Sozialgericht Stralsund Urteil, 24. Jan. 2025 - S 2 P 26/23

originally published: 17/02/2025 12:30, updated: 17/02/2025 12:38
Sozialgericht Stralsund Urteil, 24. Jan. 2025 - S 2 P 26/23
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Rückforderung von Corona-Prämien für Pflegeeinrichtungen – Sozialgericht Stralsund stoppt unrechtmäßige Praxis

Das Sozialgericht Stralsund hat mit Urteil vom 24. Januar 2025 (Az. S 2 P 26/23) klargestellt, dass Pflegekassen nicht pauschal die Rückzahlung von Corona-Prämien verlangen dürfen, wenn Pflegeeinrichtungen die Auszahlungsmeldung erst nach Ablauf der gesetzten Frist eingereicht haben.

Das Gericht entschied, dass die bloße Fristüberschreitung nicht automatisch eine Rückforderung rechtfertigt. Vielmehr sind die Kassen verpflichtet, auch verspätet eingereichte Nachweise zu berücksichtigen, solange diese vor Erlass des Rückforderungsbescheides vorliegen. Eine anderslautende Auslegung der Regelungen des GKV-Spitzenverbands sei nicht von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verfassungsrechtlich problematisch.

Dieses Urteil ist besonders relevant für Betreiber von Pflegeeinrichtungen, die mit Rückforderungen konfrontiert werden, obwohl sie die Prämien ordnungsgemäß an ihre Beschäftigten ausgezahlt haben. Es setzt ein wichtiges Signal gegen eine übermäßig strenge Verwaltungspraxis und stärkt die Rechtssicherheit für Pflegeeinrichtungen.

Principles

Amtliche Leitsätze

1. Zu den Voraussetzungen der Rückforderung einer an eine Pflegeeinrichtung im Jahr 2020 (voraus-)gezahlten Corona-Prämie im Sinne des § 150a Abs. 1 S. 1 SGB XI in der mit Wirkung vom 23. Mai 2020 in Kraft getretenen Fassung.


2. Bei der im Jahr 2020 an die Beschäftigten von Pflegeeinrichtungen ausgezahlten Corona-Prämie handelte es sich um eine Leistung aus der Pflegeversicherung "sui generis", deren Auszahlung durch die Pflegeeinrichtungen im Wege der öffentlich-rechtlichen Indienstnahme als "Zahlstelle" erfolgt ist. Nach § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI hatten die Pflegeeinrichtungen und die Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 Satz 2 den Pflegekassen bis spätestens 15. Februar 2021 die tatsächliche Auszahlung der Corona-Prämien anzuzeigen.


3. Ziffer 9 Abs. 6 der Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI (Prämien-Festlegungen Teil 1) vom 29. Mai 2020, welche für den Fall vorsieht, dass die Mitteilung über die tatsächlichen Auszahlungshöhen nicht spätestens zum 15. Februar 2021 erfolgt, dass die Pflegekasse die an die Pflegeeinrichtung ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen hat, ermächtigt die Pflegekassen, den Rückforderungsanspruch durch einen Verwaltungsakt geltend zu machen.


4. Der Anwendungsbereich der Ziffer 9 Abs. 6 der Prämien-Festlegungen Teil 1 ist jedoch trotz ihres entgegenstehenden Wortlauts unter Berücksichtigung der Indienstnahme der Pflegeeinrichtung für die Auszahlung der staatlichen Leistung und des Sinn und Zwecks der insoweit gesetzlich vorgesehenen Auszahlungs- und Mitteilungsverpflichtungen der Pflegeeinrichtungen sowie der Binnensystematik der Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 ermächtigungs- und verfassungskonform auf die Fälle der Rückforderung beschränkt, in denen die Pflegeeinrichtung (noch) nicht ihrer aus § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XIresultierenden Mitteilungsverpflichtung nachgekommen ist.


5. Bei der Rückforderung haben die Pflegekassen deshalb auch dann alle ihr zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Mitteilungen der Pflegeeinrichtungen über die Auszahlung der Corona-Prämien an ihre Beschäftigten zu berücksichtigen, wenn diese ihr erst nach dem 15. Februar 2021, aber jedenfalls noch vor dem Erlass der Rückforderungsentscheidung zugegangen sind. Liegen die erforderlichen Mitteilungen zu diesem Zeitpunkt tatsächlich vor, dann ist die Pflegekasse lediglich berechtigt, von der Pflegeeinrichtung entweder weitere Nachweise nachzufordern (§ 9 Abs. 3 der Prämien-Festlegungen Teil 1) oder bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen die Corona-Prämien auf der Grundlage von Abs. 4 S. 3 der Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 ganz oder teilweise zurückzufordern.

Tenor

1. Der Bescheid vom 5. April 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2023 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Rückforderung von an die Klägerin ausgezahlten Corona-Prämien im Sinne des § 150a des 11. Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) in der mit Wirkung vom 23. Mai 2020 in Kraft getretenen Fassung vom 19. Mai 2020 (BGBl. I 1018).

Die Klägerin ist Inhaberin des ambulanten Pflegedienst B.. Mit dem erstmalig am 16. Juni 2020 gestellten, am 19. Juni 2020 unterschriebenen Musterformular „Anlage zu den Prämienfestlegungen Teil 1 des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI vom 29. Mai 2020“, beantragte die Klägerin die Auszahlung von Corona-Prämien für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen nach § 150a SGB XI in Höhe von 7.350,00 € zzgl. 3675,00 € durch das Land, insgesamt in Höhe von 11.025,00 €. Der Formantrag enthielt u.a. die Erklärung, dass der Träger der Pflegeeinrichtung mit seiner Unterschrift erklärt, dass er der Pflegekasse die Höhe der tatsächlichen Auszahlung unmittelbar nach der Auszahlung an die Beschäftigte mitteilt, spätestens jedoch bis zum 15. Februar 2021. Der vorgenannte Prämienbetrag wurde antragsgemäß durch die Beklagte an die Klägerin ausgezahlt.

Mit EMail vom 6. Oktober 2021 übersandte die Klägerin die als Anlage beigefügten      „Mitteilung der Pflegeeinrichtung über die Auszahlung der Corona-Prämien an die Beschäftigten gemäß § 150a Abs. 7 SGB XI“ (Anlage 3 zu den Prämien-Festlegungen Teil 1 des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI vom 29. Mai 2020 - Musterformular für Pflegeeinrichtungen Stand 09.09.2020 -) und informierte die Beklagte hiermit über die Auszahlung der Prämien in Höhe von 11.350,00 € an ihre Beschäftigten am 25. Juli 2020.

Mit Schreiben vom 5. April 2023 informierte die Beklagte die Klägerin, dass sie durch den Bundesrechnungshof mit Schreiben vom 19. Januar 2023 aufgefordert worden sei, die ausgezahlten Corona-Prämien entsprechend den Vorgaben zurückzufordern. Zur Begründung führte sie an, dass die Mitteilung über die tatsächlichen Auszahlungshöhen von ihr spätestens zum 15. Februar 2021 hätte erfolgen müssen. Der Klägerin sei eine Bundesprämie von insgesamt 7350,00 € ausgezahlt worden. Den Betrag müsse sie aufgrund des Fristversäumnisses von ihr zurückfordern. Die diesbezügliche Festlegung würde sie in Ziffer 9 Abs. 6 (Nachweisverfahren und Rückerstattung) der Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen (Prämien-Festlegungen Teil 1) vom 29. Mai 2020 finden.

Hiergegen erhob die Klägerin mit dem am 24. April 2024 eingegangenen Schreiben Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2023 als unbegründet zurückgewiesen hat. Zur Begründung – auf die im Übrigen zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen wird – führte die Beklagte an, dass dem Widerspruch nicht stattgegeben werden könne. Weil der ambulante Pflegedienst nach Ziffer 9 Abs. 6 der Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI (Prämien-Festlegungen Teil 1) die Auszahlungsmitteilung nicht fristgerecht eingereicht habe. Sofern eine Mitteilung über die tatsächlichen Auszahlungshöhen nicht bis spätestens zum 15. Februar 2021 durch die Einrichtung erfolgt sei, habe die zuständige Pflegekasse die an Pflegeeinrichtung ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen.

Mit der am 28. Juli 2023 beim Sozialgericht eingegangenen Klage beansprucht die Klägerin eine Aufhebung der Rückforderungsentscheidung. Sie macht geltend, dass der Rückforderungsbescheid der Beklagten rechtswidrig sei und sie in ihren subjektiven Rechten verletzten würde. Die von der Beklagten in Bezug genommene Regelung in Ziffer 9 Abs. 6 der Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes (Prämien-Festlegungen Teil 1) nach § 150 a Abs. 7 SGB XI würde keine geeignete Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Corona-Prämie darstellen, da sie von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 150 a Abs. 7 SGB XI nicht gedeckt sei. Unter Wiedergabe der Gesetzesbegründung führt sie aus, es würde hieraus deutlich, dass die Ermächtigung in § 150 a Abs. 7 SGB XI nur verfahrensrechtliche Regelungen hinsichtlich des für die Prüfung zu viel oder zu wenig gezahlter Beträge notwendigen Meldeverfahren, des Auszahlungsverfahrens und der Informationen der Beschäftigten enthalten würde. Nicht enthalten sei jedoch eine Ermächtigung zum kompletten Ausschluss des gesetzlich gewährten materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs der Pflegeeinrichtung. Gegen einen Anspruchsausschluss allein wegen Nichteinhaltung der in Ziffer 9 Abs. 6 der Prämien-Festlegung Teil 1 bestimmten Frist würde auch der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sprechen. Die Vorschrift des § 150a SGB XI würde Beschäftigten in zugelassenen Pflegeeinrichtungen eine Sonderleistung aus Mitteln der sozialen Pflegeversicherung gewähren. Damit wollte der Arbeitgeber ein Zeichen der Wertschätzung setzen. Materiell würde die Corona-Prämie von den Pflegekassen und den Krankenkassen gemeinsam getragen und aus Beitragsmitteln der Versicherten und ihrer Arbeitgeber finanziert. Die Corona-Prämie sei eine öffentlich-rechtliche Leistung der Pflegkasse sui Generis „zum Zweck der Wertschätzung“, die der Arbeitgeber lediglich für diese auszahlen würde („Zahlstelle“). Ausgehend davon, dass die Pflegeeinrichtung lediglich als „Zahlstelle“ fungieren, würde es dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung widersprechen, dass die Pflegeeinrichtungen bei Fristversäumnissen im Hinblick auf die Meldung der Auszahlung auf der „Corona-Prämie“ trotz Finanzierungszusage aus Mitteln der Pflegeversicherung auf der Zahlung „sitzenbleiben“ würden. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es hierzu ausdrücklich im § 150a Abs. 7 S. 2 SGB XI heißen würde, dass die Corona-Prämie sowie weitere vergleichbare Sonderleistungen nicht nach § 150 Abs. 2 SGB XI erstattet werden. Sachliche Rechtfertigungsgründe für eine solche Verlagerung der Finanzierung zulasten der Pflegeeinrichtungen seien nicht erkennbar. Die komplette Rückforderung der Corona-Prämie würde damit dem gesetzgeberischen Ziel entgegenstehen. Die ersatzlose Rückzahlungsverpflichtung als Folge der Fristversäumnis wäre mit einer Erhöhung des Liquiditätsrisikos der betroffenen Pflegeeinrichtungen und damit einer erheblich gesteigerten Insolvenzgefahr verbunden und würde der gesetzlich vorgesehenen Entlastung der Einrichtungen zuwiderlaufen. Dementsprechend könne aus der Überschreitung der in Ziffer 9 Abs. 6 der Prämien-Festlegung Teil 1 genannten Frist aus den vorgenannten Gründen jedenfalls kein Anspruchsausschluss resultieren.

Im Übrigen verweist die Klägerin auf das Urteil des Sozialgericht Augsburg vom 2. Juni 2022, Az.: S 10 P 119/21, zu der analogen Regelung in Ziffer 3 Abs. 7 der zwischen dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen getroffenen Festlegung zum Ausgleich der Covid-19-bedingten finanziellen Belastungen der Pflegeeinrichtungen, wo das Gericht entschieden habe, dass diese keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist darstellen würde. Dieser Entscheidung habe sich das Sozialgericht München in seinem Urteil vom 29. November 2022, Az.: S 44 P 195/22 nach eigener Prüfung vollumfänglich angeschlossen. Diese Entscheidungen seien auch auf die hier von der Beklagten in Bezug genommenen Prämien-Festlegungen übertragbar.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2023 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Vertiefung ihrer Darlegungen in dem Widerspruchsbescheid verweist sie darauf, dass der Bundesrechnungshof festgestellt habe, dass die Klägerin nicht bis zum Stichtag 15. Februar 2021 den Betrag nachgewiesen habe, den sie an ihre Beschäftigten ausgezahlt habe. Nach den Vorgaben der Prämienfestlegungen hätte die Beklagte die an die Pflegeeinrichtung gezahlten Bundesmittel zurückfordern müssen. Die Vorgaben der Prämien-Festlegungen seien eindeutig: Wenn am 15. Februar 2021 die Auszahlungsmitteilung nicht vorlag, waren die Bundesmittel zurückzuzahlen. Sie sei vom Bundesrechnungshof aufgefordert worden, die Rückzahlung der Bundesmittel zu veranlassen. Entgegen der Meinung der Klägerin würde der verbindlichen Regelung einer Anzeigefrist mit der zuvor dargestellten Folge nichts entgegenstehen. Durch die gesetzliche Vorgabe, die Regelungen im Benehmen mit den Interessenvertretungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen festzulegen, seien die genannten Vereinigungen an der Festlegung der Frist beteiligt gewesen, wodurch die Interessen der Pflegeeinrichtungen gewahrt worden seien. Wenn sich die Klägerin auf eine vom Gesetzgeber vorgesehene Sonderleistung als Zeichen der Wertschätzung und eine gewollte Entlastung von Pflegeeinrichtungen berufen würde, würden diese Zwecke nicht von der Einhaltung der einschlägigen Regeln entbinden.

Soweit klägerseits auf zwei bayrische Sozialgerichtsurteile zur Ausschlussfrist für den Corona-Rettungsschirm Bezug genommen werde, würde sie die Annahme einer gleichen Rechtslage zunächst nicht teilen. Sie sei an den Verfahren auch nicht beteiligt gewesen. Soweit hier bekannt sei, habe das Sozialgericht Cottbus bereits die Ausschlussfrist nach § 150 SGB XI bestätigt. Da eine andere Rechtsfrage betroffen sei, würden sich weitere Ausführungen erübrigen. Weiterhin verweist sie auf das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 6. Januar 2025 (S 2 P 28/23), welches sich mit der streitgegenständlichen Thematik beschäftigen würde. Das Sozialgericht würde die vorliegende Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Corona-Prämie für ausreichend halten.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Klägerin verfolgt den geltend gemachten Anspruch auf Aufhebung der durch die Beklagte verfügten Rückforderung mit Hilfe der hier statthaften und auch im Übrigen zulässigen Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 1 1. Alt. SGG. Dabei geht die Kammer davon aus, dass dem Rückforderungsschreiben der Beklagten vom 5. April 2023 die Rechtsqualität eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 31 des 10. Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zukommt. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass dem Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, denn mit dem Schreiben wird mit dem Satz „Den Betrag in Höhe von 7.350,00 € müssen wir aufgrund des Fristversäumnisses“ von Ihnen zurückverlangen“ eine Rückforderung der an die Klägerin ausgezahlten „Bundesprämie“ im Sinne von § 31 SGB X verfügt.

2. Die Klage ist begründet, denn der Rückforderungsbescheid vom 5. April 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2023 (§ 95 SGG) ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte war aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin     jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides die ihr gesetzlich obliegenden Mitteilungspflichten unstreitig erfüllt hat, nicht zu einer Rückforderung der Corona-Prämien unter Heranziehung der von ihr als Ermächtigungsgrundlage genannten Ziffer 9 Abs. 6 der Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 berechtigt. Da eine weitere Rechtsgrundlage für die Rückforderung nicht ersichtlich ist, kann deshalb dahingestellt bleiben, dass die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Rückforderungsbescheides nicht angehört hat. Die Aufhebung beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:

a) Als Rechtsgrundlage für die durch die Beklagte verfügte Rückforderung kommt hier ausschließlich Abs. 6 der Ziffer 9 der Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Abs. 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARS-Cov-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen (Prämien-Festlegungen Teil 1) vom 29. Mai 2020 in Betracht (ebenso SG Neubrandenburg, Urteil vom 6. Januar 2025 – S 2 P 28/23, Bl. 7 des Urteilsumdrucks). Diese Regelung stellt nach Auffassung der Kammer dem Grunde nach die erforderliche materiell-rechtliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines entsprechenden Verwaltungsakts dar (für die jedenfalls dem Grunde nach vergleichbare Rechtslage beim Kurzarbeitergeld vgl. Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., § 108 SGB III (Stand: 03.04.2024), Rn. 27).

Mit der Regelung in § 150a Abs. 1 S. 1 SGB XI (In Kraft getreten mit Wirkung vom 23. Mai 2020 (BGBl. I 1018) – im Folgenden § 150a SGB XI a.F.) wurden zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne der §§ 71, 72 SGB XI und die in Absatz 1 S. 2 weiter genannten Arbeitgeber verpflichtet, ihren Beschäftigten im Jahr 2020 eine für jeden Beschäftigten einmalige Sonderleistung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 und 8 zu zahlen (Corona- Prämie). Nach der Gesetzesbegründung sollte das Personal „eine besondere Wertschätzung durch eine Sonderleistung in Geld erfahren“. Als weitere Gründe für die Auszahlung der Prämie wurden „besondere physische und psychische Belastungen sowie ein erhöhtes Risiko, selbst an COVID-19 zu erkranken“ sowie die Aspekte „Sterbebegleitung, körperbezogene Pflege und Betreuung in besonders distanzierender Schutzkleidung“ angeführt (BT-DRs. 19/18967, S. 75); wobei diese Erschwernisse keine Tatbestandsmerkmale für die Prämie waren, sondern offenbar pauschal für alle Beschäftigten einer zugelassenen Pflegeeinrichtung unterstellt worden sind (Schlegel in: Schlegel/Meßling/Bockholt, Covid-19-Corona–Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 1 – 4 zu Inhalt und Zweck der Sonder- bzw. Neuregelung).

§ 150a Abs. 1 SGB XI a.F. verpflichtete zwar die zugelassenen Pflegeeinrichtungen und die dort genannten Arbeitgeber zur Zahlung einer Prämie an ihre Beschäftigten. Insoweit handelte es sich aber nicht um einen gesetzlich angeordneten arbeitsrechtlichen Anspruch des Beschäftigten (Pflegekraft) gegen seinen Arbeitgeber (Pflegeeinrichtung) auf Zahlung einer Prämie, sondern „um eine Leistung aus der sozialen Pflegeversicherung sui generis“, die von deren Trägern (Pflegekassen) sowie im Hinblick auf häusliche Krankenpflege zum Teil auch von den Krankenkassen zu finanzieren waren (Schlegel in: Schlegel/Meßling/Bockholt, Covid-19-Corona–Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 6 – 8). In Übereinstimmung mit den vorgenannten Ausführungen von Schlegel bleibt daher ausdrücklich festzustellen, dass die Pflegeeinrichtung oder der in Absatz 1 Satz 2 genannte Arbeitgeber insoweit nur als Zahlstelle der Pflegekassen tätig geworden, gegen die sich eigentlich der öffentlich-rechtliche Anspruch materiell-rechtlich richtet (ebenso Prof. Dr. Schlegel, Die Corona-Prämie – Sonderleistung für das Personal in Pflegeeinrichtungen, NJW 2020 S. 1911 – 1918, unter II und VII; vgl. auch Schlegel in: Schlegel/Meßling/Bockholt, Covid-19-Corona–Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 7 bzw. Rn. 60). Dies folgt aus § 150a Abs. 7 S. 1 SGB XI a.F., wonach die zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Wege der Vorauszahlung von der Pflegversicherung den Betrag erhalten, den sie für die Auszahlung der in den Absätzen 2 – 4 und 6 genannten Corona-Prämien benötigen.

Die Regelung des § 150a SGB XI a.F. sieht insoweit eine Indienstnahme der Pflegeeinrichtung oder der in § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI genannten Arbeitgeber anstelle der staatlichen Verwaltung zur Berechnung und Auszahlung der Corona-Prämie an die dort beschäftigten Pflegekräften vor. Aufgrund dieser Rechtsstellung finden auf den Rückforderungsanspruch weder die Regelung des § 50 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB X noch der Regelungen der §§ 44 ff SGB X Anwendung, sondern es bedarf für einen gegenüber der Pflegeeinrichtung geltend gemachten Rückforderungsanspruchs einer speziellen Rechtsgrundlage (zur Rechtslage bei der vergleichbaren Indienstnahme des Arbeitgebers bei der Zahlung von Kurzarbeitergeld vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1998 – B 7 AL 126/95 R –, BSGE 82, 183-197, SozR 3-4100 § 71 Nr. 2, SozR 3-4100 § 72 Nr. 1, SozR 3-4100 § 79 Nr. 1, SozR 3-4300 § 181 Nr. 1, Rn. 21), welche jedoch weder in § 150a SGB XI a. F. noch in einer anderen Regelung des SGB XI enthalten ist. Allerdings hat der Gesetzgeber ausweislich der Regelung in § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. den Spitzenverband Bund der Pflegekassen (GKV-Spitzenverband) ermächtigt, im Benehmen mit der Bundesvereinigung der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen und geeigneter Verbänden der Arbeitgeber nach Absatz 1 S. 2 auf Bundesebene unverzüglich das Nähere für das Verfahren einschließlich der Information der Beschäftigten und Arbeitnehmern nach Abs. 1 S. 2 über ihren Anspruch festzulegen. Von dieser Ermächtigung hat der GKV-Spitzenverband mit den sog. Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 Gebrauch gemacht. Das Bundesministerium hat diesen Festlegungen am 9. Juni 2020 zugestimmt.

In Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020, welche die Überschrift „Nachweisverfahren und Rückerstattung“ trägt, wird festgelegt, dass die Pflegeeinrichtung der jeweils zuständigen Pflegekasse unmittelbar nach der jeweiligen Auszahlung der Corona-Prämien an ihre Beschäftigten, spätestens jedoch bis zum 15. Februar 2021 die Höhe und den Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung mitzuteilen hat (Abs. 1 S. 1), wobei diese Mitteilung unter Verwendung des nach Anlage 3 vorgegebenen Musters in elektronischer Form zu erfolgen hat (Abs. 2). Für den Fall, dass eine Mitteilung über die tatsächliche Auszahlungshöhen nicht spätestens zum 15. Februar 2021 durch die Einrichtung erfolgt, wird in Abs. 6 weiter bestimmt, dass die zuständige Pflegekasse „die an die Pflegeeinrichtung ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen hat“. Darüber hinaus wird die Pflegekasse in Abs. 3 der Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 ermächtigt, von der Pflegeeinrichtung die Vorlage weiterer Nachweise zu verlangen, und im Übrigen in S. 3 des Abs. 4 der Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 ermächtigt, jederzeit den sich aus Abs. 4 S. 1 der Prämien-Festlegungen Teil 1 sich ergebenden Differenzbetrag von der Pflegeeinrichtung zurückzufordern; eine identische Regelung findet sich auch in Ziffer 8 Abs. 4 der Prämien-Festlegungen Teil 1.

Unter Bezugnahme auf die bereits angesprochenen Vergleichbarkeit der vorliegenden Indienstnahme der Pflegeeinrichtung oder eines Arbeitgebers im Sinne des § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI a.F. mit der Indienstnahme des Arbeitgebers bei der Gewährung und Auszahlung von Kurzarbeitergeld, geht die Kammer nach alledem davon aus, dass die Beklagte jedenfalls dem Grunde nach berechtigt war und ist, einen entweder auf Ziffer 9 Abs. 4 S. 3 oder auf Abs. 6 der Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 gestützte Rückforderungsanspruch durch einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB Xgeltend zu machen, für dessen Erlass jedoch dann sämtliche formellen Voraussetzungen zu beachten wären.

Entgegen den von der Klägerin geäußerten Zweifeln, erstreckt sich die dem GKV-Spitzenverband eingeräumte Ermächtigung nämlich nicht nur auf den Erlass von verfahrensrechtlichen Regelungen einschließlich der Information der Beschäftigten und Arbeitnehmer nach § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI über ihren Anspruch, sondern auch auf den Erlass von Regelungen für die Rückforderung der ausgezahlten Corona-Prämie, wenn diese nicht oder nicht in der an die Pflegeeinrichtung oder die Arbeitgeber nach § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI a.F. ausgezahlten Höhe an die Mitarbeiter weitergeleitet worden sind. Dies ergibt sich letztlich aus dem in § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verkörperten und auch im Sozialrecht geltenden Rechtsgedankens der Rückzahlung von rechtsgrundlos erhaltenen Leistungen in Form eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs und begründet sich unter Berücksichtigung des aus der Gesetzesbegründung ersichtlichen Zwecks der in § 150a Abs. 8 S. 1 SGB XI geregelten Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen und der Arbeitgeber im Sinne von § 150a Absatz 1 S. 2 SGB XI a.F., „den Pflegekassen bis spätestens 15. Februar 2021 die tatsächliche Auszahlung der Corona-Prämien anzuzeigen“. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist nämlich „Ziel dieser unmittelbaren Informationen an die Pflegekassen, dass diese ggf. zu viel oder zu wenig gezahlten Beträge ausgleichen können“. Weiter heißt es dort, dass der Spitzenverband Bund der Pflegekassen im Benehmen mit der Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen und geeigneten Verbänden der Arbeitgeber nach Abs. 1 S. 2 auf Bundesebene „das Nähere für das dafür notwendige Meldefahren hinsichtlich der einrichtungsbezogenen Gesamtbeträge, des Auszahlungsverfahrens und der Informationen der Beschäftigten unverzüglich festzulegen hat. Dabei sollen insbesondere auch Vorgaben zum Anzeigeverfahren und zu einer möglichen Prüfung der von den Einrichtungen gemachten Angaben auf Nachvollziehbarkeit unter Einhaltung des Datenschutzes gemacht werden“ (so BT-Drucks. 19/18967, S. 77). Die in Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 enthaltenen Regelungen ermöglichen somit den Pflegekassen eine Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung der an die Pflegeeinrichtung und die Arbeitgeber im Sinne von Abs. 1 S. 2 (voraus-)gezahlten Corona-Prämien, welche nämlich nach § 150a Abs. 8 S. 1 SGB XI a.F. verpflichtet waren, die an sie gezahlten Corona-Prämien an ihre Beschäftigten unverzüglich nach Erhalt der Vorauszahlung nach Absatz 7, spätestens mit der nächstmöglichen regelmäßigen Entgeltauszahlung auszuzahlen (vgl. insoweit auch die Regelung in Ziffern 8 Abs. 1 der Prämien-Festlegungen Teil 1), und versetzen sie in die Lage, ggf. den in der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannten Ausgleich für zu viel oder zu wenig gezahlten Beträge herbeizuführen.

Das SG Neubrandenburg geht daher in dem bereits zitierten Urteil vom 6. Januar 2025 (S 2 P 28/23) im Ergebnis zutreffend davon aus, dass der Gesetzgeber mit der späteren Fassung des § 150a Abs. 7 SGB XI, mit der S. 9 zu S. 10 gemacht und mit der Fassung ergänzt worden ist, dass die durch den GKV-Spitzenverband zu treffenden Festlegungen „das Nähere zum Verfahren einschließlich angemessener Möglichkeiten zur Prüfung, Rückforderung und Aufrechnung durch die Pflegekassen umfassen“ (§ 150a Abs. 7 SGB XI in der mit Wirkung vom 30. Juni 2022 in Kraft getretenen Fassung durch Artikel 2 Nr. 4 Buchstabe g des Gesetzes vom 28. Juni 2022 (BGBl. I 938) lediglich klarstellen wollte, dass auch vorher schon eine Ermächtigung der in § 150a Abs. 7 SGB XI genannten Gremien zur Festlegung einer Rückforderungsmöglichkeit bestanden habe.

b) Die Beklagte geht jedoch fehl in der Annahme, dass allein die hier unstreitig feststehende Tatsache, dass das nach Ziffer 9 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Absatz 2 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 erforderliche Musterformular mit der Mitteilung der Auszahlung der Corona-Prämie an die Beschäftigten bei der Beklagten erst am 6. Oktober 2021 und damit außerhalb der gesetzlich in § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. bestimmten Mitteilungsfrist eingegangen ist, sie zu einer Rückforderung der Corona-Prämie berechtigt bzw. verpflichtet. Bei der in § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. bzw. in Ziffer 9 Abs. 1 S. 1 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 bestimmten Frist, handelt es sich nämlich weder um eine materiell-rechtliche Präklusionsfrist, welche die Beklagte bei deren Versäumung durch die Pflegeeinrichtung zu einer Rückforderung verpflichtet, noch wäre die von der Beklagten vertretene Auslegung der Regelung der Ziffer 9 Abs. 6 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 von der Ermächtigungsgrundlage des § 150a Abs. 7 S. 9 SGB XI a.F. gedeckt (näher unter (1)). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, dass die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Rückforderungsbescheides nicht angehört hat, sodass bereits aus diesem Grund der Rückforderungsbescheid rechtswidrig sein dürfte (näher unter (2)).

(1) Der Beklagte ist zuzugeben, dass der Wortlaut der Ziffer 9 Abs. 6 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 auf den ersten Blick für die Richtigkeit der durch sie vertretenen Auffassung zu sprechen scheint, denn dort wird für den Fall, dass eine Mitteilung über die tatsächliche Auszahlungshöhen nicht spätestens zum 15. Februar 2021 durch die Einrichtung erfolgt, bestimmt, dass die zuständige Pflegekasse „die an die Pflegeeinrichtung ausgezahlten Beträge zurückzuverlangen hat“. Die vorgenannte Frist geht zurück auf die in § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. getroffene Regelung, wonach die Pflegeeinrichtungen und die Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 S. 2 den Pflegekassen bis spätestens 15. Februar 2021 die tatsächliche Auszahlung anzuzeigen haben; zusätzlich hat sich die Klägerin auch in dem Antragsverfahren dazu verpflichtet, dass sie der Pflegekasse die Höhe der tatsächlichen Auszahlung unmittelbar nach der Auszahlung an die Beschäftigte mitteilt, spätestens jedoch bis zum 15. Februar 2021. Diese Frist hat die Klägerin unstreitig versäumt, denn erforderliche Mitteilung über die Höhe der Auszahlung ist der Beklagten in Form des nach Ziffer 9 Abs. 2 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 bestimmten Musterformulars erst am 6. Oktober 2021 zugegangen.

Hieraus folgt jedoch nicht zwangsläufig die Verpflichtung der Klägerin zu einer Rückerstattung der an sie als Zahlstelle für ihre Beschäftigten (voraus-)gezahlten Corona-Prämien. Zwar kann sich die Beklagte insoweit auf das bereits oben zitierte Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 6. Januar 2025 in dem Verfahren S 2 P 28/23 stützen, welches auf Bl. 10 des Urteils ausführt, dass die Voraussetzungen der Ziffer 9 Abs. 6 Prämien – Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 für die Rückforderung erfüllt waren, weil die dortige Klägerin die Auszahlungsmitteilung nicht innerhalb der gesetzlich verankerten Frist (15. Februar 2021) an die Beklagte getätigt habe. Der dort vertretenen Auffassung folgt die Kammer aus den nachfolgend näher dargelegten Gründen nicht.

Zutreffend weist das Sozialgericht Neubrandenburg allerdings darauf hin, dass sich in der ebenfalls recherchierten Rechtsprechung und Literatur keine Einwände gegen die Annahme einer Präklusionswirkung der in § 150a Abs. 7 Satz 8 SGB XI a.F. bzw. in Ziffer 9 Abs. 6 der Prämien-Festlegungen Teil 1 genannten Frist finden; diese Frage wird dort bislang in der Tat nicht problematisiert. Die Frage, ob und ggf. inwieweit einer Regelung materielle Präklusionswirkung zukommt, ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des BSG anhand der allgemeinen Auslegungsregeln zu beantworten. Dies hat zuletzt der 1. Senat des BSG in dem Urteil vom 29. November 2022 (B 4 AS 64/21 R –, BSGE 135, 134-142, SozR 4-4200 § 41a Nr. 7, Rn. 29) wie folgt deutlich gemacht: „Der Gesetzgeber kann sowohl im öffentlichen Interesse, insbesondere um einer Überlastung der Leistungsverwaltung vorzubeugen, als auch im Interesse der Allgemeinheit der Rechtsschutzsuchenden durch Präklusionsvorschriften Vorkehrungen dagegen treffen, dass Verwaltungsverfahren und gerichtliche Verfahren unangemessen verzögert werden (vgl. BVerfG vom 2.3.1993 - 1 BvR 249/92 - BVerfGE 88, 118 [124]). Es ist Sache des Gesetzgebers, bei der Ausgestaltung des Verfahrens die einander widerstreitenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen (BVerfG vom 2.3.1993 - 1 BvR 249/92 - BVerfGE 88, 118 [124]). Aufgrund der einschneidenden Folgen für den Säumigen haben Präklusionsvorschriften jedoch strengen Ausnahmecharakter und müssen sich durch ein besonderes Maß an Rechtsklarheit auszeichnen (vgl. - jeweils zu prozessualen Präklusionen - BVerfG vom 9.2.1982 - 1 BvR 1379/80 - BVerfGE 60, 1 [6]; BVerfG vom 30.1.1985 - 1 BvR 99/84 - BVerfGE 69, 126 [136]; BVerfG vom 19.3.2003 - 2 BvR 1540/01 - BVerfGK 1, 87 [90]).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen, erscheint eine solche hinreichend eindeutige Auslegung des der Ziffer 9 Abs. 6 der Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 als Präklusionsregelung unter Berücksichtigung der Binnensystematik der Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 nicht eindeutig, und wäre im Übrigen nach Auffassung der Kammer auch nicht von den Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage des § 150a Abs. 7 S. 9 SGB XI a.F. gedeckt und mit den Vorgaben des Verfassungsrechts vereinbar. Die dem GKV-Spitzenverband erteilte Ermächtigung erfasst nämlich nur den Erlass von verfahrensrechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit dem Meldeverfahren, insbesondere Vorgaben zum Anzeigeverfahren und zu einer möglichen Prüfung der von den Einrichtungen gemachten Angaben auf Nachvollziehbarkeit unter Einhaltung des Datenschutzes, nicht aber die Festlegung gesetzlich nicht vorgesehener, sachlich nicht gerechtfertigter und letztlich dem Gesetzeszweck widersprechender materiellen Präklusionswirkungen (zur eingeschränkten Regelungsbefugnis vgl. insoweit auch Schlegel in: Schlegel/Meßling/Bockholt, Covid-19-Corona–Gesetzgebung-Gesundheit und Soziales, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 61: „Dabei ist ausgeschlossen, dass in den Festlegungen Regelungen getroffen werden, die den Regelungen des § 150a SGB XI widersprechen“). Die Ziffer 9 Absatz 6 der Prämien – Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 findet daher im Ergebnis einer ermächtigungs- und verfassungskonformen Auslegung der Regelung in dem vorliegenden Fall keine Anwendung.

Zwar wird in § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. bestimmt, dass die Pflegeeinrichtungen und die Arbeitgeber im Sinne von Absatz 1 S. 2 den Pflegekassen bis spätestens 15. Februar 2021 die tatsächliche Auszahlung anzuzeigen haben. In dem Gesetz wird aber an keiner Stelle geregelt, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn die Pflegeeinrichtung dieser Verpflichtung nicht fristgerecht nachkommt. Nach der Gesetzesbegründung ist Ziel dieser unmittelbaren Information an die Pflegekassen, dass diese gegebenenfalls zu viel oder zu wenig gezahlten Beträge ausgleichen können (vgl. S. 77 der BT Drucksache 19/18967), wobei nach der in § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. erteilten Ermächtigung der GKV-Spitzenverband das nähere für das notwendige Meldeverfahren unverzüglich festzulegen hat. Diesen gesetzlichen Vorgaben ist der GKV-Spitzenverband insoweit nachgekommen, als dort einerseits in Ziffer 9 Abs. 2 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 Vorgaben zu Art, Form und Umfang der Mitteilung gemacht werden als auch andererseits in den weiteren Absätzen 3 und 4 sowie 6 der vorgenannten Prämien-Festlegungen Teil 1 die Pflegekasse zu weiteren Ermittlungen und auch in zwei voneinander abgrenzbaren Tatbeständen zu einer ganz oder teilweisen Rückforderung der ausgezahlten Corona-Prämien ermächtigt bzw. verpflichtet.

Die Regelung in Ziffer 9 Abs. 6 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 beruht – wie vorerwähnt - ersichtlich auf dem aus der Regelung in § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. erkennbaren Willen des Gesetzgebers, die Pflegekassen zu einer zeitnahen, spätestens ab Februar 2021 zu erfolgenden Überprüfung der zweckgemäßen Verwendung der         (voraus-)gezahlten Corona-Prämien zu verpflichten, und ermächtigt die Pflegekasse im Falle einer Verletzung der Mitteilungspflicht, die vorausgezahlte Leistung ohne weitere Sachverhaltsprüfung z.B. in Form einer Nachfrage bei der Pflegeeinrichtung oder dem in § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI a.F. aufgeführten Arbeitgebern zurückzufordern. Seitens der Kammer bestehen keine Zweifel, dass es sich sowohl bei der im Übrigen ohne Anspruch auf Aufwendungsersatz erfolgten Indienstnahme der Pflegeeinrichtungen und der in § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI a.F. genannten Arbeitgeber, als auch bei den in § 150a SGB XI a.F. geregelten Auszahlungs- und Mitteilungsverpflichtungen unter Berücksichtigung der damaligen epidemischen Lage und der oben genannten Zwecke für die Sonderleistung unzweifelhaft um einen gerechtfertigten, zumutbaren Eingriff in die von Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Berufsausübungsfreiheit der Pflegeeinrichtungen und Arbeitgeber gehandelt hat. Die in § 150a Abs. 7 S. 9 SGB XI a.F. dem GKV-Spitzenverband erteilte Ermächtigung beinhaltet nach Auffassung der Kammer dem Grunde nach auch die Berechtigung, im Rahmen des Meldeverfahrens Bestimmungen über die Form und den Zeitpunkt der Vorlage der Mitteilung und des ggf. weitergehenden Nachweises der Auszahlung der Corona-Prämien an die Beschäftigten sowie die Folgen, die sich aus einem Fristversäumnis für die Forderungen ergeben, zu regeln (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 7. Dezember 2006 – B 3 KR 29/05 R –, SozR 4-2500 § 33 Nr. 14, SozR 4-2500 § 127 Nr. 1, Rn. 14 zur Wirksamkeit von Abrechnungsfristen bei Hilfsmittelerbringern).

Die Tatsache, dass im Gesetz mit dem 15. Februar 2021 selbst eine konkrete Frist für die Erfüllung der Mitteilungspflicht geregelt wird, lässt jedoch dennoch nicht mit der nach der vorerwähnten Rechtsprechung des BSG erforderlichen Sicherheit und Rechtsklarheit darauf schließen, dass eine Versäumung der Frist die Berücksichtigung von zum Zeitpunkt der Rückforderungsprüfung bereits vorliegender bzw. ggf. auch erst im Vorverfahren nachgereichter Unterlagen (vgl. zu einem solchen Fall BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 30/07 R = SozR 4-2500 § 240 Nr. 10, Leitsatz 1 bzw. Rn. 16 ff, Urteil vom 30. März 2011 – B 12 KR 18/09 R, = RegNr. 29961 (BSG-Intern), Orientierungssätze und Rn. 21 ff, zitiert nach juris zur Verpflichtung einer Krankenkasse zur Berücksichtigung von erst im Vorverfahren vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden des Versicherten bei der Berechnung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge; vgl. insoweit auch SG Stralsund, Urteil vom 21. April 2023 – S 3 KR 79/22 – juris zur Regelungen § 240 Abs. 4a SGB V in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung) mit den für die Klägerin einschneidenden und im Ergebnis sachlich nicht gerechtfertigten Rechtsfolgen präkludiert; dies gilt auch unter Berücksichtigung der im anschließenden Satz des § 150a Abs. 7 SGB XI a.F. geregelten Ermächtigung, nähere Verfahrensregelungen zu erlassen.

Die Beklagte berücksichtigt bei der von ihr vertretenen Auffassung schon nicht hinreichend die Binnenstruktur der Reglungen in Ziffer 9 der Prämien – Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 und zwar hier das Zusammenspiel der Regelungen in deren Absätzen 3 und 4 einerseits und in dem von der Beklagten als Rechtsgrundlage herangezogenen Absatz 6 der Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 andererseits. So werden nämlich die Pflegekassen in Absatz 3 der Ziffer 9 Abs. 3 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 im Falle der Erfüllung der in Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 der Prämien - Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 geregelten Mitteilungspflicht zunächst ermächtigt, von der Pflegeeinrichtung zum Nachweis der tatsächlichen Auszahlung die Vorlage pseudonymisierte Entgeltabrechnungen, in denen die Prämien-Zahlung an die Beschäftigten erfolgt ist, oder in begründeten Fällen weitere Nachweise, die die Auszahlung bez. die Bemessung der ausgezahlten Prämien belegen, zu verlangen. Erst in einem zweiten Schritt wird in Ziffer 9 Abs. 4 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 weiter bestimmt, dass die Pflegeeinrichtung, sofern der nach Absatz 1 mitgeteilte Betrag geringer ist als der Betrag, den die Pflegekasse aufgrund der Meldung nach Ziffer 5 ausgezahlt hat, die Differenz unaufgefordert und unverzüglich an die zuständige Pflegekasse zu zahlen hat (Absatz 4 Satz 1), bzw. die zuständige Pflegekasse nach dessen Satz 3 ermächtigt ist, jederzeit den Differenzbetrag von der Pflegeeinrichtung zurückfordern (siehe auch Ziffer 8 Abs. 4 der Prämien-Festlegungen Teil 1). Dass die dort geregelten Voraussetzungen in dem vorliegenden Fall eine vollständige Rückforderung rechtfertigen, hat die Beklagte weder dargelegt noch ergibt sich dies aus den derzeit bekannten Tatsachen.

Nach Auffassung der Kammer wird bereits aus dem aufgezeigten Zusammenspiel der verschiedenen Rückforderungsregelungen hinreichend deutlich, dass der in Ziffer 9 in Absatz 1 bzw. Abs. 6 enthaltenden Mitteilungsfrist „15. Februar 2021“ ebenso wie der in § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. gleichlautend enthaltenen Frist tatsächlich keine Präklusionswirkung im oben genannten Sinne zukommt, d.h. die Pflegekassen auch bei einer Versäumung dieser Frist verpflichtet sind, bei der Prüfung, ob und ggf. in welcher Höhe (voraus-)gezahlte Corona-Prämien zurückgefordert werden müssen, alle ihr zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erklärungen der Pflegeeinrichtung bzw. der in § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI genannten Arbeitgeber zu berücksichtigen. Hieraus folgt mit hinreichender Deutlichkeit, dass die von der Beklagten in Anspruch genommene Regelung des Absatzes 6 der Ziffer 9 der Prämien – Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 dann keine Anwendung findet, wenn – wie hier - die Pflegeeinrichtung jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Überprüfung durch die Pflegekasse tatsächlich ihren nach § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. in Verbindung mit Ziffer 9 Abs. 1 und Abs. 2 Prämien – Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 obliegenden Mitteilungsverpflichtungen nachgekommen ist. In einem solchen Fall verbliebe der Beklagten lediglich die Möglichkeit, nach Prüfung des Inhalts der Mitteilung weitere Nachweise anzufordern oder ggf. bei Erfüllung der in Abs. 4 der Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 enthaltenen Voraussetzungen die an die Klägerin ausgezahlten Prämien entsprechend der in Ziffer Abs. 4 S. 3 Prämien-Festlegungen Teil 1 erteilten Ermächtigung ganz oder teilweise zurückzufordern.

Ginge man dagegen mit der Beklagten davon aus, dass allein die Versäumung der Mitteilungsfrist sie zu einer vollständigen Rückforderung der an die Klägerin ausgezahlten Corona-Prämien verpflichtet, würde ein beachtlicher Verstoß gegen höherrangiges Recht vorliegen, welcher ebenfalls zu einer ermächtigungs- und verfassungskonformen Beschränkung der in Ziffer 9 Abs. 6 Prämien – Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 zwingen würde. Dies beruht darauf, dass die Klägerin vom Gesetzgeber lediglich als Zahlstelle für die Berechnung und Auszahlung der Corona-Prämie in Anspruch genommen worden ist, und es mit dem Sinn und Zweck der Regelungen des § 150a SGB XI a.F., nämlich dem Personal von Pflegeeinrichtungen eine Sonderleistung in Geld aus der sozialen Pflegeversicherung zuzuwenden, nicht vereinbar wäre, die Pflegeeinrichtung, obwohl diese nachweislich die von den Pflegekassen ausgezahlte Corona-Prämie an ihre Beschäftigten zweck- und fristgerecht ausgezahlt hat, allein aufgrund einer Versäumung der Mitteilungspflicht zu einer Rückzahlung der Corona-Prämie zu verpflichten. Hierin läge letztlich ein Verstoß gegen die in Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz geregelte Bindung an Gesetz und Recht, und wäre eine solche Regelung im Übrigen auch nicht mit dem Schutz des Eigentums in Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar. Ergebnis der Rückforderung wäre nämlich, dass die Klägerin – trotz der in Form der Mitteilung nachgewiesen Zweckerreichung – im Ergebnis anstelle der Pflege- bzw. der Krankenversicherung alleine die finanziellen Lasten der an ihre Beschäftigten weitergeleiten staatliche Sonderleistung tragen müsste, ohne das es hierfür einen sachlich gerechtfertigten Grund geben würde. Denn die Pflegekasse wäre aufgrund des tatsächlichen Vorliegens der erforderlichen Mitteilung trotz der zwischenzeitlichen Versäumung der Übermittelungsfrist dennoch in der Lage, im Zeitpunkt der Rückforderung die erforderliche Prüfung der zweckentsprechenden Weiterleitung der (voraus-)gezahlten Prämien durchzuführen bzw. einen erforderlichen Ausgleich zu viel oder zu wenig gezahlter Beträge herbeizuführen.

Der beschriebene Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben in § 150a SGB XI a.F. kann allerdings durch eine ermächtigungs- und verfassungskonforme Beschränkung des Anwendungsbereiches der Regelung in Ziffer 9 Absatz 6 Prämien-Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 insoweit aufgelöst werden, als die Pflegekasse im Rahmen der Prüfung einer Rückforderung verpflichtet ist, alle ihr zum Zeitpunkt der Rückforderungsentscheidung zugegangenen Erklärungen der Pflegeeinrichtungen ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Zeitpunkt des Zugangs zu berücksichtigen. Der Anwendungsbereich des Rückforderungstatbestandes des Absatz 6 der Ziffer 9 der Prämien-Festlegungen Teil 1 ist daher ermächtigungskonform auf die Fälle eingeschränkt, in denen die Pflegeeinrichtungen oder die in § 150a Abs. 1 S. 2 SGB XI genannte Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides ihren nach § 150a Abs. 7 S. 8 SGB XI a.F. in Verbindung mit Ziffer 9 Abs. 1 und Abs. 2 Prämien – Festlegungen Teil 1 vom 29. Mai 2020 obliegenden Mitteilungsverpflichtungen tatsächlich (noch) nicht nachgekommen sind. Dies war hier unstreitig nicht der Fall.

Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass weder die von der Beklagten nicht näher bezeichnete Entscheidung des Sozialgerichts Cottbus (vermutlich Gerichtsbescheid vom 24. November 2022, S 16 P 43/21) noch die von der Klägerin angeführten Urteile der Sozialgerichte Augsburg und München vom 2. Juni 2022 bzw. 29. November 2022 (wie auch ein hiermit korrelierendes Urteil des SG München vom 29. November 2022, S 44 P 195/22) für die vorliegende Entscheidung relevant sind (ebenso SG Neubrandenburg, Urteil vom 6. Januar 2025 – S 2 P 28/23), weil die Entscheidungen einen anderen Gegenstand, nämlich die Auslegung des § 150 Abs. 3 SGB XI i.V.m. Ziff. 3 Abs. 7 der Kostenerstattungs-Festlegungen betrafen und die dort zu beurteilenden Fallgestaltungen und Regelungen mit der vorliegenden Sach- und Rechtslage nicht vergleichbar sind.

(2) Unter Berücksichtigung der durch die Kammer angenommenen fehlenden Berechtigung der Beklagten zur Rückforderung kann dahingestellt bleiben, dass der Rechtsmäßigkeit auch die Tatsache entgegensteht, dass die Beklagte die Klägerin vor Erlass des Rückforderungsbescheides nicht angehört hat.

Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist nämlich diesem gemäß § 24 Abs. 1 SGB X die Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Bescheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Zwar kann die unterlassene Anhörung gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X nach ständiger Rechtsprechung insoweit geheilt werden, als ein nachfolgend durchgeführtes Widerspruchsverfahren die förmliche Anhörung ersetzt, wenn dem bis dahin nicht ausreichend angehörten Beteiligten in diesem Rahmen im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X „Gelegenheit … (ge)geben“ wird, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen sachgerecht zu äußern (stRspr, Schütze/Schütze, 9. Aufl. 2020, SGB X § 41 Rn. 15, beck-online, mit weitere Nachweisen). Hierzu ist notwendig, dass der Verwaltungsträger die entscheidungserheblichen Tatsachen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet, dass er sie als solche erkennen und sich zu ihnen, ggf. nach ergänzenden Anfragen bei der Behörde, sachgerecht äußern kann. Dies ist dann der Fall, wenn – wie hier - die Begründung des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides selbst alle Tatsachen enthält, auf die es nach der Rechtsansicht der Behörde für den Verfügungssatz objektiv ankommt. Durch den Erlass des Widerspruchsbescheides ist der Fehler jedoch nur dann geheilt, wenn der Betroffene aus der Begründung des Verwaltungsaktes wissen kann, welche Tatsachen entscheidungserheblich sind, wenn er durch die Rechtsbehelfsbelehrung auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen wurde und wenn sein Vorbringen im Widerspruchsbescheid auch gewürdigt wird (Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 41 SGB X (Stand: 15.11.2023), Rn. 56). Hieran fehlt es jedoch insoweit, als das Rückforderungsschreiben vom 5. April 2023 tatsächlich nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, sondern lediglich mit einer Aufforderung zur Überweisung des Rückforderungsbetrages versehen war. Ob unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßgaben der Anhörungsmangel durch die tatsächliche Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt werden konnte, brauchte von der Kammer jedoch nicht abschließend entschieden werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO und entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Weder die Klägerin noch die Beklagte zählen zu den in § 183 SGG aufgeführten Berechtigten. Da die Klägerin lediglich als Zahlstelle für die Corona-Prämien fungiert, zählt sie nicht zu den Leistungsempfängern im Sinne des § 183 S. 1 SGG. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass der Anspruch auf Auszahlung der Corona-Prämie ursprünglich von der Klägerin für die bei ihre Beschäftigten als sog. Verfahrensstandschafter geltend gemacht worden ist, denn in dem streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid werden nicht die Beschäftigten, sondern die Klägerin zur Rückzahlung der an sie ausgezahlten Corona-Prämien verpflichtet.

4. Das Rechtsmittel der Berufung bedurfte gemäß § 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG keiner ausdrücklichen Zulassung durch das Sozialgericht, weil der streitgegenständliche Bescheid eine Rückzahlung vom mehr als 750 € betrifft.

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published on 30/03/2011 00:00

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. August 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 20. Novem
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