Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 24. Aug. 2016 - 7 K 1227/16.A
Gericht
Tenor
Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
Die Beklagte wird verpflichtet, den am 28. November 2013 gestellten Asylantrag der Kläger zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger als Gesamtschuldner und die Beklagte je zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der am 0. 00. 1990 geborene Kläger zu 1. und die am 0. 00. 1991 geborene Klägerin zu 2. sind nach eigenen Angaben eritreische Staatsangehörige tigrinischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten nach ihren Angaben am 10. November 2013 gemeinsam über Italien in die Bundesrepublik ein und stellten am 28. November 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) Asylanträge.
3Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 26. Januar 2015 gab der Kläger zu 1. an, er sei in Eritrea geboren, aber im Alter von zwei Jahren nach Äthiopien gezogen. Dort sei er bis zum Jahr 2000 geblieben. Die äthiopischen Behörden hätten ihn und seine Familie in diesem Jahr nach Eritrea ausgewiesen. Dort wiederum sei er bis zum Jahr 2009 geblieben und anschließend im Dezember 2009 in den Sudan geflüchtet. Im November 2012 sei er dann über Libyen, das Mittelmeer und Italien nach Deutschland geflüchtet und dort am 10. November 2013 angekommen. Seine Eltern seien eritreische Staatsbürger, sein Vater sei verhaftet worden, da er der Pfingstbewegung angehört habe, seine Mutter sei wahrscheinlich in den Sudan geflüchtet. Sein Vater sei seines Wissens nach im Gefängnis gestorben. Er selbst habe einen Brief von der Regierung Eritreas erhalten, mit dem ihm die Einziehung zum Nationaldienst bekannt gegeben wurde. Daraufhin sei er aus Eritrea geflüchtet, da er nicht wisse, wie lange der Nationaldienst dauere. Außerdem sei er christlich-orthodox, seine Eltern hingegen Anhänger der Pfingstkirche gewesen, was in Eritrea ebenfalls ein großes Problem darstelle. Außerdem sei er, seit er in Deutschland sei, Mitglied der EPDP (Eritrean People's Democratic Party) geworden, er sei am 5. April 2014 in die Partei eingetreten.
4Die Klägerin zu 2. ergänzt diesen Vortrag dahingehend, dass sie selbst 1994 mit ihrer Mutter aus Eritrea in den Sudan geflüchtet sei, da man ihrem Vater Landesverrat vorgeworfen habe. Es habe damals häufiger Durchsuchungen bei ihnen gegeben und ihr Vater sei verhaftet worden. Über seinen Verbleib wisse sie nichts. Aufgrund eines Vorfalls während der Flucht nach Europa (die Klägerin zu 2. sei im Tschad von mehreren Männern vergewaltigt worden) sei sie nunmehr auch in psychiatrischer Behandlung und müsse das Medikament Mirtazapin täglich einnehmen.
5Die Kläger haben am 2. Juni 2016 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass über ihre Asylanträge vom 28. November 2013 zum Zeitpunkt der Klageerhebung seit über 30 Monaten nicht entschieden worden und daher Untätigkeitsklage geboten sei.
6Ergänzend tragen die Kläger noch vor, dass sie inzwischen auch an Veranstaltungen der EPDP in Deutschland teilgenommen hätten.
7Die Kläger beantragen unter Rücknahme ihres Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes sowie der Feststellung von Abschiebungsverboten,
8die Beklagte im Wege der Untätigkeitsklage zu verpflichten, innerhalb eines Monats nach Rechtskraft der Entscheidung die Asylanträge der Kläger vom 28. November 2013 zu bescheiden.
9Die Beklagte hat schriftsätzlich um Klageabweisung gebeten.
10Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Die Erkenntnisse der Kammer zum Herkunftsland wurden in das Verfahren eingeführt.
11Entscheidungsgründe
12Über den Rechtsstreit konnte nach § 102 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2016 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Sie wurde form- und fristgerecht geladen; in der Ladung wurde ferner auf die Möglichkeit hingewiesen, dass eine Entscheidung auch bei Nichterscheinen ergehen könne.
13Soweit die Kläger ihr ursprüngliches Klagebegehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 des Asylgesetzes (AsylG), Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zurückgenommen haben, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
14Die in Form einer Untätigkeitsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 Alt. 3 VwGO erhobene Verpflichtungsklage ist zulässig.
15Auch die zusätzlichen Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage sind vorliegend erfüllt. Ist danach über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage zulässig. Die Klage kann dabei nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist.
16Ob § 24 Abs. 4 AsylG diese Frist auf sechs Monate verlängert, kann dahingestellt bleiben. Danach ist, falls eine Entscheidung über den Asylantrag nicht innerhalb von sechs Monaten ergeht, dem Ausländer auf Antrag mitzuteilen, bis wann voraussichtlich über seinen Antrag entschieden wird. Die Kläger haben die Beklagte mit Schreiben vom 9. März 2016 an die Bescheidung ihres Asylantrags erinnert. Hierin ist jedenfalls ein konkludenter Antrag im Sinne des § 24 Abs. 4 AsylG zu sehen. Die Beklagte hat den Klägern jedoch zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, bis wann über ihre Anträge voraussichtlich entschieden werden würde.
17Die in § 75 Satz 2 VwGO vorgesehene Dreimonatsfrist wird aktuell auch noch nicht durch Art. 31 der europäischen Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU verlängert. Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU sieht eine grundsätzliche Verfahrensdauer in Asylsachen von sechs Monaten vor, die unter gewissen Voraussetzungen um neun weitere Monate verlängert werden kann. Ausnahmsweise können diese Fristen um drei weitere Monate verlängert werden (vgl. Art. 31 Abs. 3 Satz 4 der Richtlinie). Werden beide Fristen somit um jeweils drei Monate verlängert, besteht eine 21-Monatsfrist, wie sie auch von Art. 31 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU als Maximalfrist festgelegt wird. Die Regelungen sind auf den vorliegenden Fall jedoch noch nicht anwendbar. Der deutsche Gesetzgeber hat die europäische Verfahrensrichtlinie bislang nicht in nationales Recht umgesetzt. Art. 31 Abs. 3 und Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU können auch nicht unmittelbar angewendet werden, weil die Umsetzungsfrist, die gem. Art. 51 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU erst am 20. Juli 2018 endet, insoweit noch nicht abgelaufen ist. Auch ist der Rechtsgedanke des Art. 31 Abs. 3 und Abs. 5 der Richtlinie 2013/32/EU nicht dahingehend zu übernehmen, dass schon heute für Asylverfahren europarechtlich eine längere Frist als die 3-Monatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO angemessen sein soll, weil andernfalls durch die Fristverlängerung eine mittelbare Anwendung zulasten der Antragssteller konstruiert würde.
18Vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 23. März 2016 - A 12 K 439/16 -, Juris; VG Osnabrück, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 5 A 390/15 -, Juris; VG Würzburg, Beschluss vom 8. März 2016 - W 1 K 16.30131 -, Juris; anders: VG Münster, Beschluss vom 21. September 2015 - 9 K 856/15.A -, Juris.
19Ein zureichender Grund die in § 75 S. 2 VwGO geregelte 3-Monatsfrist zu verlängern liegt ebenfalls nicht vor. Insbesondere ist er nicht in der Überlastung des Bundesamts durch die derzeit herrschende Flüchtlingssituation zu sehen.
20Das Vorliegen eines zureichenden Grundes im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO ist zunächst objektiv zu beurteilen. Ein zureichender Grund kann sich etwa aus dem besonderen Umfang oder der besonderen Schwierigkeit der Sachaufklärung sowie der besonderen Schwierigkeit des zu entscheidenden Falls ergeben. Mit Blick auf die Geschäftsbelastung einer Behörde gelten folgende Grundsätze: Zwar kann sich ein zureichender Grund aus einer kurzfristigen besonderen Geschäftsbelastung oder der Überlastung aufgrund einer Gesetzesänderung ergeben, von der ebenfalls anzunehmen ist, dass sie vorübergehend ist. Jedoch liegt ein zureichender Grund nicht bei einer permanenten Überlastung bestimmter Behörden vor, da es in einem solchen Fall Aufgabe des zuständigen Ministeriums bzw. der Behördenleitung ist, für hinreichenden Ersatz zu sorgen oder entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen.
21Vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 23. März 2016 - A 12 K 439/16 -, Juris; VG Osnabrück, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 5 A 390/15 -, Juris; VG Würzburg, Beschluss vom 8. März 2016 - W 1 K 16.30131 -, Juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 24 K 992/14.A -, Juris; Brenner, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 4. Auflage, 2014, § 75 Rn. 52 m.w.N.
22Gemessen daran liegt kein zureichender Grund vor. Insbesondere ist der sprunghafte Anstieg der Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 nicht als solcher Grund einzustufen, da die Kläger ihre Asylanträge bereits im November 2013 und damit weit vor diesem Anstieg gestellt haben. Das Bundesamt hat den Asylantrag der Kläger zunächst elf Monate nicht bearbeitet, bevor die Kläger zur Anhörung im Januar 2015 geladen wurden. Im Februar 2015 wurden die Kläger zur Durchführung einer Sprachanalyse geladen. Das hiernach erstellte Gutachten lag der Beklagten im März 2016 vor. Danach wurden die Asylanträge wiederum bis zur Klageerhebung im Juni 2016 nicht weiter bearbeitet. Die fehlende Entscheidung bzw. Förderung des Verfahrens dauerte an, obwohl die Kläger zwischenzeitlich Untätigkeitsklage erhoben haben.
23Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet. Die Kläger haben nur einen Anspruch auf Verpflichtung des Bundesamtes über ihren Asylantrag zu entscheiden, nicht jedoch auf Setzung einer bestimmten Frist, binnen derer das Bundesamt zu entscheiden hätte.
24Die Beklagte ist zunächst materiell verpflichtet, über den Asylantrag der Kläger zu entscheiden. Diese Pflicht zur Entscheidung ergibt sich aus Art. 16 a Abs. 1 GG als subjektivem Recht. Diesem kann nur durch aktives staatliches Handeln Geltung verschafft werden, eine Verletzung durch bloßes Nichthandeln, hier also die Nichtentscheidung über den Asylantrag vom 28. November 2013, rechtfertigt die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung. Anhaltspunkte dafür, dass hier ausnahmsweise deshalb etwas anderes gilt, weil der zugrunde liegende Anspruch der Kläger gegen die Beklagte offensichtlich nicht besteht, liegen nicht vor.
25Es war jedoch nicht geboten, der Beklagten hier eine konkrete Frist zur Bescheidung der Kläger zu setzen. Bei der in § 75 VwGO genannten 3-Monatsfrist handelt es sich nicht um eine Frist, binnen derer nach einer Untätigkeitsklage zu entscheiden wäre, sondern um die Frist, binnen derer bereits nach Antragstellung grundsätzlich zu entscheiden gewesen wäre.
26Vgl. VG Gelsenkirchen, Gerichtsbescheid vom 22. Juli 2015 - 1a K 5125/14.A -, juris; VG Trier, Urteil vom 21. März 2016 - 5 K 3658/15.TR -, juris; VG München, Urteil vom 4. Mai 2016 - M 15 K 16.30647 -, juris.
27Folglich war die Beklagte zu verpflichten, über den Asylantrag der Kläger zu entscheiden. Für eine zeitnahe Entscheidung, unmittelbar nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung spricht auch das Schreiben des Bundesamts an die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2016, betreffend Untätigkeitsklagen. Demzufolge soll in den Fällen, in denen ein ausreichender Grund für die Untätigkeit des Bundesamts nicht vorliegt, unverzüglich eine Entscheidung eines Sachbearbeiters über den zuständigen Referatsleiter herbeigeführt werden.
28Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylG, wobei die Kläger die hälftigen Verfahrenskosten zu tragen haben, da der Antrag auf "Durchentscheiden" zurückgenommen wurde. Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten ebenfalls hälftig, da sie im Übrigen unterlegen ist. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, vgl. § 83b AsylG.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Das Bundesamt klärt den Sachverhalt und erhebt die erforderlichen Beweise. Das Bundesamt unterrichtet den Ausländer frühzeitig in einer Sprache, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann, über den Ablauf des Verfahrens, über seine Rechte und Pflichten im Verfahren, insbesondere über Fristen und die Folgen einer Fristversäumung, sowie über freiwillige Rückkehrmöglichkeiten. Der Ausländer ist persönlich anzuhören. Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn das Bundesamt
- 1.
dem Asylantrag vollständig stattgeben will oder - 2.
der Auffassung ist, dass der Ausländer aufgrund dauerhafter Umstände, die sich seinem Einfluss entziehen, nicht zu einer Anhörung in der Lage ist. Im Zweifelsfall ist für die Feststellung der Dauerhaftigkeit der Umstände eine ärztliche Bestätigung erforderlich. Wird von einer Anhörung abgesehen, unternimmt das Bundesamt angemessene Bemühungen, damit der Ausländer weitere Informationen unterbreiten kann.
(1a) Sucht eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig um Asyl nach und wird es dem Bundesamt dadurch unmöglich, die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Antragstellung durchzuführen, so kann das Bundesamt die Anhörung vorübergehend von einer anderen Behörde, die Aufgaben nach diesem Gesetz oder dem Aufenthaltsgesetz wahrnimmt, durchführen lassen. Die Anhörung darf nur von einem dafür geschulten Bediensteten durchgeführt werden. Die Bediensteten dürfen bei der Anhörung keine Uniform tragen. § 5 Absatz 4 gilt entsprechend.
(2) Nach Stellung eines Asylantrags obliegt dem Bundesamt auch die Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt.
(3) Das Bundesamt unterrichtet die Ausländerbehörde unverzüglich über
- 1.
die getroffene Entscheidung und - 2.
von dem Ausländer vorgetragene oder sonst erkennbare Gründe - a)
für eine Aussetzung der Abschiebung, insbesondere über die Notwendigkeit, die für eine Rückführung erforderlichen Dokumente zu beschaffen, oder - b)
die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Nummer 1 bis 4 des Aufenthaltsgesetzes der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstehen könnten.
(4) Eine Entscheidung über den Asylantrag ergeht innerhalb von sechs Monaten. Das Bundesamt kann die Frist auf höchstens 15 Monate verlängern, wenn
- 1.
sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben, - 2.
eine große Zahl von Ausländern gleichzeitig Anträge stellt, weshalb es in der Praxis besonders schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist nach Satz 1 abzuschließen oder - 3.
die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Ausländer seinen Pflichten nach § 15 nicht nachgekommen ist.
(5) Besteht aller Voraussicht nach im Herkunftsstaat eine vorübergehend ungewisse Lage, sodass eine Entscheidung vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, kann die Entscheidung abweichend von den in Absatz 4 genannten Fristen aufgeschoben werden. In diesen Fällen überprüft das Bundesamt mindestens alle sechs Monate die Lage in dem Herkunftsstaat. Das Bundesamt unterrichtet innerhalb einer angemessenen Frist die betroffenen Ausländer über die Gründe des Aufschubs der Entscheidung sowie die Europäische Kommission über den Aufschub der Entscheidungen.
(6) Die Frist nach Absatz 4 Satz 1 beginnt mit der Stellung des Asylantrags nach § 14 Absatz 1 und 2. Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) zu behandeln, so beginnt die Frist nach Absatz 4 Satz 1, wenn die Bundesrepublik Deutschland als für die Prüfung zuständiger Mitgliedstaat bestimmt ist. Hält sich der Ausländer zu diesem Zeitpunkt nicht im Bundesgebiet auf, so beginnt die Frist mit seiner Überstellung in das Bundesgebiet.
(7) Das Bundesamt entscheidet spätestens 21 Monate nach der Antragstellung nach § 14 Absatz 1 und 2.
(8) Das Bundesamt informiert den Ausländer für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, über die Verzögerung und unterrichtet ihn auf sein Verlangen über die Gründe für die Verzögerung und den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung zu rechnen ist.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.