Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 26. Aug. 2015 - 7 K 1920/14.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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T a t b e s t a n d
2Der am 00. 00. 1988 in E. geborene Kläger ist nach eigenen Angaben eritreischer Staatsangehöriger. Er reiste am 08. Juni 2012 über Italien in das Bundesgebiet ein und beantragte am 15. Juni 2012 seiner Anerkennung als Asylberechtigter.
3Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 04. Juli 2012 gab der Kläger an, er habe sich vor seiner Überfahrt nach Italien ein Jahr und sechs Monate in Libyen aufgehalten. Er habe dort als Schreiner gearbeitet. Davor sei er ein Jahr und einen Monat lang im Sudan gewesen. Dort habe er in L. in einem Supermarkt als Aushilfe gearbeitet. Eritrea habe er verlassen, als er fünf Jahre alt gewesen sei. Seine Eltern hätten ihn mit nach B. B1. genommen. Er sei in B. B1. aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Seine Eltern seien beide verstorben, seine Mutter 1994 und sein Vater um das Jahr 2000 herum. In B. B1. habe er bei seinem Patenonkel gelebt und als Schreiner gearbeitet. Er, der Kläger, habe nur die eritreische Staatsangehörigkeit. Seine Eltern seien auch Eritreer. Einen Personalausweis habe er in Äthiopien nicht gehabt. Andere Unterlagen über seine eritreische Staatsangehörigkeit könne er nicht vorlegen. In Äthiopien und Eritrea habe er keine Verwandten. Sein Patenonkel sei nicht mit ihm verwandt. Die Schule habe er in Äthiopien bis zur fünften Klasse besucht. Zu seinen Asylgründen trug er vor, er habe einen politischen Grund. Als Eritreer habe er nicht in Äthiopien bleiben und frei leben können. Wenn es ein Problem gegeben habe, hätten sie ihn als Verursacher des Problems angesehen. Er sei öfter verhaftet worden. Von den äthiopischen Sicherheitsbeamten sei ihm viel Schaden zugefügt worden. Sie hätten ihm auch gedroht, dass er nach Eritrea abgeschoben würde. Dorthin habe er aber nicht gehen können, weil dort ein diktatorisches Regime an der Macht sei. Alle Jugendlichen würden zum Militär eingezogen. Sein Patenonkel habe seinetwegen auch viele Probleme bekommen. Auf Frage, warum er nach 19 Jahren Aufenthalt in Äthiopien das Land habe verlassen müssen, trug der Kläger vor, früher sei er ja ein kleines Kind gewesen. Als er dann größer geworden sei, seien auch die Vorwürfe immer mehr geworden. Er habe auch wirtschaftliche Probleme gehabt und sei ziemlich jung gewesen. Auf Frage, warum er jetzt geflohen sei, antwortete der Kläger, er habe selbst gearbeitet und ein bisschen Geld gespart, und sein Patenonkel habe ihn auch unterstützt. So habe er fliehen können. Auf Nachfrage zu seinem Schulbesuch gab der Kläger an, es sei lange Zeit so gewesen, dass nicht herausgekommen sei, dass er Eritreer sei. Einige Leute hätten dann seine Identität verraten. Nach einer Explosion in einem Hotel seien viele verhaftet worden, unter anderem auch er. Dort sei jemand gewesen, der gewusst habe, dass er Eritreer sei. Deswegen hätten sie ihm, dem Kläger, vorgeworfen, dass er damit zu tun habe. Dies sei vor ungefähr sieben Jahren gewesen. Er sei auch geschlagen worden, weil er Eritreer sei. Sie hätten gesagt, dass er zur eritreischen Regierung gehöre.
4Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. Mai 2014 trug der Kläger ergänzend vor, sein Vater sei LKW-Fahrer gewesen und viel zwischen B. B1. und dem heutigen Eritrea hin und her gependelt. Schwerpunktmäßig sei er aber in B. B1. aktiv gewesen. Daher sei die Familie 1993 dort hingezogen. 1994 sei die Mutter während einer Schwangerschaft verstorben. Im Jahre 1997 nach äthiopischer Zeitrechnung sei es in B. B1. zu einer Bombenexplosion gekommen. Er, der Kläger, habe damals in der Nähe gearbeitet. Er sei verhaftet und in das L1. -Gefängnis gebracht worden. Dort sei er acht Monate lang inhaftiert gewesen. Er sei in dieser Zeit geschlagen worden. Anschließend sei er einfach freigelassen worden. In der Folgezeit sei er aber immer wieder kurzfristig kurzzeitig festgenommen worden. Man habe ihn einfach mitgenommen und geschlagen. Es sei ihm immer wieder unterstellt worden, er würde als eritreischer Volkszugehöriger die al-Shabaab unterstützen. Man habe ihn auch auf die Fußsohlen geschlagen, so dass er ein paar Monate nicht richtig habe laufen können. Er leide unter massiven Schlafstörungen. Er habe die Geschehnisse im Rahmen der Anhörung nur angedeutet.
5Mit Bescheid vom 24. September 2014 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie des subsidiären Schutzstatus und die Asylanerkennung ab und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Es forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Ausreise drohte es ihm die Abschiebung nach Äthiopien an.
6Der Kläger hat am 13. Oktober 2014 Klage erhoben. Er macht geltend, es sei bereits nicht nachvollziehbar, von welcher Staatsangehörigkeit das Bundesamt ausgehe. Von Äthiopien spreche es nur als Land des gewöhnlichen Aufenthalts. Die Klärung der Staatsangehörigkeit sei aber eine zwingende Vorfrage bei der Beurteilung der Frage, ob einem Asylbewerber der Flüchtlingsstatus zustehe. Dabei sei auf das Land des gewöhnlichen Aufenthalts nur dann abzustellen, wenn der Flüchtling staatenlos sei. Er, der Kläger, besitze jedoch die eritreische Staatsangehörigkeit. Er sei in Eritrea als Kind eritreischer Staatsangehöriger geboren worden. Aufgewachsen sei er in Äthiopien. Er sei dort jedoch zu keinem Zeitpunkt als äthiopische Staatsangehöriger registriert worden. Vielmehr sei er seitens des äthiopischen Staates als eritreischer Staatsangehöriger angesehen worden. Zwar hätte er unter der Direktive 2004 eine Wiedereinsetzung in die äthiopische Staatsangehörigkeit beantragen können. Dies sei jedoch nicht geschehen. Die Berufung auf die Direktive sei zeitlich begrenzt gewesen. Es sei daher davon auszugehen, dass er, der Kläger, seine bei Geburt aufgrund der damals noch nicht erklärten Unabhängigkeit Eritreas bestehende äthiopische Staatsangehörigkeit mangels Registrierung bei den äthiopischen Behörden während der Geltung der Direktive 2004 verloren habe. Von seinen Eltern besitze er die eritreische Staatsangehörigkeit. Die Beantragung entsprechender Dokumente sei vor dem Hintergrund des eritreischen Staatsangehörigkeitsrechts nicht konstitutiv für den Erwerb der Staatsangehörigkeit. Es sei nicht klar, auf welche Weise er Unterlagen über seine eritreische Staatsangehörigkeit hätte vorliegen können. Bis zum Ausbruch des Krieges 1998 sei auch aus äthiopischer Sicht eine doppelte Staatsangehörigkeit hingenommen worden. Daher habe bei dem damals noch jugendlichen Kläger kein Anlass bestanden, sich entsprechende Dokumente ausstellen zu lassen. Nach Ausbruch des Krieges sei es nicht mehr möglich gewesen, eritreische Papiere zu beantragen, da es eine eritreische Botschaft in Äthiopien nicht mehr gegeben habe. Gehe man von der eritreischen Staatsangehörigkeit aus, sei zum einen nicht entscheidend, dass er, der Kläger, sich überwiegend in Äthiopien aufgehalten habe. Zum anderen sei die Gefahr einer politischen Verfolgung aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeit im Bundesgebiet zu bejahen. Er sei hier Mitglied der EPDP geworden und habe einen entsprechenden Veranstaltungen seiner Partei teilgenommen. Gehe man von einer äthiopischen Staatsangehörigkeit aus, drohe ihm im Falle der Rückkehr nach Äthiopien erneute politische Verfolgung. So sei er in Äthiopien wiederholt verdächtigt worden, die al-Shabaab zu unterstützen. Er sei in diesem Zusammenhang inhaftiert und misshandelt worden.
7Der Kläger beantragt,
8den Bescheid des Bundesamtes vom 24. September 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
9hilfsweise,
10die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 24. September 2014 zu verpflichten, ihm internationalen subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
11weiter hilfsweise,
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 24. September 2014 zu verpflichten festzustellen, dass in seiner Person ein Abschiebungsverbot gemäß 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Äthiopiens vorliegt.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte des Bundesamtes Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist unbegründet.
19Der Bescheid des Bundesamtes vom 24. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG (nachfolgend I.) noch auf Anerkennung als Asylberechtigter (II.) Zudem liegen in seiner Person keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1, 3 AufenthG oder (nationale) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vor (III.).
20I.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in seiner Person.
22Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - zur Definition dieser Begriffe vgl. § 3 b Abs. 1 AsylVfG - außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
23Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG gelten zunächst Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 04. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), ferner Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG). § 3 a Abs. 2 AsylVfG nennt als mögliche Verfolgungshandlungen beispielhaft u.a. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, sowie gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden.
24Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 22.12 -, juris Rn. 19 m.w.N.
26Diese Anforderungen gelten auch für den Fall, dass die Verfolgung nicht von dem Staat, sondern von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht. Nach § 3 c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, oder (3.) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
27Einen Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 e AsylVfG allerdings nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftsstaates keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz nach § 3 d AsylVfG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2), sog. inländische Fluchtalternative.
28Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Kammer nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger aufgrund einer anlassgeprägten Einzelverfolgung sein Heimatland verlassen hat oder ihm bei einer Rückkehr eine solche droht.
29Aus den in Art. 4 der Richtlinie 2011/95/EU geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung Verfolgung im Sinne von § 3 AsylVfG droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989 ‑ 9 B 239.89 ‑, juris.
31In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe und unter Würdigung der allgemeinkundigen und in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse sowie des Vorbringens des Klägers kann die Kammer nicht feststellen, dass er vorverfolgt ausgereist ist und er bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen muss.
32Die Zuerkennung des Flüchtlingseigenschaft kommt überdies nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG und Art. 1 A Nr. 2 GFK nur bei Verfolgung im Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei de jure Staatenlosen - im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts in Betracht.
33Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 26.02.2009 - 10 C 50/07 -, juris; Urteil vom 08.02.2005 - 1 C 29.03 -, juris; Urteil vom 08.02.2005 - 1 C 29.03 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2013 - 6 K 7333/12.A -, juris Rn. 30.
34Nach diesen Grundsätzen ist die Flüchtlingseigenschaft für den Kläger zu verneinen. Er ist in Äthiopien, auf dessen Verhältnisse abzustellen ist (nachfolgend 1.), keiner flüchtlingsrelevanten Bedrohung ausgesetzt (2.).
351.) Maßgebend für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sind vorliegend die Verhältnisse in Äthiopien. Denn der Kläger ist zur Überzeugung des Gerichts Angehöriger dieses Staates.
36a) Der nach eigenen Angaben am 05. Januar 1988 geborene Kläger erhielt mit seiner angeblichen - hier aber unterstellten - Geburt in E. , das auf dem Gebiet des heutigen Eritrea liegt, die äthiopische Staatsangehörigkeit, da seine Eltern im Jahr 1988 äthiopische Staatsangehörige waren, was aus Art. 1 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1930 (abgedruckt in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand: September 2007, "Äthiopien") folgt, und ein selbstständiger Staat Eritrea im Jahre 1988 nicht existierte. Eritrea, das bis zum 2. Weltkrieg eine italienische Kolonie war, bildete seit dem 8. Mai 1963 eine Provinz Äthiopiens. Sie erlangte erst im Jahr 1991 ihre Unabhängigkeit und ist seit 1993 ein eigener Staat mit eigenen Staatsangehörigen.
37Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 15.10.2014, Seite 6; Schweizerisches Bundesamt für Migration, Factsheet Eritrea - Grundlageninformationen, September 2013, Seite 5 f.
38Daraus folgt, dass es zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers keine eritreische Staatsangehörigkeit im völkerrechtlichen Sinne gegeben hat, die der Kläger hätte erwerben können.
39Vgl. zu insoweit gleichgelagerten Fällen jeweils BayVGH, Urteil vom 18.08.2006 – 9 B 05.30682 –, juris Rn. 16; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2013 - 6 K 7333/12 -, juris Rn. 36 f. m.N.
40Ob er im weiteren Verlauf die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren (und die eritreische erworben) hat, kann nicht beurteilt werden.
41Zum einen hat der Kläger keinerlei Unterlagen vorlegen können - etwa eine eigene eritreische ID-Karte -, die als Indiz für einen Wechsel der Staatsangehörigkeit gewertet werden könnten.
42Zum anderen sind die Angaben, die er im Rahmen seines Asylverfahrens gemacht hat, nicht glaubhaft.
43Aus den in § 25 AsylVfG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Asylantragstellers folgt, dass es Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.
44Vgl. zu Art. 16 a GG BVerwG, Beschluss vom 21.07.1989 – 9 B 239/89 -, juris Rn. 3; Beschluss vom 26.10.1989 – 9 B 405.89 -, juris Rn. 8; Sächs. OVG, Urteil vom 22.03.2012 – A 3 A 428/11 -, juris Rn. 24; OVG NRW, Urteil vom 17.08.2010 – 8 A 4063/06.A -, juris Rn. 33.
45Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Die Kammer bewertet es vielmehr als nicht glaubhaft.
46Bereits seine Angaben bei der Anhörung vor dem Bundesamt sind vage und detailarm und erwecken insgesamt nicht den Eindruck, der Kläger berichte hier von tatsächlich Erlebtem. So hat er auf Befragen nach seinen Asylgründen angegeben, er habe einen politischen Grund; er könne in Äthiopien nicht bleiben und frei leben; immer wenn es ein Problem gegeben habe, hätten sie ihn als Verursacher des Problems gesehen; er sei öfter verhaftet worden; es sei ihm von den äthiopischen Sicherheitsbeamten viel Schaden zugefügt worden; sie hätten ihn auch bedroht, ihn nach Eritrea abzuschieben. Details zu den Verhaftungen sucht man vergebens. Warum er trotz seiner angeblichen Probleme 19 Jahre in Äthiopien leben und als Schreiner arbeiten konnte, hat der Kläger auch nicht überzeugend erklären können. So hat er sich darauf berufen, dass er früher ein kleines Kind gewesen sei und dass die Vorwürfe immer mehr geworden seien, als er dann größer geworden sei. Die Mühe, die Probleme bzw. Vorwürfe einmal konkret zu benennen bzw. gar zu schildern, hat sich der Kläger dagegen nicht gemacht. Stattdessen ist er auf erneute Nachfrage des Bundesamtes erkennbar ausgewichen und hat einen weiteren Grund für seine Flucht angegeben, indem er - nunmehr! - erklärt hat, er habe auch wirtschaftliche Probleme gehabt und sei ziemlich jung gewesen. Einzelheiten zu seinen wirtschaftlichen Problemen hat er indes nicht geschildert. Das wäre aber geboten gewesen, weil es sich nicht von selbst versteht, dass er trotz seiner Arbeit als selbständiger Schreiner wirtschaftliche Probleme gehabt hat. Auf weitere Nachfrage hat sich der Kläger dann auf die Aussage zurückgezogen, alle Leute hätten ihn "mit negativem Blick" gesehen. Das einzig konkrete Ereignis, das der Kläger geschildert hat, ist eine Verhaftung nach der Explosion eines Hotels. Aber auch hierzu hat er kaum Details mitgeteilt und lediglich angegeben, dass die Verhaftung vor ungefähr sieben Jahren gewesen sei. Abschließend ist diese Rede davon, dass er auch geschlagen worden sei, weil er Eritreer sei. Einzelheiten hat er auch insoweit nicht dargetan, so dass letztlich unklar geblieben ist, warum er sich zur Ausreise aus Äthiopien veranlasst gesehen hat.
47Auch in der mündlichen Verhandlung hat es der Kläger nicht vermocht, nachvollziehbar darzulegen, dass er aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung zur Ausreise gezwungen war.
48Bereits die eingangs gestellte, allgemein gehaltene Frage nach seinem Problem in Äthiopien hätte ihm Veranlassung geben können und müssen, über das von ihm geltend gemachte Verfolgungsschicksal zu berichten. Stattdessen hat er sich auf die vage Aussage beschränkt, er habe in Äthiopien "sehr viele" Probleme und "sehr viele" Schwierigkeiten gehabt; er sei bedroht und geschlagen worden. Einzelheiten hierzu hat er nicht angegeben.
49Auch die Nachfrage nach dem Grund für die Ausreise im Jahre 2009 ist ohne Erkenntnisgewinn geblieben. So hat er bekundet, er habe dort nicht weiterleben können. Die Kammer nimmt zur Kenntnis, dass der Kläger zwar sogleich angefügt hat, es falle ihm schwer, darüber zu reden. Das ist freilich leicht gesagt, und es gibt - wie noch darzulegen sein wird - keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zu einer konkreten Aussage aufgrund psychischer Einschränkungen nicht in der Lage gewesen sein könnte. Nichtssagend ist ferner die nachfolgende Erklärung, er habe in Äthiopien nicht einen Tag lang fröhlich verbracht.
50Auch ein konkretes Ereignis, das ihn zur Flucht veranlasst hat, hat der Kläger nicht anführen können. Er hat es vielmehr bei der vagen Erklärung – insoweit sich wiederholend – belassen, dass er dort nicht habe weiterleben und auch nicht nach Hause habe gehen können. Unbestimmter geht es nicht.
51Ohne Substanz sind auch die Angaben des Klägers zu den Aufenthalten in den Polizeistationen geblieben. Zur Beantwortung der Frage nach Einzelheiten (!) seiner Festnahme hat er gerade einmal drei Sätze benötigt: Ein Mann der EPRDF habe einen Hinweis auf ihn gegeben und gesagt, dass er - der Kläger - damit zu tun habe; er sei dann mit einem Sonderauto abgeholt worden, und zwar in der Nähe des Hotels, draußen auf der Straße; die Polizeistation sei die Woreda 16 gewesen, nicht weit weg von seinem Wohnort. Ähnlich lapidar ist das Vorbringen zum weiteren Geschehen. Zwar hat er berichtet, jeden Abend geschlagen und auf der nächsten Polizeistation (Woreda 17) mit einem Elektrokabel auf die Fußsohlen geschlagen worden zu sein. Es fehlen aber durchweg die Konkretheit, Anschaulichkeit und der Detailreichtum, die die Schilderung eines auf eigenem Erleben beruhenden Ereignisses auszeichnen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach seinen Angaben bis zu dieser Inhaftierung ein normales Leben in Äthiopien geführt hat, d.h. dort zur Schule gegangen ist und sodann als Schreiner gearbeitet hat, so dass die Inhaftierung ein überaus einschneidendes Erlebnis gewesen sein müsste, das sich ihm auch in Einzelheiten eingeprägt haben müsste. Auf Frage nach der Behandlung in der letzten Polizeistation hat der Kläger ausgeführt, es sei noch schlimmer gewesen als zuvor. Auch auf Nachfrage ist es ihm nicht gelungen, das zu konkretisieren. Vielmehr hat er bekundet, es sei schlimmer geworden von Polizeistation zu Polizeistation. Erst auf erneute Nachfrage hat er angegeben, er sei mit einem Messer geritzt worden. Dabei hat er es dann aber bewenden lassen.
52Bezeichnend sind desweiteren die Angaben zur Haftzeit. Mit gerade einmal zwei Sätzen hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Frage zur Unterbringung im Gefängnis geäußert: Sie hätten Essen bekommen, aber die Schläge hätten nicht aufgehört. Er war auf Frage noch nicht einmal in der Lage, die Zelle zu beschreiben. Hierzu hat er schlicht erklärt, sie seien in einer Halle untergebracht gewesen, 70 Leute, von denen auch einige krank gewesen seien. Hätte der Kläger sich tatsächlich über mehrere Monate dort aufgehalten, hätte es für ihn ein Leichtes sein müssen, wesentlich detaillierter Auskunft zu geben. Das Gericht verkennt nicht, dass der Kläger immer wieder auch - wie dargetan - Einzelheiten zu berichten wusste. Sie erscheinen aber durchweg bruchstückhaft und zwingen daher nicht zu der Schlussfolgerung, der Kläger sei tatsächlich verhaftet worden und habe - auch noch längere Zeit - im Gefängnis gesessen.
53Nicht substantiierter sind seine Angaben zu den Geschehnissen nach der Freilassung. So hat er behauptet, in der Zeit von 2005 bis 2009 etwa ein Mal im Monat verhaftet worden zu sein. Glaubhaft ist das nicht, weil es auch insoweit nahezu vollständig an Details mangelt. Der Kläger hat seine Aussage aber auch dadurch entwertet, dass er ergänzt hat, er sei "ab und zu" auch nach drei Monaten verhaftet worden. Wie oft er festgenommen worden ist, lässt sich auf dieser Grundlage nicht feststellen. Weitergehende Aussagen hat er lediglich zu seiner angeblich letzten Inhaftierung gemacht: Sie sei etwa drei bis vier Monate vor seiner Ausreise gewesen. An die exakte Dauer der Inhaftierung hat er sich aber schon nicht mehr erinnern können und sie mit "etwa eine Woche" angegeben.
54Alles in allem ergeben die Angaben des Klägers kein klares Bild. Einigen wenigen Details steht eine Vielzahl von vagen Aussagen und Andeutungen entgegen. Dass das Aussageverhalten des Klägers durch seine psychische Verfassung beeinflusst ist, wie seine Prozessbevollmächtigte meint, mag zwar theoretisch denkbar sein. Allerdings ist diese Erklärung nicht zwingend die einzig mögliche. Folglich kann nicht unterstellt werden, dass der Kläger, würde er seine Aussage in geordneter psychischer Verfassung - insoweit die oben angeführte These als wahr unterstellend - machen können, zu einem substantiierten und im Wesentlichen widerspruchsfreien Vortrag in der Lage wäre. Für eine psychisch eingeschränkte Fähigkeit zu einem substantiierten Vorbringen gibt es auch keine konkreten Anhaltspunkte. Festzuhalten ist vielmehr, dass sich der Kläger in seinem Aussageverhalten in nichts von einer Vielzahl von Asylbewerbern unterscheidet. Es kommt hinzu, dass der Kläger in den beiden mündlichen Verhandlungen nicht den Eindruck gemacht hat, sich in sich zurückzuziehen, wie es bei psychisch Kranken häufig zu beobachten ist. Schließlich erlauben auch die vorgelegten ärztlichen Atteste und Bescheinigungen nicht den Schluss, der Kläger sei in seinem Aussageverhalten eingeschränkt. Insbesondere rechtfertigen sie nicht die Annahme, der Kläger leide an einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Dies hat die Kammer bereits in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen in dem Beschluss zur Ablehnung des Beweisantrags Nr. 4 dargetan. Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Ergänzend ist anzumerken, dass der behandelnde Arzt in keiner seiner Bescheinigungen vom 21. Januar 2015, vom 22. April 2015, vom 10. Juni 2015 und vom 12. August 2015 mitgeteilt hat, wie er zu der Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung" gelangt ist. Der bloße Verweis auf "erlittene Folter in der Heimat" - so in der fachärztlichen Bescheinigung vom 21. Januar 2015 - oder ähnlich lapidare Aussagen in den weiteren Bescheinigungen sind diesbezüglich nicht hinreichend.
55Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VG Köln, Urteil vom 22. Mai 2015 – 19 K 6331/13.A –, juris Rn. 40.
56Das Vorbringen des Klägers ist aber auch deshalb als unglaubhaft zu werten, weil es zahlreiche Widersprüche aufweist, die er nicht zur Überzeugung des Gerichts aufgelöst hat.
57In der fachärztlichen Bescheinigung vom 10. Juni 2015 ist die Rede davon ist, der Vater des Klägers sei von Rebellen umgebracht worden. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hat er demgegenüber lediglich erklärt, sein Vater sei um das Jahr 2000 herum gestorben. Diese Formulierung deutet auf einen natürlichen Tod hin. Jedenfalls ist nicht erklärlich, warum er bei der Anhörung vor dem Bundesamt, aber auch später nicht erwähnt hat, dass sein Vater von Rebellen umgebracht worden sein soll. Das ist zwar für das Verfolgungsschicksal des Klägers nicht unmittelbar von Belang. Indes kann die Erfahrung des gewaltsamen Todes des Vaters zumindest für die psychische Konstitution durchaus von Belang sein.
58Widersprüchlich sind auch die Angaben zur Dauer der Inhaftierung. So ist in dem anwaltlichen Schreiben an das Bundesamt vom 23. Mai 2014 die Rede davon, er sei acht Monate im L1. -Gefängnis inhaftiert gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat er demgegenüber davon gesprochen, elf Monate in Haft gewesen zu sein. Nachvollziehbar hat er diese unterschiedlichen Angaben nicht erklären können. Auf Vorhalt in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, man verbringe erst einige Wochen auf der Polizeistation; er sei auf drei verschiedenen Polizeirevieren gewesen. Das steht indes zum einen nicht in Einklang mit dem anwaltlichen Schriftsatz vom 23. Mai 2014, in dem es heißt, er sei verhaftet und in das L1. -Gefängnis gebracht worden, ohne dass hier etwaige Zwischenstationen genannt worden sind. Zum anderen ist die Erklärung auch deshalb nicht glaubhaft, weil sie mit seinen früheren Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht in Einklang gebracht werden kann. Insoweit ist ein zweiter erheblicher Widerspruch zu konstatieren. Denn auf Frage nach der Inhaftierung hat er bekundet, er sei nach der Explosion zur Polizeistation gebracht worden; er sei in einem sehr dunklen Raum gewesen; dann sei er in das L1. -Gefängnis überstellt worden. Von drei Polizeistationen ist hier - eindeutig - nicht die Rede gewesen. Wenn er von einem dunklen Raum spricht, kann damit nur der Raum in einer Polizeistation gemeint sein. Seine Erklärung hierzu in der mündlichen Verhandlung, er sei bei der Anhörung vor dem Bundesamt neu, krank und gesundheitlich nicht stabil gewesen, kann nicht überzeugen. Denn die in Rede stehende Aussage, in einem dunklen Raum gewesen und dann in das L1. -Gefängnis überstellt worden zu sein, hat er nicht beim Bundesamt, sondern in der mündlichen Verhandlung gemacht. Davon abgesehen ist die Erklärung des Klägers als - naheliegende - Schutzbehauptung zu werten.
59Ferner ist auch sein Vortrag zu dem Verbleib des Dokuments über seine Haft widersprüchlich. In der mündlichen Verhaltung hat er angegeben, es gebe ein schriftliches Urteil; dieses habe er in B. B1. zurückgelassen. Auf Nachfrage hat er zunächst erklärt, das Urteil sei bei dem Richter verblieben. Diese Begründung lässt seine Aussage, das Urteil zurückgelassen zu haben, in zweifelhaftem Licht erscheinen. Denn wenn der Kläger das Urteil gar nicht in seinem Besitz hatte, sondern es bei dem Richter verblieben ist, hat er gar nicht darüber entscheiden können, ob er, der Kläger, es zurücklässt oder mitnimmt. Die Erklärung, das Urteil in Äthiopien gelassen zu haben, impliziert aber eine bewusste und eigene Entscheidung darüber, wie mit einer Sache umgegangen wird. Erst auf weitere Nachfrage hat der Kläger angegeben, er habe das Entlassungsschreiben gemeint. Unterstellt man die zweite Version – Bescheinigung über die Haftentlasung, dem Kläger ausgehändigt – als wahr, so kommt man nicht umhin festzustellen, dass der Kläger nicht nachvollziehbar begründet hat, warum er sie nicht mitgenommen hat, obwohl er dann ein Beweismittel über seine Inhaftierung hätte vorlegen können. So hat er zunächst die Frage aufgeworfen, warum er etwas mitnehmen solle, das ihm eine schlechte Erinnerung bereite. Das überzeugt nicht, weil es bei einer solchen Einstellung viel naheliegender gewesen wäre, die Bescheinigung von Anfang an nicht aufzubewahren, sondern umgehend zu vernichten. Überdies hat er im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung auch insoweit eine abweichende Begründung geliefert, weil er später darauf abgestellt hat, er habe es nicht so gut aufbewahrt; er habe bei der Flucht nur im Kopf gehabt, sein Leben zu retten. Klarheit in Bezug auf die ihm ausgestellten Unterlagen hat der Kläger auch nicht durch seine Stellungnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 26. August 2015 schaffen können. Auf Frage, welche Dokumente er über die Haft bekommen hat, hat der Kläger zunächst von einer von ihm als "Orant" bezeichneten Bescheinigung gesprochen. Damit hat er nach seiner Erläuterung ein Dokument über die Überstellung von der Polizei in das L1. -Gefängnis gemeint. Als zweites Dokument hat er sodann die Haftentlassungsbescheinigung erwähnt. In der ersten mündlichen Verhandlung hat er zwar auch von zwei Dokumenten gesprochen, nämlich einem Urteil und einem Entlassungsschreiben. Von diesen soll aber das Urteil bei dem Richter - gemeint sein dürfte die Polizei - verblieben sein, ihm also gerade nicht ausgehändigt worden sein. Insoweit stimmen die beiden Aussagen nicht überein.
60Auffällig ist desweiteren, dass der Kläger bei der Anhörung vor dem Bundesamt davon berichtet hat, er sei öfter verhaftet worden; auch in dem anwaltlichen Schreiben vom 23. Mai 2014 wird von nachfolgenden kurzzeitigen Inhaftierungen berichtet. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger diese indes nicht von sich aus erwähnt, obwohl die Frage nach seinem Problem in Äthiopien dazu hätte Anlass geben können und müssen, sondern erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten nach den Geschehnissen nach der Haftentlassung. Dass er die kurzzeitigen Inhaftierungen zunächst nicht erwähnt hat, ist auch deswegen nicht belanglos, weil zeitlich nur sie und nicht die Haft im L1. -Gefängnis fluchtauslösend gewesen sein können. Denn der dortige Aufenthalt lag zum Zeitpunkt der Ausreise in den Sudan bereits vier Jahre zurück.
61Ferner ist in dem anwaltlichen Schreiben vom 23. Mai 2014 die Rede davon, dem Kläger sei immer wieder unterstellt worden, er unterstütze als eritreischer Volkszugehöriger die al-Shabaab-Milizen. Von diesem Vorwurf hat er freilich weder bei der Anhörung vor dem Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung berichtet. Zwar hat er bei der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, sie hätte ihm vorgeworfen, er gehöre zur eritreischen Regierung. Auch wenn die äthiopische Regierung davon ausgeht, dass die al-Shabaab durch Eritrea unterstützt wird,
62vgl. hierzu FAZ, Bericht vom 11.08.2011: "Eritrea und Somalia - Die stillen Helfer von al Shabaab",
63ist der Kläger daran festzuhalten, dass er konkret von al-Shabaab nicht ein weiteres Mal gesprochen hat.
64Ein weiterer Widerspruch betrifft die Umstände der Flucht. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hat der Kläger auf die Frage, warum es so lange gedauert habe, bis er mit 24 Jahren Äthiopien verlassen habe, ausgeführt, er habe wirtschaftliche Probleme gehabt; er sei jung gewesen, und in diesem Alter sei es nicht vorgesehen zu fliehen. Er habe ein bisschen Geld gespart, und sein Onkel habe ihn auch unterstützt; so habe er fliehen können. Ist danach von einer geplanten und langfristig geplanten Flucht auszugehen, so hat er im Gegensatz dazu in der mündlichen Verhandlung bekundet, bei der Flucht habe er nur im Kopf gehabt, sein Leben zu retten; er sei auf der Flucht nur mit einer Plastiktüte unterwegs gewesen. Gerade hier zeigt sich, dass der Kläger mit seinen Antworten asyltaktisch agiert: Auf seine wirtschaftlichen Probleme und dem daraus resultierenden Zwang, Geld zu sparen, hat er bei der Anhörung vor dem Bundesamt hingewiesen, als der Einzelentscheider gefragt hat, warum es bis zu seiner Flucht noch so lange gedauert habe. Auf die Flucht nur mit der Plastiktüte hat er demgegenüber in der mündlichen Verhandlung abgestellt, als es darum ging zu klären, warum er seine Haftentlassungsbescheinigung nicht mitgenommen hat. Dass beide Aussagen - geplante Flucht nach Ansparen des Geldes einerseits und Flucht nur mit Plastiktüte andererseits - nicht zusammenpassen, liegt auf der Hand.
65Sind auf dieser Grundlage die Angaben des Klägers zu seinem Verfolgungsvorbringen und damit dem Kern seines Asylbegehrens als nicht glaubhaft zu bewerten, sieht die Kammer keine Veranlassung, seinen Angaben überhaupt – etwa zu seinem Geburtsort oder zu seinen Aufenthaltsorten oder auch denen seiner Eltern – Glauben zu schenken.
66b) Selbst wenn man die Angaben des Klägers zu Geburtsort und Aufenthaltsorten als wahr unterstellte, wäre auch auf dieser Grundlage nicht die Annahme gerechtfertigt, er sei kein äthiopischer Staatsangehöriger.
67Ausgangspunkt bildet Art. 11 lit. a) des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1930. Die Vorschrift sah den Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit vor. Im Zusammenhang mit der Anwendung des Gesetzes zogen äthiopische Stellen jedoch neben dem Gesetzestext eine Reihe von voluntativen Elementen heran. Diese waren in ihrer Zusammensetzung und Interpretation nicht einheitlich festgelegt oder normiert.
68Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom Urteil vom 23.05.2013 – 6 K 7333/12.A –, juris Rn. 39 f. m.w.N.
69Nach dem eritreischen Unabhängigkeitsreferendum vom 24. Mai 1993 wurden in Äthiopien residierende Personen eritreischer Abstammung, wenn sie nicht an dem Referendum teilgenommen hatten und wenn sie nicht den eritreischen Staat finanziell oder sonst unterstützt hatten, durch den äthiopischen Staat weiterhin als äthiopische Staatsangehörige angesehen, einschließlich der Personen, die Inhaber eritreischer ID-Karten waren und damit Doppelstaatler wurden. Soweit der äthiopische Staat ab 1998 im Zuge der gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Eritrea und der Deportationen eritreischstämmiger Personen dorthin davon ausging, Personen mit eritreischer Abstammung hätten ihre äthiopische Staatsbürgerschaft aufgegeben, betraf dies in der Regel diejenigen Personen, die eine eritreische ID-Karte zur Teilnahme am Unabhängigkeitsreferendum im Jahre 1993 erworben hatten.
70Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom Urteil vom 23. Mai 2013 – 6 K 7333/12.A –, juris Rn. 41 f. m.w.N.; VG Saarland, Urteil vom 06.03.2015 – 3 K 344/14 –, juris Rn. 26.
71Für eine Teilnahme des Klägers an dem Referendum, aber auch für eine Unterstützung des eritreischen Staates durch ihn gibt es keine Anhaltspunkte. Seinem Vorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass er im Besitz einer eritreischen ID-Karte war; vielmehr hat er erklärt, niemals eigene Papiere besessen zu haben.
72Zwar erging sodann am 14. August 1999 eine Aufforderung an Personen eritreischer Herkunft, sich bei der SIRAA ("Security, Immigration and Refugee Affairs Authority") innerhalb von zwei Wochen als Ausländer zu registrieren. Allerdings knüpfte die Registrierungspflicht daran an, dass die Personen 18 Jahre oder älter sind und am Nationalreferendum teilgenommen hatten.
73Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien/Eritrea: Umstrittene Herkunft, 22. Januar 2014, Seite 3 m.w.N.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, S. 2 m.w.N.; aus der Rechtsprechung VG Saarland, Urteil vom 06.03.2015 – 3 K 344/14 -, juris Rn. 26.
74Es ist offenkundig, dass der Kläger diesem so bestimmten Personenkreis nicht zuzuordnen war, weil die zweite Voraussetzung nicht erfüllt ist.
75Auch auf der Grundlage des im Dezember 2003 in Kraft getretenen Gesetzes über die Staatsbürgerschaft - "Ethiopian Nationality Law Proclamation No. 378/2003" (abgedruckt in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand: September 2007, "Äthiopien") ist nicht von dem Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit auszugehen. Insbesondere greift Art. 20 Abs. 3 der Proklamation Nr. 378/2003 nicht Platz. Danach soll ein Äthiopier, der ohne eigenes Zutun mittels eines Gesetzes eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt, behandelt werden, als habe er freiwillig seine äthiopische Staatsangehörigkeit aufgegeben, wenn er a) anfängt, die Rechte aus dieser Staatsangehörigkeit auszuüben, oder b) es unterlässt, innerhalb eines Jahres seine Entscheidung, die äthiopische Staatsangehörigkeit zu behalten, zu erklären. Der Kläger hat aber eine andere Staatsangehörigkeit nicht ausgeübt; er hat sich eigenem Vorbringen zufolge noch nicht einmal - und sei es aufgrund Deportation - in Eritrea aufgehalten und auch keine eritreischen Ausweispapiere beantragt. Äthiopische Staatsbürger eritreischer Herkunft, die nach Auffassung der äthiopischen Behörden die ihnen zuerkannte eritreische Staatsangehörigkeit nicht ausgeübt hatten, sind weiterhin äthiopische Staatsbürger.
76Vgl. Schröder, Stellungnahme für Rechtsanwältin Becker in Frankfurt am Main vom 22. März 2011, Seite 25.
77Überdies bestimmt Art. 26 der Proklamation Nr. 378/2003, dass weiterhin äthiopischer Staatsangehöriger bleibt, wer - wie der Kläger - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gemäß dem bisherigen Staatsangehörigkeitsgesetz die äthiopische Staatsangehörigkeit innehatte. Für die Auslegung, dass die Proklamation Nr. 378/2003 nur solche Tatbestände erfasst, die nach ihrem Inkrafttreten eingetreten sind bzw. eintreten, spricht auch, dass ansonsten etwa die Verlustregelung in Art. 20 Abs. 2 der Proklamation Nr. 378/2003 eine Vielzahl von Fällen beträfe, in denen von der darin vorgesehenen Möglichkeit, die äthiopische Staatsangehörigkeit ausnahmsweise beizubehalten, indem innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Volljährigkeit eine entsprechende Erklärung abgegeben wird, wegen des bereits vor dem 23. Dezember 2003 eingetretenen Fristablaufs gar kein Gebrauch hätte gemacht werden können. Schließlich gibt es keine explizite Bestimmung, nach der die Proklamation rückwirkend gelten soll.
78Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 10.10.2014 - 12 K 2384/13.A -, juris.
79Dass der Kläger nach dem Inkrafttreten der Proklamation am 23. Dezember 2003 einen Verlusttatbestand erfüllt hat, ist nicht ersichtlich.
802.) Der Kläger unterliegt in Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer asylrechtlich relevanten Verfolgung. Seine Ausführungen hierzu sind, wie oben dargetan, nicht glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass er unverfolgt ausgereist ist. Dass ihm bei seiner Rückkehr Verfolgung droht, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
81Eine solche liegt auch aufgrund einer zu befürchtenden Einreiseverweigerung durch die äthiopischen Auslandsvertretungen nicht vor. Zwar können nach der Rechtsprechung des BVerwG "Aussperrungen" und "Ausgrenzungen" in Gestalt von Rückkehrverweigerungen politische Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylerheblicher Merkmale des Betroffenen erfolgen wie etwa der Rasse, der Religion, der Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
82Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 12.02.1985 - 9 C 45.84 -, juris; Urteil vom 15.10.1985 - 9 C 30.85 -, juris; jüngst VG Saarland, Urteil vom 06.03.2015 – 3 K 344/14 –, juris Rn. 28.
83Die Annahme, dass Staatsangehörigen ein Recht auf Wiedereinreise tatsächlich verwehrt wird, setzt jedoch überdies die Feststellung voraus, dass sich die Betroffenen nachweislich ernsthaft und erfolglos um die Wiedererlangung der verweigerten Rechte bemüht haben. Werden solche zumutbaren Bemühungen unterlassen, fehlt es an der erforderlichen Schwere der Rechtsverletzung.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.02.2009 - 10 C 50.07 -, juris Rn. 21.
85Solche Bemühungen sind hier nicht erkennbar. Dass sie von vornherein aussichtslos wären, ist weder ersichtlich noch dargetan.
86Vgl. VG Saarland, Urteil vom 06.03.2015 – 3 K 344/14 –, juris Rn. 28 m.w.N.
87II.
88Ist nach dem zuvor Gesagten dem Kläger nicht die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen, steht ihm – erst recht - auch kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte i.S.d. Art. 16a GG zu. Denn der Flüchtlingsschutz geht teilweise über den Schutz des Asylgrundrechts hinaus.
89Vgl. VG Aachen, Urteil vom 21.06.2013 – 6 K 1151/12.A -, juris Rn. 33.
90III.
91Gründe für die Zuerkennung subsidiären (internationalen) Schutzes nach § 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1, 3 AufenthG – zuvor Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ‑ bzw. für die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben.
92Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
93Eine solche Gefahr kann insbesondere nicht deshalb angenommen werden, weil der Kläger an einer Erkrankung leidet, die behandlungsbedürftig ist, aber in Äthiopien nicht behandelt werden könnte.
94Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des ausreisepflichtigen Ausländers nach Abschiebung in seinen Heimatstaat verschlimmert, kann allerdings grundsätzlich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Hierfür ist jedoch erforderlich, dass sich der Gesundheitszustand alsbald nach einer Rückkehr in das Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil der Ausländer dort nur unzureichende Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden hat und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte.
95Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1997 – 9 C 58.96 –, juris Rn. 9; Nds.OVG, Beschluss vom 22.10.2014 – 8 LA 129/14 –, juris Rn. 31; BayVGH, Beschluss vom 18.09.2014 – 13a ZB 14.3002 –, juris Rn. 10; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26.09.2014 – 6a K 1327/14.A –, juris Rn. 29.
96Allerdings muss sich der Ausländer grundsätzlich auf den im Heimatstand vorhandenen Versorgungsstand im Gesundheitswesen verweisen lassen. Denn § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG garantiert auch für chronisch Erkrankte keinen Anspruch auf "optimale Behandlung" einer Erkrankung oder auf Teilhabe an dem medizinischen Standard in Deutschland. Der Abschiebungsschutz soll den Ausländer vielmehr vor einer alsbaldigen wesentlichen oder lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Heimatland bewahren, wenn eine bestehende Krankheit im Zielland wegen mangelnder Ressourcen – faktisch und/oder finanziell – nicht hinreichend behandelt werden kann.
97Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30.10.2006 – 13 A 2820/04.A –, juris Rn. 58; BayVGH, Urteil vom 16.05.2006 – 9 B 03.31193 –, juris Rn. 32; VG Bayreuth, Urteil vom 01.09.2014 – B 3 K 14.30195 –, juris Rn. 39 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 08.05.2014 – 17 K 2504/13.A –, juris Rn. 40.
98Für die Bestimmung der "Gefahr" gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die drohende Rechtsgutsverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein.
99Vgl. BayVGH, Urteil vom 23.07.2014 - 19 B 12.1073 -, juris Rn. 97; Nds. OVG, Urteil vom 10.11.2011 – 8 LB 108/10 –, juris Rn. 28; VG Ansbach, Urteil vom 21.01.2015 – AN 9 K 13.30394 –, juris Rn. 26 m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2014 – 17 K 6765/14.A –, juris Rn. 5 m.w.N.;
100Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich ein Abschiebungsverbot derzeit nicht feststellen.
101a) Ein solches ist nicht aufgrund der bei ihm diagnostizierten Tuberkulose gerechtfertigt. Denn dem Kläger droht im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien keine alsbaldige wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Unter explizitem Ausschluss einer floriden Tuberkulose ist bei dem Kläger ausweislich des Arztschreibens vom 17. Juli 2015 eine latente Tuberkulose diagnostiziert worden. Eine latente Tuberkulose-Infektion ist definiert als Zustand nach der primären Infektion mit dem Mycobacterium tuberculosis mit der Folge einer Persistenz vitaler Bakterien im Organismus ohne Organbefund bzw. ohne Erkrankung.
102Vgl. Schaberg et al., Latente tuberkulöse Infektion: Empfehlungen zur präventiven Therapie bei Erwachsenen in Deutschland, Seite 256 (abrufbar im Internet).
103Betroffene können - wie der Kläger - einen positiven immunologischen Test haben, es besteht aber kein Anhalt für eine aktive Erkrankung, weder klinisch noch radiologisch oder bakteriologisch. Das lebenslange Risiko eines mit Mycobacterium tuberculosis Infizierten, an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose zu erkranken, liegt für einen immunkompetenten Menschen bei etwa 5 - 10%.
104Vgl. Schaberg et al., Latente tuberkulöse Infektion: Empfehlungen zur präventiven Therapie bei Erwachsenen in Deutschland, Seite 255 (abrufbar im Internet).
105Auf dieser Grundlage kann eine alsbaldige wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes selbst im Falle des Behandlungsabbruchs nicht als wahrscheinlich angenommen werden. Vorgesehen sind überdies nur Kontrolluntersuchungen. Ihnen ist wesensgemäß, dass sie nicht unmittelbar den Gesundheitszustand beeinflussen. Fielen diese weg, träte mithin nicht direkt eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ein. Nach den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen ist schließlich davon auszugehen, dass die beim Kläger vorsorglich eingeleitete präventive Behandlung einschließlich der vorgesehenen Medikation auch in Äthiopien durchgeführt werden könnte.
106Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juli 2014.
107Dass die für geboten erachteten Kontrolluntersuchungen bzw. Medikamente für den Kläger als jungen und arbeitsfähigen Mann nicht bezahlbar sein könnten, ist nicht anzunehmen. Für den absehbaren Behandlungszeitraum könnte dem Kläger überdies ein entsprechender Medikamentenvorrat mitgegeben bzw. eine Finanzierung für einen gewissen Zeitraum sichergestellt werden.
108b) Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kläger an einer behandlungsbedürftigen Posttraumatischen Belastungsstörung leidet.
109Gemäß der International Classification of Diseases (ICD-10:F43.1) entsteht eine Posttraumatische Belastungsstörung als Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Ein traumatisches Ereignis/Erlebnis ist damit zwingende Voraussetzung für die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung; ohne das Vorliegen eines Traumas kann die Diagnose einer einer solchen Beeinträchtigung folglich nicht gestellt werden. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber dem Begutachtenden nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Der objektive Ereignisaspekt ist nämlich nicht Gegenstand der gutachtlichen (ärztlichen) Untersuchung zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Allein mit psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitteln kann nicht sicher darauf geschlossen werden, ob tatsächlich in der Vorgeschichte ein Ereignis vorlag und wie dieses geartet war.
110Vgl. BayVGH, Beschluss vom 15.12.2010 - 9 ZB 10.30376 -, juris Rn. 3; VG Regensburg, Urteil vom 07.10.2014 – RN 5 K 14.30525 –, juris.
111Nach diesen Kriterien kann eine Posttraumatische Belastungsstörung nicht angenommen werden. Denn die Klägerin hat – wie bereits oben dargelegt – ein traumatisierendes Geschehen nicht glaubhaft gemacht. Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Blick auf die schon angesprochenen Bescheinigungen des Arztes für Psychiatrie - Psychotherapie - Dipl.-Psych. D. -N. M. gerechtfertigt. Auf die obigen Ausführungen sowie die Begründung zur Ablehnung des Beweisantrags Nr. 4 gemäß der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 26. August 2015 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
112Auf dieser Grundlage ist auch die Gefahr einer Retraumatisierung im Fall der Rückkehr nach Äthiopien nicht als beachtlich wahrscheinlich anzunehmen.
113Angesichts dessen drängt sich die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung durch das Gericht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht auf.
114b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die allgemeine wirtschaftlich schwierige Lage in Äthiopien berufen.
115Die Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
116Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, juris (ständige Rechtsprechung).
117Dass hier eine solche extreme Gefahrenlage besteht, in der der Asylbewerber "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde” und die sich alsbald nach der Rückkehr realisiert,
118Vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 38 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung,
119ist aus der Sicht der Kammer nicht anzunehmen. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er in Äthiopien nicht auch weiterhin auf die Unterstützung durch seinen Patenonkel wird zählen können. Überdies hat sich der Kläger auch bereits längere Zeit im Sudan und in Libyen aufgehalten und auch dort seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit sichergestellt.
120Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 AsylVfG, 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, 38 Abs. 1 AsylVfG.
121Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83 b AsylVfG.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 26. Aug. 2015 - 7 K 1920/14.A
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 26. Aug. 2015 - 7 K 1920/14.A
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Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 26. Aug. 2015 - 7 K 1920/14.A zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der nach eigenen Angaben am 15. 12. 1993 geborene Kläger ist H. Staatsangehöriger. Er reiste am 25. 12. 2011 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11. 01. 2012 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - am 24. 01. 2012 trug der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:
4Er habe in H1. bei einem Mann gelebt, der als Informant für die Polizei, für den Geheimdienst CID gearbeitet habe. Dann sei der Mann aufgefallen und er sei von ein paar Leuten attackiert worden, weil man gedacht habe, er habe mit dem Mann zusammengearbeitet. Der Mann habe dann gesagt, dass sie das Land verlassen müssten. Er habe H1. Ende 2008 verlassen. Vor der Einreise nach Deutschland habe er zwei Jahre in M. und ein Jahr in J. gelebt.
5Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27. 09. 2013 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen. Die Abschiebung nach H1. wurde angedroht.
6Der Kläger hat am 09. 10. 2013 Klage erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen gegenüber dem Bundesamt und macht gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend. Es liege eine protrahierte posttraumatische Belastungsstörung und schwere depressive Störung vor. Die Schwere seiner Erkrankung bedinge eine vitale Selbstgefährdung. Neben der psychischen Beeinträchtigung leide der Kläger auch unter Verwachsungen des Darms. ein Darmverschluss sei zu befürchten. Die Krankheit des Klägers sei in seiner Heimat nicht zu behandeln, er sei auch reiseunfähig. Zur Darlegung seiner gesundheitlichen Beschwerden legt der Kläger diverse ärztliche Bescheinigungen vor, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte verwiesen wird.
7Der Kläger beantragt,
8unter Aufhebung des Bundesamtsbescheides vom 27. 09. 2013 die Beklagte zu verpflichten
91. dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
102. hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7
11AufenthG vorliegen.
12Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen der Angaben des Klägers anlässlich der Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, da hierauf mit der Ladung hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO.
17Die Klage ist zulässig, hat aber weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.
18Der Hauptantrag ist unbegründet.
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
20Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG ist und die Voraussetzungen von § 60 Abs. 8 AufenthG nicht vorliegen. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine derartige Verfolgung kann nach § 3c AsylVfG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
21Der Kläger hat eine derartige Sachlage nicht glaubhaft machen können. Der Kläger hätte sich, um den von ihm geltend gemachten Nachstellungen Dritter zu entgehen, staatlicher Hilfe bedienen können. Er hätte auch die Möglichkeit gehabt, seinen Wohnsitz an einem anderen Ort in H1. zu nehmen, wo ihm die behaupteten Nachstellungen nicht drohen. Es ist auch - unabhängig davon, ob dem Kläger sein Vorbringen geglaubt werden kann - nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass dem Kläger 10 Jahre nach seiner Ausreise die behaupteten Nachstellungen Dritter erneut oder weiterhin drohen.
22Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.
23Es besteht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden nationalen Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
24Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Unerheblich ist dabei, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Umständen sie beruht. Für die Annahme einer "konkreten Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift genügt aber nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit wie im Asylrecht der Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem ergibt sich aus dem Element der "Konkretheit" der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefährdungssituation. Schließlich muss es sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. 10. 1995 - 9 C 9.95 - sowie Beschlüsse vom 18. 07. 2001 - 1 B 71.01 - und vom 04. 02. 2004 - 1 B 291.03 -, jeweils juris.
26Allerdings erfasst § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Gefahren, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen allgemein ausgesetzt ist bzw. sind, werden bei Entscheidungen über eine vorübergehende Abschiebung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne unterfallen § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG selbst dann nicht, wenn sie den Einzelnen konkret und individualisierbar zu treffen drohen. Angesichts der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur dann beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr in sein Heimatland aufgrund der dortigen Existenzbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
27Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung damit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden muss, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
28Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. 09. 2011 - 10 C 24.10 -, juris.
29Bezogen auf krankheitsbedingte Verschlechterungen des Gesundheitszustands eines Ausländers bei Rückkehr in sein Heimatland muss daher ernsthaft zu befürchten stehen, dass sich sein Gesundheitszustand in seinem Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seines Leidens angewiesen wäre und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte. Erforderlich ist, dass die drohende Gesundheitsgefahr von besonderer Intensität ist und die zu erwartende Gesundheitsverschlechterung alsbald nach Rückkehr in den Zielstaat einzutreten droht.
30Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. 10. 2006 - 1 C 18.05 - und vom 29. 10. 2002 - 1 C 1.02 -, jeweils juris.
31Dementsprechend kann von einer abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht schon dann gesprochen werden, wenn "lediglich" eine Heilung eines Krankheitszustandes des Ausländers im Abschiebungsfall nicht zu erwarten ist. Eine solche Gefahr ist auch nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur, wenn außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden alsbald nach der Einreise des Betroffenen in den Zielstaat drohen.
32Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. 01. 2015 - 13 A 1201/12.A - sowie Beschlüsse vom 30. Oktober 2006 - 13 A 2820/04.A - und vom 30. Dezember 2004 - 13 A 1250/04.A -, jeweils juris.
33Diese Befürchtung kann auch dann begründet sein, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation im Herkunftsland des Ausländers zwar allgemein zur Verfügung steht, sie dem betroffenen Ausländer im Einzelfall jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. Die mögliche Unterstützung durch Angehörige ist dabei in die gerichtliche Prognose, ob eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes droht, einzubeziehen.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. 10. 2002 - 1 C 1.02 -, juris.
35Um ein durch eine Erkrankung begründetes Abschiebungshindernis feststellen zu können, ist indes stets eine hinreichend konkrete Darlegung der gesundheitlichen Situation erforderlich, die in der Regel durch ein ärztliches Attest zu untermauern ist. Zwar ist der Verwaltungsprozess grundsätzlich durch den in § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO statuierten Amtsermittlungsgrundsatz geprägt. Aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO und § 74 Abs. 2 AsylVfG ergibt sich jedoch die Pflicht der Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, was in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen. Eine Erkrankung ist ein solcher Umstand. Insoweit muss von einem Kläger, der sich zur Begründung eines Abschiebungshindernisses auf eine Erkrankung beruft, ein Mindestmaß an substantiiertem, durch ein ärztliches Attest belegtem Vortrag erwartet werden.
36Vgl. VG München, Urteil vom 24. 02. 2012 - M 22 K 10.30780 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 11. 02. 2014- 6a K 2325/12.A - und vom 17. Juli 2012 - 6a K 4667/10.A -, jeweils juris; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 02. 01. 2012 - 13 A 2586/11.A-, juris.
37Im Falle einer behaupteten psychischen Erkrankung ist angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes sowie der vielfältigen Symptome regelmäßig ein gewissen Mindestanforderungen genügendes fachärztliches Attest vorzulegen, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt.
38Grundlegend dazu BVerwG, Urteil vom 11. 09. 2007- 10 C 8.07-, juris.
39Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, etwa einer PTBS, auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. 09. 2007- 10 C 8/07 - und Beschluss vom 06. 02. 1995 - 1 B 205/93 -, jeweils juris; OVG NRW, Urteil vom 27. 01. 2015 - 13 A 1201/12.A, juris.
41Die von dem Kläger im Zusammenhang mit der von ihm geltend gemachten psychischen Erkrankung vorgelegten Atteste genügen diesen Anforderungen nicht.
42Die im Klageverfahren vorgelegte Bescheinigung der LVR-Klinik Köln vom 20. 09. 2012 ist schon nicht hinreichend aktuell und bezieht sich lediglich auf einen einmaligen Vorstellungstermin des Klägers in der dortigen Ambulanz. Die Kurzbescheinigung des Dr. F. X. vom 07. 10. 2013 ist ebenfalls nicht hinreichend aktuell und erschöpft sich in der Mitteilung der Diagnose und der nicht näher konkretisierten Behandlungsbedürftigkeit. Der Bescheinigung des Dr. F. X. vom 26. 09. 2014 kann in erster Linie entnommen werden, dass eine kontinuierliche Therapie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begonnen hatte; dem entspricht die Aussage des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung; er hat dort bekundet, Dr. X. habe ihm zwar Medikamente verschrieben, aber sonst nicht viel Zeit für ihn gehabt.
43Auch die im Verhandlungstermin am 22. 05. 2015 vorgelegte Bescheinigung des Evangelischen Krankenhauses C. H2. vom 21. 05. 2015 genügt nicht den Anforderungen, die ausgehend von der vorstehend zitierten Rechtsprechung an die Substantiierung eines Vorbringens zum Vorliegen einer psychischen Erkrankung zu stellen sind. Dem vorgelegten Attest ist schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist. Es fehlen Angaben dazu, auf welcher Ursache die Diagnosen „schwere depressive Episode“ und „Posttraumatische Belastungsstörung“ beruhen, der pauschale Verweis auf „traumatische Erlebnisse in der Vergangenheit“ ist nicht annähernd hinreichend substantiiert. Es fehlen auch hinreichend konkrete Angaben dazu, seit wann und wie häufig sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befunden hat. Das vorgelegte Attest des Evangelischen Krankenhauses C. H2. ist insoweit widersprüchlich. Einerseits wird dort einleitend mitgeteilt, der Kläger befinde sich seit dem 21. 05. 2015 in dortiger ambulanter Behandlung, andererseits wird im weiteren Text des Attestes als Anfangszeitpunkt der Behandlung der 23. 08. 2014 mitgeteilt. Es fehlen zudem konkrete Angaben zur Häufigkeit der Behandlung sowie eine Erklärung dafür, warum die Behandlung erst Jahre nach der Einreise des Klägers aufgenommen wurde. Konkrete Angaben zum bisherigen Behandlungsverlauf fehlen ebenfalls. In der Gesamtschau können damit auch dem Attest des Evangelischen Krankenhauses C. H2. vom 21. 05. 2015 keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entnommen werden.
44Ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG folgt auch nicht aus den vom Kläger angeführten Darm- und Unterbauchproblemen. Ausweislich der Bescheinigung der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie mit Koloproktologie im Evangelischen Krankenhaus C. H2. vom 04. 10 2013 wurde der Kläger bereits im Jahr 2013 erfolgreich operiert. Einzelne peritoneale Adhäsionen konnten problemlos gelöst werden. Der Eingriff verlief komplikationslos. Für das Fortbestehen der Beschwerden liegen keine Anhaltspunkte vor.
45Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
46Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 12. Juni 2013 geborene Klägerin ist die Tochter des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. des Verfahrens 6a K 5757/12.A und zugleich Schwester des Klägers zu 3. und der Klägerin zu 4. des Verfahrens 6a K 5757/12.A.
3Mit beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 9. Juli 2013 eingegangenem Schreiben vom 18. Juni 2013 informierte die Ausländerbehörde des Kreise V. das Bundesamt über die Geburt der Klägerin. Mit anwaltlichem Schreiben vom 18. Juni 2013 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass diese auf eine Anerkennung als Asylberechtigte verzichte, aus den für ihre Eltern dargestellten Gründen aber geprüft werden solle, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen. Die Eltern der Klägerin hatten zur Begründung ihrer Anträge im Wesentlichen vorgetragen, sie seien 1990 vor dem Krieg aus Masis nach Tskhinvali nach Georgien geflüchtet und von dort aus 2008 – nachdem ihr Haus zerstört worden sei – in die Russische Föderation geflohen. In der mündlichen Verhandlung hat der Vater der Klägerin vorgetragen, er werde wegen seiner früheren Tätigkeit für eine Mafiapersönlichkeit in Armenien verfolgt und befürchte, bei einer Rückkehr in sein Heimatland umgebracht zu werden. Weiter haben sie erkrankungsbedingte Abschiebungshindernisse geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte der verbundenen Verfahren der Familie der Klägerin 6a K 5757/12.A und 6a K 3723/13.A nebst Beiakten und auf den Inhalt des über die mündliche Verhandlung gefertigten Sitzungsprotokolls sowie auf den Tatbestand des Urteils des Gerichts vom heutigen Tage in dem Verfahren 6a K 5757/12.A Bezug genommen.
4Durch Bescheid vom 20. Februar 2014 (5648790-422) lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1.) und erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 2.) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 3.). Es forderte die Klägerin unter Androhung der Abschiebung nach Armenien auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Ziffer 4.).
5Die Klägerin hat am 13. März 2014 die vorliegende Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt (6a L 419/14.A), den das Gericht mit Beschluss vom 10. April 2014 abgelehnt hat. Zur Begründung ihrer Klage nimmt die Klägerin Bezug auf das Verfahren und die Verwaltungsvorgänge zu dem Verfahren ihrer Eltern. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Urteils vom heutigen Tage in dem Verfahren der Eltern der Klägerin 6a K 5757/12.A Bezug genommen.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Februar 2014 – 5648790-422 – zu verpflichten, für die Klägerin festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft,hilfsweise, für die Gewährung subsidiären internationalen Schutzes,weiter hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Armenien vorliegen.
8Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
9die Klage abzuweisen.
10Sie nimmt Bezug auf die angefochtene Entscheidung.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Gerichtsakte des zugehörigen Eilverfahrens 6a L 419/14.A und der Gerichtsakten zu den verbundenen Verfahren der Familie der Klägerin 6a K 5757/12.A und 6a K 3723/13.A und der zugehörigen Eilverfahren 6a L 1618/12.A und 6a L 942/13.A sowie der in den vorgenannten Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Entscheidung ergeht nach § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch die Einzelrichterin, da dieser der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 1. Juli 2014 zur Entscheidung übertragen worden ist. Das Gericht kann gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen eines Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind.
14Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Februar 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO.
15Die Klägerin hat auf der Grundlage der gemäß § 77 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG, auf Feststellung von subsidiärem Schutz im Sinne von § 4 AsylVfG oder auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht insoweit zunächst Bezug auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes vom 20. Februar 2014, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Darüber hinaus hat das Gericht bereits in seinem Beschluss vom 10. April 2014 in dem Eilverfahren der Klägerin ausgeführt:
16„Unter Zugrundelegung der hier maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag der Klägerin (beschränkt auf die Zuerkennung internationalen Schutzes) als offensichtlich unbegründet ablehnen durfte und damit zugleich auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne von § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG.
17Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylVfG dann offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Die Beurteilung als offensichtlich unbegründet ist dann gerechtfertigt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt. Erweist sich der Asylantrag als nicht offensichtlich, sondern lediglich schlicht unbegründet, hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
18Vgl. zu alldem BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juli 2000 ‑ 2 BvR 1429/98 –, juris, vom 8. März 1995 – 2 BvR 2148/94 –, DVBl. 1995, 846, und vom 28. April 1994 ‑ 2 BvR 2709/93 –, DVBl. 1994, 921.
19Gemessen daran ist die getroffene Entscheidung in dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides), des subsidiären internationalen Schutzes (Ziffer 2 des Bescheides) und der nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse (Ziffer 3 des Bescheides) nicht zu beanstanden. Die Kammer nimmt insoweit zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Begründung des Ablehnungsbescheides vom 20. Februar 2014 Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
20Die zur Begründung ihres Antrags angeführte Bezugnahme der Antragstellerin auf den Inhalt der sie und ihre Eltern (Kläger in den Verfahren 6a K 3723/13.A und 6a K 5757/12.A und zugleich Antragsteller in den rechtskräftig abgeschlossenen zugehörigen Eilverfahren 6a L 942/13.A und 6a L 1618/12.A) betreffenden Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. In Bezug auf die Eltern der Antragstellerin hat die Kammer bereits mit Beschluss vom 30. August 2013 in dem diese betreffenden Eilverfahren 6a L 942/13.A ausgeführt:
21„Die im angefochtenen Bescheid getroffene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Die Kammer nimmt insoweit zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Begründung des Bescheides vom 23. Juli 2013, der in Ergänzung des ebenfalls angegriffenen, die Antragsteller betreffenden Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) vom 27. November 2012 (5554571-430) ergangen ist, Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Die Kammer hat in dem den letztgenannten Bescheid betreffenden Beschluss vom 20. Dezember 2012 in dem von den Antragstellern geführten Eilverfahren 6a L 1618/12.A ausgeführt:
22„Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylVfG dann offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Die Beurteilung als offensichtlich unbegründet ist dann gerechtfertigt, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt. Erweist sich der Asylantrag als nicht offensichtlich, sondern lediglich schlicht unbegründet, hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
23Vgl. zu alldem BVerfG, Beschlüsse vom 21. Juli 2000 – 2 BvR 1429/98 –, Juris, vom 8. März 1995 – 2 BvR 2148/94 –, DVBl. 1995, 846, und vom 28. April 1994 – 2 BvR 2709/93 –, DVBl. 1994, 921. Finkelnburg/Külpmann/Dombert, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rdnr. 1262.
24Gemessen daran ist die getroffene Entscheidung im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Ablehnung der Asylanerkennung (Ziffer 1 des Bescheides) und der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG (Ziffer 2 des Bescheides) nicht zu beanstanden. Die Kammer nimmt insoweit zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Begründung des Ablehnungsbescheides vom 27. November 2012 Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
25Dass eine Anerkennung der Antragsteller als Asylberechtigte bereits wegen der Einreise über einen sicheren Drittstaat ausscheidet, liegt auf der Hand. Zudem haben die Antragsteller auch keine ihnen drohenden Verfolgungsmaßnahmen glaubhaft gemacht, so dass auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheidet. Vortrag, der unter dem Gesichtspunkt einer möglichen politischen Verfolgung zu prüfen ist, findet sich im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren lediglich insoweit als die Antragsteller ausführen, in Armenien würden sie aufgrund der Volkszugehörigkeit des Großvaters des Antragstellers zu 1. (Aseri) diskriminiert. Auch dieser Vortrag bleibt indessen völlig pauschal. Angesichts der Auskunftslage zu einer etwaigen Gefährdung von Abkömmlingen aserbaidschanischer Volkszugehöriger in Armenien,
26etwa Lagebericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungserhebliche Lage in der Republik Armenien von Januar 2012, Bundesasylamt Wien, Analyse der Staatendokumentation: Armenien – Situation von gemischtethnischen Paaren (Aktualisierung) von April 2012,
27hätten die Antragsteller konkret begründen müssen, warum sie eine entsprechende Verfolgungsgefahr für gegeben halten. Die genannten und die sonstigen dem Gericht vorliegenden Auskünfte legen eine solche Gefahr wegen des aserbaidschanischen Großvaters nicht gerade nahe. In Bezug auf Georgien haben die Antragsteller überhaupt keine politische Verfolgung ernsthaft behauptet.
28Auch die Feststellung in dem Bescheid, dass ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Georgien nicht vorliegt (Ziffer 3 des Bescheides), begegnet keinen ernstlichen Zweifeln. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Annahme eines entsprechenden Abschiebungsverbotes setzt grundsätzlich das Bestehen einer individuellen Gefahr voraus. Beruft der betreffende Ausländer sich hingegen auf eine allgemeine Gefahr in dem betreffenden Zielstaat, so kann ein Abschiebungshindernis nur angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in das Heimatland in eine lebensgefährliche Situation geriete.
29Vgl. Bergmann, in: Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rdnr. 54.
30Für eine Gefahr in dem beschriebenen Sinne ist vorliegend nichts ersichtlich. Die Grundversorgung der Bevölkerung ist in Georgien gewährleistet. Für Personen mit (regionalem) Flüchtlingshintergrund gibt es staatliche und internationale Hilfsprogramme. Die Antragsteller haben nach eigenen Angaben viele Jahre – offenbar problemlos – in Georgien gelebt, der Antragsteller zu 1. sogar 18 Jahre lang. Als Flüchtlinge aus Zchinvali, also Südossetien, dürfte ihnen der Status von Binnenflüchtlingen zukommen, für die entsprechende Hilfs- und Integrationsprogramme existieren.
31Im Ergebnis lässt sich derzeit auch kein individuelles Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen Erkrankungen der Antragsteller annehmen. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des ausreisepflichtigen Ausländers nach Abschiebung in seinen Heimatstaat verschlimmert, kann allerdings grundsätzlich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Hierfür ist jedoch erforderlich, dass sich der Gesundheitszustand alsbald nach einer Rückkehr in das Heimatland wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, etwa weil der Ausländer dort nur unzureichende Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden hat und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 – 9 C 58.96 –, BVerwGE 105, 383; BVerfG, Beschluss vom 16. April 2002 – 2 BvR 553/02 –, Juris.
33Eine entsprechende Gefahr kann sich auch daraus ergeben, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung dort tatsächlich nicht erlangen kann. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation dem betroffenen Ausländer aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 – 1 C 1.02 –, DVBl. 2003, 463.
35Allerdings muss sich der Ausländer grundsätzlich auf den im Heimatstand vorhandenen Versorgungsstand im Gesundheitswesen verweisen lassen. Denn § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG garantiert auch für chronisch Erkrankte keinen Anspruch auf „optimale Behandlung“ einer Erkrankung oder auf Teilhabe an dem medizinischen Standard in Deutschland. Der Abschiebungsschutz soll den Ausländer vielmehr vor einer gravierenden Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter bewahren.
36Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2005 – 11 A 4518/02.A – und vom 30. Oktober 2006 – 13 A 2820/04.A –.
37Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich ein Abschiebungsverbot derzeit nicht feststellen. Dazu wäre nämlich zunächst erforderlich, dass die insoweit mitwirkungspflichtigen Antragsteller, die sich inzwischen seit immerhin einem halben Jahr in Deutschland aufhalten, einigermaßen konkrete Angaben zu ihren Erkrankungen und der erforderlichen Therapie machen und diese Angaben durch entsprechende ärztliche Atteste belegen. An alldem fehlt es vorliegend. In der Klage- und Antragsschrift wird nur pauschal auf „gesundheitliche Probleme“ bzw. „gesundheitliche Einschränkungen“ verwiesen, ohne dass diese im Einzelnen benannt wären. Im Verwaltungsverfahren haben die Antragsteller durch ihre damalige Bevollmächtigte einen „Gehirntumor“ des Antragstellers zu 1. behauptet, wenig später jedoch einen neurologischen Entlassungsbericht des Evangelischen Krankenhauses C. vom 27. Juni 2012 vorgelegt, der dem Antragsteller zu 1. neben migräneartigen Kopfschmerzen im Wesentlichen unauffällige Befunde attestiert. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2. hat die damalige Bevollmächtigte eine Brustkrebserkrankung erwähnt, die aber offenbar in der Vergangenheit lag („litt an Brustkrebs“). Im Übrigen ist pauschal von „Herzproblemen“, „Unterleibsproblemen“, „Blutungen“ und „Entzündungen“ sowie „psychischen Folgen der Kriegserlebnisse“ die Rede. Auf der Basis dieser Stichworte lässt sich die Frage, ob und in welchem Umfang behandlungsbedürftige Erkrankungen vorliegen, die einer Ausreise nach Georgien entgegen stehen, nicht ernsthaft beantworten; ein Abschiebungshindernis lässt sich somit nicht feststellen.
38Dasselbe gilt naturgemäß hinsichtlich einer etwaigen Abschiebung nach Armenien, so dass auch der Klageantrag, Abschiebungshindernisse hinsichtlich dieses Staates festzustellen, derzeit erfolglos bleiben muss. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass Abschiebungshindernisse regelmäßig nur hinsichtlich desjenigen Staates geprüft werden (müssen), in den die Abschiebung konkret angedroht wird.
39Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2000 – 9 C 42.99 –, BVerwGE 111, 343 ff. (zu § 50 AuslG), und OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Mai 2007 – 2 M 153/07 –, juris.
40Sollte die Ausländerbehörde in Zukunft eine Abschiebung nach Armenien ins Auge fassen, wird das Bundesamt zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse in Bezug auf diesen Staat zu prüfen haben.“
41An diesen Ausführungen hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung – auch im Hinblick auf Armenien – fest. Der Vortrag der Antragsteller im vorliegenden Eilverfahren und im zugehörigen Klageverfahren sowie im Hauptsacheverfahren 6a K 5757/12.A führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
42Insbesondere begründet weder die in der Zwischenzeit in dem Verfahren 6a K 5757/12.A (betreffend den Bescheid vom 27. November 2012) vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin X. L. aus T. vom 29. Januar 2013 bezüglich des Antragstellers zu 1. noch die im hier zugehörigen Hauptsacheverfahren 6a K 3723/13.A vorgelegten Bescheinigungen des Arztes X. L. vom 12. August 2013 betreffend sämtliche Antragsteller oder die ärztliche Bescheinigung der W. Kinder- und Jugendklinik E. vom 3. Juli 2013 betreffend die Antragstellerin zu 4. ernsthafte Zweifel an der in dem angegriffenen Bescheid vom 23. Juli 2013 getroffenen Feststellung des Bundesamtes, dass zu Gunsten der Antragsteller kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Armenien vorliegt.
43Auch diesen Bescheinigungen fehlt es an einer hinreichenden Aussagekraft. Feststellungen über eine in Armenien drohende Verschlimmerung der im Raum stehenden Erkrankungen der Antragsteller sind den ärztlichen Bescheinigungen des Arztes X. L. vom 12. August 2013 nicht zu entnehmen. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Aufzählung von offenbar zu verschiedenen Zeitpunkten diagnostizierten Erkrankungen der Antragsteller sowie – im Hinblick auf den Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 2. – auf die Auflistung der diesen verordneten Medikamente. Dabei wird nicht hinreichend deutlich, ob die Antragsteller aktuell noch unter sämtlichen bzw. unter welchen der in den Bescheinigungen angegebenen, seit November 2012 diagnostizierten Erkrankungen die Antragsteller derzeit (noch) leiden. Auch hinsichtlich der Antragsteller zu 3. und zu 4. ist ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht festzustellen. Insoweit lassen die vorgelegten Bescheinigungen keinen Behandlungsbedarf der diagnostizierten Erkrankungen erkennen. Soweit der Antragstellerin zu 4. in der Bescheinigung des Arztes L. vom 12. August 2013 eine Nierenfehlbildung bescheinigt wird, dürfte fraglich sein, ob dieser überhaupt ein behandlungsbedürftiger Krankheitswert zukommt. In der Bescheinigung der W. Kinder- und Jugendklinik E. vom 3. Juli 2013 wurden der Antragstellerin zu 4. unauffällige Nieren- und Harnwerte attestiert, der Bereich der Nieren und Harnwege blieb ohne pathologischen Befund.“
44Daran hält die Kammer unter Berücksichtigung der jetzigen Sach- und Rechtslage – auch im Hinblick auf die Antragstellerin – fest. Die Antragstellerin hat darüber hinaus keine ihr selbst drohende politische Verfolgung glaubhaft gemacht. Gründe für die Annahme, dass der Antragstellerin in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht – subsidiärer Schutz nach § 4 AsylVfG – sind von ihr weder vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Auch die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Armenien nicht vorliegen, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln, insbesondere hat die Antragstellerin eine für sie im Zielstaat bestehende erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, welche Voraussetzung für ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist, nicht geltend gemacht.
45Nach erneuter Prüfung unter Beachtung des im vorliegenden Hauptsacheverfahrens anzulegenden Prüfungsmaßstabs hält das Gericht weiter an diesen Ausführungen fest. Auch die von den Klägern des Verfahrens 6a K 5757/12.A vorgetragenen weiteren Umstände führen im vorliegenden Fall zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom heutigen Tage in dem Verfahren 6a K 5757/12.A Bezug genommen. Darin hat das Gericht ausgeführt:
46„Der erstmalige Vortrag des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung, er werde in Armenien aufgrund seiner damaligen Tätigkeit für eine Mafiapersönlichkeit in Mafiastrukturen verfolgt, führt nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ungeachtet des Umstandes, dass diese nun erstmals geltend gemachten Umstände nicht hinreichend konkret vorgetragen sind, fehlt es insoweit bereits an der Anknüpfung der geltend gemachten Verfolgung an einen der in § 3 Abs. 1 AsylVfG und § 3b AsylVfG genannten Verfolgungsgründe.
47Der Vortrag des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung, er befürchte, bei einer Rückkehr nach Armenien aufgrund seiner damaligen Tätigkeit in Mafiastrukturen umgebracht zu werden, führt auch nicht zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Kläger hat Umstände, die geeignet wären, die Feststellung des Bestehens einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Kläger bei einer Rückkehr in ihr Heimatland zu rechtfertigen, nicht hinreichend konkret und nicht nachvollziehbar dargelegt. Das Gericht hat durchgreifende Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vortrags des Klägers zu 1. Dass der Kläger zu 1. sich und seine Familie über einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum von mehr als neun Monaten dem Zugriff seines Chefs und seiner Leute ausgesetzt haben will, anstatt sich zu verstecken, nachdem diese Leute in seiner eigenen Wohnung auf ihn geschossen haben sollen, widerspricht jeder Lebenserfahrung. Ebenso widerspricht es der Lebenserfahrung, in einer solchen Situation der Bedrohung, wie sie der Kläger zu 1. geschildert hat, zunächst die Eltern und die Schwester, nicht aber die schwangere Ehefrau und das gemeinsame Kleinkind aus dem Land zu bringen.
48Unabhängig hiervon bestehen durchgreifende Unstimmigkeiten hinsichtlich der zeitlichen Zusammenhänge des vom Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung erstmals geschilderten Geschehens. Der Zeitpunkt der Ausreise der Eltern des Klägers zu 1. aus Armenien, der Zeitpunkt des Vorfalls in der Wohnung der Kläger, der Zeitpunkt des zwischen dem Kläger zu 1. und seinem Chef angeblich geführten ersten Gesprächs nach diesem Vorfall und der Zeitpunkt der Ausreise der Kläger aus ihrem Heimatland lassen sich nicht in einen schlüssigen und widerspruchsfreien Zusammenhang bringen. So soll sich der vorgenannte Vorfall in der Wohnung der Kläger während der Schwangerschaft der Klägerin zu 2. zugetragen haben. Die weiteren Angaben des Klägers zu 1. zugrunde gelegt – die Kläger seien vor gut acht, neun Jahren ausgereist, ihr Baby sei damals gut vier Monate alt gewesen – kann sich dieser Vorfall nur in der Zeit während der Schwangerschaft der Klägerin zu 2. mit der Klägerin zu 4., also vor der Geburt der Klägerin zu 4. (10. März 2006), zugetragen haben. Ausgehend vom Vortrag des Klägers zu 1., dass bei dem vorgenannten Vorfall auch seine Mutter zugegen gewesen sein soll, die gut neuneinhalb Monate vor der Ausreise der Kläger selbst ihr Heimatland verlassen haben soll, muss sich der Vorfall in der Wohnung der Kläger ungefähr im Oktober des Jahres 2005 ereignet haben. Der Kläger zu 1. hat angegeben, er habe seine Eltern und seine Schwestern gut acht Monate vor dem ersten Gespräch weggeschickt, welches er nach dem Vorfall in der Wohnung der Kläger mit seinem Chef geführt haben will. Dieses Gespräch habe zugleich etwa einen Monat und zehn Tage vor der Ausreise der Kläger aus ihrem Heimatland stattgefunden. Die Ausreise der Kläger wiederum soll gut vier Monate nach der Geburt der Klägerin zu 4. – d.h. ungefähr Mitte Juli 2006 – erfolgt sein. Hieraus würde folgen, dass das erste Gespräch des Klägers zu 1. mit seinem Chef nach dem Vorfall in der Wohnung des Klägers gegen Ende Mai oder Anfang Juni 2006 stattgefunden hätte. Ungeachtet dessen, dass ein sich hiernach ergebendes mehrmonatiges Zuwarten des Klägers zu 1. mit einem Aufsuchen seines Chefs in der vom Kläger zu 1. geschilderten Bedrohungssituation jeder Lebenserfahrung widerspricht, steht dies auch in Widerspruch zu den weiteren Angaben des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung, die nahelegen, dass das vorgenannte Gespräch in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Vorfall in der Wohnung der Kläger und nur wenige Wochen vor der Ausreise der Kläger aus ihrem Heimatland stattgefunden hat. Der Kläger hat insoweit angegeben, er habe nach dem Vorfall in seiner Wohnung verstanden, dass es sein Fehler gewesen sei, offen zuzugeben, dass er nicht mehr weitermachen wolle. Er habe sich geschickt verhalten wollen, sei zu seinem Chef gegangen und habe zum Schein eingestanden, dass es ein Fehler gewesen sei, aussteigen zu wollen. Diese Angaben sind indes entweder nicht vereinbar mit der Angabe, dass die Mutter des Klägers zu 1. zugegen gewesen sein soll, als man in seiner Wohnung auf ihn geschossen haben soll, oder nicht vereinbar mit der Angabe, dass die Eltern des Klägers zu 1. ihr Heimatland bereits acht Monate vor dem Gespräch verlassen haben sollen.
49Schließlich führen auch die Bescheinigung des Arztes L. vom 3. September 2014 und die Bescheinigungen der M. -Klinik E1. vom 17. September 2014 nicht zur Feststellung, dass zu Gunsten des Klägers zu 1. ein erkrankungsbedingtes Abschiebungshindernis vorliegt. Im Falle einer behaupteten psychischen Erkrankung ist angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes sowie der vielfältigen Symptome regelmäßig ein gewissen Mindestanforderungen genügendes fachärztliches Attest vorzulegen, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Arzt zu seiner Diagnose gelangt ist und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt.
50Vgl. grundlegend dazu BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8.07 –, BVerwGE 129, 251 ff.
51Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, etwa einer PTBS, auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der
52Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.
53Vgl. zu den Anforderungen: BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 – 10 C 8.07 – und Beschluss vom 6. Februar 1995 – 1 B 205/93 –, jeweils juris.
54Gemessen daran lässt sich ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht feststellen. Ein den vorgenannten Anforderungen entsprechendes Vorbringen des Klägers zu 1. liegt im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).
55Aus dem Attest des Arztes L. vom 3. September 2014 geht hervor, dass der Kläger zu 1. an einer arteriellen Hypertonie leidet, wobei eine koronare Herzerkrankung nicht vorliegt. Wie die arterielle Hypertonie des Klägers therapiert wird und ob der Kläger auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen ist, und wenn ja, welche Medikamente er benötigt, geht aus dem Attest nicht hervor. Dem Attest ist zu entnehmen, dass die darin ebenfalls diagnostizierte Hypercholesterinämie therapieresistent ist. Hinsichtlich der Diagnose der psychischen Erkrankung des Klägers zu 1. fehlt es bereits an der für die Berücksichtigungsfähigkeit von Attesten über psychische Erkrankungen erforderlichen Qualifikation des Arztes L. . Ob sich die äußerst pauschale Aussage, dass sich die Stabilität der Erkrankung ohne permanente medizinische Betreuung mit Sicherheit verschlechtern wird, auf die psychische Erkrankung oder die diagnostizierte Hypertonie bezieht, ist dem Attest nicht zu entnehmen.
56Die Bescheinigungen der M. -Klinik E1. vom 17. September 2014 führen – unabhängig von der Frage ihrer Berücksichtigungsfähigkeit, nachdem sie erst nach Ablauf der den Klägern gemäß § 87b Abs. 2 VwGO gesetzten Frist bei Gericht eingegangen sind – ebenfalls nicht zur Feststellung eines erkrankungsbedingten Abschiebungshindernisses. In der Behandlungsbescheinigung vom 17. September 2014 ist nicht einmal eine Diagnose genannt. Aber auch der vorläufige Entlassungsbericht vom selben Tag erfüllt nicht die oben genannten Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung an die Berücksichtigungsfähigkeit vorgelegter Atteste. Über den Verweis darauf, dass der Kläger zu 1. vom 8. bis zum 17. September 2014 bei einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und Anpassungsstörungen stationär behandelt worden ist, ist der Bescheinigung ein konkreter Therapieverlauf nicht zu entnehmen, zumal in der Bescheinigung angedeutet wird, dass der Kläger zu 1. ambulant von einem Psychiater betreut wird, von dem jedoch eine Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist. Auch auf welche Art der Behandlung der Kläger zu 1. angewiesen ist, insbesondere ob eine stationäre Behandlung erforderlich ist, ergibt sich aus dem vorläufigen Entlassungsbericht nicht eindeutig. Die Bescheinigung enthält zudem keine Angaben zu den Auswirkungen einer Nichtbehandlung oder eines Behandlungsabbruchs. Mit diesen Angaben hätte das Gericht aber überhaupt erst der Frage nachgehen können, ob eine eventuell erforderliche Behandlung der geltend gemachten Erkrankungen des Klägers für diesen auch in Armenien gewährleistet wäre und ob das Ausbleiben einer Behandlung des Klägers zu 1. ein Abschiebungshindernis begründen würde. Zu einer anderen rechtlichen Bewertung führt auch nicht der vom Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand, die Kläger könnten sich die Kosten für ein ausführliches, den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechendes Attest nicht leisten. Dieser Aspekt hat sich hier nicht ausgewirkt, nachdem der Kläger zu 1. die ausführliche Bescheinigung der M. -Klinik E1. vom 17. September 2014 vorgelegt hat. Dass die vorgelegte Bescheinigung im vorliegenden Fall nicht zur Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungshindernisses führt, betrifft die Frage der finanziellen Möglichkeit der Beibringung einer berücksichtigungsfähigen Bescheinigung nicht.
57Ungeachtet dessen sind Erkrankungen an arterieller Hypertonie und psychische Erkrankungen in Armenien behandelbar. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos.
58Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2014; Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesamt vom 19. Juli 2010.
59Die dem Kläger zu 1. verordneten Medikamente Olanzapin und Risperdal sind in Armenien erhältlich.
60Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Bundesamt vom 26. November 2010.
61Das Medikament Mirtazapin ist in Armenien zwar nicht erhältlich, indes stehen andere Antidepressiva zur Verfügung.
62Vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesamt vom 19. Juli 2010.
63Dass der Kläger zu 1. auf die Einnahme ausschließlich der derzeit verordneten Medikamente und auf eine kostenlose Behandlung angewiesen wäre, ist nicht ersichtlich und vom Kläger nicht konkret geltend gemacht worden.
64Bei der geltend gemachten Suizidgefahr handelt es sich um ein so genanntes inländisches Abschiebungshindernis, welches im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keine Berücksichtigung findet.“
65Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren keine weiteren Umstände vorgetragen, die geeignet wären, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Zivilprozessordnung.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen beginnend mit dem Berufungsverfahren 19 B 07.2762 trägt der Kläger.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Die Antragstellung des Klägers ist sachgerecht, weil die Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 die behördliche Entscheidung enthält, die Ausweisung zu vollziehen, und diese Entscheidung durch seine Haftentlassung am 3. Februar 2013 nicht gegenstandslos geworden ist. Bei Bescheiden, die - wie der Bescheid vom 27. Februar 2006 in Nrn. II und III - sowohl von einer Abschiebung aus der Haft heraus als auch von einer Abschiebung nach Fristsetzung sprechen, liegt diese Vollzugsentscheidung trotz des gegenteiligen äußeren Erscheinungsbildes des Bescheides nur einmal vor. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. normative Auslegung), wie sie der Empfänger verstehen musste, abzustellen (st. Rspr. des BVerwG, U. v. 27.6.2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222, und vom 2.9.1999 - 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286>; BFH, U. v. 26.8.1982 - IV R 31/82 - BFHE 136, 351 m.w.N; vgl. zum Zivilrecht Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl. 2014, § 133 Rn. 7, 9). Der Kläger konnte dem Bescheid vernünftigerweise nicht entnehmen, die Beklagte wolle ihn wegen der Ausweisung zweimal abschieben. Die Behörde wollte durch die Aufspaltung in zwei Tenor-Nummern (die Nrn. II und III ihres Bescheides vom 27. Februar 2006) ersichtlich nur den unterschiedlichen Detailregelungen Rechnung tragen, die § 59 AufenthG für die Abschiebung von Ausländern in Freiheit und von Ausländern in Haft enthält, weil bei dem Bescheidserlass noch nicht absehbar war, welche dieser beiden Detailregelungen anzuwenden sein würde. Nachdem die Behörde ihre Entscheidung, die Ausweisung zu vollziehen, bereits durch Nr. II des Bescheides bekannt gegeben hatte, beschränkte die später vom Verwaltungsgericht rechtskräftig aufgehobene Nr. III des Bescheides vom 27. Februar 2006 - wie auch ihre Einleitung deutlich macht („Sollte Ihre Abschiebung während Ihrer Inhaftierung nicht möglich sein und Sie daher aus der JVA entlassen werden….“) - lediglich die Gültigkeit des Zusatzes „unmittelbar aus der Haft heraus“ in Nr. II des Bescheides auf die Haftzeit und fügte der Abschiebungsandrohung die im Falle eines Aufenthalts des Ausländers in Freiheit gebotene Frist für eine freiwillige Ausreise hinzu (der Umstand, dass in Nr. II des Bescheides die Entscheidung bereits getroffen war, den Kläger nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung abzuschieben, dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sich in der Nr. III des Bescheides nicht erneut die Wendung „nach Unanfechtbarkeit dieser Ausweisungsverfügung“ findet; zur Unabhängigkeit der grundlegenden Entscheidung zum Vollzug der Ausreisepflicht von der Regelung der Ausreisefrist vgl. Hailbronner, AuslR, § 59 AufenthG, Rn. 80,85 ff., Funke-Kaiser in GK AufenthG, Stand 3/2012, § 59 AufenthG Rn. 204 ff., 223, 226 ff. sowie Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 59 Rn. 13, 23, 25, 63 jeweils mit Rspr.-Nachw.; Aspekte einer solchen Abstraktion der Entscheidung, die Ausreisepflicht durchzusetzen, ergeben sich auch aus § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG sowie aus dem Umstand, dass die Androhung der Abschiebung aus der Haft lediglich einen in Abs. 5 geregelten Unterfall der als solche in § 59 AufenthG geregelten Abschiebungsandrohung darstellt). Demzufolge ist die Abschiebungsandrohung vom 21. Dezember 2012, die ebenfalls ausdrücklich nur für den Fall Geltung beansprucht, dass eine Abschiebung aus der Haft heraus nicht möglich war, dahingehend auszulegen, dass die Beklagte mit ihr den in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 bereits grundsätzlich verfügten Vollzug der Ausreisepflicht des Klägers lediglich für die Zeit nach der Haftentlassung regeln und mit der dann erforderlichen Fristsetzung versehen wollte. Nachdem die Verfügung in Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 bei der Haftentlassung des Klägers bereits durch den Bescheid vom 21. Dezember 2012 - nicht anders als vorher durch Nr. III des Bescheides vom 27. Februar 2006 - neugefasst gewesen ist, ist zu diesem Zeitpunkt nicht die Androhung der Abschiebung durch Nr. II des Bescheides vom 27. Februar 2006 gegenstandslos geworden, sondern lediglich der dortige Zusatz „unmittelbar aus der Haft heraus“.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist weiterhin ein Duldungsbegehren. Der Kläger macht geltend, in Folge der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen werde es zu einer zusätzlichen wesentlichen Beschädigung seiner Gesundheit zum einen schon im Rahmen der Abschiebung selbst kommen - was zutreffendenfalls eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (mit der Folge eines Duldungsanspruchs) darstellen würde, weil Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einer Abschiebung mit solchen Folgen entgegensteht (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 6.2.2008 - 11 S 2439/07 - juris Rn. 7 und B. v. 10.7.2003 - 11 S 2622/02 - juris Rn. 16; vgl. auch AVwV AufenthG Nr. 60a.2.1.1.2.2) - und zum anderen auch nach der Abschiebung (vor allem wegen einer Unerreichbarkeit der in seiner gesundheitlichen Situation erforderlichen ärztlichen und medikamentösen Behandlung) - was zutreffendenfalls eine erhebliche konkrete Gefahr für die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG genannten existenziellen Rechtsgüter darstellen würde (zu den Voraussetzungen dieser Bestimmung im einzelnen vgl. B vor I.). Aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG folgt zwar zunächst nur ein Abschiebungsverbot betreffend einen bestimmten Zielstaat und nicht unmittelbar ein Duldungsanspruch, weil grundsätzlich Abschiebungen nicht nur in das Heimatland des Ausländers möglich sind und die streitgegenständliche Ankündigung der Abschiebung auch nicht nur die Russische Föderation benennt; nachdem jedoch kein anderer aufnahmebereiter oder aufnahmeverpflichteter Staat ersichtlich ist, würde ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation zu einem Duldungsanspruch führen.
Die Ausweisungsentscheidung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch seinen Beschluss vom 13. März 2009 (1 B 20.08) den Beschluss des Senats vom 3. September 2008 (19 B 07.2762) nur insoweit aufgehoben, als dieser Beschluss die Anfechtung der Abschiebungsandrohung (Nr. II des Bescheides vom 27.2.2006) und damit auch die von dieser Vollzugsentscheidung abhängigen Duldungsbegehren betrifft. Soweit durch diesen Beschluss die Berufung des Klägers gegen den Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen worden ist, durch den die Ausweisungsentscheidung selbst bestätigt worden ist, hat das Bundesverwaltungsgericht die Senatsentscheidung vom 3. September 2008 aufrechterhalten. Die Ausweisungsentscheidung in Nr. I. des Bescheides vom 27. Februar 2006 ist somit seit dem 13. März 2009 bestandskräftig.
Der Kläger wird nach seiner Rückkehr in die Heimat in der Lage sein, seinen gesamten Existenzbedarf zu verdienen.
Sollte es nach der Abschiebung zu einer produktivpsychotischen Episode aufgrund Nichteinnahme des Neuroleptikums kommen (was nach allem unwahrscheinlich ist), könnten sich daraus bereits deshalb die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht ergeben, weil die Abschiebung zwar der Episode zeitlich vorangegangen, nicht aber ihre wesentliche Ursache wäre.
Sollte der Kläger - was nicht wahrscheinlich ist - das Neuroleptikum nach der Abschiebung eigenverantwortlich absetzen und es in der Folge zu einer produktivpsychotischen Episode kommen, wären die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG auch deshalb nicht erfüllt, weil (worauf die Beklagte in Nr. 2 lit. a ihres Schriftsatzes vom 14.1.2014 hinweist) die Wahnvorstellungen, die solche Episoden des Klägers kennzeichnen, noch keine Gesundheitsverschlechterung des in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebenen Schweregrades darstellen und weil Weiterungen, die diesen Schweregrad erreichen, nicht beachtlich wahrscheinlich sind. Die (wenn auch kleinen, vgl. das Gutachten des Dr. W. vom 18.10.2001) psychiatrisch relevanten Ursachenanteile an der Gewalttat vom 7. Februar 2001 bewertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Kläger (vgl. dessen Schriftsatz vom 13.5.2011 im Verfahren 1 C 3/11) als eine solche Weiterung, weil diese Gewalttat zu einem langjährigen Freiheitsverlust geführt hat und weil derartige Taten wegen des Notwehrrechts des Geschädigten mit einem hohen Risiko auch für den Täter verbunden sind. Die Mehrzahl der objektiv festgestellten produktivpsychotischen Episoden (mehrere Anfang der 90er Jahre in Russland und eine im Jahr 1998 im Bundesgebiet, überwiegend mit Misshandlung der Eltern) hat aber weder anhaltende noch schwerwiegende Folgen für den Kläger gehabt; er ist hier jeweils lediglich der medizinischen Behandlung zugeführt worden, soweit dies erforderlich war. Die vom Kläger angegebenen Wahnvorstellungen während einzelner Phasen der Strafhaft sind allesamt von selbst wieder abgeklungen.
Sollte dem Kläger - was nicht wahrscheinlich ist - aus Krankheitsgründen oder aus einem anderen Grund die Sicherung des Lebensunterhalts nicht möglich sein, kann er mit Unterstützung von verschiedenen Seiten rechnen, so dass die in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geregelte Situation nicht eintreten wird.
Tenor
1. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit seiner Klage unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom
Der Kläger, geb. ..., ist Staatsangehöriger K.s und hat mit seinen Alias-Personalien einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gestellt. Der Asylantrag wurde vom Verwaltungsgericht Magdeburg mit
Am ... 2012 beantragte der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom ... 2012 beim Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 ff. AufenthG. Bei einer ärztlichen Überprüfung sei festgestellt worden, dass der Kläger an einer chronischen Hepatitis B leide. Da nach dessen Angaben beide Eltern an dieser Erkrankung gestorben seien, sei im Hinblick auf die offenbar bestehende erbliche Vorbelastung ohne intensive ärztliche Behandlung im Heimatland mit einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands und möglicherweise auch mit dem Tod zu rechnen. Der Antragsteller würde die notwendige Behandlung in K. auch nicht erhalten, zumindest sei diese für ihn nicht finanzierbar. Darüber hinaus sei er auch schwer depressiv, was zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe. Effektive und medizinisch-psychologische Begleitung für selbstmordgefährdete Personen sei in K. nicht erhältlich bzw. nicht finanzierbar. Deswegen drohe auch hinsichtlich der diagnostizierten Hypertonie im Fall einer Rückkehr Lebensgefahr.
Zum Nachweis der bestehenden Gesundheitssituation des Klägers wurden damals zwei Atteste des Internisten Dr. ...
Mit Bescheid vom
Zwar seien etwa 20% der Bevölkerung K.s an Hepatitis B erkrankt und gebe es in K. kein national wirksames Behandlungsprogramm für Hepatitis B. Insoweit verweist das Bundesamt auf die Auskunft der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 5. September 2005 bezüglich einer Behandlung von Hepatitis B in Y. (K.). Dort heißt es, die Behandlung kann zwar durchgeführt werden, hänge aber primär von den finanziellen Mitteln ab. Eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung seit dieser Auskunft ist nicht ersichtlich. Allerdings sei für den Kläger auch im Fall einer Nichtbehandlung der bei ihm vorliegenden Hepatitis-B-Infektion keine alsbaldige konkrete Gesundheitsverschlechterung erkennbar, da nach dem Attest vom 12. Oktober 2012 noch keine Behandlungsindikation gegeben sei. Der behandelnde Internist habe selbst ausgeführt, dass sich „die Fragen zu Prognose und Behandlungsindikation deshalb nicht beantworten lassen“. Im Übrigen sei eine Hepatitis B eine Infektionserkrankung und beruhe nicht auf einer genetischen Vorbelastung. Die Beklagte führt in ihrem Bescheid weiter aus, die Erkrankung einer im Attest vom 19. Oktober 2012 diagnostizierten Depression sei nicht substantiiert dargelegt, da nicht ausgeführt werde, wie sich diese äußere und wie diese konkret behandelt werde. Das gleiche gelte für den „aktuell“ stark erhöhten Bluthochdruck, der dem Attest vom 28. Februar zugrunde liege, und der noch nicht medikamentös eingestellt gewesen sei. Der Bluthochdruck sei nach Ansicht der Beklagten ohne weiteres behandelbar. Der Kläger könne sich zudem einen kleinen Medikamentenvorrat hier verordnen lassen und in seine Heimat mitnehmen, bis er dort einen Arzt seiner Wahl aufgesucht habe.
Die Beklagte geht davon aus, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, die Kosten für eine entsprechende Behandlung zu finanzieren bzw. es beachtlich wahrscheinlich ist, dass seine Familie ihn insoweit unterstützen könne. Mit Hilfe seiner hier zusätzlich erworbenen Sprachkenntnisse sei er beachtlich wahrscheinlich in der Lage, sich bei Rückkehr eine entsprechende Erwerbstätigkeit zu suchen bzw. ggf. auf die Hilfe seiner Familie zurückzugreifen und weiter auf der Farm auszuhelfen, was ihm das Existenzminimum und die Kosten für die Behandlung und Medikamente sichern werde.
Der Kläger hat am 20. Juni 2013 durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erheben lassen. Der Bescheid des Bundesamts vom 31. Mai 2013 sei rechtswidrig, da ein Abschiebungsverbot aus medizinischen Gründen festzustellen sei. Zur näheren Begründung werde Bezug auf das klägerische Vorbringen im Verwaltungsverfahren genommen. Dort habe der Kläger ausreichend substantiiert glaubhaft gemacht und belegt, dass er aufgrund seiner Erkrankungen im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland erheblichen und konkreten Gefahren für seine existentiellen Grundrechte auf Gesundheit und Leben ausgesetzt wäre. In K. drohe binnen kurzer Zeit eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der bei ihm festgestellten Krankheiten. Die Beklagte unterstelle fälschlicherweise und ohne Heranziehung entsprechender Quellen, dass Behandlungsmöglichkeiten für den Kläger in K. bestünden. Zweifelhaft sei bereits, ob die notwendige qualifizierte ärztliche Behandlung und die notwendigen Medikamente erreichbar seien. Jedenfalls wäre eine solche Behandlung und Medikation für den Kläger mangels freien Zugangs zum Gesundheitswesen nicht finanzierbar. Der Kläger selbst werde in dem erforderlichen kurzfristigen Zeitraum keine Erwerbstätigkeit finden, die ihm die Finanzierung der Behandlungskosten ermöglichen würde. Die wirtschaftliche Situation in K. sei katastrophal und der Kläger verfüge aufgrund des langen Aufenthalts in Deutschland nicht über die notwendigen Beziehungen, die erforderlich seien, überhaupt eine Arbeitsstelle zu finden. Abgesehen davon verfüge er über keine Berufsausbildung und keine Berufserfahrungen. Selbst auf Hilfe und Unterstützung der Familie könne er nicht zurückgreifen, da seine Eltern nicht mehr leben und er keinen Kontakt zu sonstigen Verwandten habe.
Im weiteren Verfahren legte der Kläger weitere Atteste des Herrn Dr. med. ...
- Bocoprolol CT 5 mg Tabletten (2 x täglich)
- Baraclude 0,5 mg Tabletten (1 x täglich)
- Candesartan ABbZ comp 8 mg/12.5 (2 x täglich)
- Amlo 5 (1 x täglich).
Der Klägervertreter weist in seinem Schreiben vom
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Zur Begründung verweist sie auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom
Mit Beschluss vom 17. November 2014
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Das Gericht konnte im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr diesbezügliches Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist die Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
1. Da der Kläger vorliegend ausschließlich Krankheitsgründe als Prüfungsmaßstab zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote geltend macht, kommt allein ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen - zielstaatsbezogenen - Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, die diesem alsbald nach seiner Rückkehr in die Heimat droht (vgl. BVerwG, U. v. 17.10.2006 - 1 C 18.05 - juris;
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann sich daraus ergeben, dass die Gefahr der Verschlimmerung einer Krankheit, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet, in seinem Heimatstaat besteht, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind (BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - Rn. 9 bei juris). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, das heißt die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Zuständen (vgl. BVerwG
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG können aber auch dann vorliegen, wenn im Herkunftsland zwar geeignete Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die für den betreffenden Rückkehrer aber im Einzelfall aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht erreichbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - juris Rn. 9; BayVGH
Dies ist hier der Fall. Das Gericht ist nach den vorliegenden medizinischen Feststellungen, die von der Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden sind, davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr binnen kurzer Zeit einer erheblichen individuellen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt wäre. Das aktuelle fachärztliche Attest von Herrn Dr. med. ... vom 10. November 2014 belegt, dass der Kläger nach wie vor an einer chronischen Virushepatitis B und an arterieller Hypertonie leidet und deshalb weiterhin medikamentöser Behandlung bedarf. Ohne die Einnahme der in dem Medikamenteneinnahmeplan aufgeführten Medikamente ist mit einer wesentlichen Verschlechterung seines Allgemeinzustandes zu rechnen. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen wird der Kläger bei seiner Rückkehr nach K. finanziell nicht in der Lage sein, sich die dauerhafte und spezielle Behandlung der bei ihm diagnostizierten Krankheiten im erforderlichen Umfang zu leisten. Der Klägervertreter hat plausibel dargelegt, dass die vom Kläger nach seinem Therapieplan einzunehmenden Medikamenten relativ teuer sind.
Wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom
Die Nichtbehandlung der Hepatitis B-Erkrankung würde zu einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands führen, so dass eine Abschiebung des Klägers nach K. für ihn gravierende nachteilige, ihm nicht zumutbare Folgen hätte.
Unter zusammenfassender Betrachtung aller relevanten Umstände und Aspekte, insbesondere in Anbetracht der Erkenntnisse zur medizinischen Versorgungslage in K. sowie des durch die ärztlichen Berichte dokumentierten, von der Beklagtenseite nicht bestrittenen Krankheitsbilds des Klägers, hält das Gericht im vorliegenden Einzelfall eine weitere Sachaufklärung nicht für erforderlich.
Das Gericht ist unter Zugrundelegung all dieser Kriterien zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Es besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Falle seiner Rückkehr nach K. aufgrund der dort vorhandenen Verhältnisse erheblich verschlechtern wird.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.