Grundstücks, die im Genehmigungsverfahren bereits Einwendungen vorgebracht hatten, zusätzlich eine individuelle Zustellung der Baugenehmigung vorgenommen hat, verpflichtete dies die Behörde weder zu einer weitergehenderen Differenzierung nach der jeweiligen Betroffenheit der Nachbargrundstücke, noch macht es die öffentliche Bekanntmachung der Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO unwirksam. Über die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer individuellen Zustellung neben der öffentlichen Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4-6 BayBO und die in diesem Fall geltenden Rechtsbehelfsfristen braucht vorliegend nicht entschieden zu werden (vgl. auch VG Augsburg, U. v. 18.4.2013 - Au 5 K 11.668 - juris). Eine zusätzlich vorgenommene individuelle Zustellung hindert jedenfalls die Wirksamkeit der öffentlichen Bekanntmachung nicht. Eine Verpflichtung der Behörde, neben der öffentlichen Bekanntmachung in weitergehendem Umfang nach dem Maß der - schwerlich einzuschätzenden - individuellen Betroffenheit einzelne Nachbarn gesondert zu unterrichten bzw. eine Zustellung der Baugenehmigung zu bewirken, wäre mit der mit Art. 66 Abs. 2 S. 4 bis 6 BayBO verbundenen, gesetzgeberischen Intention der Rechtssicherheit und Verfahrensvereinfachung nicht vereinbar.

Mit der aller Voraussicht nach nicht zu beanstandenden öffentlichen Bekanntmachung der Baugenehmigung am 30. April 2014 ist die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO am 30. Mai 2014 abgelaufen. Nach summarischer Überprüfung ist somit die am 23. April 2015 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhobene Klage als nicht mehr fristgerecht nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO anzusehen, so dass die dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 14. April 2014 bestandkräftig geworden ist.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser nicht mehr fristgerechten Klage anzuordnen, war daher nicht mehr statthaft und mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzulehnen.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Antragsteller war mangels unverschuldeter Verhinderung zur Einhaltung der gesetzlichen Frist nach § 60 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Zwar kann eine Unkenntnis vom Fristbeginn im Falle einer öffentlichen Zustellung einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, sofern der Betroffene durch außergewöhnliche Umstände schuldlos an der Kenntnisnahme gehindert war. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Unkenntnis bei öffentlicher Bekanntmachung einer Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO ließe sich indes nicht mit dem mit der Regelung verfolgten Interesse an Rechtssicherheit vereinbaren. Zudem hätten die Antragsteller spätestens mit dem Baubeginn im September 2014 erkennen können, dass für das benachbarte Bauvorhaben eine Baugenehmigung erteilt wurde. Denn Nachbarn stehen zueinander in einem „nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander einfordert. Aus dem nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnis resultiert etwa die Pflicht, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen, um auf diese Weise wirtschaftlichen Schaden vom Bauherrn abzuwenden oder möglichst gering zu halten (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 -; VG Ansbach, U.v. 11.4.2013 - AN 3 K 11.01612 - jeweils juris).

Die Antragsteller wären daher mit Beginn der Baumaßnahmen und Erkennbarkeit der Erteilung einer Baugenehmigung aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis heraus verpflichtet gewesen, die Wahrung ihrer Interessen zu verfolgen und Einwendungen gegen die dem Nachbar erteilte Baugenehmigung ohne schuldhaftes Versäumen geltend zu machen. Bei einem Abwarten von sieben Monaten Bautätigkeit kann nicht mehr von schuldloser Verhinderung der Einhaltung einer gesetzlichen Frist nach § 60 Abs. 1 VwGO ausgegangen werden.

Nach alledem war der Antrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Annotations

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Geschäfts- und Bürogebäude,
3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
4.
sonstige Gewerbebetriebe,
5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
6.
Gartenbaubetriebe,
7.
Tankstellen,
8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.