Sozialgericht Speyer Urteil, 20. Mai 2016 - S 19 KR 350/15

ECLI:ECLI:DE:SGSPEYE:2016:0520.S19KR350.15.0A
bei uns veröffentlicht am20.05.2016

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Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2015 verurteilt, den Kläger mit einer ReWalk-Orthese (Exoskelett) des Herstellers A…M…Technologies GmbH zu versorgen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einer ReWalk-Orthese. Es handelt sich hierbei um eine motorbetriebene computergesteuerte Exoskelett-Orthese, die es Menschen mit einer Rückenmarksverletzung mittels einer Bewegungstechnologie für Hüfte und Knie ermöglicht, aufrecht zu stehen und zu gehen.

2

Der 1972 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er ist gelernter Bürokaufmann und ist aktuell auf 450 Euro-Basis in der Finanzbuchhaltung berufstätig. Ein behindertengerecht umgebautes Kraftfahrzeug kann er selbstständig fahren.

3

Der Kläger leidet nach einem Autounfall im Jahr 2006 an einer Querschnittslähmung (Paraplegie ab Th6). Auf Grund dieser Behinderung kann er weder stehen, gehen, aufstehen noch Treppen steigen. Er ist stets auf einen Rollstuhl angewiesen, um sich darin sitzend fortzubewegen. Zudem ist er seit 2013 durch die Beklagte mit einer Stehhilfe versorgt.

4

Im Zeitraum vom 14.07.2014 bis 15.08.2014 erfolgte in der A…-Klinik in F… auf Kosten der Beklagten eine Erprobung der begehrten ReWalk-Orthese.

5

Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der A…-Klinik F… vom 15.08.2014 mit Erprobungsbericht und einem Kostenvoranschlag der R… R.. GmbH vom 19.08.2014 über 71.958,35 Euro beantragte der Kläger daraufhin bei der Beklagten ein ReWalk P-System mit höhenverstellbaren Unterarmgehstützen mit anatomisch geformten Handgriffen.

6

Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz (MDK). In seinem Sozialmedizinischen Gutachten vom 01.09.2014 teilte der Arzt im MDK Dr. S... mit, bei der derzeitigen Erprobung verschiedener elektronisch gesteuerter Exoskelettsysteme mit Motorkraft würde von den Probanden das Stehen auf Augenhöhe als besonders angenehm angegeben und als Steigerung der Lebensqualität empfunden. Unstrittige Vorteile seien auch eine durch die Vertikalisierung zu erwartende Verbesserung der Gefäß-, Blasen- und Verdauungsfunktion durch orthostatisches Belastungstraining sowie eine Verbesserungsmöglichkeit der Rumpfstabilität und Verminderung der sekundären spinalen Spastiken. Diese Behandlungsziele würden nachvollziehbar auch für den Kläger angegeben. Nachteilig habe sich aber bei verschiedenen Anwendungsbeobachtungen in Kliniken eine insgesamt schlechte Nutzerakzeptanz der verwendeten Geräte in der aktuellen Bauform und Funktionsweise gezeigt, die allesamt eine hohe körperliche Fitness zum Training und zum Gehen voraussetzten und passives und sicheres Gehen zur Zeit noch nicht ermöglichen würden. Während der Testphasen sei es häufig zu Druckstellen und Läsionen der Haut durch Scherkräfte unter der Orthesenvergurtung gekommen. Bislang erfolge noch keine evidenzbasierte medizinische Untersuchung der Anwendung im privaten Umfeld, die Alltagsvorteile für die behinderten Menschen durch die Systemanwendung belegten. Eine etablierte Hilfsmittelversorgung im Alltag sei mit solchen Systemen bislang nicht definiert. Eine lebensbedrohliche bzw. damit gleichgestellte oder regelmäßig tödliche Erkrankung, die für die Prüfung bei einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode maßgeblich sei, liege beim Kläger nicht vor. Aus sozialmedizinischer Sicht könne deshalb bei gleichzeitig nicht erkennbaren Alltagsvorteilen und alternativen Behandlungsmöglichkeiten kein Positivvotum für die beantragte Exoskelettversorgung gegeben werden. Alternative Versorgungsmöglichkeiten zur Ermöglichung der Vertikalisierung und der Kommunikation auf Augenhöhe bestünden in einem Stehgerät oder Aufstehrollstuhl.

7

Mit Bescheid vom 09.09.2014 lehnte die Beklagte unter Berufung auf die Angaben des MDK eine Kostenübernahme für die begehrte Ganzkörperorthese ab.

8

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15.09.2014 Widerspruch ein, wobei er sich auf die vom Bundessozialgericht (BSG) für den unmittelbaren Behinderungsausgleich entwickelten Maßstäbe berief. Das ReWalk-System ermögliche es ihm z.B., seine Frau im Stehen zu küssen, sein Gegenüber in den Arm zu nehmen. Es ermögliche ferner, einfach wieder auf einem Stuhl oder auf der Couch zu sitzen, ohne mit einem Rutschbrett hinüber rutschen zu müssen und dann wegen des Höhenunterschiedes nicht selbstständig wieder in den Rollstuhl zurück zu kommen. Außerdem ermögliche es einen Spaziergang mit Freunden oder das Vortragen von Präsentationen im Beruf. Der Kläger machte geltend, das Gehen zähle zu den menschlichen Grundbedürfnissen und könne von einem Stehgerät nicht geleistet werden. Das begehrte Hilfsmittel ermögliche nicht nur ein Aufstehen, sondern auch ein „mit Krücken Schritte gehen“. Dies sei eine derart signifikante Verbesserung der Versorgung, dass das Stehgerät durch das ReWalk-System ersetzt werden solle. Sein Grundbedürfnis nach Bewegung könne er mit den derzeit zur Verfügung gestellten Mitteln nicht vollständig befriedigen. Während des von der Beklagten genehmigten Klinikaufenthaltes habe er das System getestet und täglich trainiert. Er habe schnell Fortschritte gemacht und am Ende des Aufenthaltes fast ohne fremde Hilfe und Absicherung mit der Orthese frei laufen können. Der Kläger verwies hierzu auf die in der Klinik angefertigte Videodokumentation.

9

Auf Anforderung der Beklagte legte der Kläger zudem eine Stellungnahme der A…-Klinik F… vom 08.10.2014 vor, in der unter anderem ausgeführt wird, durch Erreichen einer zumindest zeitweisen Gehfähigkeit könnten die Risiken für Sekundärfolgen der Querschnittslähmung (Osteoporose, Dekubitus, Kontrakturen) gemindert werden und die inneren Organe unterstützt werden. Um ein gesundes Altern mit der Querschnittslähmung zu ermöglichen, sei es notwendig, möglichen Komplikationen möglichst frühzeitig entgegen zu wirken. Darüber hinaus werden in der Stellungnahme die Vorteile der Mobilisierung mit dem ReWalk-System gegenüber dem Stehtraining aufgeführt.

10

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch die MDK, die am 10.12.2014 durch den Arzt im MDK Dr. S… und Dr. E… (Leiter des BBZ K…) durchgeführt wurde. Während dieser Begutachtung stand das begehrte Hilfsmittel zur Verfügung. Die Ärzte des MDK bestätigten im Ergebnis, dass der Kläger das Exoskelett nutzen könne. Es sei ihm hiermit möglich, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Stehtraining durchzuführen. Weiterhin sei er in der Lage, sich mit dem Gerät stehend und gehend selbstbestimmt fortzubewegen. Zusammenfassend könne im Rahmen einer Einzelfallentscheidung der Krankenkasse die Versorgung empfohlen werden. Durch das Hilfsmittel könne der Kläger eigenbestimmt Mobilität erlangen und könne sich Freiräume erschließen, die unter Nutzung des Rollstuhls für ihn verschlossen blieben. Auch lasse sich ein eindeutiger therapeutischer Ansatz (Stehtraining, Gehen) ableiten. Derzeit benutze der Kläger einen Aktivrollstuhl, mit dem er sich problemlos und zügig fortbewegen könne. Er habe aber selbst vom Rollstuhl zur Orthese wechseln und diese eigenständig anlegen können. Lediglich beim Schnüren der Schuhe habe er Hilfe benötigt, wobei ihm dies bei Klettverschlüssen eigenständig möglich wäre. Nach Mitteilung der MDK-Ärzte konnte der Kläger bei der Begutachtung unter leichter Assistenz vom Hocker aufstehen und stabil stehen. Zudem war er in der Lage, die Orthese durch Vorverlagerung des Oberkörpers zu starten und weitgehend unabhängig von der Hilfsperson im Raum zu gehen und auch Richtungswechsel aktiv durchzuführen. Die Ärzte des MDK kamen zu der Einschätzung, dass die Eigenmobilität des Klägers unter weiterer Nutzung und Übung mit dem Hilfsmittel sicher noch verbessert werden könne.

11

Auf eine erneute Aufforderung durch die Beklagte nahm Dr. E… vom MDK nochmals in einem Sozialmedizinischen Gutachten vom 09.03.2015 Stellung. Er bestätigte erneut die Feststellung, dass der Kläger mit dem begehrten Hilfsmittel selbstbestimmt gehen könne. Erläuternd teilte er mit, dass nach Angaben des Herstellers Unterarmgehstützen zwingend zum Balance-Ausgleich benötigt würden. Ein Gehen ohne Unterarmgehstützen sei auch einem extrem geübten Nutzer nicht möglich. Der Arzt des MDK gab auf die entsprechende Nachfrage der Beklagten ausdrücklich an, dass ein unmittelbarer Behinderungsausgleich möglich sei. Der Kläger könne sich mit dem Exoskelett selbstbestimmt zu jedem Punkt im Raum bewegen. Auch sei es ihm durch die stehende Position möglich, Gegenstände zu erreichen, die sich oberhalb der Reichweite eines sitzenden Rollstuhlfahrers befänden. Eine Verbesserung der Basismobilität (mittelbarer Behinderungsausgleich) hingegen sei sicher nur bedingt möglich. Der Kläger benötige weiterhin einen Rollstuhl. Inwieweit er nach einem entsprechenden Training und besserer Gewöhnung weitere Strecken zurücklegen könne, die er im Moment mit dem Rollstuhl überwindet, bleibe abzuwarten und sei nur schwer abschätzbar. Es erscheine durchaus im Rahmen des Möglichen, dass Gehstrecken von über 500 Metern ermöglicht werden könnten. Es könne durch die Nutzung zudem drohender Behinderung vorgebeugt werden, indem Kontrakturen im Bereich der unteren Extremitäten vorgebeugt würde. Auch die Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung durch das begehrte Hilfsmittel bejahte der Gutachter. Eine Vertikalisierung sei mit Abstrichen auch mit einem Stehständer oder einem Stehrollstuhl möglich, wobei hier nur ein statisches Training erfolge. Die Durchbewegung der Gelenke könne eventuelle durch die Bereitstellung eines zusätzlichen Bewegungstrainers möglich.

12

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.2015 wies die Beklagte den Widerspruch gleichwohl zurück. Zur Begründung führte sie aus, der MDK sei in seinen Beurteilungen vom 01.09.2014, vom 10.12.2014 und vom 09.03.2015 zusammenfassend zu dem Ergebnis gekommen, dass die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung nicht erfüllt seien. So sei nach den Ausführungen der Gutachter für die Basismobilität auf jeden Fall ein Rollstuhl nötig. Inwieweit nach entsprechendem Training und besserer Gewöhnung an die ReWalk-Orthese weite Gehstrecken zurückgelegt werden könnten, wie bisher mit dem Rollstuhl, sei im Moment nur schwer abschätzbar. Die Vertikalisierung könne durch den vorhandenen Stehtrainer sichergestellt werden, auch sei ein Stehrollstuhl einsetzbar, der ein Stehtraining auch ohne Abhängigkeit von einer Hilfsperson ermögliche. Zusätzlich komme ein Bewegungstrainer in Frage. Durch diese Hilfsmittel sei die Sicherung der Krankenbehandlung (Vertikalisierung und Durchbewegen der Gelenke) möglich. Von der Notwendigkeit der beantragten Versorgung sei hingegen nicht auszugehen.

13

Hiergegen hat der Kläger am 23.06.2015 die vorliegende Klage erhoben. Er trägt vor, die bisherige Hilfsmittelversorgung bzw. die im Widerspruchsverfahren vorgeschlagene Nutzung eines Bewegungstrainers sei nicht zweckmäßig, da beides keinen optimalen Behinderungsausgleich nach dem aktuellen medizinisch-technischen Stand gewährleiste. Er sei nach der ausgiebigen Erprobung der begehrten ReWalk-Orthese in der Lage, selbstständig aufzustehen, zu gehen und zu stehen. Er könne mit der Orthese sogar Treppen steigen. Es handele sich um ein komplex und mehrfach wirkendes Körperersatzstück. Es diene dem Ersatz der funktionslosen Körperteile des Geh-, Steh- und Stützapparates beim querschnittsgelähmten Menschen. Die Orthese sei auf den Ausgleich der mit der Querschnittslähmung verbundenen Behinderung selbst gerichtet und diene überdies der medizinischen Rehabilitation. Wegen dieses unmittelbaren Ansatzes zum Behinderungsausgleich seien die Voraussetzungen des Grundbedürfnisses des täglichen Lebens erfüllt. Die ReWalk-Orthese gewährleiste weitgehend die Deckung des Grundbedürfnisses auf ein möglichst sicheres, selbstständiges und gefahrloses Gehen, Stehen, Aufstehen und Treppensteigen, wie es bei nicht-behinderten Menschen durch die Funktion der Beine, des Beckens, der Hüften und des Rumpfes gegeben sei. Der durch die Querschnittslähmung bedingte körperliche Funktionsausfall werde mit dem begehrten Hilfsmittel in weitgehender Weise ausgeglichen. Die Orthese beseitige dabei praktisch die zahlreichen unterschiedlichen Funktionsdefizite allein, während ein Hilfsmittel wie der Rollstuhl oder die Stehhilfe jeweils nur ein Teil-Mobilitätsbedürfnis abdecken könne. Die bisherige Hilfsmittelversorgung sei daher unzureichend. Der Kläger verweist auf verschiedene Entscheidungen des BSG zum Behinderungsausgleich und macht geltend, eine Fortbewegung im Sitzen (Rollstuhl) sei mit einer Fortbewegung im Stehen (Exoskelett) nicht zu vergleichen, sodass der vorhandene Rollstuhl entgegen der Argumentation der Beklagten nicht ein gleiches Maß an Mobilität gewährleisten könne. Das Exoskelett gehe in seiner Wirkungsweise viel weiter als die vorgeschlagenen Hilfsmittel (Rollstuhl, Stehhilfe und Bewegungstrainer), da es eine Bewegung sämtlicher Gelenke unter der natürlichen Belastung des Körpergewichts gewährleiste. Es komme dem Behinderungsausgleich im Sinne eines möglichst weitgehenden Gleichziehens mit nicht behinderten Menschen deutlich näher. Nach Einsicht in die Verwaltungsvorgänge hat der Kläger zudem darauf hingewiesen, dass das MDK-Gutachten vom 09.03.2015 sein Leistungsbegehren stütze.

14

Während des Klageverfahrens übersandte das Sanitätshaus R… R… Fachhandel GmbH unter dem 22.09.2015 einen neuen Kostenvoranschlag auf Grund des vom Hersteller mittlerweile erhöhten Preises an die Beklagte. Der Kläger stellte klar, dass es sich hierbei nicht um einen Neu-Antrag handele.

15

Der Kläger beantragt,

16

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2015 zu verurteilen, den Kläger mit einer ReWalk-Orthese (Exoskelett) des Herstellers A… M…T… GmbH zu versorgen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung trägt sie vor, das begehrte Exoskelett sei nicht erforderlich, um eine Behinderung auszugleichen. Es handele sich im vorliegenden Fall lediglich um einen mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das begehrte Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht werde. Der Kläger benötige Assistenz einer Begleitperson und Unterarmgehstützen. Somit sollten lediglich die Folgen einer Funktionsbeeinträchtigung der Beine ausgeglichen werden. Das hier betroffene Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasse die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und dem umliegenden Nahbereich, wobei Anknüpfungspunkt für die Reichweite des Nahbereichs der Wohnung der Bewegungsradius sei, den ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklege. Dies entspreche dem Umkreis, der mit einem von einem behinderten Menschen selbst betriebenen Aktivrollstuhl erreicht werden könne (Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.05.2011 - B 3 KR 12/10 R -). Das Exoskelett sei nicht erforderlich, um den Nahbereich in diesem Sinne zu erschließen, denn der Kläger sei mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl in der Lage, sich in dem beschriebenen Umkreis zu bewegen. Bei einer Gehstrecke von derzeit 10 bis 20 Metern bzw. bei guter Entwicklung möglicherweise 500 Metern könne mit dem Exoskelett nicht das Grundbedürfnis des Erschließens des Nahbereichs sichergestellt werden. Das Exoskelett sei nicht mit einer Prothese vergleichbar, da es kein Körperteil direkt ersetze. Die Beklagte ist der Auffassung, hiermit sei kein aktives Gehen möglich, vielmehr handele es sich um eine Sonderform der passiven Fortbewegung. Das Grundbedürfnis Gehen werde nicht befriedigt. Zwar bewege der Kläger sich selbstbestimmt fort, dies könne er jedoch auch mit einem Rollstuhl. Mit dem Exoskelett werde bestenfalls ein mittelbarer Behinderungsausgleich erzielt. Hierfür stünden aber andere Hilfsmittel zur Verfügung. Mit dem Exoskelett werde der Aktionsradius im Vergleich zum Rollstuhl nicht vergrößert, sondern es stelle im Nahbereich lediglich eine andere Art der Fortbewegung (aufrecht statt sitzend) dar. Die Körperfunktion „Gehen“ werde sowohl zeitlich als auch räumlich nur äußerst eingeschränkt ermöglicht, so dass kein adäquater Ersatz der ausgefallenen Körperfunktion vorliege. Ein Nutzer werde immer auf Unterarmgehstützen und in der Regel auf Unterstützung durch eine Hilfsperson angewiesen sein. Das Exoskelett sei nicht alltagstauglich, da es nur in einem kleinen Teilbereich des täglichen Lebens verwendet werden könne. Das An- und Ablegen sei aufwändig, im Einzelfall zwar selbstständig möglich, aber körperlich sehr belastend. Die Nutzungsdauer sei limitiert, da die Stabilisierung des Körpers ein hohes Maß an Koordination, Konzentration und Kraft erfordere. Der MDK habe in seinen Gutachten dargestellt, dass die selbstständige Mobilität insgesamt sehr gering bleiben werde. Sofern der Kläger sich im Idealfall alleine und ohne Anwesenheit weiterer Personen mit dem Exoskelett fortbewege, seien auch Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Andere Hersteller würden wegen der erhöhten Sturzgefahr vom Einsatz im häuslichen Bereich abraten. Vielmehr würden die Produkte ausschließlich als Therapiegerät zur Rehabilitation eingesetzt. Als Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich sei es nicht zu übernehmen, da der vorhandene Rollstuhl die einzige alltagstaugliche Möglichkeit zur Bewältigung längerer und kürzerer Strecken innerhalb und außerhalb des Hauses sei. Innerhalb der Wohnung sei eine kurzzeitige Nutzung des Exoskeletts zur Überwindung von kurzen Strecken zwar vorstellbar, durch die Notwendigkeit, das Exoskelett zuvor aufwändig anzulegen, sei die Nutzung allerdings zeitlich sehr limitiert. Das Bewältigen von Treppen sei nur im Ausnahmefall möglich, da es sehr anstrengend und mit einer erheblichen Sturzgefahr verbunden sei. Eine alltagsrelevante Nutzung zur Befriedigung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens sei daher wenig wahrscheinlich. Da der Kläger die Arme zum Abstützen auf den Unterarmgehstützen benötige, seien alltagsrelevante Verrichtungen nicht möglich. Daher trage die aufrechte Position nicht zur Erweiterung der Möglichkeiten bei Alltagsverrichtungen bei.

20

Da die Thematik bereits beim GKV Spitzenverband Bund beraten werde und der Medizinische Dienst der Spitzenverbände (MDS) mit der Erstellung eines Grundsatzgutachtens beauftragt worden sei, regte die Beklagte ein Ruhen des Verfahrens an.

21

Der Kläger lehnte ein Ruhen des Verfahrens ab, da Intention des zu erwartenden Grundsatzgutachtens lediglich die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis sein könne. Der Versorgungsanspruch des Klägers werde hiervon aber nicht beeinflusst. Der Kläger tritt der rechtlichen Einschätzung der Beklagten, es handele sich lediglich um einen mittelbaren Behinderungsausgleich, entgegen. Das Exoskelett ermögliche ihm das selbstständige Aufstehen aus sitzender Position, das Stehen und Gehen, ja sogar das Treppensteigen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung lasse für den unmittelbaren Behinderungsausgleich ausreichen, dass die durch die Behinderung weggefallene Körperfunktion auch nur teilweise wieder ermöglicht werde. Ein vollständiges Gleichziehen mit den nahezu unbeschränkten Möglichkeiten Nichtbehinderter sei nicht erforderlich (Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 13/13 R -). Dass der Kläger für die sichere Anwendung auf Unterarmgehstützen angewiesen sei, stehe dem unmittelbaren Behinderungsausgleich nicht entgegen. Zudem gehe das begehrte Hilfsmittel über die Anwendung beispielsweise einer Unterschenkelprothese noch hinaus: Es lasse die Beine gehen, ohne auf künstliche Körperersatzstücke angewiesen zu sein. Es gewährleiste somit ein dem natürlichen Gehvorgang sehr nahekommendes Gehen des Querschnittsgelähmten. Die Notwendigkeit einer sichernden Begleitperson stehe dem selbstständigen Gehen mit dem Exoskelett nicht entgegen. Auch die meisten Menschen, die im Rollstuhl sitzen, seien auf Hilfe und Unterstützung angewiesen.

22

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden Auszüge der Videodokumentationen zur Erprobung im Jahr 2014 und zu einer kurz vor der Verhandlung erfolgten Erprobung eingesehen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet.

25

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Sachleistungsanspruch auf die Versorgung mit der begehrten ReWalk-Orthese (Exoskelett) als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Der Bescheid vom 09.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.2015, mit dem die Beklagte die Kostenübernahme ablehnte, ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.

I.

26

Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung für den hier geltend gemachten Anspruch ist das Neunte Buch des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX). Die beim Kläger bestehende Querschnittslähmung ist eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei der hier begehrten Versorgung mit einem Hilfsmittel handelt es sich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, da eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens ausgeglichen werden soll (vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX). Rehabilitationsträger hierfür ist unter anderem die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Gemäß § 26 Abs. 1 SGB IX werden zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen die erforderlichen Leistungen erbracht, um u.a. Behinderungen abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern oder auszugleichen.

27

Die Leistungspflicht der Beklagten ergibt sich vorliegend aus den Vorschriften des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) i.V.m. den Vorschriften des SGB IX, vgl. § 4 Abs. 2 und § 7 Satz 2 SGB IX. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des SGB V können nicht nur solche der §§ 40 f. SGB V (ambulante und stationäre Rehabilitationsleistungen in Einrichtungen) sein. In der Gesetzessystematik werden diese ausweislich der Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V und des § 27 Abs. 1 Nr. 6 SGB V ebenso wie etwa die Versorgung mit Hilfsmitteln (vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) zunächst den Leistungen der Krankenbehandlung zugeordnet. Daneben bestimmt § 11 Abs. 2 SGB V einen Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen), die notwendig sind, um eine Behinderung (vgl. § 2 Abs. 1 SGB IX) oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Für diese Leistungen verweist § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB V auf die Vorschriften des SGB IX, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist. Aus diesem Verweis wiederum ergibt sich, dass der Begriff der medizinischen Rehabilitation auch im SGB V in einem umfassenderen Sinne verstanden werden muss, als nur im Sinne einer Rehabilitation in Einrichtungen gemäß §§ 40 f. SGB V. Es fallen hierunter bei dem Ziel, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, insbesondere die in § 26 ff. SGB IX geregelten Leistungen.

28

Rechtsgrundlage für die Versorgung des Klägers durch die Beklagte mit der begehrten Orthese ist daher § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 6 und § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX.

II.

29

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung auch, müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V).

30

1. Für den Kläger ist die begehrte Orthese erforderlich, um die bestehende Behinderung auszugleichen, da sie u.a. der Wiederherstellung der Gehfähigkeit des Klägers dient. Daher kann der Kläger die Versorgung beanspruchen, obwohl der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) zu der begehrten ReWalk-Orthese noch keine positive Empfehlung in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V über den Einsatz im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode abgegeben hat.

31

Wäre die Versorgung nur im Sinne der Bereitstellung der Orthese zur Durchführung einer bestimmten Therapie beim Kläger erforderlich, wäre der Anspruch des Klägers auf ärztliche Behandlung an § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V zu messen. Eine solche Therapie wäre als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hätte. Ärztliche Behandlungsmethoden in diesem Sinne sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Als „neu" gilt dabei eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist (BSG, Urteil vom 27.09.2005 – B 1 KR 28/03 R –, Rn. 17; vgl. auch BSG, Urteil vom 12.08.2009 – B 3 KR 10/07 R – Rn. 18; alle Entscheidungen in Folgenden zitiert nach juris). Die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt erfasst dabei jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten Methode. Solange eine solche Therapie als neue Behandlungsmethode nicht zur Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen ist, werden auch die dabei eingesetzten Hilfsmittel nicht von der Leistungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst.

32

Hier kann offengelassen werden, ob die ReWalk-Orthese auch als Hilfsmittel im Rahmen einer bestimmten Therapie im beschriebenen Sinne eingesetzt werden kann und damit Bestandteil dieser Behandlungsmethode wäre, sodass es eines Positivvotums des GBA für diese neue Behandlungsmethode bedürfte. Denn im vorliegenden Fall dient die begehrte Versorgung des Klägers mit der Orthese jedenfalls (auch) dem Ausgleich seiner körperlichen (Geh-) Behinderung. Für Hilfsmittel, die dem Behinderungsausgleich dienen, ist aber weder eine Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis im Sinne des § 139 SGB V noch ein Votum des GBA nach § 135 SGB V erforderlich.

33

2. Der Kläger kann die Versorgung mit der ReWalk-Orthese gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 6 und § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich beanspruchen.

34

Zur Frage der Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich im Sinne der dritten Variante des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V (vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX) unterscheidet der 3. Senat des BSG in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BSG, Urteil vom 06.02.1997 – 3 RK 3/96 – [Druckbeatmungsgerät]; Urteil vom 25.06.2009 – B 3 KR 10/08 R – [Salzwasserprothese]; Urteil vom 18.05.2011 – B 3 KR 10/10 R – [Sportrollstuhl]; Urteil vom 21.03.2013 – B 3 KR 3/12 R – [Unterschenkel-Sportprothese] und Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 13/13 R – [Autoschwenksitz]) zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel unmittelbar dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst dient, und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird.

35

Aufgabe des mittelbaren Behinderungsausgleichs soll es dabei sein, einem behinderten Menschen, dessen Funktionsbeeinträchtigung durch medizinische Maßnahmen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung zu erleichtern (BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 13/13 R – [Autoschwenksitz], Rn. 20 m.w.N.). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich soll nach der Rechtsprechung des BSG von der GKV nur dann zu gewähren sein, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen elementaren Grundbedürfnissen eines Menschen zählt der 3. Senat des BSG jedenfalls das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 13/13 R – [Autoschwenksitz], Rn. 20 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Zur Erschließung des körperlichen Freiraums soll danach insbesondere die Fähigkeit gehören, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und sie zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (Versorgungswege, Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post).

36

Dabei ist anerkannt, dass der Ausfall einer Körperfunktion den Krankheitsbegriff im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt, so dass es zum Aufgabenbereich der GKV gehört, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen soweit wie möglich wiederherzustellen oder zu verbessern (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 13/13 R – [Autoschwenksitz], Rn. 19). Der Ausgleich der ausgefallenen Körperfunktion stellt daher immer einen Fall des unmittelbaren Behinderungsausgleichs dar.

37

Ungeachtet der Kritik an der vom 3. Senat des BSG vorgenommenen Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich und der Anknüpfung des letzteren an die allgemeinen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 25.02.2015 – B 3 KR 13/13 R – [Autoschwenksitz], Rn. 28 ff. mit Nachweisen auch zu kritischen Stimmen) ist dieser Rechtsprechung jedenfalls zuzustimmen, soweit eine Leistungspflicht der Krankenkassen hinsichtlich des sog. unmittelbaren Behinderungsausgleichs beschrieben wird, die sich an einer möglichst weitgehenden oder zumindest bestmöglichen Wiederherstellung der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion zu orientieren hat. Ein unmittelbarer Funktionsausgleich liegt danach vor, wenn das Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion ausgleicht, indem es die Ausübung der Körperfunktion selbst ermöglicht, ersetzt oder zumindest erleichtert (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R – [Hörgerät], Rn. 15). Dabei zielt der Anspruch des Versicherten auf einen möglichst vollständigen funktionellen Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (BSG, Urteil vom 25.06.2009 - B 3 KR 10/08 R - [Salzwasserprothese]). Die Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion sei bereits als solche ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens (so schon BSG, Urteil vom 25.06.2009 - B 3 KR 10/08 R - [Salzwasserprothese]; Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R – [Hörgerät] und Urteil vom 29.04.2010 - B 3 KR 5/09 R – [Lichtsignalanlage]). Die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel kann daher nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSG, Urteil vom 06.06.2002 - B 3 KR 68/01 R – [C-Leg] und Urteil vom 25.06.2009 - B 3 KR 10/08 R - [Salzwasserprothese]; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R – [Hörgerät]). Der Leistungsanspruch hinsichtlich eines fortschrittlicheren Hilfsmittels wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein vollständiges Gleichziehen mit einem gesunden Versicherten auch damit nicht erreicht werden kann. Das beanspruchte Hilfsmittel muss das von der Behinderung betroffene Körperteil nicht rekonstruieren oder die von der Behinderung betroffene Körperfunktion nicht vollständig ersetzen, sondern es genügt, wenn es einen Ausgleich für den entsprechenden Funktionsverlust bringt (Beck in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 33 SGB V, Rn. 25 f.).

38

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes zielt die Versorgung des Klägers mit der begehrten ReWalk-Orthese auf die Wiederherstellung der auf Grund der Querschnittslähmung ausgefallenen Funktion seines Stütz- und Bewegungsapparates, insbesondere betreffend die Fähigkeit zu gehen, zu stehen, sich hinzusetzen und wieder aufzustehen. Damit werden anders als etwa bei einer Beinprothese zwar nicht fehlende Körperteile ersetzt, aber es wird die ausgefallene Funktion der beteiligten Körperteile möglichst weitgehend wiederhergestellt. Dabei handelt es sich um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich und nicht nur – wie die Beklagte geltend gemacht hat – um eine Sonderform der passiven Fortbewegung. Der Umstand, dass der Kläger möglicherweise weiterhin Assistenz, jedenfalls aber Unterarmgehstützen benötigt, ändert nichts daran, dass er mithilfe der ReWalk-Orthese in die Lage versetzt wird, selbstbestimmt zu gehen. Allein die Wiederherstellung der Gehfähigkeit aber ist (als anerkanntes Grundbedürfnis des täglichen Lebens) bereits geeignet, die objektive Notwendigkeit der Versorgung zu begründen. Ob das weitere, von der Rechtsprechung anerkannte und von der Beklagten in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellte Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums mit der Orthese, oder aber auch in Zukunft nur durch die weitere Nutzung eines Rollstuhles sichergestellt werden kann, ist für die Leistungspflicht der Beklagten im hier zu entscheidenden Fall daher nicht entscheidend.

39

3. Die begehrte ReWalk-Orthese ist für den unmittelbaren Behinderungsausgleich des Klägers betreffend seine Fähigkeit zu gehen, zu stehen, sich hinzusetzen und wieder aufzustehen auch geeignet und im Einzelfall erforderlich. Die subjektive Erforderlichkeit eines Hilfsmittels ist dann gegeben, wenn im konkreten Fall die begehrte Versorgung geeignet ist, eines der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V bzw. in § 26 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX beschriebenen Ziele (hier also einen Behinderungsausgleich) zu erreichen und keine wirtschaftlichere Alternative besteht.

40

Dass der Kläger das begehrte Hilfsmittel nutzen kann, hat er bereits während der von der Beklagten finanzierten Erprobung in der A…-Klinik in F… im Jahr 2014 gezeigt. Ausweislich des bei der Antragstellung vorgelegten Erprobungsberichtes der Klinik war dem Kläger bereits am Ende der Erprobung (unter optimalen Bedingungen mit Supervision) der Transfer zum Exoskelett, das Anlegen der Fixiergurte und der Schuhe selbstständig möglich. Im Verlauf zeigte sich eine kontinuierliche Verbesserung. Die Bedienung der Steuereinheit bewältigte der Kläger bereits damals selbstständig. Die maximale Gehstrecke ohne Sitzpause betrug 140 Meter im Innenbereich oder auf ebenem Untergrund im Außenbereich, davon mindestens 30 Meter ohne ungewollten Stopp. Durch die Verbesserung der intermuskulären Koordination der Bewegungsabläufe war im Laufe der Zeit keine Unterstützung am Rumpf mehr erforderlich, aber intermittierend stabilisierende Sicherung am Becken. Der Kläger übernahm zunehmend mehr Kontrolle über Gewichtsverlagerungen, Balance und Richtungswechsel. Die erprobenden Ärzte gaben als kurzfristiges Ziel nach dem Abschluss des stationären Trainings die Benutzung des ReWalk-Exoskeletts mit Assistenz an. Mittelfristig werde das Erreichen einer stundenweisen selbstständigen Gehfähigkeit mit Begleitperson angestrebt.

41

Auch bei der Begutachtung durch den MDK am 10.12.2014 konnte der Kläger die Ärzte des MDK davon überzeugen, dass er das Exoskelett nutzen kann. Die Ärzte haben bestätigt, dass der Kläger sich mit dem Gerät stehend und gehend selbstbestimmt fortbewegen konnte und haben daher der Beklagten die Versorgung empfohlen. Durch das Hilfsmittel konnte der Kläger nach Mitteilung der Ärzte eigenbestimmt Mobilität erlangen und sich Freiräume erschließen, die unter Nutzung des Rollstuhls für ihn verschlossen blieben. Der Kläger wechselte selbst vom Rollstuhl zur Orthese und legte diese eigenständig an. Er konnte bei der Begutachtung unter leichter Assistenz vom Hocker aufstehen und stabil stehen. Zudem war er in der Lage, die Orthese durch Vorverlagerung des Oberkörpers zu starten und weitgehend unabhängig von der Hilfsperson im Raum zu gehen und auch Richtungswechsel aktiv durchzuführen. Die Ärzte des MDK prognostizierten im Ergebnis der Begutachtung, dass die Eigenmobilität des Klägers unter weiterer Nutzung und Übung mit dem Hilfsmittel sicher noch verbessert werden könne. Auch im Rahmen der erneuten Stellungnahme vom 09.03.2015 bestätigte der Arzt des MDK die Feststellung, dass der Kläger mit dem begehrten Hilfsmittel selbstbestimmt gehen konnte. Auf die entsprechende Nachfrage der Beklagten gab der Arzt ausdrücklich an, dass ein unmittelbarer Behinderungsausgleich möglich sei. Der Kläger könne sich mit dem Exoskelett selbstbestimmt zu jedem Punkt im Raum bewegen. Auch sei es ihm durch die stehende Position möglich, Gegenstände zu erreichen, die sich oberhalb der Reichweite eines sitzenden Rollstuhlfahrers befänden.

42

Anhand der vorliegenden Videodokumentationen konnte sich die Kammer zudem einen eigenen Eindruck davon verschaffen, dass es dem Kläger unter Nutzung der begehrten ReWalk-Orthese möglich ist, selbstständig zu gehen und zu stehen.

43

In Anbetracht dessen ist die begehrte Orthese für den angestrebten Behinderungsausgleich betreffend insbesondere die Geh- und Stehfähigkeit geeignet.

44

4. Die Erforderlichkeit im Einzelfall ergibt sich daraus, dass der Kläger auf andere Weise nicht in die Lage versetzt werden kann, die verlorene Fähigkeit des Gehens, Stehens, Hinsetzens und wieder Aufstehens auszugleichen. Auch wenn nicht absehbar ist, ob der Kläger die Orthese nach einer gewissen Zeit der Gewöhnung und des Trainings mehr als nur ein paar Stunden täglich wird nutzen können, entfällt deshalb nicht die Erforderlichkeit der Versorgung. Für den Kläger, der auf Grund der bestehenden Querschnittslähmung sein Leben lang darauf angewiesen sein wird, sich im Rollstuhl fortzubewegen, ist selbst die Möglichkeit, für wenige Stunden am Tag aufrecht zu gehen, ein nachvollziehbar großer und damit alltagsrelevanter Bewegungszugewinn. Ungeachtet der Frage, wie lange und wie weit ein selbstständiges Gehen und Stehen am Tag gelingen wird, handelt es sich aus der Perspektive eines von einer Querschnittslähmung Betroffenen um einen wesentlichen Funktionszugewinn, der sich potentiell in allen Bereichen des täglichen Lebens auswirken kann. Der Kläger kann die Orthese zur Herstellung seiner Gehfähigkeit sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich einsetzen. Der Einwand der Beklagten, es sei keine vollständige Selbstständigkeit des Klägers erreichbar, vermag an der Notwendigkeit der Versorgung nichts zu ändern, denn ein Gleichziehen mit Nichtbehinderten ist nur das Ziel des anzustrebenden möglichst vollständigen funktionellen Ausgleichs, nicht aber die Voraussetzung für die Versorgung. Der Umstand, dass der Kläger aufgrund der bestehenden Behinderung voraussichtlich weiterhin auf Hilfestellungen angewiesen sein wird, vermag die Verweigerung einer den Funktionsausfall besser ausgleichenden Versorgung daher nicht zu rechtfertigen.

45

5. Dem Sachleistungsanspruch des Klägers auf Versorgung mit der begehrten ReWalk-Orthese stehen Fragen der Wirtschaftlichkeit nicht entgegen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 SGB V verankert. § 12 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Wählen Versicherte Hilfsmittel, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V; ebenso § 31 Abs. 3 SGB IX). Krankenkassen haben nach der Rechtsprechung des 3. Senates des BSG insofern nicht für solche Verbesserungen aufzukommen, die keine Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels bzw. lediglich ästhetische Vorteile betreffen (vgl. nur BSG, Urteil vom 16.09.2004 – B 3 KR 20/04 R – [C-Leg II], Urteil vom 25.06.2009 - B 3 KR 10/08 R – [Salzwasserprothese]; Urteil vom 21.03.2013 – B 3 KR 3/12 R – [Unterschenkel-Sportprothese]; Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R – [Hörgerät], Rn. 21 und Urteil vom 24.01.2013 – B 3 KR 5/12 R – [Hörgerät II], Rn. 34). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist dabei aber grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn mehrere tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (BSG, Urteil vom 06.06.2002 - B 3 KR 68/01 R – [C-Leg]; Urteil vom 25.06.2009 - B 3 KR 4/08 R – [GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen]; Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KR 6/08 R – [Kraftknoten] und Urteil vom 25.06.2009 - B 3 KR 10/08 R – [Salzwasserprothese]). Eine Begrenzung eines bestehenden Sachleistungsanspruchs durch das Wirtschaftlichkeitsgebot kann also erst dann greifen, wenn es mehrere funktionell zumindest gleich geeignete Versorgungsmöglichkeiten gibt. Dann hat der Versicherte lediglich einen Anspruch auf die preiswertere Versorgung.

46

Eine andere, gleich geeignete Versorgung, mit der der Behinderungsausgleich des Klägers in vergleichbarer Weise möglich wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere bleibt die bisherige Versorgung des Klägers mit dem Aktiv-Rollstuhl und dem Stehständer ebenso wie das Angebot der Beklagten, einen Stehrollstuhl oder einen Bewegungstrainer zur Verfügung zu stellen, weit hinter dem mit der begehrten ReWalk-Orthese möglichen Behinderungsausgleich im Sinne des selbstständigen Gehens zurück. Mangels einer gleichwertigen Versorgungsalternative greifen Wirtschaftlichkeitserwägungen daher nicht ein.

47

Bei der Versorgung des Klägers mit der beantragten ReWalk-Orthese ist die gesetzliche Zuzahlung in Höhe von 10 Euro gemäß §§ 33 Abs. 8, 61 SGB V zu berücksichtigen. Die Zuzahlungspflicht entfällt unter den Voraussetzungen des § 62 SGB V.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Speyer Urteil, 20. Mai 2016 - S 19 KR 350/15

Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Speyer Urteil, 20. Mai 2016 - S 19 KR 350/15

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m
Sozialgericht Speyer Urteil, 20. Mai 2016 - S 19 KR 350/15 zitiert 19 §§.

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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erforder

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 33 Hilfsmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen od

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 135 Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 34 Ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel


(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 11 Leistungsarten


(1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen 1. bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i),2. zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 6 Rehabilitationsträger


(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein: 1. die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,2. die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3,3. die Träger der gesetzlichen

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 26 Gemeinsame Empfehlungen


(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen. (2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus geme

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 62 Belastungsgrenze


(1) Versicherte haben während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für d

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 139 Hilfsmittelverzeichnis, Qualitätssicherung bei Hilfsmitteln


(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 4 Leistungen zur Teilhabe


(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung 1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,2. Einschr

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 31 Leistungsort


Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausg

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 7 Vorbehalt abweichender Regelungen


(1) Die Vorschriften im Teil 1 gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen z

Referenzen - Urteile

Sozialgericht Speyer Urteil, 20. Mai 2016 - S 19 KR 350/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Sozialgericht Speyer Urteil, 20. Mai 2016 - S 19 KR 350/15 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 25. Feb. 2015 - B 3 KR 13/13 R

bei uns veröffentlicht am 25.02.2015

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2013 - B 3 KR 3/12 R

bei uns veröffentlicht am 21.03.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 24. Jan. 2013 - B 3 KR 5/12 R

bei uns veröffentlicht am 24.01.2013

Tenor Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 18. Mai 2011 - B 3 KR 10/10 R

bei uns veröffentlicht am 18.05.2011

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 18. Mai 2011 - B 3 KR 12/10 R

bei uns veröffentlicht am 18.05.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das La

Bundessozialgericht Urteil, 29. Apr. 2010 - B 3 KR 5/09 R

bei uns veröffentlicht am 29.04.2010

Tatbestand 1 Streitig ist die Bewilligung einer Lichtsignalanlage als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für eine hochgradig schwerhörige Versicherte

Referenzen

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Juni 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Anschaffungskosten für ein Rollstuhl-Bike.

2

Der 1968 geborene Kläger leidet seit einem Fahrradunfall mit contusio spinalis (traumatische Rückenmarksschädigung) an einer inkompletten Querschnittslähmung. Er ist mit einem manuell zu bewegenden Rollstuhl (Aktivrollstuhl), einem Rollator und Unterarmgehstützen versorgt. Im März 2005 beantragte er unter Vorlage eines Kostenvoranschlags der Firma S. GmbH und einer vertragsärztlichen Verordnung die Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike. Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die vorhandene Hilfsmittelversorgung des Klägers sei ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich (Bescheid vom 26.4.2005; Widerspruchsbescheid vom 20.9.2005). Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Kosten für das zwischenzeitlich selbstbeschaffte Rollstuhl-Bike in Höhe von 2619,81 Euro (Rechnung vom 10.6.2005) zu erstatten (Urteil vom 22.1.2009). Der Kläger könne mit dem Aktivrollstuhl lediglich eine zwischen 500 und 1000 m liegende Wegstrecke zurücklegen, was nach allgemeiner Lebenserfahrung zur Erschließung des Nahbereichs der Wohnung im Rahmen des allgemeinen Grundbedürfnisses auf Mobilität nicht ausreiche. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.6.2010). Das Rollstuhl-Bike sei zur Gewährleistung des allgemeinen Grundbedürfnisses auf Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums im Sinne des in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fallenden Basisausgleichs nicht erforderlich. Der Nahbereich der Wohnung beschreibe den Radius, den sich ein behinderter Versicherter noch mittels eines Aktivrollstuhls erschließen können müsse. Dies könne unter Rückgriff auf den für die Wegefähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Grenzwert von 500 m konkretisiert werden. Der Kläger sei nach den gutachterlichen Feststellungen selbst bei schlechter Tagesform in der Lage, in einem zeitlichen Rahmen von 20 Minuten eine deutlich über 500 m liegende Strecke mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl zu bewältigen. Dies sei zur Verwirklichung des Grundbedürfnisses auf Mobilität ausreichend.

3

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V). Das Rollstuhl-Bike sei im vorliegenden Einzelfall zum Ausgleich seiner Behinderung erforderlich, weil er aufgrund einer Kombination aus dauerhafter Behinderung und belastungsbedingt akuter Verschlechterung der Bewegung im Bereich der oberen Extremitäten nicht in der Lage sei, mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl den Nahbereich der Wohnung ohne übermäßige Anstrengung und schmerzfrei zu erschließen und damit sein allgemeines Grundbedürfnis auf Mobilität zu verwirklichen. Die abweichende Beurteilung des Leistungsanspruchs durch das LSG beruhe auf einer unzulässigen Übertragung eines nur für die Wegefähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Maßstabs. Allerdings sei selbst bei Anlegung dieses unzutreffenden Maßstabs seine Versorgung mit dem Rollstuhl-Bike erforderlich, weil er nicht in der Lage sei, eine Wegstrecke von 500 m in normalem Rollstuhltempo innerhalb von 20 Minuten zu bewältigen.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Juni 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22. Januar 2009 zurückzuweisen.

5

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die bisher vom LSG getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend über das auf Kostenerstattung gerichtete Klagebegehren entscheiden zu können.

7

1. Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V iVm § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX. Danach ist die Krankenkasse als Träger der medizinischen Rehabilitation zur Erstattung der Kosten für eine vom Versicherten selbst beschaffte Leistung ua dann verpflichtet, wenn sie diese zu Unrecht abgelehnt hat und zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang besteht (stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - Therapiedreirad, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 9 mwN). Die Frage, ob die begehrte Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, ist nach dem für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsrecht - für Leistungen der GKV somit nach den Bestimmungen des SGB V - zu beurteilen.

8

2. Maßgebende Vorschrift für die Leistungspflicht der GKV im Bereich der Hilfsmittelversorgung ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung, dh der Rechnungslegung am 10.6.2005 (zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem Kostenerstattungsanspruch vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - Therapiedreirad, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 10), geltenden Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf "die Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen. Hingegen ist weder die vertragsärztliche Verordnung (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) des begehrten Hilfsmittels noch seine Listung im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) verbindlich für die Leistungspflicht der Krankenkasse (stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 10 mwN).

9

Hiervon ausgehend ist das als Hilfsmittel zu qualifizierende Rollstuhl-Bike (vgl dazu unter 3.) zwar grundsätzlich nicht zur Sicherstellung der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Versorgungsziele erforderlich(vgl dazu unter 4.), weil es dem Versicherten eine Mobilität ermöglicht, die über den durch Leistungen der GKV zu gewährleistenden Bereich der medizinischen Rehabilitation hinausgeht. Allerdings kann anhand der vom LSG festgestellten und den Senat bindenden Tatsachen (§ 163 SGG) - insbesondere in medizinischer Hinsicht - nicht abschließend entschieden werden, ob im vorliegenden Einzelfall besondere qualitative Umstände vorliegen, die gleichwohl eine Leistungspflicht der Krankenkasse für das Rollstuhl-Bike begründen (vgl dazu unter 5. und 6.).

10

3. Einem Rollstuhl-Bike kann in Bezug auf erwachsene Versicherte nicht bereits - wie vom LSG angedeutet, aber mangels Entscheidungsrelevanz offen gelassen - die Eigenschaft als Hilfsmittel abgesprochen werden. Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sind alle sächlichen Mittel, die den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine bestehende Behinderung ausgleichen, selbst dann, wenn ihre Anwendung durch den Versicherten selbst sicherzustellen ist(BSGE 88, 204 = SozR 3-2500 § 33 Nr 41; BSGE 87, 105, 108 f = BSG SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 39 S 220). Diese Voraussetzungen erfüllt das Rollstuhl-Bike, denn die Hilfsmitteleigenschaft wird allein nach objektiven Kriterien bestimmt. Personenbezogene Merkmale - wie zB das Alter des Versicherten - sind hierfür nicht maßgebend. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung vom 16.9.1999 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185), wonach "ein Rollstuhl-Bike für Personen im Erwachsenenalter kein Hilfsmittel der gesetzlichen KV" ist. Mit dieser Aussage wollte der Senat nicht die Hilfsmitteleigenschaft des Rollstuhl-Bikes für erwachsene Versicherte in Frage stellen, sondern nur dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung der Versorgungsziele des § 33 SGB V im Einzelfall beurteilen.

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4. Grundsätzlich ist ein Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel der GKV nicht zur Gewährleistung der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Versorgungsziele - hier des Behinderungsausgleichs(§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V) - erforderlich. Der Behinderungsausgleich hat grundsätzlich zwei Zielrichtungen:

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a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (stRspr, vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 mwN - Badeprothese). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSG aaO; vgl auch BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 mwN - C-leg-Prothese). Die Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt in den Fällen der Erst- und Ersatzausstattung, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 - Badeprothese).

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b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V, § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (zum mittelbaren Behinderungsausgleich zuletzt: BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 18 mwN). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr zuletzt: BSG Urteile vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 13 ff mwN). Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 aaO und Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - aaO, jeweils mwN).

14

c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich im vorliegenden Fall um den mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das begehrte Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird, sondern lediglich die Folgen einer Funktionsbeeinträchtigung der Beine - hier in Form des eingeschränkten Geh- und Stehvermögens - ausgeglichen werden sollen.

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d) Das hier betroffene Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich (BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 20 ff mwN). Anknüpfungspunkt für die Reichweite des Nahbereichs der Wohnung ist der Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 15 - Elektrorollstuhl). Dies entspricht dem Umkreis, der mit einem vom behinderten Menschen selbst betriebenen Aktivrollstuhl erreicht werden kann (vgl zu diesem Maßstab BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 28 S 163 - Therapie-Tandem II; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 S 141 - Therapie-Tandem I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 26 - Rollstuhl-Boy). Die in früheren Entscheidungen angedeutete Möglichkeit, dass "zwischen dem durch einen Selbstfahrrollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder auch bei eingeschränktem Gesundheitszustand vor allem im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklegt, eine Lücke besteht, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen ist" (so noch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 27 - Rollstuhl-Boy), hat der Senat nicht weiter verfolgt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II).

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e) Für die Bestimmung des Nahbereichs gilt ein abstrakter, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängiger Maßstab (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 21 RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter PKW). Dem steht weder entgegen, dass nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V Hilfsmittel zu gewähren sind, wenn sie "im Einzelfall erforderlich sind", noch dass nach § 33 SGB I bei der Ausgestaltung von Rechten nach dem SGB "die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten" berücksichtigt werden müssen. Die Frage, ob ein Hilfsmittel der Sicherung menschlicher Grundbedürfnisse dient, betrifft dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Versorgungsziele. Diese Eignung und Erforderlichkeit zählt ebenso wie die Hilfsmitteleigenschaft und das Nichtvorliegen der in § 33 Abs 1 Satz 1, Halbs 2 SGB V formulierten Ausschlusstatbestände zu den objektiven, dh unabhängig vom konkreten Einzelfall zu beurteilenden Anspruchsvoraussetzungen. Hierfür ist allein die Zielsetzung des § 33 SGB V und somit die Abgrenzung der Leistungspflicht der GKV von der anderer Träger nach einem abstrakt-aufgabenbezogenen Maßstab ausschlaggebend. Die Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung "im Einzelfall" ist dagegen - ebenso wie deren Wirtschaftlichkeit - eine subjektbezogene Anspruchsvoraussetzung, die nach einem konkret-individuellen Maßstab beurteilt wird. Der in § 33 SGB I normierte Individualisierungsgrundsatz ist für den die Anspruchsvoraussetzungen des § 33 SGB V betreffenden Nahbereich bereits deshalb ohne Bedeutung, weil er ausschließlich für die Ausgestaltung sozialer Rechte gilt, seine Anwendung mithin auf die Rechtsfolgenseite einer im SGB geregelten Anspruchsgrundlage beschränkt ist(BSG SozR 4-7610 § 362 Nr 1 RdNr 11 f).

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f) Der Nahbereich wurde in der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht im Sinne einer Mindestwegstrecke bzw einer Entfernungsobergrenze festgelegt, sondern lediglich beispielhaft im Sinne der Fähigkeit konkretisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (stRspr, erstmals BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II; zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 15 - Barcodelesegerät); wobei allerdings die Fähigkeit, eine Wegstrecke von 100 m (BSG Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R - RdNr 16 - Therapie-Tandem IV) bzw 200 m (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 12 RdNr 15 - Liegedreirad) zurückzulegen, nicht als ausreichend zur Erschließung des Nahbereichs angesehen worden ist. Dagegen umfasst der von der GKV zu gewährleistende Basisausgleich nicht die Fähigkeit, weitere Wegstrecken, vergleichbar einem Radfahrer, Jogger oder Wanderer, zu bewältigen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 186 - Rollstuhl-Bike II). An diesen Grundsätzen hält der Senat weiterhin fest. Eine weitere Konkretisierung des Nahbereichs im Sinne einer Mindestwegstrecke ist vor dem Hintergrund des sich wandelnden Mobilitätsverhaltens (vgl Kurzfassung des Ergebnisberichts "Mobilität in Deutschland 2008", abrufbar unter www.mobilitaet-in-deutschland.de - recherchiert am 16.5.2011) weder tatsächlich möglich noch zur sachgerechten Anwendung des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V notwendig.

18

Für die Bestimmung des durch Hilfsmittel der GKV zu erschließenden Nahbereichs ist allein der Zweck des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V maßgebend. Dieser liegt in der Sicherstellung der in Satz 1 formulierten Versorgungsziele. Dabei soll mit dem Versorgungsziel des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V) grundsätzlich eine Gleichstellung des behinderten Menschen mit Nichtbehinderten erreicht werden, wobei allerdings im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs kein Gleichziehen mit den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten zu gewährleisten ist, sondern lediglich ein Aufschließen zu den Grundbedürfnissen eines nicht behinderten Menschen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike II), um die Zuständigkeit der GKV von der anderer Träger abzugrenzen. Von dieser Zielsetzung ausgehend sind dem der Zuständigkeitsabgrenzung der GKV von anderen Rehabilitationsträgern dienenden Nahbereich beim mittelbaren Behinderungsausgleich solche Wege zuzuordnen, die räumlich einen Bezug zur Wohnung und sachlich einen Bezug zu den Grundbedürfnissen der physischen und psychischen Gesundheit bzw der selbstständigen Lebensführung aufweisen. In räumlicher Hinsicht ist der Nahbereich auf den unmittelbaren Umkreis der Wohnung des Versicherten beschränkt (vgl zum Zusammenhang zwischen dem Grundbedürfnis auf Mobilität und dem Grundbedürfnis des selbstständigen Wohnens: BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 15). Diese ist Ausgangs- und Endpunkt der zum Nahbereich zählenden Wege, so dass die Mobilität für den Hin- und Rückweg durch Leistungen der GKV sicherzustellen ist. Hierfür sind allerdings nicht die konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen maßgebend, weil der Nahbereich ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens konkretisiert und somit die Eignung und Erforderlichkeit des Hilfsmittels als objektive Anspruchsvoraussetzung betrifft. Sachlich umfasst der Nahbereich gesundheitserhaltende Wege, Versorgungswege sowie elementare Freizeitwege. Zu den gesundheitserhaltenden Wegen zählen Entfernungen, die zur Aufrechterhaltung der physischen und psychischen Existenz zurückgelegt werden (zB Besuch von Ärzten und Therapeuten, Aufsuchen der Apotheke). Der Versorgungsweg umschreibt dagegen die Fähigkeit, die Wohnung zu verlassen, um die für die Grundbedürfnisse der selbstständigen Existenz und des selbstständigen Wohnens notwendigen Verrichtungen und Geschäfte (Einkauf, Post, Bank) wahrnehmen zu können. Die Mobilität für Freizeitwege ist in Abgrenzung zu der durch andere Leistungsträger sicherzustellenden Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft jedoch nur durch Leistungen der GKV abzudecken, wenn (und soweit) diese Wege von besonderer Bedeutung für die physische und psychische Gesundheit sind. In diesem Sinne zählen zu den Freizeitwegen Entfernungen, die bewältigt werden müssen, um die körperlichen Vitalfunktionen aufrechtzuerhalten (kurzer Spaziergang an der frischen Luft) und um sich einen für die seelische Gesundheit elementaren geistigen Freiraum zu erschließen (zB Gang zum Nachbarn zur Gewährleistung der Kommunikation oder zum Zeitungskiosk zur Wahrnehmung des Informationsbedürfnisses).

19

g) Dagegen sind die zur rentenversicherungsrechtlichen Wegefähigkeit und zum Nachteilsausgleich "G" entwickelten Maßstäbe aufgrund ihrer abweichenden Zweckbestimmung nicht geeignet, den für das Grundbedürfnis der Erschließung eines körperlichen Freiraums relevanten Nahbereich näher bzw in anderer Weise zu bestimmen.

20

aa) Die Wegefähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung, dh das gesundheitliche Vermögen, viermal am Tag eine Wegstrecke von 500 m in einem Zeitraum von 20 Minuten zurückzulegen (vgl BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 15; BSG Urteil vom 28.8.2002 - B 5 RJ 12/02 R - RdNr 13), ist ein wesentliches Kriterium für die Erwerbsfähigkeit. Sie betrifft Voraussetzungen für die Gewährung der Versicherungsleistung Rente. Bereits aus diesem Grund ist der für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltende Maßstab nicht zur Bestimmung der Leistungspflicht im Bereich der GKV-Rehabilitationsleistungen geeignet. Soweit entsprechend dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" (§ 9 Abs 1 Satz 2 SGB VI) zum Ausgleich einer eingeschränkten Wegefähigkeit Leistungen des Rentenversicherungsträgers zur (beruflichen) Rehabilitation erbracht werden, dienen diese Leistungen dem Zweck, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten bzw gesundheitlich bedingte Erwerbshindernisse zu beseitigen, und verfolgen daher einen erwerbsbezogenen Rehabilitationsansatz (§§ 9 Abs 1 SGB VI; § 6 Abs 1 Nr 4 iVm § 5 Nr 1, 2 SGB IX). Dagegen liegt den von der GKV zu erbringenden Leistungen der medizinischen Rehabilitation ein gesundheitsbezogener Rehabilitationsansatz zugrunde. Mit diesen Leistungen soll eine durch Krankheit bedingte Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abgewendet, beseitigt, gemildert, ausgeglichen, ihre Verschlimmerung verhütet oder ihre Folgen gemildert werden (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB V; § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 SGB IX). In diesem Sinne erschließen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dem Versicherten die Möglichkeiten - im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs allerdings nur in Bezug auf seine Grundbedürfnisse - eines nicht behinderten Menschen. Maßstab ist daher weder der erwerbsfähige noch der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ggf an der Grenze zur aufgehobenen Erwerbsfähigkeit stehende Versicherte, sondern der nichtbehinderte Mensch, so dass die Bestimmung des Nahbereichs anhand der zur rentenversicherungsrechtlichen Wegefähigkeit entwickelten Kriterien den Leistungsumfang des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in einer mit der Zweckrichtung der Norm nicht zu vereinbarenden Weise verkürzen würde.

21

bb) Der für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs mit dem Merkzeichen "G" geltende (Mobilitäts-)Maßstab kann aufgrund seiner abweichenden Zweckbestimmung ebenfalls nicht zur Konkretisierung des Nahbereichs herangezogen werden. Das Merkzeichen "G" wird zuerkannt, wenn infolge einer Einschränkung des Gehvermögens Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren bewältigt werden können (§ 146 Abs 1 Satz 1 SGB IX), wobei die "Wegstrecken im Ortsverkehr" von der Rechtsprechung iS einer Länge von bis zu 2 km bei einer Gehdauer von 30 Minuten konkretisiert worden sind (so schon BSGE 62, 273, 274 ff = SozR 3870 § 60 Nr 2 S 3 ff). Mit dem Merkzeichen "G" sollen Mehraufwendungen ausgeglichen werden, die einem gehbehinderten Menschen dadurch entstehen, dass er öfter als ein nicht behinderter Mensch - nämlich auch für kürzere und üblicherweise zu Fuß zu bewältigende Wegstrecken - auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist (BT-Drucks 8/2453, S 11 zu § 59 SchwbG; BSGE 62, 273, 276 f = SozR 3870 § 60 Nr 2 S 4; Dreher, ZfS 1986, 65, 67). Maßstab für die Gewährung des Nachteilsausgleichs ist damit zwar - ebenso wie bei den von der GKV zu erbringenden Leistungen - der nichtbehinderte Mensch. Allerdings gehen die mit der Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" verbundenen Vergünstigungen (unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr - § 145 iVm § 147 Abs 1 SGB IX) über den engeren Umkreis der Wohnung des behinderten Menschen hinaus, weil zum einen die den Ausgleich begründenden Wegstrecken nicht zwingend von der eigenen Wohnung ausgehen bzw zu ihr hinführen (Dreher, ZfS 1986, 65, 67) und zum anderen mit dem Merkzeichen "G" nicht nur Mobilitätsdefizite im Nahbereich der Wohnung, sondern darüber hinaus auch solche in Bezug auf Arbeitswege und Freizeitwege jeglicher Art ausgeglichen werden. Mit dem Merkzeichen "G" werden Nachteile des behinderten Menschen im Hinblick auf die "nahezu unbegrenzten Möglichkeiten" und nicht nur die Grundbedürfnisse eines nicht behinderten Menschen ausgeglichen. Für die Zuerkennung dieses Merkzeichens ist ein über den gesundheitsbezogenen Ansatz des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V hinausgehender teilhabebezogener Rehabilitationsansatz maßgebend. Infolgedessen ist im Rahmen des Nachteilsausgleichs "G" die Wegstrecke und somit die Entfernung im Sinne einer Mindestwegstrecke für die Leistungspflicht ausschlaggebend (Dreher, ZfS 1986, 65, 68 f), während im Anwendungsbereich des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V die Wegeart, dh der mit der Zurücklegung des Weges verbundene Zweck im Sinne des Mobilitätsziels, leistungsrechtlich von Bedeutung ist.

22

5. Hiervon ausgehend eröffnet das Rollstuhl-Bike dem behinderten Menschen grundsätzlich eine dem Radfahren vergleichbare und somit über den nach den dargelegten Grundsätzen (vgl unter 4. e und f) bestimmten Nahbereich hinausgehende Mobilität. Denn mit dem Rollstuhl-Bike können nicht nur die im Nahbereich der Wohnung liegenden Ziele erreicht, sondern darüber hinaus auch Arbeitswege und Freizeitwege jeglicher Art bewältigt werden. Allerdings sind Hilfsmittel, die dem Versicherten eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität ermöglichen, im Einzelfall gleichwohl von der Krankenkasse zu gewähren, wenn besondere qualitative Momente dieses "Mehr" an Mobilität erfordern. Solche besonderen qualitativen Momente liegen zB vor, wenn der Nahbereich ohne das begehrte Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist. So ist etwa die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte Hilfsmittel unzumutbar, wenn Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt werden können (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 24 - Elektrorollstuhl)oder wenn die hierfür benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. Andere Grundbedürfnisse, die eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität erfordern, sind vom Senat in der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 10 RdNr 16 - Reha-Kinderwagen; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 S 258 f - Therapiedreirad; SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 158 f - Rollstuhl-Bike I) sowie in der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten bei Bestehen einer besonderen gesundheitlichen Situation (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 RdNr 13 ff - schwenkbarer Autositz II)gesehen worden. Zur Beantwortung der Frage, ob besondere qualitative Umstände ausnahmsweise die Gewährung eines Rollstuhl-Bikes erfordern, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls maßgebend.

23

6. Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine über den Nahbereich hinausreichende Mobilität zur Verwirklichung eines anderen Grundbedürfnisses des 1968 geborenen Klägers notwendig ist. Allerdings reichen die vom LSG festgestellten Tatsachen nicht aus, um abschließend auch beurteilen zu können, ob der Kläger den Nahbereich ohne das begehrte Rollstuhl-Bike in zumutbarer Weise erschließen kann.

24

a) Zum einen fehlen ausreichende Feststellungen zum mobilitätsbezogenen körperlichen Leistungsvermögen des Klägers. Die insoweit vom LSG festgestellten medizinischen Tatsachen sind ausgehend von dem in Anlehnung an die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit gewählten Mobilitätsmaßstab und somit in einem für die Rechtsauffassung des Senats nicht genügenden Umfang ermittelt worden. Zudem sind diese Feststellungen teilweise widersprüchlich und daher für den Senat nicht bindend iS des § 163 SGG(zur fehlenden Bindungswirkung bei unklaren oder widersprüchlichen Feststellungen: BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 21 S 83; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 139 S 449). So hat das LSG im Tatbestand seines Urteils unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten ua festgestellt, der Kläger könne je nach Tagesform und Bodenbeschaffenheit eine Strecke von 500 bis 1000 m mit dem Aktivrollstuhl ohne Pause bewältigen, während es in demselben Absatz (Urteilsumdruck S 4, 3. Absatz) ausführt, der Kläger benötige für Strecken über 500 m eine Pause. Zur Notwendigkeit dieser Pausen heißt es sodann, der Sachverständige halte Pausen zwischen den zumutbar zurücklegbaren Wegen von fünf Minuten für erforderlich, während der Kläger selbst nur von maximal 40 Sekunden ausgehe (Urteilsumdruck S 12, 3. Absatz). Ungeachtet dieser Widersprüche wird unter Zugrundelegung des vom Senat für die Bestimmung des Nahbereichs gewählten Maßstabes festzustellen sein, welche Wegstrecken der Kläger mit den vorhandenen Hilfsmitteln am Stück zurücklegen kann, welche Strecke nach einer Pause erneut bewältigt werden kann sowie ob und in welchem Umfang sich die nach einer Pause fortgesetzte Wegstrecke verkürzt bzw sich die Pausen verlängern.

25

b) Zum anderen besteht Unklarheit darüber, unter welchen Umständen dem Kläger die Fortbewegung im Nahbereich möglich ist. Insoweit wird in medizinischer Hinsicht aufzuklären sein, ob bzw ab welcher Strecke die Fortbewegung zu gesundheitlichen Beschwerden iS von Schmerzen, Verkrampfungen uä führt und von welcher Intensität die Beschwerden sind. In diesem Zusammenhang ist auch zu ermitteln, ob die vom Kläger bei der Fortbewegung mit dem Aktivrollstuhl beschriebenen Beschwerden bei der Nutzung eines Rollstuhl-Bikes in gleicher Weise zu erwarten sind oder ob mit dessen Verwendung ein für das klägerische Krankheitsbild günstigerer Bewegungsablauf verbunden ist.

26

Sollten die nachzuholenden Ermittlungen ergeben, dass der Kläger - unabhängig von seinem konkreten Wohnumfeld - gesundheitlich in der Lage ist, eine Wegstrecke von 500 m bis 1000 m am Stück zurückzulegen und nach jeweils einer kurzen Pause wiederum entsprechende Strecken zu bewältigen und ist ihm diese Fortbewegung schmerzfrei und ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen möglich, kann von einer zumutbaren Erschließung des Nahbereichs ausgegangen werden. Sollten die weiteren Ermittlungen indes ergeben, dass der Kläger sich den Nahbereich in vorbezeichneter Weise mit der vorhandenen Hilfsmittelausstattung nicht zumutbar erschließen kann, müssen im Hinblick auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 12 Abs 1 SGB V) Feststellungen zu einer ebenso geeigneten, aber möglicherweise kostengünstigeren Alternativversorgung (zB mit einem restkraftunterstützenden Greifreifenantrieb) getroffen werden.

27

7. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren auf 3689,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Alleinerbe und Rechtsnachfolger seiner bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesenen Ehefrau Kostenerstattung für einen selbst beschafften Autoschwenksitz.

2

Die im Jahre 1930 geborene Versicherte litt an körperlichen Funktionseinschränkungen sowie an fortgeschrittener Demenz und konnte - mit Führung - nur noch wenige Schritte gehen. Ihr waren deshalb ua die Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), H (Hilflosigkeit) und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) zuerkannt. Von der beigeladenen Pflegekasse erhielt sie Leistungen nach der Pflegestufe III. Sie wurde bis zu ihrem Tod am 5.10.2010 von ihrem Ehemann zu Hause betreut und gepflegt; an vier und zuletzt an fünf Tagen pro Woche war sie tagsüber in einer Einrichtung der Tagespflege in G. untergebracht. Die Fahrten zur Tagespflegestätte und zurück wurden vom Kläger im eigenen Pkw durchgeführt, wobei der jedesmal notwendige Umstieg vom Rollstuhl auf den Beifahrersitz bei Fahrtbeginn und der umgekehrte Umstieg bei Fahrtende wegen der zunehmenden Bewegungseinschränkungen der Versicherten und ihrem Unvermögen zu jeder Form der Mithilfe beim Umsteigen immer aufwändiger wurde und von dem ebenfalls im Jahre 1930 geborenen Kläger kaum noch bewältigt werden konnte.

3

Am 13.2.2008 beantragte die Versicherte bei der Beklagten die Versorgung mit einem in den Pkw ihres Ehemannes einzubauenden Autoschwenksitz, um auf einfache Weise den Umstieg zwischen Rollstuhl und Beifahrersitz bewerkstelligen zu können. Ihr Ehemann müsse sie nicht nur in die - damals erst zweimal pro Woche aufgesuchte - Tagespflegeeinrichtung, sondern auch regelmäßig zu Ärzten in M. und G. fahren. Da sie ständiger Beaufsichtigung bedürfe und deshalb nicht allein gelassen werden könne, müsse sie auch bei Einkäufen und Freizeitaktivitäten immer im Pkw mitgenommen werden.

4

Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Versicherte mit einem Rollstuhl ausgestattet sei, der die vorhandenen Mobilitätsdefizite im allein maßgebenden Nahbereich der Wohnung hinreichend ausgleiche (Bescheid vom 19.2.2008). Die Versicherte ließ daraufhin auf eigene Kosten einen Autoschwenksitz auf der Beifahrerseite des Pkw einbauen (Rechnung vom 6.3.2008 über 3507,53 Euro), fügte dem Widerspruch eine vertragsärztliche Bescheinigung vom 28.2.2008 über die Notwendigkeit des Hilfsmittels bei und beantragte nunmehr Kostenerstattung. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.5.2008, Widerspruchsbescheid vom 16.7.2008), weil die Versicherte mit dem Rollstuhl zur Sicherung ihrer Mobilität ausreichend versorgt sei. Für die Transporte zwischen Wohnung und Tagespflegestätte könne die Versicherte einen Fahrdienst in Anspruch nehmen (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI), dessen Kosten von der Leistungspflicht der Pflegekassen nach Maßgabe der Monatshöchstbeträge des § 41 Abs 2 Satz 2 SGB XI umfasst seien.

5

Am 25.11.2009 ließ der Kläger den Schwenksitz für 875 Euro aus dem verkauften alten Pkw ausbauen und in sein neu erworbenes Fahrzeug einbauen. Nach dem Tod seiner Ehefrau verkaufte er dann den Schwenksitz für 800 Euro, wobei er für zwei Inserate, Telefonate und die Auslieferungsfahrt insgesamt 195 Euro aufgewandt hat. Zur Berechnung des Erstattungsanspruches reduzierte er die aufgewandten Kosten über 4382,53 Euro (3507,53 + 875 Euro) um die bei Hilfsmitteln übliche Eigenbeteiligung (§ 33 Abs 8 SGB V) und um den Wiederverkaufserlös (605 Euro); schließlich bezifferte er die Klageforderung auf 3689,65 Euro.

6

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.3.2012). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 8.3.2013): Die bei dem mittelbaren Behinderungsausgleich sicherzustellende Erreichbarkeit des Nahbereichs um die Wohnung sei durch die Ausstattung der Versicherten mit einem Rollstuhl gewährleistet gewesen. Auf die konkreten Verhältnisse im Wohnumfeld komme es dabei nicht an, sodass es ohne Bedeutung sei, welche Wegstrecke zum Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten zurückzulegen war. Die Wahrnehmung von Versorgungswegen (zB Einkäufe, Bankgeschäfte) sei wegen der Demenz der Versicherten ohnehin nicht in Betracht gekommen. Der Kläger habe seine Ehefrau im Pkw mitgenommen, weil er sie nicht allein in der Wohnung lassen konnte oder wollte. Die Empfehlung der behandelnden Ärztin, mit der Versicherten kleine Ausflüge zu unternehmen, rechtfertige die Hilfsmittelversorgung nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht, weil die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beim mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich nicht für die Mobilität außerhalb des Nahbereichs der Wohnung einzustehen habe. Auch für das Aufsuchen der Tagespflegeeinrichtung sei der Autoschwenksitz nicht erforderlich gewesen. Die teilstationäre Pflege umfasse auch die dabei anfallenden Transportkosten (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI). Soweit die Leistungsbeträge nach § 41 Abs 2 Satz 2 SGB XI für die Tagespflege und die Transporte nicht ausreichten, sei dies Ausdruck des grundsätzlich nicht auf volle Kostendeckung angelegten Systems der Pflegeversicherung. Mit dem Argument, die Kosten des Schwenksitzes seien auf Dauer günstiger als die Transportkosten von täglich 10,50 Euro, verkenne der Kläger die rechtliche und wirtschaftliche Trennung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse (§ 46 Abs 1 SGB XI). Die Transportkosten seien im Rahmen des § 33 SGB V unerheblich, weil die Beklagte hiermit nicht belastet werde.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Das LSG habe die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung zum mittelbaren Behinderungsausgleich zu eng gefasst. Die Mobilitätserfordernisse im Nahbereich um die Wohnung seien nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Gegebenheiten des Wohnumfeldes zu bestimmen. Mit der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten, von Einkaufsmöglichkeiten und auch von Pflegeeinrichtungen sei das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums selbst betroffen. Völlig unberücksichtigt geblieben sei auch das Bedürfnis demenzkranker Menschen, soziale Kontakte so lange wie möglich zu pflegen und zu erhalten.

8

Während des Revisionsverfahrens ist die Pflegekasse bei der AOK NORDWEST mit ihrer Zustimmung zum Rechtsstreit notwendig beigeladen worden (§ 75 Abs 2 SGG).

9

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 und des SG Münster vom 28. März 2012 zu ändern, die Bescheide der Beklagten vom 19. Februar 2008 und 14. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3689,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2010 zu zahlen.

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Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass ein Anspruch der Versicherten gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem Autoschwenksitz nicht bestanden hat. Auch die Beigeladene war nicht zur Leistung verpflichtet. Deshalb konnte durch die Selbstbeschaffung der Leistung ein Kostenerstattungsanspruch nicht entstehen. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 19.2.2008 und 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.7.2008 sind somit rechtmäßig.

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1. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift, die im Bereich der GKV unmittelbar und im Bereich der sozialen Pflegeversicherung entsprechend anzuwenden ist (vgl Krahmer in LPK-SGB XI, 4. Aufl 2014, § 4 RdNr 9 mwN), sind weder im Verhältnis zur Beklagten noch im Verhältnis zur Beigeladenen erfüllt, wobei im vorliegenden Fall ausschließlich die zweite Variante, also die Leistungsbeschaffung nach rechtswidriger Antragsablehnung, in Betracht zu ziehen war.

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a) Dabei ist festzuhalten, dass die Beklagte in dem Bescheid vom 14.5.2008 nicht nur die eigene Leistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V, sondern auch eine etwaige Leistungspflicht der Beigeladenen nach § 40 Abs 1 SGB XI geprüft und verneint hat. Die Beklagte hat damit eine Parallelprüfung vorgenommen, wie sie seit dem 1.1.2012 für Fälle der vorliegenden Art sogar gesetzlich vorgeschrieben ist: Nach § 40 Abs 5 Satz 1 SGB XI in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Versorgungsstrukturgesetz ) vom 22.12.2011 (BGBI I 2983) gilt nunmehr: "Für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die sowohl den in § 23 und § 33 des Fünften Buches als auch den in Absatz 1 genannten Zwecken dienen können, prüft der Leistungsträger, bei dem die Leistung beantragt wird, ob ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder der Pflegekasse besteht und entscheidet über die Bewilligung der Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel." Diese gesetzliche Zuständigkeitserweiterung des erstangegangenen Leistungsträgers galt hier zwar noch nicht, weil sich der Vorgang im Jahre 2008 abgespielt hat, aber dennoch muss sich die Beigeladene das Verwaltungshandeln der Beklagten wegen ihrer engen organisatorischen Verbindung (§ 46 Abs 1 Satz 2 SGB XI) und dem in solchen Fällen seinerzeit häufig zu beobachtenden Verzicht auf Erteilung eines eigenen Bescheids der Pflegekasse zurechnen lassen. Im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 40 Abs 1 SGB XI konnte sich der Kostenerstattungsanspruch analog § 13 Abs 3 SGB V also auch gegen die Beigeladene richten.

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b) Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V ist es unerheblich, ob der Kläger den Kaufpreis für den Autoschwenksitz und den Werklohn für dessen Einbau in den neuen Pkw aus eigenen Mitteln oder aus dem Vermögen seiner Ehefrau, der Versicherten, finanziert hat. Die Aktivlegitimation für den Kostenerstattungsanspruch lag unabhängig von dieser Finanzierungsfrage zunächst bei der Versicherten und nach deren Tod beim Kläger (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 8).

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2. Anspruchsgrundlage für das ursprüngliche Sachleistungsbegehren der Versicherten gegenüber der Beklagten ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Maßgeblich ist die Fassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 17 Buchst a des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V (Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis) aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Für den Versorgungsanspruch ist nicht entscheidend, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V, für Pflegehilfsmittel § 78 Abs 2 SGB XI) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11, 12, 32). Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V waren hier nicht erfüllt, weil der Autoschwenksitz zum Behinderungsausgleich nicht "erforderlich" war.

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a) Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V bestand nicht allein deshalb, weil der Autoschwenksitz als Hilfsmittel der GKV vertragsärztlich verordnet(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) worden ist. Es liegt zwar keine förmliche vertragsärztliche Verordnung vor, wohl aber eine Bescheinigung des Hausarztes über die aus seiner fachlichen Sicht gegebene Notwendigkeit des Hilfsmittels. Eine solche formlose Bescheinigung haben Vertragsärzte in der Vergangenheit immer dann verwendet, wenn es um ein Hilfsmittel ging, das nicht im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) aufgeführt war. Hintergrund war die bis zum 31.3.2007 geltende Regelung zum Hilfsmittelverzeichnis in § 128 SGB V(idF des Gesundheits-Reformgesetzes - GRG - vom 20.12.1988, BGBl I 2477), wonach in dem Verzeichnis "die" von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel aufzuführen waren. Dies wurde in der Praxis vielfach so verstanden, dass ein Vertragsarzt nur dann eine förmliche "Verordnung" iS des § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V ausstellen durfte, wenn das Hilfsmittel in dem Hilfsmittelverzeichnis gelistet war, und er ansonsten auf eine formlose "Bescheinigung" über die medizinische Erforderlichkeit eines (nicht gelisteten) Hilfsmittels zurückgreifen musste. Die Neuregelung der Bestimmungen zum Hilfsmittelverzeichnis durch den zum 1.4.2007 in Kraft getretenen § 139 SGB V(idF des GKV-WSG) hat das Ausweichen der Ärzte auf solche formlosen Bescheinigungen überflüssig gemacht, weil in § 139 Abs 1 Satz 2 SGB V nunmehr geregelt ist, dass in dem Verzeichnis "von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen" sind, die - von der Rechtsprechung des BSG immer wieder beanstandete - Einschränkung auf "die" von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel also entfallen ist(vgl Begründung zum Gesetzentwurf eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 150 zu Nr 116, § 139). Vertragsärzte können seit dem 1.4.2007 somit auch (noch) nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistete, aber im Einzelfall medizinisch notwendige Hilfsmittel förmlich verordnen (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V). Dabei können sie nun auch nicht mehr in Konflikt mit den - auch für sie verbindlichen (§ 91 Abs 6 SGB V idF des GKV-VStG, in Kraft ab 1.1.2012; bis 31.12.2011 § 91 Abs 9 idF des GKV-WSG) - Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinien) geraten, die in ihrer ursprünglichen Fassung vom 17.6.1992 (Beilage zum BAnz 1992, Nr 183b, 5 bis 18) in Übereinstimmung mit § 128 SGB V(idF des GRG) noch angeordnet hatten, dass nur solche Hilfsmittel verordnet werden dürfen, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind (vgl Teil A II b) Nr 8). Diese vom erkennenden Senat ebenfalls mehrfach als rechtswidrig beanstandete Einschränkung (BSG SozR 4-2500 § 127 Nr 2 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 26 RdNr 9) ist durch die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA; HilfsM-RL) vom 29.12.2011/15.3.2012 (BAnz AT vom 10.4.2012) gestrichen und durch eine den §§ 33 und 139 SGB V(idF des GKV-WSG) entsprechende offene Regelung ersetzt worden (vgl § 6 Abs 5 HilfsM-RL). Mit Blick auf die zunächst an die neue Fassung des § 139 SGB V nicht angepassten Richtlinien haben aber Vertragsärzte mitunter - und so auch hier - auch nach dem 1.4.2007 noch auf formlose "Bescheinigungen" zurückgegriffen, wenn sie nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistete Hilfsmittel verordnen wollten. Dies ist leistungsrechtlich jedoch unschädlich; denn eine solche Bescheinigung steht insoweit einer förmlichen "Verordnung" gleich.

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Den Krankenkassen steht allerdings ein eigenes Prüfungs- und Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V der medizinischen Rehabilitation dient, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung im Einzelfall erforderlich ist(BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 33 RdNr 10; Engelmann in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 139 RdNr 17); dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung einschalten (vgl § 275 Abs 3 Nr 1 SGB V; ebenso § 5 Abs 3 HilfsM-RL). Eine vertragsärztliche Verordnung wäre allenfalls dann für eine Krankenkasse verbindlich, wenn sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet hätte, was zB durch vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern bzw deren Verbänden möglich ist (§ 127 SGB V). Eine solche Vereinbarung ist für Autoschwenksitze nicht geschlossen worden.

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b) Ein Autoschwenksitz ist von einer Krankenkasse auch nicht schon deshalb als Hilfsmittel zu gewähren, weil ein Versicherter wegen seiner Gehunfähigkeit mit einem Rollstuhl versorgt worden ist und das Gerät die Funktion hat, einem gehunfähigen Versicherten, der sich nicht aus eigener Kraft auf den Beifahrersitz eines Pkw begeben kann, das Umsteigen vom Rollstuhl in den Pkw zu ermöglichen bzw zu erleichtern. Obwohl ein Autoschwenksitz also in der Regel nur in Kombination mit einem Rollstuhl eine Funktion hat und insofern als "Zusatzgerät" zum Rollstuhl bezeichnet werden kann, folgt aus der medizinisch-rehabilitativen Notwendigkeit des Rollstuhls noch nicht die Erforderlichkeit des Autoschwenksitzes als Hilfsmittel der GKV. Dieses Gerät hat im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - Behinderungsausgleichs (dritte Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) für einen gehunfähigen Versicherten eine eigenständige Bedeutung, weil es die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Rollstuhl erweitert, indem durch die Mitnahme in einem Pkw alle denkbaren Ziele auch außerhalb des Nahbereichs um die Wohnung erreicht werden können. Ein Autoschwenksitz hat also von seiner Konstruktion und seinem Verwendungszweck her einen eigenständigen Nutzen für den Versicherten und seine Begleitperson. Dieser Gebrauchsvorteil muss den Kriterien der Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zum Zwecke des Behinderungsausgleichs genügen und verlangt somit eine gesonderte, von der medizinisch-rehabilitativen Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhl unabhängige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen(so bereits BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 15 zur Treppensteighilfe).

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c) Zur Frage der Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich iS der dritten Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) wird stets unterschieden zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel unmittelbar dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst dient, und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird. Diese Differenzierung ist notwendig, weil unter Einbeziehung einer historischen Betrachtung unzweifelhaft ist, dass der Ausfall einer Körperfunktion den Krankheitsbegriff in der GKV erfüllt und es daher zum Aufgabenbereich der GKV gehört, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen soweit wie möglich wiederherzustellen oder zu verbessern.

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Beim mittelbaren Behinderungsausgleich geht es demgegenüber darum, einem behinderten Menschen, dessen Funktionsbeeinträchtigung durch medizinische Maßnahmen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung zu erleichtern. Dabei liegt es auf der Hand, dass es nicht Aufgabe der GKV sein kann, jegliche Behinderungsfolgen in allen Lebensbereichen auszugleichen. So ist es beispielsweise Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme, einen Ausgleich für spezielle berufliche Anforderungen zu schaffen. Es ist auch nicht Sache der GKV, alle Auswirkungen der Behinderung beispielsweise im Hinblick auf spezielle Sport- oder Freizeitinteressen durch Hilfsmittel auszugleichen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 23 - Druckbeatmungsgerät für Campingurlaub; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 - Salzwasserprothese; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 40 - Unterschenkel-Sportprothese). Auch nach dem der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewidmeten SGB IX ist die GKV nur für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie für unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, nicht aber für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständig (§ 6 Abs 1 Nr 1, § 5 SGB IX).

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Um hier den Aufgabenbereich der GKV abzugrenzen, ist ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich von der GKV nach ständiger Rechtsprechung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen elementaren Grundbedürfnissen eines Menschen gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 10 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zur Erschließung des körperlichen Freiraums gehört insbesondere die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und sie zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (Versorgungswege, zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

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Zu Wertungswidersprüchen führt die Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich nicht, da die durch den unmittelbaren Behinderungsausgleich bewirkte Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion bereits als solche ein Grundbedürfnis darstellt. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich kommt daher der Frage nach der Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens erst dann Bedeutung zu, wenn es nicht um die erstmalige Behebung eines Funktionsdefizits geht und auch nicht um die reine Ersatzbeschaffung, sondern um die Versorgung eines für den Behinderungsausgleich bereits ausreichend ausgestatteten Versicherten mit einem zweiten Hilfsmittel gleicher Art als Zweitausstattung, als Ausstattung für einen speziellen Zweck in Abgrenzung zur Ausstattung für das tägliche Leben oder mit einem technisch weiterentwickelten Hilfsmittel. Dabei kommt es auf den Umfang der mit dem neuen Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (zB computergestütztes statt mechanisches Kniegelenksystem, vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8).

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Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153); anderenfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183, 188 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15 - jeweils zum C-Leg).

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d) Im vorliegenden Fall geht es - wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl - nicht um den unmittelbaren, sondern um einen mittelbaren Behinderungsausgleich im Bereich der Mobilität, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (so zB bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur mit stützender Hilfe einer Begleitperson - einen Pkw zu besteigen und wieder zu verlassen.

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Das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst allerdings grundsätzlich nur die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich, die regelmäßig durch Rollstühle gewährleistet wird. Ist die Fortbewegung im Rollstuhl nicht möglich oder unzumutbar und steht deshalb die Nutzung eines Pkw im Raum (zum allgemeinen Grundbedürfnis der "Bewegungsfreiheit" vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 - Einsatz eines zweisitzigen Rollstuhls im Nahbereich zur qualitativen Erweiterung des persönlichen Freiraums), muss der Zweck, so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§ 5 Nr 1 SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn - wie bereits ausgeführt - zB die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (§ 5 Nr 2 und 4 SGB IX).

26

Die spezielle Pflicht der Krankenkassen, behinderten Menschen durch eine angemessene Hilfsmittelversorgung eine möglichst selbstständige Lebensführung zu erhalten, ergibt sich also nur im Zuständigkeitsbereich der GKV. Die Erhaltung einer möglichst selbstständigen Lebensführung ist nur dann Aufgabe der GKV, wenn es dabei um medizinische Rehabilitation geht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gilt für die Bestimmung des Nahbereichs der Wohnung ein abstrakter, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängiger Maßstab (BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter Pkw; zuletzt BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Darauf hat das LSG zutreffend hingewiesen. Bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV kommt es also nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an. Die baulichen Gegebenheiten der Wohnung und die Gestaltung des individuellen Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - nicht ebenso vorhanden sind und dort den Einsatz eines bestimmten Hilfsmittels entbehrlich machen würden, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Denn für die medizinische Rehabilitation als Aufgabe der GKV sind allein der Gesundheitszustand des Versicherten und dessen Funktionsdefizite maßgeblich, nicht aber seine Wohnsituation. Die Leistungen der GKV dürfen - soweit gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen - nicht maßgeblich von anderen als medizinischen Erfordernissen abhängig gemacht werden. Aus diesem Grund nimmt der Senat auch bezüglich anderer Hilfsmittel grundsätzlich auf einen abstrakten, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängigen Maßstab zB bei der Bestimmung des Nahbereichs Bezug (stRspr, BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Gegebenheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise in praktisch jeder Art von Wohnung und jeder Art ihres Umfeldes benötigen. Der entscheidende Unterschied zwischen dem SGB V und dem SGB XI liegt im vorliegenden Zusammenhang also darin, dass der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung zum mittelbaren Behinderungsausgleich (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) davon abhängt, dass der Versicherte das Hilfsmittel seiner Zweckbestimmung nach praktisch überall, also wohnortunabhängig benötigt, während der Versorgungsanspruch in der sozialen Pflegeversicherung nach § 40 SGB XI gerade an die konkreten individuellen Wohnverhältnisse des Pflegebedürftigen anknüpft. Diese Systementscheidung des Gesetzgebers ist rechtlich nicht zu beanstanden.

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e) Ein über die Befriedigung von elementaren Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 33 SGB V, wohl aber nunmehr aus der Regelung des § 26 Abs 2 Nr 6 iVm § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ergibt, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V im Zuge der Einführung des SGB IX mit Wirkung zum 1.7.2001 in Kraft gesetzt hat (vgl Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Der Wortlaut des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass es nur um einen Behinderungsausgleich "bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens" gehen kann. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1, § 26 SGB IX) für diesen Bereich einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 Satz 2 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16).

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3. Mit dieser Entscheidung setzt der erkennende Senat seine langjährige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen und den Grenzen des Anspruchs der Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln der GKV nach § 33 SGB V fort. Auch unter Berücksichtigung der im Schrifttum verschiedentlich geäußerten Kritik (vgl zum Stand der Diskussion zB Brockmann, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2013, 19 ff; Davy in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht 2004, 403 ff; Davy, SGb 2004, 315 ff; Liebold, Auswirkungen des SGB IX auf die gesetzliche Krankenversicherung, 2007, 216 ff; Masuch, SozSich 2004, 314 ff; Welti, SGb 2010, 597 ff; Welti, SuP 2009, 683 ff; Schütze, SGb 2013, 147 ff; Trésoret, NZS 2013, 491 ff; Henning, SGb 2015, 83 ff) sieht der Senat keinen Anlass, von den tragenden Säulen des Systems der Hilfsmittelversorgung der GKV abzurücken. Dazu gehören die Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, die Anknüpfung des mittelbaren Behinderungsausgleichs an die allgemeinen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, die grundsätzliche Beschränkung des elementaren Grundbedürfnisses auf Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums durch Mobilitätshilfen auf die eigene Wohnung des Versicherten und deren Nahbereich sowie die Definition des mittelbaren Behinderungsausgleichs allein anhand der drohenden bzw vorhandenen Funktionsdefizite, also ohne Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des Wohnorts und der individuellen Wohnverhältnisse des Versicherten. Dieses Regelungssystem hat sich bewährt, führt zu sachgerechten Ergebnissen und gewährleistet eine nachvollziehbare Abgrenzung zu den Leistungspflichten anderer Sozialleistungsträger bei der Hilfsmittelversorgung, zB bei der beruflichen und sozialen Rehabilitation.

29

a) Es wird geltend gemacht, das BSG trage bei seiner Rechtsprechung zu § 33 SGB V nicht dem gewandelten Begriff der Behinderung Rechnung, wie er in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX niedergelegt sei: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Bevor das SGB IX in Kraft trat, habe man unter dem Begriff Behinderung eine Funktionseinschränkung im medizinischen Sinne verstanden. Der in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX normierte Behinderungsbegriff rücke demgegenüber das Ziel der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in den Vordergrund. Eine Behinderung liege nunmehr vor, wenn die Funktionsbeeinträchtigung eine Teilhabestörung hervorruft (Heinz, WZS 2011, 174, 177 f; Liebold, aaO, S 136 ff; Welti, SGb 2010, 597, 599; Welti, SuP 2009, 683, 687 f; Henning, SGb 2015, 83, 87; zur Gesetzeshistorie BT-Drucks 14/5074 S 92 und 98). Welches Hilfsmittel erforderlich sei, müsse - gerade auch im Bereich der Mobilität - mit Blick auf die Teilhabestörung festgestellt werden. Dazu sei es unerlässlich, die individuellen Kontextfaktoren zu berücksichtigen; denn erst durch jene könne die durch die Funktionseinschränkung hervorgerufene Teilhabebeeinträchtigung festgestellt werden. Zu den zu berücksichtigenden individuellen Kontextfaktoren zählten insbesondere Familie, Wohnung und Wohnort (Welti, SuP 2009, 683, 688; Henning, SGb 2015, 83, 87).

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Dieser Einwand trifft nicht zu. Der erkennende Senat hat selbstverständlich den Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX bei seiner Rechtsprechung berücksichtigt(BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 zur Damenperücke), wie es auch durch die Regelung des § 11 Abs 2 Satz 3 SGB V ausdrücklich angeordnet worden ist: "Die Leistungen nach Satz 1 (gemeint sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist." Dies kann aber nicht zu den von den Kritikern geforderten Konsequenzen führen. Die Krankenkassen haben das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft (§ 1 Satz 1, § 4 SGB IX) bei der Leistungsgewährung nach § 33 SGB V zwar stets zu beachten, dabei aber die Grenzen ihrer Zuständigkeit zu wahren. Das Förderungsgebot des SGB IX gilt nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, dehnt den Zuständigkeitsbereich selbst aber nicht aus. Denn die Krankenkassen sind immer nur für die medizinische Rehabilitation zuständig (§ 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX), und dies bedeutet für den Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs, um den es in diesem Zusammenhang nur gehen kann, die Beschränkung auf den Ausgleich von Behinderungsfolgen bei den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, wie in § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ausdrücklich normiert. Sind elementare Grundbedürfnisse nicht betroffen, entfällt die Zuständigkeit der GKV beim mittelbaren Behinderungsausgleich, auch wenn das Hilfsmittel möglicherweise geeignet wäre, die Teilhabe des Versicherten am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Gesetzgeber sich entschlösse, die Zuständigkeit der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung auf die "Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" iS des § 5 Nr 4 SGB IX auszuweiten. Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden nach § 55 Abs 1 SGB IX die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 (4: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, 5: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 6: Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) nicht erbracht werden; dazu gehört auch die Versorgung mit anderen als den in § 31 SGB IX genannten Hilfsmitteln.

31

b) Die nach der bisherigen Konzeption des § 33 SGB V weitgehend ausgeschlossene Berücksichtigung des Wohnorts und des Wohnumfelds des Versicherten kann ebenfalls nur durch den Gesetzgeber korrigiert werden. Er hätte zB die Möglichkeit, innerhalb des § 33 Abs 1 SGB V die Berücksichtigung der individuellen Wohn- und Lebensverhältnisse anzuordnen - und würde auf diese Weise zu einem weitgehenden Gleichklang mit dem System der sozialen Pflegeversicherung(§ 40 SGB XI) gelangen.

32

Bisher hat der Gesetzgeber allerdings keinen Anlass gesehen, die langjährige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung der Versicherten nach § 33 SGB V im Bereich des - allein umstrittenen - mittelbaren Behinderungsausgleichs zu korrigieren. Dies spricht dafür, dass er diese Rechtsprechung jedenfalls bisher billigt und keinen Korrekturbedarf sieht. Auch dieser Umstand spricht dafür, an der bisherigen Rechtsprechung zu § 33 SGB V festzuhalten.

33

c) Die Kritiker machen ferner geltend, im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung werde nicht zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich unterschieden und nach dem Grundsatz der optimalen Rehabilitation (Rehabilitation "mit allen geeigneten Mitteln", vgl §§ 1, 26 Abs 2 SGB VII) eine über die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse hinausreichende Hilfsmittelversorgung praktiziert, obgleich auch für die Unfallversicherungsträger als Träger der medizinischen Rehabilitation die Regelung des § 31 SGB IX gelte, sodass die einschränkende Auslegung des erkennenden Senats zur Reichweite des Anspruchs auf Versorgung mit Hilfsmitteln durch die GKV nach § 33 SGB V und § 31 SGB IX nicht gerechtfertigt sei(Brandenburg, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2013, 16, 18; Henning, SGb 2015, 83, 88). Dem kann gleichfalls nicht zugestimmt werden. Die Kritik berücksichtigt nicht die deutlich abweichenden - nämlich breiter angelegten - Tatbestandsvoraussetzungen für die Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind dort Hilfsmittel "alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen". Zudem sind die Träger der Unfallversicherung für alle vier Gruppen der Leistungen zur Teilhabe (§ 5 Nr 1 bis 4 SGB IX) zuständig, sodass sie teilhaberechtlich nicht nur Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation (§ 31 SGB IX), sondern auch Hilfsmittel zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs 8 Satz 1 Nr 4 SGB IX) und Hilfsmittel zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) zu erbringen haben. Die Leistungspflicht der Unfallversicherung bei der Hilfsmittelversorgung der Versicherten ist also erheblich weiter gefasst als in der GKV und beschränkt sich gerade nicht auf die rein medizinische Rehabilitation.

34

4. Nach den zur Hilfsmittelversorgung in der GKV entwickelten Grundsätzen bestand kein Anspruch der Versicherten gemäß § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V auf Kosten der Beklagten mit einem Autoschwenksitz versorgt zu werden(zum Anspruch auf Ausstattung mit einem Autoschwenksitz vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 3 und 29; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7), und zwar unabhängig davon, ob es um die Übereignung oder die leihweise Überlassung des Geräts geht und auch unabhängig davon, ob das Gerät fabrikneu oder schon gebraucht ist. Der Versorgungsanspruch gegen die Krankenkasse nach § 33 SGB V bestand hier bereits vom Grundsatz her nicht.

35

a) Da es bei der Bestimmung des Nahbereichs einer Wohnung auf einen abstrakten Maßstab und nicht auf die konkreten Verhältnisse ankommt, ist es unerheblich, welche Entfernungen zwischen der Wohnung der Versicherten und den Praxen der Ärzte und Therapeuten sowie der Tagespflegeeinrichtung konkret zurückzulegen waren. Standardmäßig liegen diese Orte innerhalb des Nahbereichs der Wohnung. Den Nahbereich der Wohnung konnte die Versicherte im Rollstuhl sitzend mit Hilfe ihres Ehemannes erschließen. Soweit der Kläger geltend macht, auch die Erschließung des Nahbereichs sei nicht mehr gesichert gewesen, weil ihm selbst das ständige Schieben des Rollstuhls immer schwerer gefallen sei, hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, eine - an den Rollstuhl anzubauende - elektrische Schiebehilfe als Hilfsmittel zur Gewährleistung der Mobilität im Nahbereich zu beantragen (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V).

36

b) Die Wahrnehmung von Versorgungswegen, zB zum Einkauf, schied wegen der fortgeschrittenen Demenz der Versicherten ohnehin aus. Bei der Mitnahme der Versicherten zu den Einkäufen und dem wöchentlichen Besuch eines Bades in Bad L. stand nicht die Gewährleistung der Mobilität im Vordergrund, sondern die Notwendigkeit ständiger Beaufsichtigung wegen der demenzbedingten Möglichkeit der Selbst- und Fremdgefährdung bei unbeaufsichtigtem alleinigem Verbleib in der Wohnung.

37

c) Die Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte durch den Besuch von außerhalb des Nahbereichs lebenden Angehörigen, Freunden und Bekannten gehört zum Bereich der sozialen Rehabilitation, deren Gewährleistung nicht zum Aufgabenspektrum der GKV zählt (BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 35). Das Autofahren selbst und das Mitfahren im Auto gehört nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15).

38

d) Sollte im Einzelfall für das Aufsuchen der Praxen von Ärzten und Therapeuten die Nutzung eines Rollstuhltaxis erforderlich gewesen sein, wäre die Beklagte für den Transport nach § 60 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V sachleistungspflichtig gewesen, weil die Versicherte über die Merkzeichen H und aG verfügte sowie der Pflegestufe III zugeordnet war(vgl § 8 Abs 3 der Krankentransport-Richtlinien des GBA vom 22.1.2004, BAnz 2004, Nr 18, 1342).

39

e) Das vorstehende Ergebnis hat auch im Lichte des § 33 SGB I Bestand; dort heißt es: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art und Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind." Auf diese Regelung kann sich der Kläger bei der Auslegung des Leistungsrechts nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht stützen. Die in § 33 SGB I angesprochene Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betrifft nämlich nur die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Die Regelung bezieht sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (Mrozynski, SGB I, 5. Aufl 2014, § 33 RdNr 2). Demgemäß hat der Senat bei einem gehbehinderten und auch in der Armkraft beeinträchtigten Versicherten, der den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr zu Fuß erschließen konnte, einen Anspruch nach § 33 SGB V auf eine Mobilitätshilfe mit Elektromotor zuerkannt und bei dessen Ausgestaltung ein Wahlrecht des Versicherten zwischen einem Elektrorollstuhl und einem Shoprider nach § 33 SGB I angenommen(BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

40

5. Der Leistungsanspruch gegen die Beklagte lässt sich - wie bereits angedeutet - auch nicht aus den Vorschriften des SGB IX über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen herleiten. Ein Anspruch aus § 31 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt im Bereich der medizinischen Rehabilitation wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und bestätigt somit diese Rechtsprechung. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung war nicht beabsichtigt, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 7 Satz 2 SGB IX die Regelung des § 33 SGB V maßgeblich bleibt: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen"(vgl im Einzelnen BSGE 91, 60, 64 RdNr 12, 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 13, 14 sowie zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

41

6. Auch die Beigeladene war im vorliegenden Fall nicht zur Sachleistung verpflichtet. Die Beklagte hat einen gegen die Pflegekasse gerichteten Anspruch zu Recht verneint.

42

a) Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs gegen eine Pflegekasse ist § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI in der bis heute unverändert gebliebenen Fassung des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994 (BGBl I 1014). Danach haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Nach § 40 Abs 3 SGB XI in der Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008 (BGBI I 874) sollen technische Pflegehilfsmittel in allen geeigneten Fällen vorrangig leihweise überlassen werden (Satz 1). Die Pflegekassen können die Bewilligung davon abhängig machen, dass die Pflegebedürftigen sich das Pflegehilfsmittel anpassen oder sich selbst oder die Pflegeperson in seinem Gebrauch ausbilden lassen (Satz 2). Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Pflegehilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch (Satz 3). Die Voraussetzungen für die - nach Wahl der Beklagten durch Leihe oder Übereignung mögliche - Ausstattung der Versicherten mit dem begehrten Autoschwenksitz waren jedoch nicht erfüllt, wobei hier ohnehin nur die erste und dritte Variante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI in Betracht kamen; um die Linderung der Beschwerden der Versicherten ging es ersichtlich nicht.

43

b) Hier kam vor allem die erste Tatbestandsvariante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI - Erleichterung der Pflege - in Betracht. Diese Variante erfasst insbesondere Hilfen bei den Verrichtungen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität, also der Grundpflege nach § 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI. Der Autoschwenksitz kann als Hilfsmittel für Rollstuhlfahrer bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI) eingestuft werden. Dabei sind alle Wege außerhalb der Wohnung zu berücksichtigen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und bei denen das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig ist. Dies ist zB beim Besuch einer Arztpraxis immer dann der Fall, wenn vom behandelnden Arzt ein Hausbesuch nicht erwartet werden kann. Gleiches gilt für mobilitätserhaltende Behandlungen bei Physiotherapeuten (BSG SozR 4-3300 § 15 Nr 1; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 5; Udsching, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 14 RdNr 40). Hier war der Aufenthalt der Versicherten in einer Tagespflegeeinrichtung nach den objektiven Gegebenheiten für die Aufrechterhaltung ihrer Lebensführung zu Hause erforderlich. Für die Erforderlichkeit ist maßgeblich, dass der Aufenthalt des Pflegebedürftigen in der Einrichtung regelmäßig erst die Möglichkeit schafft, dass er durch seine Angehörigen weiterhin zu Hause gepflegt werden kann, zB weil er ohne die Tagespflege auf Dauer in ein Pflegeheim umziehen müsste. Allerdings wird ein Autoschwenksitz für die Wege zur - hier anfangs zweimal und zuletzt fünfmal wöchentlich durchgeführten - Tagespflege schon deswegen nicht "benötigt", weil der Transport eines Versicherten gemäß § 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI von Mitarbeitern eines Fahrdienstes durchgeführt werden kann. Der Transport eines Pflegebedürftigen zur Tagespflegeeinrichtung und zurück ist vom Gesetzgeber ausdrücklich dem Bereich der teilstationären Pflege (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI) zugeordnet und als Sachleistung der Pflegekassen ausgestaltet (§ 4 Abs 1 SGB XI) worden. Für den Transport ist die Pflegeeinrichtung bzw deren Fahrdienst zuständig, sodass ein eigener (oder leihweise überlassener) Autoschwenksitz regelmäßig für diese Fahrten nicht "benötigt" wird. Ob die Versicherte lieber von ihrem Ehemann - dem Kläger - als von den Mitarbeitern des Fahrdienstes transportiert worden wäre, ist unerheblich. Leistungen nach § 40 SGB XI zur ambulanten Pflege müssen nicht deshalb gewährt werden, weil der Betroffene die vorhandenen, gesetzlich vorgesehenen Angebote im Rahmen der von ihm in Anspruch genommenen teilstationären Pflege nicht nutzen will. Wenn dabei Eigenbeteiligungen anfallen, beruht das darauf, dass die Leistungen der Pflegeversicherung nicht den vollständigen Bedarf decken, sondern der Höhe nach begrenzt sind (zur Ausweitung des Sachleistungsanspruchs nach § 41 SGB XI zum 1.1.2015 vgl die Neufassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 11 des Ersten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften - Erstes Pflegestärkungsgesetz vom 17.12.2014, BGBl I 2222, 2224). Dieser Umstand kann aber keinen Anspruch auf ein Pflegehilfsmittel zum Zwecke des Transports auslösen, für den im Gesetz ausdrücklich ein Anspruch gegen die Pflegeeinrichtung bzw deren Fahrdienst statuiert wurde.

44

Für die Fahrten zu Ärzten und Therapeuten ist ggf die GKV zuständig (§ 60 SGB V). Sonstige für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause notwendige Wege und Aufenthalte außerhalb der Wohnung sind hier weder vom LSG festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden. Daher scheidet die Hilfe bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" als Zweck der Versorgung mit dem Autoschwenksitz aus.

45

c) Auch die Voraussetzungen der dritten Variante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI, also die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung des Pflegebedürftigen, sind nicht erfüllt, weil es nicht darum ging, der Versicherten auf diese Weise die Verwirklichung ihres allgemeinen Grundbedürfnisses auf Mobilität im Nahbereich der Wohnung zu erleichtern. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass nicht etwa eine selbstständige, also von fremder Unterstützung unabhängige Lebensführung ermöglicht werden soll, sondern im Gesetz nur von einer "selbstständigeren" Lebensführung die Rede ist, wozu es ausreicht, dass ein bestimmter Aspekt der Lebensführung durch eine regelmäßig verfügbare Hilfestellung leichter oder besser verwirklicht werden kann. Über die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung hinaus enthält die Vorschrift keine weiteren Anforderungen, die an die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten des Hilfsmittels zu stellen sind (Udsching, aaO, § 40 RdNr 9 mwN). Hilfsmittel, die den Zwecken des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI dienen, sind nach der gesetzlichen Wertung "Pflegehilfsmittel", und zwar unabhängig davon, ob sie daneben auch die Begriffsmerkmale eines Hilfsmittels iS des § 33 SGB V erfüllen.

46

Das Tatbestandsmerkmal der "selbstständigeren" Lebensführung kann indes nur erfüllt werden, wenn die Anschaffung des Pflegehilfsmittels nicht in erster Linie im Interesse der Pflegeperson erfolgt, sondern die Anschaffung den Zweck hat, dass der Pflegebedürftige mit Hilfe des Pflegehilfsmittels bei den allgemeinen Lebensbetätigungen partiell selbstständiger agieren kann, also in verringertem Maße von der Unterstützung Dritter abhängig ist. Das war hier nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall. Im Vordergrund stand stets die Notwendigkeit ständiger Beaufsichtigung der Versicherten und nicht deren aktive Lebensgestaltung.

47

Darüber hinaus ist der Tatbestand der Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht erfüllt. Es kann bei diesem Tatbestand nicht darum gehen, einem Pflegebedürftigen Pflegehilfsmittel für jede denkbare Form und Variante einer selbst gewählten Lebensführung zur Verfügung zu stellen. Eine Einschränkung der Leistungspflicht der Pflegekassen bei der Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 40 Abs 1 SGB XI selbst, wonach die Pflegekassen die Versicherten nur bei häuslicher Pflege auch mit den dazu erforderlichen Pflegehilfsmitteln auszustatten haben. § 40 SGB XI gehört innerhalb des Vierten Kapitels des SGB XI ("Leistungen der Pflegeversicherung") zu dessen Dritten Abschnitt ("Leistungen") und dort zum Ersten Teil, der mit "Leistungen bei häuslicher Pflege" überschrieben ist. Die Pflegehilfsmittel müssen dabei geeignet sein, den Pflegebedürftigen in die Lage zu versetzen, möglichst lange in seiner häuslichen Umgebung bleiben zu können und vollstationäre Pflege zu vermeiden (§ 3 SGB XI: Vorrang der häuslichen Pflege). Diese Zweckbestimmung erfordert eine Eingrenzung der "selbstständigeren Lebensführung" auf jene Verrichtungen, die dem Leben im häuslichen Bereich zugerechnet werden können und im weiteren Sinne der Aufrechterhaltung der Fähigkeit des Versicherten dienen, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu verbleiben. Zu diesem Bereich der Lebensführung gehört nicht das Autofahren selbst und auch nicht die Erreichbarkeit von Zielen und Personen mit einem Pkw zu Zwecken, die nicht zum Zuständigkeitsbereich der sozialen Pflegeversicherung zählen, sondern in die Zuständigkeit anderer Sozialversicherungsträger fallen. Insbesondere ist zu beachten, dass die Pflegekassen nicht zu jenen Rehabilitationsträgern zählen, die nach dem SGB IX für Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, also die soziale Rehabilitation zuständig sind (§§ 5, 6 SGB IX). Zur Ermöglichung einer "selbstständigeren Lebensführung" iS des § 40 Abs 1 SGB XI gehört demgemäß nicht die Bereitstellung eines Autoschwenksitzes für Fahrten zum Besuch von Verwandten und Bekannten sowie zur Freizeitgestaltung (Besuch von Veranstaltungen, Fahrten zum Schwimmbad, Ausflugsfahrten). Der regelmäßige Einkauf von Lebensmitteln - und damit die Fahrt zum Supermarkt - gehört zwar zum Kern der Lebensführung im häuslichen Bereich, jedoch war es nach Feststellung des LSG nicht Zweck der Anschaffung des Autoschwenksitzes, der Versicherten das eigenständige und von fremder Hilfe weniger abhängige Einkaufen (wieder) zu ermöglichen; das Einkaufen war und blieb vielmehr Aufgabe des Klägers, und die Versicherte sollte ihn auf den Fahrten zu den Einkaufsstätten nur begleiten, damit sie in dieser Zeit nicht ohne Aufsicht war.

48

Die Aufsicht selbst diente zwar im weiteren Sinne auch der Ermöglichung des Verbleibs der Versicherten in der häuslichen Umgebung und damit der Förderung des Vorrangs der häuslichen Pflege (§ 3 SGB XI), um die es bei der Ausstattung von Versicherten mit Pflegehilfsmitteln geht. Die Aufsicht bei den Einkaufsfahrten kann den Anspruch auf Versorgung mit dem Autoschwenksitz aber schon deshalb nicht begründen, weil der Kläger für die Einkaufsfahrten jene Stunden hätte nutzen können, in denen die Versicherte sich in der Tagespflegeeinrichtung aufhielt. Die Tagespflege hat gerade auch den Zweck, der Pflegeperson Betätigungen außer Haus zu ermöglichen und sie in dieser Zeit von der ansonsten notwendigen Beaufsichtigung des Pflegebedürftigen zu entlasten.

49

7. Auch aus den Vorschriften des SGB XII über die Eingliederungshilfe, die die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger im Rahmen des § 14 Abs 2 SGB IX zu berücksichtigen hatte, ergibt sich kein Anspruch. Dabei kann offen bleiben, ob die Ausstattung eines Pkw mit einem Autoschwenksitz von der Leistungspflicht der Sozialhilfeträger nach § 54 SGB XII sowie den dort in Bezug genommenen Bestimmungen des SGB IX(hier: Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) erfasst ist. Jedenfalls schließt hier zum einen die Regelung des § 41 SGB XI über die Bestandteile der teilstationären Pflege einen Anspruch auf der Grundlage des SGB XII aus, soweit es um den Transport der Versicherten zur Tagespflege geht: die Versicherte benötigte Transportleistungen nur in Lebensbereichen, die von den Vorschriften des SGB V(§ 60 Krankentransport) und SGB XI (§ 41 Transport zur Tagespflege) erfasst waren. Insoweit greifen Spezialregelungen über die Transportkosten ein, die die Erforderlichkeit der Ausstattung des Pkw mit einem Schwenksitz entfallen lassen.

50

Soweit es um die Teilhabe der Versicherten am sozialen Leben im Übrigen geht, ist von Bedeutung, dass Streitgegenstand ein Erstattungsanspruch ist; denn die Versicherte bzw der Kläger hat den Sitz bereits angeschafft. Weil die sozialhilferechtlichen Leistungen nach § 54 SGB XII grundsätzlich einkommens- und vermögensabhängig sind und die Kostenerstattungsregelung des § 15 Abs 1 SGB IX durch die Ausnahmevorschrift des Satzes 5 die Anwendung der Vorschriften über die Umwandlung des nicht erfüllten Sachleistungsanspruchs in einen Erstattungsanspruch(§ 15 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX) gegenüber dem Sozialhilfeträger auch deshalb ausschließt, hätte die Versicherte im Verwaltungsverfahren deutlich machen müssen, dass sie den Anspruch gegen die Beklagte auch als einkommens- und vermögensabhängige Leistung verfolgen will. Da das nicht geschehen ist, war die Beklagte nicht gehalten, über den geltend gemachten Zahlungsanspruch auch unter sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Dementsprechend war es auch nicht erforderlich, den zuständigen Sozialhilfeträger gemäß § 75 Abs 2 SGG zum Rechtsstreit notwendig beizuladen(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 13c).

51

8. Die Kostenentscheidung für den zweiten und dritten Rechtszug beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die für die Versicherten geltende kostenrechtliche Sonderregelung des § 183 SGG war hier nur im ersten Rechtszug anwendbar. Nach dem Tod seiner Ehefrau, der Versicherten, hat der Kläger den Rechtsstreit als Alleinerbe und Rechtsnachfolger fortgeführt. Er war als Ehemann, der mit seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, aber nicht Sonderrechtsnachfolger iS des § 56 Abs 1 SGB I, weil die Klage nicht "fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen" betrifft. Streitgegenstand ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V, der sich auf zwei dem Anwendungsbereich des § 33 SGB V bzw des § 40 SGB XI zuzuordnende Sachleistungen bezog, nämlich der Anschaffung des Autoschwenksitzes im März 2008 und dessen Einbau im neu erworbenen Pkw im November 2009. Es geht daher rechtlich um zwei Sachleistungsansprüche im Hilfsmittelbereich und nicht um "laufende Geldleistungen". Daher kann dem Kläger die Kostenprivilegierung des § 183 SGG für den zweiten und dritten Rechtszug nicht zugutekommen.

52

9. Die Streitwertfestsetzung für den zweiten und dritten Rechtszug beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 und 3, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein:

1.
die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
2.
die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3,
3.
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3 und 5; für Versicherte nach § 2 Absatz 1 Nummer 8 des Siebten Buches die für diese zuständigen Unfallversicherungsträger für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
4.
die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3, der Träger der Alterssicherung der Landwirte für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
5.
die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
6.
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 sowie
7.
die Träger der Eingliederungshilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5.

(2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahr.

(3) Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Rehabilitationsbedarf fest. Sie beteiligt das zuständige Jobcenter nach § 19 Absatz 1 Satz 2 und berät das Jobcenter zu den von ihm zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches. Das Jobcenter entscheidet über diese Leistungen innerhalb der in Kapitel 4 genannten Fristen.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

(1) Die Vorschriften im Teil 1 gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Das Recht der Eingliederungshilfe im Teil 2 ist ein Leistungsgesetz im Sinne der Sätze 1 und 2.

(2) Abweichend von Absatz 1 gehen die Vorschriften der Kapitel 2 bis 4 den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen vor. Von den Vorschriften in Kapitel 4 kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.

(1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen

1.
bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i),
2.
zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24b),
3.
zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten (§§ 25 und 26),
4.
zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52),
5.
des Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches.

(2) Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist.

(3) Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Absatz 2 die Mitaufnahme einer Pflegekraft, soweit Versicherte ihre Pflege nach § 63b Absatz 6 Satz 1 des Zwölften Buches durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen. Ist bei stationärer Behandlung die Anwesenheit einer Begleitperson aus medizinischen Gründen notwendig, eine Mitaufnahme in die stationäre Einrichtung jedoch nicht möglich, kann die Unterbringung der Begleitperson auch außerhalb des Krankenhauses oder der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung erfolgen. Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art und Dauer der Leistungen für eine Unterbringung nach Satz 2 nach pflichtgemäßem Ermessen; die Kosten dieser Leistungen dürfen nicht höher sein als die für eine Mitaufnahme der Begleitperson in die stationäre Einrichtung nach Satz 1 anfallenden Kosten.

(4) Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung. Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen. Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den Krankenkassen zu unterstützen. In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a des Elften Buches zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Soweit in Verträgen nach § 140a nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen mit sonstigen Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenversicherung und mit Leistungserbringern nach dem Elften Buch sowie mit den Pflegekassen zu regeln.

(5) Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Dies gilt auch in Fällen des § 12a des Siebten Buches.

(6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Absatz 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Absatz 1 Satz 1), mit Heilmitteln (§ 32), mit Hilfsmitteln (§ 33) und mit digitalen Gesundheitsanwendungen (§ 33a), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln. Die zusätzlichen Leistungen sind von den Krankenkassen in ihrer Rechnungslegung gesondert auszuweisen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen

1.
bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i),
2.
zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24b),
3.
zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten (§§ 25 und 26),
4.
zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52),
5.
des Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches.

(2) Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist.

(3) Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Absatz 2 die Mitaufnahme einer Pflegekraft, soweit Versicherte ihre Pflege nach § 63b Absatz 6 Satz 1 des Zwölften Buches durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen. Ist bei stationärer Behandlung die Anwesenheit einer Begleitperson aus medizinischen Gründen notwendig, eine Mitaufnahme in die stationäre Einrichtung jedoch nicht möglich, kann die Unterbringung der Begleitperson auch außerhalb des Krankenhauses oder der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung erfolgen. Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art und Dauer der Leistungen für eine Unterbringung nach Satz 2 nach pflichtgemäßem Ermessen; die Kosten dieser Leistungen dürfen nicht höher sein als die für eine Mitaufnahme der Begleitperson in die stationäre Einrichtung nach Satz 1 anfallenden Kosten.

(4) Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung. Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen. Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den Krankenkassen zu unterstützen. In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a des Elften Buches zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Soweit in Verträgen nach § 140a nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen mit sonstigen Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenversicherung und mit Leistungserbringern nach dem Elften Buch sowie mit den Pflegekassen zu regeln.

(5) Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Dies gilt auch in Fällen des § 12a des Siebten Buches.

(6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Absatz 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Absatz 1 Satz 1), mit Heilmitteln (§ 32), mit Hilfsmitteln (§ 33) und mit digitalen Gesundheitsanwendungen (§ 33a), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln. Die zusätzlichen Leistungen sind von den Krankenkassen in ihrer Rechnungslegung gesondert auszuweisen.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen

1.
bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i),
2.
zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24b),
3.
zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten (§§ 25 und 26),
4.
zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52),
5.
des Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches.

(2) Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist.

(3) Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Absatz 2 die Mitaufnahme einer Pflegekraft, soweit Versicherte ihre Pflege nach § 63b Absatz 6 Satz 1 des Zwölften Buches durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen. Ist bei stationärer Behandlung die Anwesenheit einer Begleitperson aus medizinischen Gründen notwendig, eine Mitaufnahme in die stationäre Einrichtung jedoch nicht möglich, kann die Unterbringung der Begleitperson auch außerhalb des Krankenhauses oder der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung erfolgen. Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art und Dauer der Leistungen für eine Unterbringung nach Satz 2 nach pflichtgemäßem Ermessen; die Kosten dieser Leistungen dürfen nicht höher sein als die für eine Mitaufnahme der Begleitperson in die stationäre Einrichtung nach Satz 1 anfallenden Kosten.

(4) Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung. Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen. Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den Krankenkassen zu unterstützen. In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a des Elften Buches zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Soweit in Verträgen nach § 140a nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen mit sonstigen Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenversicherung und mit Leistungserbringern nach dem Elften Buch sowie mit den Pflegekassen zu regeln.

(5) Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Dies gilt auch in Fällen des § 12a des Siebten Buches.

(6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Absatz 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Absatz 1 Satz 1), mit Heilmitteln (§ 32), mit Hilfsmitteln (§ 33) und mit digitalen Gesundheitsanwendungen (§ 33a), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln. Die zusätzlichen Leistungen sind von den Krankenkassen in ihrer Rechnungslegung gesondert auszuweisen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstellt ein systematisch strukturiertes Hilfsmittelverzeichnis. In dem Verzeichnis sind von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen. Das Hilfsmittelverzeichnis ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

(2) Soweit dies zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung erforderlich ist, sind im Hilfsmittelverzeichnis indikations- oder einsatzbezogen besondere Qualitätsanforderungen für Hilfsmittel festzulegen. Besondere Qualitätsanforderungen nach Satz 1 können auch festgelegt werden, um eine ausreichend lange Nutzungsdauer oder in geeigneten Fällen den Wiedereinsatz von Hilfsmitteln bei anderen Versicherten zu ermöglichen. Im Hilfsmittelverzeichnis sind auch die Anforderungen an die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden Leistungen zu regeln.

(3) Die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis erfolgt auf Antrag des Herstellers. Über die Aufnahme entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen; er kann vom Medizinischen Dienst prüfen lassen, ob die Voraussetzungen nach Absatz 4 erfüllt sind. Hält der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bei der Prüfung des Antrags eine Klärung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für erforderlich, ob der Einsatz des Hilfsmittels untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, holt er hierzu unter Vorlage der ihm vorliegenden Unterlagen sowie einer Begründung seiner Einschätzung eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ein. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Auskunft innerhalb von sechs Monaten zu erteilen. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss zu dem Ergebnis, dass das Hilfsmittel untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode ist, beginnt unmittelbar das Verfahren zur Bewertung der Methode nach § 135 Absatz 1 Satz 1, wenn der Hersteller den Antrag auf Eintragung des Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis nicht innerhalb eines Monats zurücknimmt, nachdem ihm der Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Ergebnis der Auskunft mitgeteilt hat.

(4) Das Hilfsmittel ist aufzunehmen, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist. Auf Anfrage des Herstellers berät der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den Hersteller im Rahmen eines Antragsverfahrens zur Aufnahme von neuartigen Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis über Qualität und Umfang der vorzulegenden Antragsunterlagen. Die Beratung erstreckt sich insbesondere auf die grundlegenden Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens des Hilfsmittels. Sofern Produkte untrennbarer Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode sind, bezieht sich die Beratung nicht auf das Verfahren nach § 135 Absatz 1 Satz 1. Erfordert der Nachweis des medizinischen Nutzens klinische Studien, kann die Beratung unter Beteiligung der für die Durchführung der Studie vorgesehenen Institution erfolgen. Das Nähere regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in der Verfahrensordnung nach Absatz 7 Satz 1. Für die Beratung kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren nach pauschalierten Gebührensätzen erheben. Hat der Hersteller Nachweise nach Satz 1 nur für bestimmte Indikationen erbracht, ist die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis auf diese Indikationen zu beschränken. Nimmt der Hersteller an Hilfsmitteln, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, Änderungen vor, hat er diese dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht gilt auch, wenn ein Hilfsmittel nicht mehr hergestellt wird.

(5) Für Medizinprodukte im Sinne des § 3 Nummer 1 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung gilt der Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vergewissert sich von der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung anhand der Konformitätserklärung und, soweit zutreffend, der Zertifikate der an der Konformitätsbewertung beteiligten Benannten Stelle. Aus begründetem Anlass können zusätzliche Prüfungen vorgenommen und hierfür erforderliche Nachweise verlangt werden. Prüfungen nach Satz 3 können nach erfolgter Aufnahme des Produkts auch auf der Grundlage von Stichproben vorgenommen werden. Ergeben sich bei den Prüfungen nach Satz 2 bis 4 Hinweise darauf, dass Vorschriften des Medizinprodukterechts nicht beachtet sind, sind unbeschadet sonstiger Konsequenzen die danach zuständigen Behörden hierüber zu informieren.

(6) Legt der Hersteller unvollständige Antragsunterlagen vor, ist ihm eine angemessene Frist, die insgesamt sechs Monate nicht übersteigen darf, zur Nachreichung fehlender Unterlagen einzuräumen. Wenn nach Ablauf der Frist die für die Entscheidung über den Antrag erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorliegen, ist der Antrag abzulehnen. Ansonsten entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen innerhalb von drei Monaten nach Vorlage der vollständigen Unterlagen. Bis zum Eingang einer im Einzelfall nach Absatz 3 Satz 3 angeforderten Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Über die Entscheidung ist ein Bescheid zu erteilen. Die Aufnahme ist zu widerrufen, wenn die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht mehr erfüllt sind.

(7) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt bis zum 31. Dezember 2017 eine Verfahrensordnung, in der er nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6, 8 und 9 das Nähere zum Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis, zu deren Streichung und zur Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sowie das Nähere zum Verfahren der Auskunftseinholung beim Gemeinsamen Bundesausschuss regelt. Er kann dabei vorsehen, dass von der Erfüllung bestimmter Anforderungen ausgegangen wird, sofern Prüfzertifikate geeigneter Institutionen vorgelegt werden oder die Einhaltung einschlägiger Normen oder Standards in geeigneter Weise nachgewiesen wird. In der Verfahrensordnung legt er insbesondere Fristen für die regelmäßige Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses fest. Den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene ist vor Beschlussfassung innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Die Verfahrensordnung bedarf der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Für Änderungen der Verfahrensordnung gelten die Sätze 4 und 5 entsprechend. Sofern dies in einer Rechtsverordnung nach Absatz 8 vorgesehen ist, erhebt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Gebühren zur Deckung seiner Verwaltungsausgaben nach Satz 1.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass für das Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis Gebühren von den Herstellern zu erheben sind. Es legt die Höhe der Gebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner fest. In der Rechtsverordnung kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten auf der Grundlage pauschalierter Kostensätze zu berechnen sind.

(9) Das Hilfsmittelverzeichnis ist regelmäßig fortzuschreiben. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat bis zum 31. Dezember 2018 sämtliche Produktgruppen, die seit dem 30. Juni 2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, einer systematischen Prüfung zu unterziehen und sie im erforderlichen Umfang fortzuschreiben. Er legt dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages über das Bundesministerium für Gesundheit einmal jährlich zum 1. März einen Bericht über die im Berichtszeitraum erfolgten sowie über die begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Fortschreibungen vor. Die Fortschreibung umfasst die Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2, die Aufnahme neuer Hilfsmittel sowie die Streichung von Hilfsmitteln.

(10) Zum Zweck der Fortschreibung nach Absatz 9 Satz 1, 2 und 4 kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen von dem Hersteller für seine im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführten Produkte innerhalb einer in der Verfahrensordnung festgelegten angemessenen Frist die zur Prüfung der Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 erforderlichen Unterlagen anfordern. Bringt der Hersteller die angeforderten Unterlagen nicht fristgemäß bei, verliert die Aufnahme des Produktes in das Hilfsmittelverzeichnis ihre Wirksamkeit und das Produkt ist unmittelbar aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Ergibt die Prüfung, dass die Anforderungen nach Absatz 4 Satz 1 nicht oder nicht mehr erfüllt sind, ist die Aufnahme zurückzunehmen oder zu widerrufen. Nach Eintritt der Bestandskraft des Rücknahme- oder Widerrufsbescheids ist das Produkt aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen. Für die Prüfung, ob ein Hilfsmittel noch hergestellt wird, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Streichung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.

(11) Vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 ist den maßgeblichen Spitzenorganisationen der betroffenen Hersteller und Leistungserbringer auf Bundesebene unter Übermittlung der hierfür erforderlichen Informationen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann auch Stellungnahmen von medizinischen Fachgesellschaften sowie Sachverständigen aus Wissenschaft und Technik einholen. Soweit vor einer Weiterentwicklung und Änderungen der Systematik und der Anforderungen nach Absatz 2 mögliche Berührungspunkte des voraussichtlichen Fortschreibungsbedarfs mit digitalen oder technischen Assistenzsystemen festgestellt werden, ist zusätzlich mindestens eine Stellungnahme eines Sachverständigen oder unabhängigen Forschungsinstituts aus dem Bereich der Technik einzuholen; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Versorgung des minderjährigen Klägers mit einem Sportrollstuhl.

2

Der 1999 geborene Kläger leidet an einer spastischen Tetraplegie (Lähmung aller vier Extremitäten) und ist deswegen auf den Rollstuhl angewiesen. Die Beklagte erbringt im Wege der Sachleistungsaushilfe für eine in Luxemburg ansässige Krankenkasse - dort ist der Vater des Klägers beschäftigt - Krankenkassenleistungen nach Maßgabe der Vorschriften des SGB V und hat den Kläger mit einem Aktivrollstuhl versorgt; damit nimmt er am Schulsport und einer "Rollstuhl-AG" teil. Zusätzlich zu diesem Sport- und Bewegungsangebot der von ihm besuchten Schule für Körperbehinderte beteiligt er sich seit Mitte 2007 am wöchentlichen Training und den Spielen der Rollstuhlbasketball-Jugendmannschaft eines Rollstuhl-Sportclubs, der mit seiner 1. Mannschaft in der Rollstuhlbasketball-Bundesliga vertreten ist. Aus diesem Grunde beantragte er im Januar 2008 die Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl, weil der vorhandene Aktivrollstuhl beim Rollstuhlbasketball die Geschwindigkeit abbremse und viel schwerer zu handhaben sei als ein Sportrollstuhl. Zudem sei das Unfallrisiko mit einem Sportrollstuhl deutlich geringer. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab.

3

Das SG hat den Sport-Übungsleiter des Rollstuhlsportvereins als Zeugen vernommen und die Beklagte sodann antragsgemäß verurteilt, den Kläger mit einem "geeigneten Sportrollstuhl" zu versorgen; ein solcher Rollstuhl sei zu dessen sozialer Integration und damit zur Erfüllung eines Grundbedürfnisses erforderlich (Urteil vom 15.7.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen: Die Versorgung mit einem zusätzlichen Sportrollstuhl überschreite den Bereich des Basisausgleichs, für den die GKV beim mittelbaren Behinderungsausgleich ausschließlich zu sorgen habe. Vereinssport müsse nach der Zuständigkeitsverteilung des SGB IX nicht die Krankenkasse, sondern ggf der Sozialhilfeträger ermöglichen. Für dessen Leistungspflicht bestünden vorliegend mangels Bedürftigkeit indes keine Anhaltspunkte (Urteil vom 21.1.2010).

4

Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger, die Entscheidung des LSG stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BSG. Danach sei der durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende Behinderungsausgleich auf eine möglichst weitgehende Eingliederung des behinderten Kindes in den Kreis Gleichaltriger auszurichten. Dazu gehöre auch die aktive Betätigung in einem Sportverein.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21.1.2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 15.7.2009 zurückzuweisen.

6

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass ein Anspruch auf Versorgung mit einem Sportrollstuhl zur Teilnahme am Vereinssport nicht besteht. Dafür hat eine Krankenkasse nach dem Recht der GKV auch für jugendliche Versicherte grundsätzlich nicht aufzukommen; über Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe war mangels Bedürftigkeit des Klägers nicht zu befinden.

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1. Anspruch auf eine zusätzliche Rollstuhlversorgung für den Rollstuhlsport als originäre GKV-Leistung hat der Kläger nicht. Rechtsgrundlage eines solchen Anspruchs könnte nur § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(hier in der ab dem 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 Buchst a des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378) sein. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. An diesen Voraussetzungen fehlt es, weil die sportgerechte Rollstuhlausstattung weder zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung noch zum Behinderungsausgleich in dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist.

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2. Anspruch auf einen für den Rollstuhlsport besonders ausgestatteten zusätzlichen Rollstuhl "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iS von § 33 Abs 1 Satz 1, 1. Variante SGB V besteht nicht.

10

a) Allgemeine Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung fallen nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen (vgl Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 20 - Therapie-Dreirad II). Jedenfalls zur Krankenbehandlung iS von §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1 Satz 1 SGB V gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen(BSGE 85, 132, 138 = SozR 3-2500 § 27 Nr 12 S 65 - medizinische Fußpflege). Bloß allgemeine Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen demgegenüber selbst dann nicht, wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung (§ 44 Abs 1 Nr 3 SGB IX) durchgeführt werden (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 23 - Krankentransport für Reha-Sport; BSG Urteil vom 22.4.2009 - B 3 KR 5/08 R - RdNr 23). Demgemäß fällt Sport, der - anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie - in allgemeiner Weise den körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter den krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsbegriff (vgl BSG aaO RdNr 20 mwN). Unabhängig von der Art der Behinderung weisen behinderte oder chronisch kranke Menschen eine ausgeprägte körperliche Inaktivität mit einer Vielzahl negativer Folgen auf, die mit dem Behindertensport angegangen werden sollen (vgl Schmid/Huber/Marschner/Zimmer, Medizinische Aspekte im Behindertensport, DÄBl 2004, A-2177). Gleichwohl dient selbst ärztlich befürworteter Behindertensport in Gruppen nicht unmittelbar der Therapie einer Krankheit, sondern soll wesentlich dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung ihrer Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen (so Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drucks 15/4575 S 59 unter 3.27).

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b) Nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung vom 7.10.2010 (B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - Therapie-Dreirad II) können bewegliche sächliche Mittel zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation nur in besonders gelagerten Fällen Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sein. Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des BSG dann, wenn es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 11; Butzer in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 33 RdNr 12). Eine unmittelbare Bedienung des Hilfsmittels durch den Arzt ist dabei nicht zwingend erforderlich, so dass ein Hilfsmittel nicht schon deshalb nach § 33 Abs 1 SGB V ausgeschlossen ist, weil die praktische Anwendung durch den Versicherten selbst erfolgt(BSGE 87, 105, 109 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5 - Magnetfeldtherapiegerät; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 39 S 220 - Therapie-Dreirad I). Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung“ anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen nach den dargelegten Maßstäben diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände ua der §§ 20 ff SGB V sowie des § 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX, mit denen die Leistungspflicht der GKV unter den dort jeweils genannten Voraussetzungen über die gezielte Krankheitsbekämpfung hinaus als Kernaufgabe(BSGE 81, 240, 243 = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 - Diät- oder Krankenkost) im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation normiert worden ist (vgl dazu Schütze in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB V Stand: 21.1.2008, § 20 SGB V RdNr 9 und § 23 SGB V RdNr 12 f). Ein weitergehender spezifischer Bezug zu ärztlich verantworteter Krankenbehandlung kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in engem Zusammenhang mit einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und/oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und die als planvolle Versorgung iS der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere seiner körperlichen Beeinträchtigung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat, diese entweder die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung wesentlich fördern oder die therapeutische Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Bewegung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten (vgl § 33 SGB I und § 9 Abs 1 SGB IX) als wirtschaftlich darstellt.

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c) Eine solche enge Einbindung in die Krankenbehandlung weist die begehrte Rollstuhlversorgung nicht auf. Ziel dieser Versorgung ist nach der vom LSG in Bezug genommenen Erläuterung der dem Leistungsantrag zu Grunde liegenden Verordnung der behandelnden Ärztin die Teilnahme des Klägers am Rollstuhlsport zur "Aufrichtung der körperlichen, geistigen und seelischen Belastbarkeit und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben". Ähnlich hat seine Mutter schon vorprozessual darauf abgestellt, dass der Rollstuhlsport die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit sowie das soziale und psychische Verhalten ihres Sohnes stärke und er mit einem Sportrollstuhl besser mit den anderen Kindern mithalten könne. Für solche Zwecke haben die Krankenkassen indes nur aufzukommen, soweit sie auf spezialgesetzlicher Grundlage zur Verwirklichung ihres Rehabilitationsauftrages besondere Angebote etwa des Rehabilitationssports oder des Funktionstrainings in Gruppen bereit zu halten haben (vgl § 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX). Darüber hinaus sind Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" von der GKV nicht zur Verfügung zu stellen.

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3. Auch zum Behinderungsausgleich in dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation (§ 33 Abs 1 Satz 1, 3. Variante SGB V) ist der zusätzliche Sportrollstuhl nicht erforderlich. Die mit dem Leistungsbegehren des Klägers verfolgten Zwecke reichen über die Versorgungsziele hinaus, für die die Krankenkassen im Bereich der Mobilitätshilfen aufzukommen haben.

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a) Im Ausgangspunkt bemisst sich die Leistungszuständigkeit der GKV im Bereich des Behinderungsausgleichs gemäß ständiger Rechtsprechung des BSG danach, ob eine Leistung zum unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleich beansprucht wird. Im Vordergrund steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es zB bei Prothesen der Fall ist. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (vgl nur BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-Leg II). Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Fall hat die GKV nur für den Basisausgleich einzustehen; es geht nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl zB § 5 Nr 2 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder § 5 Nr 4 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr, vgl zuletzt etwa BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2 RdNr 14 ff - Hörgerätefestbetrag; Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 16 f - Treppensteighilfe; Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 14 - Therapie-Dreirad II; jeweils mwN).

15

b) Als solches allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist in Bezug auf die Mobilität nur die Erschließung des Nahbereichs um die Wohnung eines Versicherten anerkannt, nicht aber das darüber hinausreichende Interesse an sportlicher Fortbewegung oder an der Erweiterung des Aktionsraums. Maßgebend für den von der GKV insoweit zu gewährleistenden Basisausgleich ist der Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise noch zu Fuß erreicht (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29, 31 und 32 sowie BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1; stRspr). Dazu haben die Krankenkassen die Versicherten so auszustatten, dass sie sich nach Möglichkeit in der eigenen Wohnung bewegen und die Wohnung verlassen können, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 - Rollstuhl-Bike II). Dagegen können die Versicherten - von besonderen zusätzlichen qualitativen Momenten abgesehen - grundsätzlich nicht beanspruchen, den Radius der selbstständigen Fortbewegung in Kombination von Auto und Rollstuhl (erheblich) zu erweitern, auch wenn im Einzelfall die Stellen der Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich liegen, dafür also längere Strecken zurückzulegen sind, die die Kräfte eines Rollstuhlfahrers möglicherweise übersteigen (BSGE 91, 60 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 16 - Rollstuhl-Ladeboy; ebenso BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 S 173 - schwenkbarer Autositz und BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15 RdNr 10 - behinderungsgerechter PKW-Umbau; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II). Ebenso wenig rechnet die sportliche Betätigung ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge zu den Grundbedürfnissen, für die die GKV ihre Versicherten mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich auszustatten haben (vgl etwa BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 2 - Therapie-Tandem bei übersteigertem Bewegungsdrang; zuletzt nochmals bekräftigt mit Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 15 - Therapie-Dreirad II).

16

c) Die Einstandspflicht der Krankenkassen für Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich reicht auch bei Kindern und Jugendlichen nur dann weiter, wenn dies entweder zum Schulbesuch oder zur Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich ist; darauf hat auch das LSG zutreffend abgestellt. So können die Krankenkassen bei Kindern und Jugendlichen zwar grundsätzlich über die sonst geltenden Grenzen hinaus zur Gewährung von Hilfsmitteln verpflichtet sein, soweit es zur Förderung ihrer Integration in der jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich ist. Das hat der erkennende Senat bereits früh für den Schulweg (Urteil vom 2.8.1979, SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl) und den Schulsport (Urteil vom 22.7.1981, SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) entschieden und später auf alle sächlichen Mittel erstreckt, die einem behinderten Kind oder Jugendlichen die Teilnahme am gesetzlich vorgeschriebenen allgemeinbildenden Unterricht ermöglichen (Urteil vom 26.5.1983, SozR 2200 § 182b Nr 28 - Mikroportanlage; Urteil vom 6.2.1997, SozR 3-2500 § 33 Nr 22 - behinderungsgerecht ausgestatteter PC; Urteil vom 30.1.2001, SozR 3-2500 § 33 Nr 40 Notebook für Jurastudium). Mit gleicher Zielrichtung hat der Senat dies später auf diejenigen Hilfsmittel erstreckt, die eine Teilnahme an den allgemein üblichen Freizeitbetätigungen Gleichaltriger ermöglichen sollen (Urteil vom 16.4.1998, SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike I; Urteil vom 23.7.2002, SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad). Als nicht ausreichend angesehen wurde aber auch bei Kindern oder Jugendlichen einerseits die Begegnung nur in der Familie (vgl zuletzt Urteil vom 12.8.2009, SozR 4-2500 § 33 Nr 25 - Rollfiets) und zum anderen das Bedürfnis nach sportlicher Betätigung an sich (vgl etwa Urteil vom 26.3.2003, SozR 4-2500 § 33 Nr 2 - Therapie-Tandem bei übersteigertem Bewegungsdrang).

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d) Nach diesen Grundsätzen können auch jugendliche Versicherte die Versorgung mit besonders ausgestatteten Sportrollstühlen für den Vereinssport nicht beanspruchen. Hierfür bietet das besondere Sportinteresse des Klägers am Rollstuhlbasketball keine Grundlage und zudem reicht die Sportausübung in seinem Verein über den zwingend vorgegebenen Schulbesuch hinaus. Eine Einstandspflicht der Beklagten ist auch nicht zur Integration des Klägers in seiner jugendlichen Entwicklungsphase geboten. Zwar kann - anders als von der Beklagten anfangs geltend gemacht - die Begegnung in Gruppen von Kindern oder Jugendlichen mit Behinderungen wesentlich für den Entwicklungsprozess behinderter Kinder und Jugendlicher sein und ihnen Teilhabemöglichkeiten eröffnen, die ihnen ansonsten behinderungsbedingt verschlossen sind. Anders als vom LSG angenommen, steht dem Leistungsbegehren des weiteren nicht notwendig entgegen, dass nicht für jede sportliche Betätigung in einem Verein immer ein besonderer Rollstuhl erforderlich ist. Vielmehr durfte sich der Kläger unter Teilhabegesichtspunkten an denjenigen Sportangeboten orientieren, die - wie hier in der Anbindung an den örtlichen Rollstuhlbasketball-Bundesligaverein - an seinem Wohnort erreichbar sind. Gleichwohl reicht der Anspruch auf Versorgung mit einem für den Vereinssport besonders geeigneten Rollstuhl über den von der GKV zu gewährleistenden Basisausgleich hinaus, weil die Teilhabe am Vereinssport eine grundsätzlich andere Zielrichtung hat als das in der Rechtsprechung anerkannte Grundbedürfnis auf Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase.

18

Leitender Beweggrund für dessen Anerkennung ist das Bestreben, behinderte Kinder und Jugendliche nach Möglichkeit vor behinderungsbedingten Ausgrenzungen im täglichen Leben zu bewahren oder diese zu mildern und damit Beeinträchtigungen ihrer Entwicklung entgegenzuwirken. Zwar bestimmt § 1 Satz 1 SGB IX grundsätzlich, dass "Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen... erhalten, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken". § 1 Satz 2 SGB IX konkretisiert dies für den hier in Rede stehenden Personenkreis wie folgt: "Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen." In diesem Sinne müssen die Krankenkassen die notwendige Unterstützung leisten, damit behinderte Kinder und Jugendliche nicht von der Befolgung der allgemeinen Schulpflicht (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 6) ausgeschlossen sind oder sie bei der Begegnung mit nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen in ihrer Umgebung nicht mehr als ohnehin schon isoliert werden. Behinderte Kinder und Jugendliche sollen nicht vom üblichen Leben ihrer Altersgruppe ausgeschlossen, sondern trotz ihrer Behinderung integriert werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 158 - Rollstuhl-Bike I). Bei der Betätigung in einem Sportverein geht es hingegen nicht um die Vermeidung von Ausgrenzung, sondern vielmehr um die Erweiterung von Teilhabemöglichkeiten - und zwar in einem Bereich, für den die Krankenkassen außerhalb des Rehabilitationssports oder des Funktionstrainings gemäß § 44 Abs 1 Nr 3 und Nr 4 SGB IX gerade nicht mehr leistungsverpflichtet sind.

19

4. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 2008 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß § 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll(Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet.

20

5. Die Beklagte ist auch nicht nach dem Leistungsrecht eines anderen Rehabilitationsträgers zur Gewährung des begehrten Sportrollstuhls verpflichtet. Allerdings oblag der Beklagten nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX als erstangegangenem Rehabilitationsträger die Prüfung aller weiter in Betracht zu ziehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchsgrundlagen. Denn der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger verliert im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beklagte Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Eine so begründete Zuständigkeit der Krankenkasse nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(vgl BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14, möglicherweise aA BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3, RdNr 33; vgl auch BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23 - Kraftknoten). Zuständig ist also derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist, hier die beklagte Krankenkasse.

21

Im Ergebnis ist die Entscheidung der Beklagten indes auch unter Berücksichtigung von § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX nicht zu beanstanden. Insbesondere ist dem Kläger ein Sportrollstuhl zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht auf sozialhilferechtlicher Grundlage zur Verfügung zu stellen. Denn nach den Feststellungen des LSG fehlt es dafür jedenfalls an einer Bedürftigkeit des Klägers. Dass die Vorinstanz Anlass gehabt hätte, dieser Frage im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 103 Satz 1 SGG weiter nachzugehen, kann dem Revisionsvorbringen nicht entnommen werden(vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 7). Im Gegenteil ist im angefochtenen LSG-Urteil ausdrücklich festgehalten, dass die fehlende Bedürftigkeit des Klägers von seiner Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.1.2010 bestätigt worden ist; diese Feststellung des LSG ist vom Revisionsvorbringen nicht als fehlerhaft gerügt worden. Offen bleiben kann deshalb, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen die Versorgung mit solchen Rollstühlen als Leistung der Eingliederungshilfe von der Sozialhilfe beansprucht werden kann.

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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2

Der im Jahre 1978 geborene Kläger erlitt am 19.9.2003 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen; Komplikationen im Heilungsverlauf führten schließlich am 9.4.2008 zur Amputation des rechten Unterschenkels (GdB 90). Die Beklagte hat ihn mit einer Modular-Unterschenkelprothese aus Gießharz mit einem Carbonfederfuß sowie einer wasserfesten Prothese für die Mobilität in Nassbereichen ausgestattet. Der Kläger ist vollschichtig berufstätig und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit sportlichen Aktivitäten. Er geht regelmäßig zum Schwimmen und in ein Fitnessstudio, fährt Rad, wandert, spielt Tischtennis und betätigt sich in einer Behindertensportgruppe als Sitzballspieler.

3

Am 21.4.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 3.4.2009 und eines Kostenvoranschlags über 11 450,96 Euro die zusätzliche Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zur Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. Er gab an, die vorhandene Prothese sei für den Sport weder vorgesehen noch auf Dauer geeignet. Insbesondere für das von ihm auch schon vor dem Unfall bevorzugte Badmintonspiel sei die Sportprothese erforderlich, weil sie über einen rückfedernden Spezialfuß nebst Seitenfeder verfüge und ihm auf diese Weise die sportarttypischen, besonders schnellen und kraftvollen Sprünge ermöglicht würden. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil die Sportprothese für den Behinderungsausgleich nicht erforderlich sei. Er könne mit der Alltagsprothese problemlos gehen und stehen und seinen bisherigen sportlichen Aktivitäten ausreichend nachgehen. Die Sportprothese diene einem rein sportlichen Mobilitätsbedürfnis und sei wegen der starken Fußfederung für den Alltagsgebrauch eher ungeeignet. Die Zweitversorgung mit der Sportprothese könne daher auch nicht mit einer Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit der Alltagsprothese begründet werden (Bescheid vom 22.4.2009, Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.6.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.2.2012): Eine Beinprothese diene zwar dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem grundsätzlich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits gelte. Allerdings gebe es auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich keinen Anspruch auf Optimalversorgung. Die Sportprothese biete im Vergleich zu der vorhandenen Alltagsprothese nur einen geringen, auf bestimmte sportliche Aktivitäten in der Freizeit beschränkten Gebrauchsvorteil. Die Grundfunktionen des sicheren Gehens und Stehens seien durch die Alltagsprothese und die Badeprothese hinreichend gewährleistet. Auch die meisten Sportarten könnten mit diesen Prothesen ausgeübt werden. Nur das Badmintonspiel würde durch die Sportprothese erleichtert. Dieser Zweck rechtfertige die Zusatzversorgung jedoch nicht; einem gehbehinderten Menschen müsse nicht jede Form der Freizeitbetätigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Die prothetische Versorgung müsse nicht nur das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ermöglichen, sondern auch das schnelle Laufen, das Springen und sonstige rasche Bewegungen der Beine, weil es dabei um Körperfunktionen gehe, über die jeder nicht gehbehinderte Mensch verfüge. Die Gleichbehandlung mit nicht behinderten Menschen sei auch beim Freizeitsport zu gewährleisten (Art 3 Abs 3 GG, § 1 SGB IX). Die Alltagsprothese benutze er beim Sport nur als Notbehelf. Es besteht immer die Gefahr eines Materialbruchs durch Überlastung. Alltagsprothesen und Sportprothesen dienten grundsätzlich verschiedenen Zwecken, sodass die Maßstäbe einer üblichen "Zweitversorgung" nicht anwendbar seien. Gerügt werde auch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG hätte ermitteln müssen, ob er mit den vorhandenen Prothesen auch im Sportbereich im Sinne eines Gleichziehens mit den Fähigkeiten eines nicht gehbehinderten Menschen ausreichend versorgt sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 2.2.2012 und des SG Mainz vom 8.6.2011 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 22.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zu versorgen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

9

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V hat, weil die Sportprothese nur der sportlichen Betätigung in der Freizeit dient und damit ein Versorgungsziel verfolgt wird, für das die Krankenkassen nicht aufzukommen haben. Die Ermöglichung sportlicher Aktivitäten fällt grundsätzlich nur dann in die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, wenn es dabei zugleich um die Gewährleistung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens geht, wie es zB bei der Teilnahme am Sportunterricht in der Schule im Rahmen der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) oder bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike als Fahrradersatz) der Fall ist, oder wenn es sich um die Teilnahme am ärztlich verordneten Rehabilitationssport und Funktionstraining (§ 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX) handelt. Die Förderung des Freizeitsports und des Vereinssports gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl zur Teilnahme am Rollstuhlbasketballspiel in einem Behindertensportverein).

10

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen, auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 S 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um eine besondere Variante der Erstbeschaffung eines Hilfsmittels, deren Tatbestandsvoraussetzungen aber hier nicht erfüllt sind.

11

2. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Sportprothese im vorliegenden Fall zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte - und hier allein in Betracht kommende - Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung.

12

a) Im Vordergrund einer Hilfsmittelversorgung steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg II). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl § 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

13

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 14). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

14

c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch ein Anspruch auf Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 S 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Die Krankenkassen haben auch nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15).

15

d) Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 - C-leg II).

16

3. Diese Grundsätze waren für den erkennenden Senat maßgeblich, als er in zwei Entscheidungen vom 25.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24) die Frage zu klären hatte, ob beinamputierte Versicherte, die bereits mit einer normalen Laufprothese ausgestattet sind, die zusätzliche Versorgung mit einer Badeprothese beanspruchen können. Dies wurde für eine übliche (süßwasserbeständige) Badeprothese bejaht, für eine salzwasserbeständige Badeprothese dagegen verneint. Dabei ging es indes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, um die Ermöglichung einer bestimmten gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung, nämlich das Schwimmen, sondern um die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses in Nassbereichen und damit um die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens.

17

a) Die normale Beinprothese hat einen konstruktionsbedingten Gebrauchsnachteil, weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Krankenkassen zur Reparatur bzw zum Ersatz verpflichtet wären, was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht aber eine besondere Rutschgefahr. Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer Badeprothese kompensiert. Die Badeprothese gleicht praktisch das Funktionsdefizit der Alltagsprothese in Nassbereichen aus.

18

b) Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer Badeprothese wird durch die Bereitstellung einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern sowie an Flüssen und Binnenseen ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste Badeprothese lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in Salzwasser-Schwimmbädern und am Meer. Einen Ausgleich dieses Gebrauchsnachteils der ihm zur Verfügung gestellten Badeprothese kann der Versicherte jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste Badeprothese dem Versicherten nicht - wie bei der normalen Badeprothese - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

19

c) In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Hilfsmittels (hier: die Salzwasserfestigkeit) notwendig ist, den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und Gebote des SGB IX Rechnung zu tragen. Dies war dort zu verneinen. Es ging lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung, die dem Versicherten zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

20

Aber auch bei der Bewältigung des Alltags ist es einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem Salzwasserthermalbad oder im Urlaub am Meer. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im Süßwasserbereich zu beschränken. Ein Versicherter, der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen Badeprothese nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste Badeprothese benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

21

4. Im Verhältnis von normaler Laufprothese und Badeprothese geht es um zwei sich in ihren Funktionen ergänzende Hilfsmittel zum unmittelbaren Behindertenausgleich, die stets nebeneinander beansprucht werden können. Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Versicherten, der zum unmittelbaren Behinderungsausgleich mit einem herkömmlichen, voll funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt ist, nun aber ein dem gleichen Zweck dienendes, aber technisch verbessertes oder aufwändiger ausgestattetes Hilfsmittel beansprucht. Es geht dabei um den besonderen Fall der qualifizierten Zweitversorgung bei Vorhandensein von zwei demselben Versorgungsziel dienenden Hilfsmitteln. Diese Situation ist zB gegeben, wenn ein gehbehinderter Versicherter, der mit einer herkömmlichen, mechanisch gesteuerten und noch voll funktionsfähigen Prothese ausgestattet ist, die Versorgung mit einer technisch weiterentwickelten, über ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk verfügenden Prothese (C-leg) begehrt. Der erkennende Senat hat diesen Anspruch auf Zweitversorgung in mehreren Entscheidungen stattgegeben (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8): Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg II). Dabei muss es stets um "wesentliche" Gebrauchsvorteile des neuartigen Hilfsmittels gehen, was dann der Fall ist, wenn sich die Gebrauchsvorteile allgemein im Alltagsleben auswirken, sich also nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Da eine C-leg-Prothese im Vergleich zu einer hergebrachten mechanisch wirkenden Prothese über deutliche allgemeine - und damit "wesentliche" - Gebrauchsvorteile verfügt (zB weitgehende Annäherung an ein natürliches Gangbild und erhebliche Reduzierung der Sturzgefahr beim Gehen auf unebenem Untergrund und auf Treppen, vgl BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 5, 14, 15),ist der Anspruch auf Zweitversorgung jeweils zuerkannt worden.

22

5. An diese Grundsätze ist anzuknüpfen, wenn es um die zusätzliche Versorgung eines beinamputierten Versicherten, der schon mit einer normalen Laufprothese und einer Badeprothese ausgestattet ist, mit einer Sportprothese geht, die ihm den Bereich des Freizeitsports noch weiter eröffnen soll, insbesondere mit Blick auf das von ihm bevorzugte Badmintonspiel.

23

Die Sportprothese gleicht nicht ein Funktionsdefizit der normalen Laufprothese im Alltagsgebrauch aus, wie es bei der Badeprothese in Nassbereichen der Fall ist. Sie ermöglicht zwar durch den rückfedernden Spezialfuß ein besseres Springen und andere rasche Körperbewegungen, wie sie einem nicht gehbehinderten Menschen gleichen Alters regelmäßig ohne Weiteres möglich sind. Diesen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur normalen Laufprothese benötigt der Kläger jedoch nicht zur Bewältigung von Mobilitätserfordernissen im Alltag, sondern ausschließlich für den Freizeitsport, der ihm in einem erheblichen Maße auch schon durch die vorhandene Prothese ermöglicht wird. Hierin besteht der Unterschied zu der Situation von beinamputierten Versicherten, die zwar mit einer funktionstüchtigen, alltagstauglichen mechanischen Beinprothese ausgestattet sind, nunmehr aber eine elektronisch gesteuerte Beinprothese beanspruchen, weil das Gangbild verbessert und die Sicherheit beim Gehen erheblich erhöht wird. Während beim C-leg der Gebrauchsvorteil also "wesentlich" ist, weil er sich im gesamten Alltagsgebrauch auswirkt, ist der Gebrauchsvorteil einer Sportprothese nicht "wesentlich", weil sie nur dem speziellen Mobilitätsbedürfnis des Klägers bei seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit, vor allem beim Badmintonspiel, dient. Im Vergleich zur normalen Laufprothese, die ebenfalls sportliche Betätigungen in nennenswertem Umfang ermöglicht, bietet die Sportprothese für den Alltagsgebrauch keinen Gebrauchsvorteil, sondern wirkt sich sogar nachteilig aus, weil der rückfedernde Spezialfuß beim normalen Gehen eher hinderlich wirkt. Daher hat die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V zu Recht abgelehnt.

24

6. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt es sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß Art 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 19).

25

7. Ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin nach § 14 SGB IX scheidet aus, weil die Leistungszuständigkeit anderer Sozialleistungsträger (Unfallversicherung, Sozialhilfe) weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden ist.

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8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren auf 3689,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Alleinerbe und Rechtsnachfolger seiner bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesenen Ehefrau Kostenerstattung für einen selbst beschafften Autoschwenksitz.

2

Die im Jahre 1930 geborene Versicherte litt an körperlichen Funktionseinschränkungen sowie an fortgeschrittener Demenz und konnte - mit Führung - nur noch wenige Schritte gehen. Ihr waren deshalb ua die Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), H (Hilflosigkeit) und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) zuerkannt. Von der beigeladenen Pflegekasse erhielt sie Leistungen nach der Pflegestufe III. Sie wurde bis zu ihrem Tod am 5.10.2010 von ihrem Ehemann zu Hause betreut und gepflegt; an vier und zuletzt an fünf Tagen pro Woche war sie tagsüber in einer Einrichtung der Tagespflege in G. untergebracht. Die Fahrten zur Tagespflegestätte und zurück wurden vom Kläger im eigenen Pkw durchgeführt, wobei der jedesmal notwendige Umstieg vom Rollstuhl auf den Beifahrersitz bei Fahrtbeginn und der umgekehrte Umstieg bei Fahrtende wegen der zunehmenden Bewegungseinschränkungen der Versicherten und ihrem Unvermögen zu jeder Form der Mithilfe beim Umsteigen immer aufwändiger wurde und von dem ebenfalls im Jahre 1930 geborenen Kläger kaum noch bewältigt werden konnte.

3

Am 13.2.2008 beantragte die Versicherte bei der Beklagten die Versorgung mit einem in den Pkw ihres Ehemannes einzubauenden Autoschwenksitz, um auf einfache Weise den Umstieg zwischen Rollstuhl und Beifahrersitz bewerkstelligen zu können. Ihr Ehemann müsse sie nicht nur in die - damals erst zweimal pro Woche aufgesuchte - Tagespflegeeinrichtung, sondern auch regelmäßig zu Ärzten in M. und G. fahren. Da sie ständiger Beaufsichtigung bedürfe und deshalb nicht allein gelassen werden könne, müsse sie auch bei Einkäufen und Freizeitaktivitäten immer im Pkw mitgenommen werden.

4

Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Versicherte mit einem Rollstuhl ausgestattet sei, der die vorhandenen Mobilitätsdefizite im allein maßgebenden Nahbereich der Wohnung hinreichend ausgleiche (Bescheid vom 19.2.2008). Die Versicherte ließ daraufhin auf eigene Kosten einen Autoschwenksitz auf der Beifahrerseite des Pkw einbauen (Rechnung vom 6.3.2008 über 3507,53 Euro), fügte dem Widerspruch eine vertragsärztliche Bescheinigung vom 28.2.2008 über die Notwendigkeit des Hilfsmittels bei und beantragte nunmehr Kostenerstattung. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.5.2008, Widerspruchsbescheid vom 16.7.2008), weil die Versicherte mit dem Rollstuhl zur Sicherung ihrer Mobilität ausreichend versorgt sei. Für die Transporte zwischen Wohnung und Tagespflegestätte könne die Versicherte einen Fahrdienst in Anspruch nehmen (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI), dessen Kosten von der Leistungspflicht der Pflegekassen nach Maßgabe der Monatshöchstbeträge des § 41 Abs 2 Satz 2 SGB XI umfasst seien.

5

Am 25.11.2009 ließ der Kläger den Schwenksitz für 875 Euro aus dem verkauften alten Pkw ausbauen und in sein neu erworbenes Fahrzeug einbauen. Nach dem Tod seiner Ehefrau verkaufte er dann den Schwenksitz für 800 Euro, wobei er für zwei Inserate, Telefonate und die Auslieferungsfahrt insgesamt 195 Euro aufgewandt hat. Zur Berechnung des Erstattungsanspruches reduzierte er die aufgewandten Kosten über 4382,53 Euro (3507,53 + 875 Euro) um die bei Hilfsmitteln übliche Eigenbeteiligung (§ 33 Abs 8 SGB V) und um den Wiederverkaufserlös (605 Euro); schließlich bezifferte er die Klageforderung auf 3689,65 Euro.

6

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.3.2012). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 8.3.2013): Die bei dem mittelbaren Behinderungsausgleich sicherzustellende Erreichbarkeit des Nahbereichs um die Wohnung sei durch die Ausstattung der Versicherten mit einem Rollstuhl gewährleistet gewesen. Auf die konkreten Verhältnisse im Wohnumfeld komme es dabei nicht an, sodass es ohne Bedeutung sei, welche Wegstrecke zum Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten zurückzulegen war. Die Wahrnehmung von Versorgungswegen (zB Einkäufe, Bankgeschäfte) sei wegen der Demenz der Versicherten ohnehin nicht in Betracht gekommen. Der Kläger habe seine Ehefrau im Pkw mitgenommen, weil er sie nicht allein in der Wohnung lassen konnte oder wollte. Die Empfehlung der behandelnden Ärztin, mit der Versicherten kleine Ausflüge zu unternehmen, rechtfertige die Hilfsmittelversorgung nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht, weil die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beim mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich nicht für die Mobilität außerhalb des Nahbereichs der Wohnung einzustehen habe. Auch für das Aufsuchen der Tagespflegeeinrichtung sei der Autoschwenksitz nicht erforderlich gewesen. Die teilstationäre Pflege umfasse auch die dabei anfallenden Transportkosten (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI). Soweit die Leistungsbeträge nach § 41 Abs 2 Satz 2 SGB XI für die Tagespflege und die Transporte nicht ausreichten, sei dies Ausdruck des grundsätzlich nicht auf volle Kostendeckung angelegten Systems der Pflegeversicherung. Mit dem Argument, die Kosten des Schwenksitzes seien auf Dauer günstiger als die Transportkosten von täglich 10,50 Euro, verkenne der Kläger die rechtliche und wirtschaftliche Trennung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse (§ 46 Abs 1 SGB XI). Die Transportkosten seien im Rahmen des § 33 SGB V unerheblich, weil die Beklagte hiermit nicht belastet werde.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Das LSG habe die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung zum mittelbaren Behinderungsausgleich zu eng gefasst. Die Mobilitätserfordernisse im Nahbereich um die Wohnung seien nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Gegebenheiten des Wohnumfeldes zu bestimmen. Mit der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten, von Einkaufsmöglichkeiten und auch von Pflegeeinrichtungen sei das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums selbst betroffen. Völlig unberücksichtigt geblieben sei auch das Bedürfnis demenzkranker Menschen, soziale Kontakte so lange wie möglich zu pflegen und zu erhalten.

8

Während des Revisionsverfahrens ist die Pflegekasse bei der AOK NORDWEST mit ihrer Zustimmung zum Rechtsstreit notwendig beigeladen worden (§ 75 Abs 2 SGG).

9

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 und des SG Münster vom 28. März 2012 zu ändern, die Bescheide der Beklagten vom 19. Februar 2008 und 14. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3689,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2010 zu zahlen.

10

Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass ein Anspruch der Versicherten gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem Autoschwenksitz nicht bestanden hat. Auch die Beigeladene war nicht zur Leistung verpflichtet. Deshalb konnte durch die Selbstbeschaffung der Leistung ein Kostenerstattungsanspruch nicht entstehen. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 19.2.2008 und 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.7.2008 sind somit rechtmäßig.

12

1. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift, die im Bereich der GKV unmittelbar und im Bereich der sozialen Pflegeversicherung entsprechend anzuwenden ist (vgl Krahmer in LPK-SGB XI, 4. Aufl 2014, § 4 RdNr 9 mwN), sind weder im Verhältnis zur Beklagten noch im Verhältnis zur Beigeladenen erfüllt, wobei im vorliegenden Fall ausschließlich die zweite Variante, also die Leistungsbeschaffung nach rechtswidriger Antragsablehnung, in Betracht zu ziehen war.

13

a) Dabei ist festzuhalten, dass die Beklagte in dem Bescheid vom 14.5.2008 nicht nur die eigene Leistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V, sondern auch eine etwaige Leistungspflicht der Beigeladenen nach § 40 Abs 1 SGB XI geprüft und verneint hat. Die Beklagte hat damit eine Parallelprüfung vorgenommen, wie sie seit dem 1.1.2012 für Fälle der vorliegenden Art sogar gesetzlich vorgeschrieben ist: Nach § 40 Abs 5 Satz 1 SGB XI in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Versorgungsstrukturgesetz ) vom 22.12.2011 (BGBI I 2983) gilt nunmehr: "Für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die sowohl den in § 23 und § 33 des Fünften Buches als auch den in Absatz 1 genannten Zwecken dienen können, prüft der Leistungsträger, bei dem die Leistung beantragt wird, ob ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder der Pflegekasse besteht und entscheidet über die Bewilligung der Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel." Diese gesetzliche Zuständigkeitserweiterung des erstangegangenen Leistungsträgers galt hier zwar noch nicht, weil sich der Vorgang im Jahre 2008 abgespielt hat, aber dennoch muss sich die Beigeladene das Verwaltungshandeln der Beklagten wegen ihrer engen organisatorischen Verbindung (§ 46 Abs 1 Satz 2 SGB XI) und dem in solchen Fällen seinerzeit häufig zu beobachtenden Verzicht auf Erteilung eines eigenen Bescheids der Pflegekasse zurechnen lassen. Im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 40 Abs 1 SGB XI konnte sich der Kostenerstattungsanspruch analog § 13 Abs 3 SGB V also auch gegen die Beigeladene richten.

14

b) Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V ist es unerheblich, ob der Kläger den Kaufpreis für den Autoschwenksitz und den Werklohn für dessen Einbau in den neuen Pkw aus eigenen Mitteln oder aus dem Vermögen seiner Ehefrau, der Versicherten, finanziert hat. Die Aktivlegitimation für den Kostenerstattungsanspruch lag unabhängig von dieser Finanzierungsfrage zunächst bei der Versicherten und nach deren Tod beim Kläger (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 8).

15

2. Anspruchsgrundlage für das ursprüngliche Sachleistungsbegehren der Versicherten gegenüber der Beklagten ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Maßgeblich ist die Fassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 17 Buchst a des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V (Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis) aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Für den Versorgungsanspruch ist nicht entscheidend, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V, für Pflegehilfsmittel § 78 Abs 2 SGB XI) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11, 12, 32). Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V waren hier nicht erfüllt, weil der Autoschwenksitz zum Behinderungsausgleich nicht "erforderlich" war.

16

a) Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V bestand nicht allein deshalb, weil der Autoschwenksitz als Hilfsmittel der GKV vertragsärztlich verordnet(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) worden ist. Es liegt zwar keine förmliche vertragsärztliche Verordnung vor, wohl aber eine Bescheinigung des Hausarztes über die aus seiner fachlichen Sicht gegebene Notwendigkeit des Hilfsmittels. Eine solche formlose Bescheinigung haben Vertragsärzte in der Vergangenheit immer dann verwendet, wenn es um ein Hilfsmittel ging, das nicht im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) aufgeführt war. Hintergrund war die bis zum 31.3.2007 geltende Regelung zum Hilfsmittelverzeichnis in § 128 SGB V(idF des Gesundheits-Reformgesetzes - GRG - vom 20.12.1988, BGBl I 2477), wonach in dem Verzeichnis "die" von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel aufzuführen waren. Dies wurde in der Praxis vielfach so verstanden, dass ein Vertragsarzt nur dann eine förmliche "Verordnung" iS des § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V ausstellen durfte, wenn das Hilfsmittel in dem Hilfsmittelverzeichnis gelistet war, und er ansonsten auf eine formlose "Bescheinigung" über die medizinische Erforderlichkeit eines (nicht gelisteten) Hilfsmittels zurückgreifen musste. Die Neuregelung der Bestimmungen zum Hilfsmittelverzeichnis durch den zum 1.4.2007 in Kraft getretenen § 139 SGB V(idF des GKV-WSG) hat das Ausweichen der Ärzte auf solche formlosen Bescheinigungen überflüssig gemacht, weil in § 139 Abs 1 Satz 2 SGB V nunmehr geregelt ist, dass in dem Verzeichnis "von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen" sind, die - von der Rechtsprechung des BSG immer wieder beanstandete - Einschränkung auf "die" von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel also entfallen ist(vgl Begründung zum Gesetzentwurf eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 150 zu Nr 116, § 139). Vertragsärzte können seit dem 1.4.2007 somit auch (noch) nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistete, aber im Einzelfall medizinisch notwendige Hilfsmittel förmlich verordnen (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V). Dabei können sie nun auch nicht mehr in Konflikt mit den - auch für sie verbindlichen (§ 91 Abs 6 SGB V idF des GKV-VStG, in Kraft ab 1.1.2012; bis 31.12.2011 § 91 Abs 9 idF des GKV-WSG) - Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinien) geraten, die in ihrer ursprünglichen Fassung vom 17.6.1992 (Beilage zum BAnz 1992, Nr 183b, 5 bis 18) in Übereinstimmung mit § 128 SGB V(idF des GRG) noch angeordnet hatten, dass nur solche Hilfsmittel verordnet werden dürfen, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind (vgl Teil A II b) Nr 8). Diese vom erkennenden Senat ebenfalls mehrfach als rechtswidrig beanstandete Einschränkung (BSG SozR 4-2500 § 127 Nr 2 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 26 RdNr 9) ist durch die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA; HilfsM-RL) vom 29.12.2011/15.3.2012 (BAnz AT vom 10.4.2012) gestrichen und durch eine den §§ 33 und 139 SGB V(idF des GKV-WSG) entsprechende offene Regelung ersetzt worden (vgl § 6 Abs 5 HilfsM-RL). Mit Blick auf die zunächst an die neue Fassung des § 139 SGB V nicht angepassten Richtlinien haben aber Vertragsärzte mitunter - und so auch hier - auch nach dem 1.4.2007 noch auf formlose "Bescheinigungen" zurückgegriffen, wenn sie nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistete Hilfsmittel verordnen wollten. Dies ist leistungsrechtlich jedoch unschädlich; denn eine solche Bescheinigung steht insoweit einer förmlichen "Verordnung" gleich.

17

Den Krankenkassen steht allerdings ein eigenes Prüfungs- und Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V der medizinischen Rehabilitation dient, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung im Einzelfall erforderlich ist(BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 33 RdNr 10; Engelmann in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 139 RdNr 17); dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung einschalten (vgl § 275 Abs 3 Nr 1 SGB V; ebenso § 5 Abs 3 HilfsM-RL). Eine vertragsärztliche Verordnung wäre allenfalls dann für eine Krankenkasse verbindlich, wenn sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet hätte, was zB durch vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern bzw deren Verbänden möglich ist (§ 127 SGB V). Eine solche Vereinbarung ist für Autoschwenksitze nicht geschlossen worden.

18

b) Ein Autoschwenksitz ist von einer Krankenkasse auch nicht schon deshalb als Hilfsmittel zu gewähren, weil ein Versicherter wegen seiner Gehunfähigkeit mit einem Rollstuhl versorgt worden ist und das Gerät die Funktion hat, einem gehunfähigen Versicherten, der sich nicht aus eigener Kraft auf den Beifahrersitz eines Pkw begeben kann, das Umsteigen vom Rollstuhl in den Pkw zu ermöglichen bzw zu erleichtern. Obwohl ein Autoschwenksitz also in der Regel nur in Kombination mit einem Rollstuhl eine Funktion hat und insofern als "Zusatzgerät" zum Rollstuhl bezeichnet werden kann, folgt aus der medizinisch-rehabilitativen Notwendigkeit des Rollstuhls noch nicht die Erforderlichkeit des Autoschwenksitzes als Hilfsmittel der GKV. Dieses Gerät hat im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - Behinderungsausgleichs (dritte Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) für einen gehunfähigen Versicherten eine eigenständige Bedeutung, weil es die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Rollstuhl erweitert, indem durch die Mitnahme in einem Pkw alle denkbaren Ziele auch außerhalb des Nahbereichs um die Wohnung erreicht werden können. Ein Autoschwenksitz hat also von seiner Konstruktion und seinem Verwendungszweck her einen eigenständigen Nutzen für den Versicherten und seine Begleitperson. Dieser Gebrauchsvorteil muss den Kriterien der Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zum Zwecke des Behinderungsausgleichs genügen und verlangt somit eine gesonderte, von der medizinisch-rehabilitativen Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhl unabhängige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen(so bereits BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 15 zur Treppensteighilfe).

19

c) Zur Frage der Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich iS der dritten Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) wird stets unterschieden zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel unmittelbar dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst dient, und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird. Diese Differenzierung ist notwendig, weil unter Einbeziehung einer historischen Betrachtung unzweifelhaft ist, dass der Ausfall einer Körperfunktion den Krankheitsbegriff in der GKV erfüllt und es daher zum Aufgabenbereich der GKV gehört, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen soweit wie möglich wiederherzustellen oder zu verbessern.

20

Beim mittelbaren Behinderungsausgleich geht es demgegenüber darum, einem behinderten Menschen, dessen Funktionsbeeinträchtigung durch medizinische Maßnahmen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung zu erleichtern. Dabei liegt es auf der Hand, dass es nicht Aufgabe der GKV sein kann, jegliche Behinderungsfolgen in allen Lebensbereichen auszugleichen. So ist es beispielsweise Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme, einen Ausgleich für spezielle berufliche Anforderungen zu schaffen. Es ist auch nicht Sache der GKV, alle Auswirkungen der Behinderung beispielsweise im Hinblick auf spezielle Sport- oder Freizeitinteressen durch Hilfsmittel auszugleichen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 23 - Druckbeatmungsgerät für Campingurlaub; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 - Salzwasserprothese; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 40 - Unterschenkel-Sportprothese). Auch nach dem der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewidmeten SGB IX ist die GKV nur für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie für unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, nicht aber für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständig (§ 6 Abs 1 Nr 1, § 5 SGB IX).

21

Um hier den Aufgabenbereich der GKV abzugrenzen, ist ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich von der GKV nach ständiger Rechtsprechung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen elementaren Grundbedürfnissen eines Menschen gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 10 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zur Erschließung des körperlichen Freiraums gehört insbesondere die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und sie zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (Versorgungswege, zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

22

Zu Wertungswidersprüchen führt die Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich nicht, da die durch den unmittelbaren Behinderungsausgleich bewirkte Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion bereits als solche ein Grundbedürfnis darstellt. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich kommt daher der Frage nach der Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens erst dann Bedeutung zu, wenn es nicht um die erstmalige Behebung eines Funktionsdefizits geht und auch nicht um die reine Ersatzbeschaffung, sondern um die Versorgung eines für den Behinderungsausgleich bereits ausreichend ausgestatteten Versicherten mit einem zweiten Hilfsmittel gleicher Art als Zweitausstattung, als Ausstattung für einen speziellen Zweck in Abgrenzung zur Ausstattung für das tägliche Leben oder mit einem technisch weiterentwickelten Hilfsmittel. Dabei kommt es auf den Umfang der mit dem neuen Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (zB computergestütztes statt mechanisches Kniegelenksystem, vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8).

23

Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153); anderenfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183, 188 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15 - jeweils zum C-Leg).

24

d) Im vorliegenden Fall geht es - wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl - nicht um den unmittelbaren, sondern um einen mittelbaren Behinderungsausgleich im Bereich der Mobilität, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (so zB bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur mit stützender Hilfe einer Begleitperson - einen Pkw zu besteigen und wieder zu verlassen.

25

Das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst allerdings grundsätzlich nur die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich, die regelmäßig durch Rollstühle gewährleistet wird. Ist die Fortbewegung im Rollstuhl nicht möglich oder unzumutbar und steht deshalb die Nutzung eines Pkw im Raum (zum allgemeinen Grundbedürfnis der "Bewegungsfreiheit" vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 - Einsatz eines zweisitzigen Rollstuhls im Nahbereich zur qualitativen Erweiterung des persönlichen Freiraums), muss der Zweck, so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§ 5 Nr 1 SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn - wie bereits ausgeführt - zB die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (§ 5 Nr 2 und 4 SGB IX).

26

Die spezielle Pflicht der Krankenkassen, behinderten Menschen durch eine angemessene Hilfsmittelversorgung eine möglichst selbstständige Lebensführung zu erhalten, ergibt sich also nur im Zuständigkeitsbereich der GKV. Die Erhaltung einer möglichst selbstständigen Lebensführung ist nur dann Aufgabe der GKV, wenn es dabei um medizinische Rehabilitation geht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gilt für die Bestimmung des Nahbereichs der Wohnung ein abstrakter, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängiger Maßstab (BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter Pkw; zuletzt BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Darauf hat das LSG zutreffend hingewiesen. Bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV kommt es also nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an. Die baulichen Gegebenheiten der Wohnung und die Gestaltung des individuellen Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - nicht ebenso vorhanden sind und dort den Einsatz eines bestimmten Hilfsmittels entbehrlich machen würden, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Denn für die medizinische Rehabilitation als Aufgabe der GKV sind allein der Gesundheitszustand des Versicherten und dessen Funktionsdefizite maßgeblich, nicht aber seine Wohnsituation. Die Leistungen der GKV dürfen - soweit gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen - nicht maßgeblich von anderen als medizinischen Erfordernissen abhängig gemacht werden. Aus diesem Grund nimmt der Senat auch bezüglich anderer Hilfsmittel grundsätzlich auf einen abstrakten, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängigen Maßstab zB bei der Bestimmung des Nahbereichs Bezug (stRspr, BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Gegebenheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise in praktisch jeder Art von Wohnung und jeder Art ihres Umfeldes benötigen. Der entscheidende Unterschied zwischen dem SGB V und dem SGB XI liegt im vorliegenden Zusammenhang also darin, dass der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung zum mittelbaren Behinderungsausgleich (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) davon abhängt, dass der Versicherte das Hilfsmittel seiner Zweckbestimmung nach praktisch überall, also wohnortunabhängig benötigt, während der Versorgungsanspruch in der sozialen Pflegeversicherung nach § 40 SGB XI gerade an die konkreten individuellen Wohnverhältnisse des Pflegebedürftigen anknüpft. Diese Systementscheidung des Gesetzgebers ist rechtlich nicht zu beanstanden.

27

e) Ein über die Befriedigung von elementaren Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 33 SGB V, wohl aber nunmehr aus der Regelung des § 26 Abs 2 Nr 6 iVm § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ergibt, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V im Zuge der Einführung des SGB IX mit Wirkung zum 1.7.2001 in Kraft gesetzt hat (vgl Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Der Wortlaut des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass es nur um einen Behinderungsausgleich "bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens" gehen kann. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1, § 26 SGB IX) für diesen Bereich einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 Satz 2 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16).

28

3. Mit dieser Entscheidung setzt der erkennende Senat seine langjährige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen und den Grenzen des Anspruchs der Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln der GKV nach § 33 SGB V fort. Auch unter Berücksichtigung der im Schrifttum verschiedentlich geäußerten Kritik (vgl zum Stand der Diskussion zB Brockmann, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2013, 19 ff; Davy in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht 2004, 403 ff; Davy, SGb 2004, 315 ff; Liebold, Auswirkungen des SGB IX auf die gesetzliche Krankenversicherung, 2007, 216 ff; Masuch, SozSich 2004, 314 ff; Welti, SGb 2010, 597 ff; Welti, SuP 2009, 683 ff; Schütze, SGb 2013, 147 ff; Trésoret, NZS 2013, 491 ff; Henning, SGb 2015, 83 ff) sieht der Senat keinen Anlass, von den tragenden Säulen des Systems der Hilfsmittelversorgung der GKV abzurücken. Dazu gehören die Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, die Anknüpfung des mittelbaren Behinderungsausgleichs an die allgemeinen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, die grundsätzliche Beschränkung des elementaren Grundbedürfnisses auf Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums durch Mobilitätshilfen auf die eigene Wohnung des Versicherten und deren Nahbereich sowie die Definition des mittelbaren Behinderungsausgleichs allein anhand der drohenden bzw vorhandenen Funktionsdefizite, also ohne Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des Wohnorts und der individuellen Wohnverhältnisse des Versicherten. Dieses Regelungssystem hat sich bewährt, führt zu sachgerechten Ergebnissen und gewährleistet eine nachvollziehbare Abgrenzung zu den Leistungspflichten anderer Sozialleistungsträger bei der Hilfsmittelversorgung, zB bei der beruflichen und sozialen Rehabilitation.

29

a) Es wird geltend gemacht, das BSG trage bei seiner Rechtsprechung zu § 33 SGB V nicht dem gewandelten Begriff der Behinderung Rechnung, wie er in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX niedergelegt sei: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Bevor das SGB IX in Kraft trat, habe man unter dem Begriff Behinderung eine Funktionseinschränkung im medizinischen Sinne verstanden. Der in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX normierte Behinderungsbegriff rücke demgegenüber das Ziel der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in den Vordergrund. Eine Behinderung liege nunmehr vor, wenn die Funktionsbeeinträchtigung eine Teilhabestörung hervorruft (Heinz, WZS 2011, 174, 177 f; Liebold, aaO, S 136 ff; Welti, SGb 2010, 597, 599; Welti, SuP 2009, 683, 687 f; Henning, SGb 2015, 83, 87; zur Gesetzeshistorie BT-Drucks 14/5074 S 92 und 98). Welches Hilfsmittel erforderlich sei, müsse - gerade auch im Bereich der Mobilität - mit Blick auf die Teilhabestörung festgestellt werden. Dazu sei es unerlässlich, die individuellen Kontextfaktoren zu berücksichtigen; denn erst durch jene könne die durch die Funktionseinschränkung hervorgerufene Teilhabebeeinträchtigung festgestellt werden. Zu den zu berücksichtigenden individuellen Kontextfaktoren zählten insbesondere Familie, Wohnung und Wohnort (Welti, SuP 2009, 683, 688; Henning, SGb 2015, 83, 87).

30

Dieser Einwand trifft nicht zu. Der erkennende Senat hat selbstverständlich den Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX bei seiner Rechtsprechung berücksichtigt(BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 zur Damenperücke), wie es auch durch die Regelung des § 11 Abs 2 Satz 3 SGB V ausdrücklich angeordnet worden ist: "Die Leistungen nach Satz 1 (gemeint sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist." Dies kann aber nicht zu den von den Kritikern geforderten Konsequenzen führen. Die Krankenkassen haben das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft (§ 1 Satz 1, § 4 SGB IX) bei der Leistungsgewährung nach § 33 SGB V zwar stets zu beachten, dabei aber die Grenzen ihrer Zuständigkeit zu wahren. Das Förderungsgebot des SGB IX gilt nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, dehnt den Zuständigkeitsbereich selbst aber nicht aus. Denn die Krankenkassen sind immer nur für die medizinische Rehabilitation zuständig (§ 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX), und dies bedeutet für den Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs, um den es in diesem Zusammenhang nur gehen kann, die Beschränkung auf den Ausgleich von Behinderungsfolgen bei den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, wie in § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ausdrücklich normiert. Sind elementare Grundbedürfnisse nicht betroffen, entfällt die Zuständigkeit der GKV beim mittelbaren Behinderungsausgleich, auch wenn das Hilfsmittel möglicherweise geeignet wäre, die Teilhabe des Versicherten am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Gesetzgeber sich entschlösse, die Zuständigkeit der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung auf die "Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" iS des § 5 Nr 4 SGB IX auszuweiten. Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden nach § 55 Abs 1 SGB IX die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 (4: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, 5: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 6: Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) nicht erbracht werden; dazu gehört auch die Versorgung mit anderen als den in § 31 SGB IX genannten Hilfsmitteln.

31

b) Die nach der bisherigen Konzeption des § 33 SGB V weitgehend ausgeschlossene Berücksichtigung des Wohnorts und des Wohnumfelds des Versicherten kann ebenfalls nur durch den Gesetzgeber korrigiert werden. Er hätte zB die Möglichkeit, innerhalb des § 33 Abs 1 SGB V die Berücksichtigung der individuellen Wohn- und Lebensverhältnisse anzuordnen - und würde auf diese Weise zu einem weitgehenden Gleichklang mit dem System der sozialen Pflegeversicherung(§ 40 SGB XI) gelangen.

32

Bisher hat der Gesetzgeber allerdings keinen Anlass gesehen, die langjährige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung der Versicherten nach § 33 SGB V im Bereich des - allein umstrittenen - mittelbaren Behinderungsausgleichs zu korrigieren. Dies spricht dafür, dass er diese Rechtsprechung jedenfalls bisher billigt und keinen Korrekturbedarf sieht. Auch dieser Umstand spricht dafür, an der bisherigen Rechtsprechung zu § 33 SGB V festzuhalten.

33

c) Die Kritiker machen ferner geltend, im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung werde nicht zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich unterschieden und nach dem Grundsatz der optimalen Rehabilitation (Rehabilitation "mit allen geeigneten Mitteln", vgl §§ 1, 26 Abs 2 SGB VII) eine über die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse hinausreichende Hilfsmittelversorgung praktiziert, obgleich auch für die Unfallversicherungsträger als Träger der medizinischen Rehabilitation die Regelung des § 31 SGB IX gelte, sodass die einschränkende Auslegung des erkennenden Senats zur Reichweite des Anspruchs auf Versorgung mit Hilfsmitteln durch die GKV nach § 33 SGB V und § 31 SGB IX nicht gerechtfertigt sei(Brandenburg, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2013, 16, 18; Henning, SGb 2015, 83, 88). Dem kann gleichfalls nicht zugestimmt werden. Die Kritik berücksichtigt nicht die deutlich abweichenden - nämlich breiter angelegten - Tatbestandsvoraussetzungen für die Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind dort Hilfsmittel "alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen". Zudem sind die Träger der Unfallversicherung für alle vier Gruppen der Leistungen zur Teilhabe (§ 5 Nr 1 bis 4 SGB IX) zuständig, sodass sie teilhaberechtlich nicht nur Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation (§ 31 SGB IX), sondern auch Hilfsmittel zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs 8 Satz 1 Nr 4 SGB IX) und Hilfsmittel zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) zu erbringen haben. Die Leistungspflicht der Unfallversicherung bei der Hilfsmittelversorgung der Versicherten ist also erheblich weiter gefasst als in der GKV und beschränkt sich gerade nicht auf die rein medizinische Rehabilitation.

34

4. Nach den zur Hilfsmittelversorgung in der GKV entwickelten Grundsätzen bestand kein Anspruch der Versicherten gemäß § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V auf Kosten der Beklagten mit einem Autoschwenksitz versorgt zu werden(zum Anspruch auf Ausstattung mit einem Autoschwenksitz vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 3 und 29; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7), und zwar unabhängig davon, ob es um die Übereignung oder die leihweise Überlassung des Geräts geht und auch unabhängig davon, ob das Gerät fabrikneu oder schon gebraucht ist. Der Versorgungsanspruch gegen die Krankenkasse nach § 33 SGB V bestand hier bereits vom Grundsatz her nicht.

35

a) Da es bei der Bestimmung des Nahbereichs einer Wohnung auf einen abstrakten Maßstab und nicht auf die konkreten Verhältnisse ankommt, ist es unerheblich, welche Entfernungen zwischen der Wohnung der Versicherten und den Praxen der Ärzte und Therapeuten sowie der Tagespflegeeinrichtung konkret zurückzulegen waren. Standardmäßig liegen diese Orte innerhalb des Nahbereichs der Wohnung. Den Nahbereich der Wohnung konnte die Versicherte im Rollstuhl sitzend mit Hilfe ihres Ehemannes erschließen. Soweit der Kläger geltend macht, auch die Erschließung des Nahbereichs sei nicht mehr gesichert gewesen, weil ihm selbst das ständige Schieben des Rollstuhls immer schwerer gefallen sei, hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, eine - an den Rollstuhl anzubauende - elektrische Schiebehilfe als Hilfsmittel zur Gewährleistung der Mobilität im Nahbereich zu beantragen (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V).

36

b) Die Wahrnehmung von Versorgungswegen, zB zum Einkauf, schied wegen der fortgeschrittenen Demenz der Versicherten ohnehin aus. Bei der Mitnahme der Versicherten zu den Einkäufen und dem wöchentlichen Besuch eines Bades in Bad L. stand nicht die Gewährleistung der Mobilität im Vordergrund, sondern die Notwendigkeit ständiger Beaufsichtigung wegen der demenzbedingten Möglichkeit der Selbst- und Fremdgefährdung bei unbeaufsichtigtem alleinigem Verbleib in der Wohnung.

37

c) Die Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte durch den Besuch von außerhalb des Nahbereichs lebenden Angehörigen, Freunden und Bekannten gehört zum Bereich der sozialen Rehabilitation, deren Gewährleistung nicht zum Aufgabenspektrum der GKV zählt (BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 35). Das Autofahren selbst und das Mitfahren im Auto gehört nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15).

38

d) Sollte im Einzelfall für das Aufsuchen der Praxen von Ärzten und Therapeuten die Nutzung eines Rollstuhltaxis erforderlich gewesen sein, wäre die Beklagte für den Transport nach § 60 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V sachleistungspflichtig gewesen, weil die Versicherte über die Merkzeichen H und aG verfügte sowie der Pflegestufe III zugeordnet war(vgl § 8 Abs 3 der Krankentransport-Richtlinien des GBA vom 22.1.2004, BAnz 2004, Nr 18, 1342).

39

e) Das vorstehende Ergebnis hat auch im Lichte des § 33 SGB I Bestand; dort heißt es: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art und Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind." Auf diese Regelung kann sich der Kläger bei der Auslegung des Leistungsrechts nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht stützen. Die in § 33 SGB I angesprochene Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betrifft nämlich nur die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Die Regelung bezieht sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (Mrozynski, SGB I, 5. Aufl 2014, § 33 RdNr 2). Demgemäß hat der Senat bei einem gehbehinderten und auch in der Armkraft beeinträchtigten Versicherten, der den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr zu Fuß erschließen konnte, einen Anspruch nach § 33 SGB V auf eine Mobilitätshilfe mit Elektromotor zuerkannt und bei dessen Ausgestaltung ein Wahlrecht des Versicherten zwischen einem Elektrorollstuhl und einem Shoprider nach § 33 SGB I angenommen(BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

40

5. Der Leistungsanspruch gegen die Beklagte lässt sich - wie bereits angedeutet - auch nicht aus den Vorschriften des SGB IX über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen herleiten. Ein Anspruch aus § 31 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt im Bereich der medizinischen Rehabilitation wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und bestätigt somit diese Rechtsprechung. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung war nicht beabsichtigt, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 7 Satz 2 SGB IX die Regelung des § 33 SGB V maßgeblich bleibt: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen"(vgl im Einzelnen BSGE 91, 60, 64 RdNr 12, 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 13, 14 sowie zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

41

6. Auch die Beigeladene war im vorliegenden Fall nicht zur Sachleistung verpflichtet. Die Beklagte hat einen gegen die Pflegekasse gerichteten Anspruch zu Recht verneint.

42

a) Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs gegen eine Pflegekasse ist § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI in der bis heute unverändert gebliebenen Fassung des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994 (BGBl I 1014). Danach haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Nach § 40 Abs 3 SGB XI in der Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008 (BGBI I 874) sollen technische Pflegehilfsmittel in allen geeigneten Fällen vorrangig leihweise überlassen werden (Satz 1). Die Pflegekassen können die Bewilligung davon abhängig machen, dass die Pflegebedürftigen sich das Pflegehilfsmittel anpassen oder sich selbst oder die Pflegeperson in seinem Gebrauch ausbilden lassen (Satz 2). Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Pflegehilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch (Satz 3). Die Voraussetzungen für die - nach Wahl der Beklagten durch Leihe oder Übereignung mögliche - Ausstattung der Versicherten mit dem begehrten Autoschwenksitz waren jedoch nicht erfüllt, wobei hier ohnehin nur die erste und dritte Variante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI in Betracht kamen; um die Linderung der Beschwerden der Versicherten ging es ersichtlich nicht.

43

b) Hier kam vor allem die erste Tatbestandsvariante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI - Erleichterung der Pflege - in Betracht. Diese Variante erfasst insbesondere Hilfen bei den Verrichtungen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität, also der Grundpflege nach § 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI. Der Autoschwenksitz kann als Hilfsmittel für Rollstuhlfahrer bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI) eingestuft werden. Dabei sind alle Wege außerhalb der Wohnung zu berücksichtigen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und bei denen das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig ist. Dies ist zB beim Besuch einer Arztpraxis immer dann der Fall, wenn vom behandelnden Arzt ein Hausbesuch nicht erwartet werden kann. Gleiches gilt für mobilitätserhaltende Behandlungen bei Physiotherapeuten (BSG SozR 4-3300 § 15 Nr 1; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 5; Udsching, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 14 RdNr 40). Hier war der Aufenthalt der Versicherten in einer Tagespflegeeinrichtung nach den objektiven Gegebenheiten für die Aufrechterhaltung ihrer Lebensführung zu Hause erforderlich. Für die Erforderlichkeit ist maßgeblich, dass der Aufenthalt des Pflegebedürftigen in der Einrichtung regelmäßig erst die Möglichkeit schafft, dass er durch seine Angehörigen weiterhin zu Hause gepflegt werden kann, zB weil er ohne die Tagespflege auf Dauer in ein Pflegeheim umziehen müsste. Allerdings wird ein Autoschwenksitz für die Wege zur - hier anfangs zweimal und zuletzt fünfmal wöchentlich durchgeführten - Tagespflege schon deswegen nicht "benötigt", weil der Transport eines Versicherten gemäß § 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI von Mitarbeitern eines Fahrdienstes durchgeführt werden kann. Der Transport eines Pflegebedürftigen zur Tagespflegeeinrichtung und zurück ist vom Gesetzgeber ausdrücklich dem Bereich der teilstationären Pflege (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI) zugeordnet und als Sachleistung der Pflegekassen ausgestaltet (§ 4 Abs 1 SGB XI) worden. Für den Transport ist die Pflegeeinrichtung bzw deren Fahrdienst zuständig, sodass ein eigener (oder leihweise überlassener) Autoschwenksitz regelmäßig für diese Fahrten nicht "benötigt" wird. Ob die Versicherte lieber von ihrem Ehemann - dem Kläger - als von den Mitarbeitern des Fahrdienstes transportiert worden wäre, ist unerheblich. Leistungen nach § 40 SGB XI zur ambulanten Pflege müssen nicht deshalb gewährt werden, weil der Betroffene die vorhandenen, gesetzlich vorgesehenen Angebote im Rahmen der von ihm in Anspruch genommenen teilstationären Pflege nicht nutzen will. Wenn dabei Eigenbeteiligungen anfallen, beruht das darauf, dass die Leistungen der Pflegeversicherung nicht den vollständigen Bedarf decken, sondern der Höhe nach begrenzt sind (zur Ausweitung des Sachleistungsanspruchs nach § 41 SGB XI zum 1.1.2015 vgl die Neufassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 11 des Ersten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften - Erstes Pflegestärkungsgesetz vom 17.12.2014, BGBl I 2222, 2224). Dieser Umstand kann aber keinen Anspruch auf ein Pflegehilfsmittel zum Zwecke des Transports auslösen, für den im Gesetz ausdrücklich ein Anspruch gegen die Pflegeeinrichtung bzw deren Fahrdienst statuiert wurde.

44

Für die Fahrten zu Ärzten und Therapeuten ist ggf die GKV zuständig (§ 60 SGB V). Sonstige für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause notwendige Wege und Aufenthalte außerhalb der Wohnung sind hier weder vom LSG festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden. Daher scheidet die Hilfe bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" als Zweck der Versorgung mit dem Autoschwenksitz aus.

45

c) Auch die Voraussetzungen der dritten Variante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI, also die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung des Pflegebedürftigen, sind nicht erfüllt, weil es nicht darum ging, der Versicherten auf diese Weise die Verwirklichung ihres allgemeinen Grundbedürfnisses auf Mobilität im Nahbereich der Wohnung zu erleichtern. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass nicht etwa eine selbstständige, also von fremder Unterstützung unabhängige Lebensführung ermöglicht werden soll, sondern im Gesetz nur von einer "selbstständigeren" Lebensführung die Rede ist, wozu es ausreicht, dass ein bestimmter Aspekt der Lebensführung durch eine regelmäßig verfügbare Hilfestellung leichter oder besser verwirklicht werden kann. Über die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung hinaus enthält die Vorschrift keine weiteren Anforderungen, die an die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten des Hilfsmittels zu stellen sind (Udsching, aaO, § 40 RdNr 9 mwN). Hilfsmittel, die den Zwecken des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI dienen, sind nach der gesetzlichen Wertung "Pflegehilfsmittel", und zwar unabhängig davon, ob sie daneben auch die Begriffsmerkmale eines Hilfsmittels iS des § 33 SGB V erfüllen.

46

Das Tatbestandsmerkmal der "selbstständigeren" Lebensführung kann indes nur erfüllt werden, wenn die Anschaffung des Pflegehilfsmittels nicht in erster Linie im Interesse der Pflegeperson erfolgt, sondern die Anschaffung den Zweck hat, dass der Pflegebedürftige mit Hilfe des Pflegehilfsmittels bei den allgemeinen Lebensbetätigungen partiell selbstständiger agieren kann, also in verringertem Maße von der Unterstützung Dritter abhängig ist. Das war hier nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall. Im Vordergrund stand stets die Notwendigkeit ständiger Beaufsichtigung der Versicherten und nicht deren aktive Lebensgestaltung.

47

Darüber hinaus ist der Tatbestand der Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht erfüllt. Es kann bei diesem Tatbestand nicht darum gehen, einem Pflegebedürftigen Pflegehilfsmittel für jede denkbare Form und Variante einer selbst gewählten Lebensführung zur Verfügung zu stellen. Eine Einschränkung der Leistungspflicht der Pflegekassen bei der Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 40 Abs 1 SGB XI selbst, wonach die Pflegekassen die Versicherten nur bei häuslicher Pflege auch mit den dazu erforderlichen Pflegehilfsmitteln auszustatten haben. § 40 SGB XI gehört innerhalb des Vierten Kapitels des SGB XI ("Leistungen der Pflegeversicherung") zu dessen Dritten Abschnitt ("Leistungen") und dort zum Ersten Teil, der mit "Leistungen bei häuslicher Pflege" überschrieben ist. Die Pflegehilfsmittel müssen dabei geeignet sein, den Pflegebedürftigen in die Lage zu versetzen, möglichst lange in seiner häuslichen Umgebung bleiben zu können und vollstationäre Pflege zu vermeiden (§ 3 SGB XI: Vorrang der häuslichen Pflege). Diese Zweckbestimmung erfordert eine Eingrenzung der "selbstständigeren Lebensführung" auf jene Verrichtungen, die dem Leben im häuslichen Bereich zugerechnet werden können und im weiteren Sinne der Aufrechterhaltung der Fähigkeit des Versicherten dienen, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu verbleiben. Zu diesem Bereich der Lebensführung gehört nicht das Autofahren selbst und auch nicht die Erreichbarkeit von Zielen und Personen mit einem Pkw zu Zwecken, die nicht zum Zuständigkeitsbereich der sozialen Pflegeversicherung zählen, sondern in die Zuständigkeit anderer Sozialversicherungsträger fallen. Insbesondere ist zu beachten, dass die Pflegekassen nicht zu jenen Rehabilitationsträgern zählen, die nach dem SGB IX für Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, also die soziale Rehabilitation zuständig sind (§§ 5, 6 SGB IX). Zur Ermöglichung einer "selbstständigeren Lebensführung" iS des § 40 Abs 1 SGB XI gehört demgemäß nicht die Bereitstellung eines Autoschwenksitzes für Fahrten zum Besuch von Verwandten und Bekannten sowie zur Freizeitgestaltung (Besuch von Veranstaltungen, Fahrten zum Schwimmbad, Ausflugsfahrten). Der regelmäßige Einkauf von Lebensmitteln - und damit die Fahrt zum Supermarkt - gehört zwar zum Kern der Lebensführung im häuslichen Bereich, jedoch war es nach Feststellung des LSG nicht Zweck der Anschaffung des Autoschwenksitzes, der Versicherten das eigenständige und von fremder Hilfe weniger abhängige Einkaufen (wieder) zu ermöglichen; das Einkaufen war und blieb vielmehr Aufgabe des Klägers, und die Versicherte sollte ihn auf den Fahrten zu den Einkaufsstätten nur begleiten, damit sie in dieser Zeit nicht ohne Aufsicht war.

48

Die Aufsicht selbst diente zwar im weiteren Sinne auch der Ermöglichung des Verbleibs der Versicherten in der häuslichen Umgebung und damit der Förderung des Vorrangs der häuslichen Pflege (§ 3 SGB XI), um die es bei der Ausstattung von Versicherten mit Pflegehilfsmitteln geht. Die Aufsicht bei den Einkaufsfahrten kann den Anspruch auf Versorgung mit dem Autoschwenksitz aber schon deshalb nicht begründen, weil der Kläger für die Einkaufsfahrten jene Stunden hätte nutzen können, in denen die Versicherte sich in der Tagespflegeeinrichtung aufhielt. Die Tagespflege hat gerade auch den Zweck, der Pflegeperson Betätigungen außer Haus zu ermöglichen und sie in dieser Zeit von der ansonsten notwendigen Beaufsichtigung des Pflegebedürftigen zu entlasten.

49

7. Auch aus den Vorschriften des SGB XII über die Eingliederungshilfe, die die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger im Rahmen des § 14 Abs 2 SGB IX zu berücksichtigen hatte, ergibt sich kein Anspruch. Dabei kann offen bleiben, ob die Ausstattung eines Pkw mit einem Autoschwenksitz von der Leistungspflicht der Sozialhilfeträger nach § 54 SGB XII sowie den dort in Bezug genommenen Bestimmungen des SGB IX(hier: Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) erfasst ist. Jedenfalls schließt hier zum einen die Regelung des § 41 SGB XI über die Bestandteile der teilstationären Pflege einen Anspruch auf der Grundlage des SGB XII aus, soweit es um den Transport der Versicherten zur Tagespflege geht: die Versicherte benötigte Transportleistungen nur in Lebensbereichen, die von den Vorschriften des SGB V(§ 60 Krankentransport) und SGB XI (§ 41 Transport zur Tagespflege) erfasst waren. Insoweit greifen Spezialregelungen über die Transportkosten ein, die die Erforderlichkeit der Ausstattung des Pkw mit einem Schwenksitz entfallen lassen.

50

Soweit es um die Teilhabe der Versicherten am sozialen Leben im Übrigen geht, ist von Bedeutung, dass Streitgegenstand ein Erstattungsanspruch ist; denn die Versicherte bzw der Kläger hat den Sitz bereits angeschafft. Weil die sozialhilferechtlichen Leistungen nach § 54 SGB XII grundsätzlich einkommens- und vermögensabhängig sind und die Kostenerstattungsregelung des § 15 Abs 1 SGB IX durch die Ausnahmevorschrift des Satzes 5 die Anwendung der Vorschriften über die Umwandlung des nicht erfüllten Sachleistungsanspruchs in einen Erstattungsanspruch(§ 15 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX) gegenüber dem Sozialhilfeträger auch deshalb ausschließt, hätte die Versicherte im Verwaltungsverfahren deutlich machen müssen, dass sie den Anspruch gegen die Beklagte auch als einkommens- und vermögensabhängige Leistung verfolgen will. Da das nicht geschehen ist, war die Beklagte nicht gehalten, über den geltend gemachten Zahlungsanspruch auch unter sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Dementsprechend war es auch nicht erforderlich, den zuständigen Sozialhilfeträger gemäß § 75 Abs 2 SGG zum Rechtsstreit notwendig beizuladen(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 13c).

51

8. Die Kostenentscheidung für den zweiten und dritten Rechtszug beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die für die Versicherten geltende kostenrechtliche Sonderregelung des § 183 SGG war hier nur im ersten Rechtszug anwendbar. Nach dem Tod seiner Ehefrau, der Versicherten, hat der Kläger den Rechtsstreit als Alleinerbe und Rechtsnachfolger fortgeführt. Er war als Ehemann, der mit seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, aber nicht Sonderrechtsnachfolger iS des § 56 Abs 1 SGB I, weil die Klage nicht "fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen" betrifft. Streitgegenstand ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V, der sich auf zwei dem Anwendungsbereich des § 33 SGB V bzw des § 40 SGB XI zuzuordnende Sachleistungen bezog, nämlich der Anschaffung des Autoschwenksitzes im März 2008 und dessen Einbau im neu erworbenen Pkw im November 2009. Es geht daher rechtlich um zwei Sachleistungsansprüche im Hilfsmittelbereich und nicht um "laufende Geldleistungen". Daher kann dem Kläger die Kostenprivilegierung des § 183 SGG für den zweiten und dritten Rechtszug nicht zugutekommen.

52

9. Die Streitwertfestsetzung für den zweiten und dritten Rechtszug beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 und 3, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bewilligung einer Lichtsignalanlage als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für eine hochgradig schwerhörige Versicherte.

2

Die 1963 geborene Klägerin leidet an einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Akustische Signale wie zB eine Türklingel kann sie auch mit Hörgeräten nicht wahrnehmen. Ende Dezember 2005 beantragte sie mit vertragsärztlicher Verordnung die Versorgung mit einer Lichtsignalanlage, die akustische Signale mittels Blitzlampen in optische Signale umwandelt. Nach dem beigefügten Kostenvoranschlag eines Hörgeräteakustikers vom 22.12.2005 sollte die Lichtsignalanlage aus folgenden Einzelteilen bestehen: 1 TAE-Dreifachadapter zu 13,50 Euro; 1 Türklingelkabel galvanisch, 10 Meter, zu 9,20 Euro; 1 Lisa time Universalwecker zu 212 Euro; 1 Kombisender galvanisch zu 156 Euro; 1 Telefonkabel galvanisch, 10 Meter, zu 7,30 Euro; 1 Vibrationskissen nebst 3 Mignon-Batterien zu 34 Euro sowie 3 Blitzlampen Standard zu 348 Euro. Insgesamt ergaben sich Kosten in Höhe von 780 Euro.

3

Die beklagte Krankenkasse lehnte den Leistungsantrag ab (Bescheid vom 27.1.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.2.2006). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31.5.2007): Die Lichtsignalanlage könne von der Klägerin bei einem Wohnungswechsel nicht mitgenommen werden, weil nach der gewählten Ausführung eine Kabelverbindung zwischen Sender und Türklingel erforderlich sei. Bei der Lichtsignalanlage handele es sich also nicht um ein Hilfsmittel der GKV, sondern um eine - in die Zuständigkeit der Pflegekassen fallende - Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes (§ 40 Abs 4 SGB XI); nur wegen der individuellen Wohnsituation würden drei Blitzlampen benötigt. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Lichtsignalanlage gemäß Kostenvoranschlag vom 22.12.2005 zu übernehmen (Urteil vom 25.2.2009): Die Lichtsignalanlage sei nicht fest mit dem Wohngebäude verbunden und könne in jeder anderen Wohnung mit im Wesentlichen unveränderter Ausführung eingesetzt werden, sodass die Anlage ein Hilfsmittel der GKV darstelle (§ 33 SGB V, § 31 SGB IX). Die Leistungspflicht der Beklagten sei auch nicht eingeschränkt, weil die Ausstattung mit drei Blitzlampen nicht unverhältnismäßig sei.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 33 SGB V. Unter Berücksichtigung der vom LSG festgestellten Tatsachen müsse davon ausgegangen werden, dass die Lichtsignalanlage fest mit dem Gebäude verbunden sei; diese könne folglich kein Hilfsmittel der GKV sein. Eine Leistungspflicht nach § 33 SGB V scheide zudem deshalb aus, weil die Lichtsignalanlage als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sei. Vergleichbare - aber deutlich preiswertere - Geräte würden in Arbeitsbereichen mit hohem Lärmpegel sowie in Tonstudios und Callcentern zum Einsatz kommen.

5

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 25.2.2009 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Aurich vom 31.5.2007 zurückzuweisen.

6

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten hat insoweit Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zwar steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage zu, weil es sich um ein Hilfsmittel der GKV iS des § 33 Abs 1 SGB V handelt, das seiner Art und Funktion nach im Fall der Klägerin zum Behinderungsausgleich auch geeignet und notwendig ist. Es lässt sich den bisher getroffenen Feststellungen des LSG aber nicht entnehmen, ob zum Behinderungsausgleich sämtliche Komponenten der Lichtsignalanlage erforderlich sind, die im Kostenvoranschlag vom 22.12.2005 aufgeführt sind. Das LSG hat die Beklagte zur Hilfsmittelversorgung gemäß diesem Kostenvoranschlag verurteilt, ohne auf die Erforderlichkeit der einzelnen Komponenten näher einzugehen. Außerdem ist zu klären, ob es zu den einzelnen Komponenten - deren Erforderlichkeit unterstellt - preisgünstigere, aber ebenso geeignete Alternativen gibt, wovon die Beklagte ausgeht. Diese Feststellungen hat das LSG im erneut durchzuführenden Berufungsverfahren nachzuholen.

8

1. Streitgegenstand ist der Anspruch auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage in Form sämtlicher Einzelbestandteile, wie sie im Kostenvoranschlag vom 22.12.2005 aufgeführt und in einem inhaltsgleichen Kostenvoranschlag vom 2.1.2006 wiederholt worden sind. Nicht zum Streitgegenstand gehören hingegen zwei "Bescheide" der Beklagten vom 27.12.2005, mit denen zum Einen die Versorgung der Klägerin mit einem Lichtwecker für 95 Euro bewilligt und zum Anderen die Versorgung mit den übrigen Komponenten der Lichtsignalanlage abgelehnt werden sollte. Diese "Bescheide" haben das Stadium eines Entwurfs nicht überschritten, sind der Klägerin nicht bekannt gegeben (§ 37 SGB X) und deshalb auch nicht wirksam geworden (§ 39 SGB X). Sie finden sich dementsprechend nur als Entwürfe in den Verwaltungsakten. Die Klägerin ist mit dem Lichtwecker auch nicht versorgt worden. Grund für die unterbliebene Bekanntgabe beider Bescheide war die Unklarheit der ersten von der Klägerin eingereichten vertragsärztlichen Verordnung vom 19.12.2005, in der lediglich von einer "Licht-Blitz-Anlage" die Rede ist, also nicht der für Hörgeräteakustiker feststehende Begriff der "Lichtsignalanlage" benutzt worden war. Im Hilfsmittelverzeichnis (HMV, § 139 SGB V) wird zur Kennzeichnung der betroffenen Untergruppe 16.99.09 der Produktgruppe 16 "Kommunikationshilfen" der Begriff der "Signalanlagen für Gehörlose" verwandt. Auf Veranlassung der Beklagten ist die unklare Verordnung vom 19.12.2005 vernichtet und durch die durch zweite vertragsärztliche Verordnung vom 29.12.2005 ersetzt worden, in der es - hilfsmittelrechtlich korrekt - "1 Lichtsignalanlage bei D: hochgradiger, an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit" heißt. Nur um diese zweite Verordnung, deren Umsetzung die Beklagte insgesamt abgelehnt hat, streiten die Beteiligten im vorliegenden Rechtsstreit. Mit ihrem Klageabweisungs- und Revisionsantrag hat die Beklagte zudem bekräftigt, dass sie dem entworfenen Teil-Bewilligungsbescheid hinsichtlich des Lichtweckers auch nicht nachträglich zur Wirksamkeit (§§ 37, 39 SGB X) verhelfen will.

9

2. Rechtsgrundlage des Versorgungsanspruchs ist § 33 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen, auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 54 RdNr 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um die Variante der Erstausstattung mit einem Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Deren Tatbestandsvoraussetzungen sind hier dem Grunde nach erfüllt.

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3. Die Leistungsablehnung ist rechtswidrig, weil eine Lichtsignalanlage hier zum Behinderungsausgleich erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung:

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a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 ff zur Versorgung mit einer Badeprothese, die dem - von den normalen Beinprothesen nicht gewährleisteten - sicheren Gehen und Stehen in Nassbereichen dient und deshalb unabhängig davon beansprucht werden kann, dass das Schwimmen eine Freizeitbetätigung darstellt, die nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehört). Der Frage nach der Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens kommt beim unmittelbaren Behinderungsausgleich erst dann Bedeutung zu, wenn es nicht um die erstmalige Behebung eines Funktionsdefizits geht und auch nicht um die reine Ersatzbeschaffung (was bei der Versorgung mit einer Badeprothese in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 der Fall war und von Knispel SGb 2010, 359 ff übersehen worden ist), sondern um die Versorgung eines für den Behinderungsausgleich bereits ausreichend ausgestatteten Versicherten mit einem zweiten Hilfsmittel gleicher Art als bloße Zweitausstattung (Reservehaltung), für einen speziellen Zweck (zB Sportbrille für Schüler, BSG SozR 2200 § 182 Nr 73) oder mit einem technisch weiter entwickelten Hilfsmittel (zB computergestütztes statt mechanisches Kniegelenksystem). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen.

12

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht dabei nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

13

c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183, 188 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8).

14

4. Nach Maßgabe dieser Grundsätze über die Hilfsmittelversorgung im Rahmen der GKV beim unmittelbaren und mittelbaren Behinderungsausgleich (3. Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V und des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX)geht es bei einer Lichtsignalanlage für Gehörlose und hochgradig Schwerhörige nicht um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich, weil nicht das Hörvermögen wiederhergestellt oder gestärkt wird, wie es zB bei der Versorgung mit Hörgeräten der Fall ist. Nicht das Hören selbst wird ermöglicht oder erleichtert, sondern das fehlende Hörvermögen durch die Nutzung des nicht beeinträchtigten Sehvermögens kompensiert, indem akustische Signale, wie zB das Läuten der Türklingel oder des Telefons, in optische Signale (zB Lichtblitze) umgewandelt werden. Der gehörlose Versicherte hört nicht das Läuten der Türklingel, sondern sieht, dass die Türklingel bedient wird. Ebenso kann die Kompensation des fehlenden Hörvermögens durch die Umwandlung von akustischen in taktile Signale erfolgen, wie es zB beim Einsatz von Vibrationskissen der Fall ist. Der Ersatz eines ausgefallenen bzw beeinträchtigten Sinnes durch die Nutzung eines intakten anderen Sinnes stellt sich somit als mittelbarer Behinderungsausgleich dar, bei dem - wie ausgeführt - zu prüfen ist, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist.

15

Die Lichtsignalanlage ist erforderlich zur Verwirklichung eines solchen Grundbedürfnisses. Das selbstständige Wohnen sowie das Kommunizieren mit anderen Menschen gehört zu diesen Grundbedürfnissen. Es geht um die passive Erreichbarkeit durch Menschen aus dem Bereich der Außenwelt nicht nur für angemeldete, sondern gerade auch für spontane Besuche (BSG SozR 2200 § 182b Nr 33 zur Klingelleuchte). Die Verwirklichung dieses Grundbedürfnisses erfordert, dass das für Gesunde hörbare Türklingelgeräusch in ein für die Klägerin wahrnehmbares Signal umgewandelt wird.

16

5. Die Lichtsignalanlage ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommen (§ 33 Abs 1 Satz 1, letzter Halbs SGB V). Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern oder eine Behinderung ausgleichen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von gesunden, körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22 zum Personalcomputer). Was regelmäßig auch von Gesunden benutzt wird, fällt nicht in die Leistungspflicht der Krankenkassen, wobei es auf einen bestimmten prozentual messbaren Verbreitungsgrad in der Bevölkerung oder einen Mindestpreis nicht ankommt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 33 zum Luftreinhaltungsgerät II). Nicht ausschlaggebend ist, ob der Gegenstand aus Vermarktungsgründen als "medizinisches Hilfsmittel" beworben wird (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 7 zum elektrisch verstellbaren Sessel).

17

Gegen die Einordnung der Lichtsignalanlage als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens spricht zunächst, dass derartige Geräte in der Produktgruppe 16 im HMV der GKV (§ 139 SGB V) als Kommunikationshilfe aufgeführt werden. Das HMV ist zwar nicht geeignet, Ansprüche der Versicherten im Sinne einer Positivliste auszuschließen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, RdNr 20). Wenn aber ein Gegenstand im HMV gelistet ist, spricht dies im Sinne einer Orientierungshilfe zugunsten des Versicherten dafür, den Gegenstand nicht als allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen. Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass Funktürklingeln mit optischem Signal auch von gesunden Menschen am Arbeitsplatz genutzt werden, um einen hohen Geräuschpegel zu umgehen oder die notwendige Stille zu gewährleisten (zB Werkshallen, Callcenter, Tonstudio). Bei beruflich veranlasster Verwendung von Klingeln mit optischem Signal handelt es sich gerade nicht um eine Nutzung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da Grund für den Einsatz allein besondere äußere Umstände des Arbeitsplatzes sind, die für das normale tägliche Leben nicht prägend sind.

18

6. Die Lichtsignalanlage ist auch ein beweglicher Gegenstand iS von § 31 Abs 1 SGB IX. Von der Krankenkasse zu leistende Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation iS von § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX - um solche handelt es sich, wenn wie hier mit dem Hilfsmittel ein Behinderungsausgleich bezweckt wird - müssen nach § 31 Abs 1 SGB IX getragen, mitgeführt oder zumindest bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können. Der Hilfsmittelbegriff des § 31 SGB IX gibt insoweit den Regelungsgehalt des § 33 SGB V wieder, wie er auch vor Inkrafttreten des SGB IX von der Rechtsprechung entwickelt worden ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 14). Für das - hier entscheidende - Kriterium der Mitnahmemöglichkeit kommt es darauf an, ob das Gerät so in das Gebäude eingebaut ist, dass es nach der Verkehrsauffassung auch bei einem Umzug in der alten Wohnung verbleibt und der Einbau von Dauer ist. Kann das Gerät bei einem Wohnungswechsel ohne wesentliche verbleibenden Folgen, insbesondere ohne nennenswerte Substanzbeeinträchtigung an Wänden, Decken und Fußböden, ausgebaut und mit vertretbarem Aufwand in einer neuen Wohnung wieder eingebaut werden, liegt ein beweglicher Gegenstand iS von § 31 Abs 1 SGB IX vor(BSGE 101, 22 = SozR 4-3300 § 40 Nr 8, RdNr 21 - Deckenlifter). Insoweit hat die frühere Rechtsprechung des Senats, wonach keine Leistungspflicht der Krankenkassen nach § 33 SGB V besteht, wenn eine Klingel- oder Signalleuchte mit dem Gebäude fest verbunden ist(BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 30 unter teilweiser Aufgabe von BSG SozR 2200 § 182b Nr 33, weil dort Klingelleuchten unabhängig von der Art ihres Einbaus immer als Hilfsmittel eingestuft wurden), eine Modifizierung erfahren.

19

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die begehrte Lichtsignalanlage nicht als fester Bestandteil der Wohnung anzusehen. Nach den gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des LSG besteht die Lichtsignalanlage aus beweglichen Einzelteilen, wobei die Telefonanlage und die Türklingel mittels Kabel mit dem Sender der Lichtsignalanlage verbunden werden. Klingelkabel und Telefonkabel können ohne größeren Aufwand wieder gelöst werden. Die vom Sender aufgenommenen Signale werden in Funkimpulse umgewandelt und über das normale Stromnetz zum Empfänger, den Blitzlampen, übertragen. Ob für die Installation der Anlage ggf aus Sicherheitsgründen auf die fachmännische Hilfe eines Elektrikers zurückgegriffen werden sollte, wie die Bedienungsanleitung der Lichtsignalanlage jedenfalls bei Anschluss einer Gegensprechanlage empfiehlt, ist dabei ohne Belang. Angesichts einiger weniger Kabelverbindungen kann es sich nur um einen zeitlich geringfügigen Aufwand handeln, der zudem einen wesentlichen Eingriff in die Bausubstanz der Wohnung nicht erfordert. Anders wäre es beispielsweise, wenn das Verbindungskabel zwischen Türklingel und Sender unter Putz gelegt oder durch eine Wand geführt wurde oder die Halterungen der Blitzlampen in die Wände eingelassen wären. In einem solchen Fall wäre der Einbau der Lichtsignalanlage als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes einzustufen, für deren Bezuschussung die Pflegekassen zuständig sind (§ 40 Abs 4 SGB XI).

20

7. Die Lichtsignalanlage ist auch nicht als sonstige Maßnahme zur Anpassung des individuellen Umfeldes an die Bedürfnisse des behinderten Menschen von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommen. Über das Kriterium der Beweglichkeit iS von § 31 Abs 1 SGB IX hinaus hat der Senat aus dem Verhältnis von § 31 Abs 1 SGB IX zu § 33 SGB V sowie in Abgrenzung zu den von der Pflegekasse als Ermessensleitung zu erbringenden Leistungen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Abs 4 SGB XI abgeleitet, dass ungeachtet ihrer Beweglichkeit diejenigen Mittel aus der Leistungspflicht der GKV ausgenommen sind, die "sonst der Anpassung des individuellen Umfeldes an die Bedürfnisse des behinderten Menschen dienen"(BSGE 101, 22 = SozR 4-3300 § 40 Nr 8, RdNr 13 mwN - Deckenlifter). Hilfen, die auf die individuelle Wohnsituation zugeschnitten sind und ggf gerade wegen dieser besonderen Wohnsituation benötigt werden, zählen daher ungeachtet ihrer Beweglichkeit nicht zu den von der Krankenkasse nach § 33 SGB V zu leistenden Hilfsmitteln (zB speziell auf die Bedürfnisse von kleinwüchsigen Menschen oder Rollstuhlfahrern zugeschnittene Möbel und Kücheneinrichtungen). Diese Eigenschaft hat die Lichtsignalanlage nicht, denn aufgrund der nahezu aufgehobenen Hörfähigkeit der Klägerin könnte diese auch in keiner anderen Wohnung eine Türklingel oder ein Telefon akustisch wahrnehmen.

21

Die Lichtsignalanlage wird auch nicht deshalb zu einer Maßnahme zur Anpassung des Wohnumfeldes, weil aufgrund der individuellen Wohnsituation der Klägerin drei Blitzlampen angeschafft werden sollen. Denn die nach § 33 SGB V zu beanspruchenden Hilfsmittel umfassen auch die im Einzelfall individuell benötigten Zubehörteile(BT-Drucks 11/2237 S 18f, 174). Die Blitzlampen sind als funktionell unselbstständige Zubehörteile anzusehen, da sie ihren Zweck nur erfüllen können, wenn die eingehenden Signale über den Kombisender vermittelt werden. Als unselbstständiges Zubehörteil der Lichtsignalanlage (vgl allgemein zu unselbstständigen Teilen: BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 6 S 31 - Gegensprechanlage) teilen die Lampen den Hilfsmittelcharakter der Anlage.

22

8. Ob die Klägerin Anspruch auf Versorgung im vom LSG tenorierten Umfang hat, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen allerdings nicht abschließend beurteilen. Die Leistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V beschränkt sich auf die kostengünstigste Hilfsmittelversorgung, also auf die Versorgung des Versicherten mit ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Hilfsmitteln(§ 12 Abs 1 Satz 1 SGB V). Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, wenn für den angestrebten Nachteilsausgleich eine funktionell ebenfalls geeignete, aber kostengünstigere Versorgung möglich ist. Es ist bereits ausgeführt worden, dass das LSG alle Komponenten der Lichtsignalanlage, wie sie im Kostenvoranschlag vom 22.12.2005 aufgeführt sind, auf ihre Notwendigkeit und Preisgünstigkeit hin zu prüfen hat. Zusätzlich ist aber zu beachten, dass mit der Verordnung einer Lichtsignalanlage grundsätzlich nur Anlagen mit optischen Signalen erfasst werden. Soweit akustische durch taktile Signale ersetzt werden, wie es zB bei den Vibrationskissen der Fall ist, handelt es sich zwar um "Signalanlagen für Gehörlose" im Sinne der Untergruppe 16.99.09 der Produktgruppe 16 ("Kommunikationshilfen") des HMV, nicht aber um "Lichtsignalanlagen" im eigentlichen Sinne. Das LSG wird deshalb ebenfalls zu prüfen haben, ob das im Kostenvoranschlag genannte Vibrationskissen, das zu den taktilen Signalgebern gehört, von der verordneten optischen Signalanlage überhaupt umfasst ist. Dies könnte zB der Fall sein, wenn ein Vibrationskissen üblicherweise als Zubehör zu einer Lichtsignalanlage angesehen wird (vgl zB die Produktart "Blitz- und Vibrationswecker" Nr 3000-3999 sowie die Produktart "Signalempfänger mit taktiler Ausgabe" Nr 1000-1999).

23

9. Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2

Der im Jahre 1978 geborene Kläger erlitt am 19.9.2003 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen; Komplikationen im Heilungsverlauf führten schließlich am 9.4.2008 zur Amputation des rechten Unterschenkels (GdB 90). Die Beklagte hat ihn mit einer Modular-Unterschenkelprothese aus Gießharz mit einem Carbonfederfuß sowie einer wasserfesten Prothese für die Mobilität in Nassbereichen ausgestattet. Der Kläger ist vollschichtig berufstätig und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit sportlichen Aktivitäten. Er geht regelmäßig zum Schwimmen und in ein Fitnessstudio, fährt Rad, wandert, spielt Tischtennis und betätigt sich in einer Behindertensportgruppe als Sitzballspieler.

3

Am 21.4.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 3.4.2009 und eines Kostenvoranschlags über 11 450,96 Euro die zusätzliche Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zur Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. Er gab an, die vorhandene Prothese sei für den Sport weder vorgesehen noch auf Dauer geeignet. Insbesondere für das von ihm auch schon vor dem Unfall bevorzugte Badmintonspiel sei die Sportprothese erforderlich, weil sie über einen rückfedernden Spezialfuß nebst Seitenfeder verfüge und ihm auf diese Weise die sportarttypischen, besonders schnellen und kraftvollen Sprünge ermöglicht würden. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil die Sportprothese für den Behinderungsausgleich nicht erforderlich sei. Er könne mit der Alltagsprothese problemlos gehen und stehen und seinen bisherigen sportlichen Aktivitäten ausreichend nachgehen. Die Sportprothese diene einem rein sportlichen Mobilitätsbedürfnis und sei wegen der starken Fußfederung für den Alltagsgebrauch eher ungeeignet. Die Zweitversorgung mit der Sportprothese könne daher auch nicht mit einer Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit der Alltagsprothese begründet werden (Bescheid vom 22.4.2009, Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.6.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.2.2012): Eine Beinprothese diene zwar dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem grundsätzlich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits gelte. Allerdings gebe es auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich keinen Anspruch auf Optimalversorgung. Die Sportprothese biete im Vergleich zu der vorhandenen Alltagsprothese nur einen geringen, auf bestimmte sportliche Aktivitäten in der Freizeit beschränkten Gebrauchsvorteil. Die Grundfunktionen des sicheren Gehens und Stehens seien durch die Alltagsprothese und die Badeprothese hinreichend gewährleistet. Auch die meisten Sportarten könnten mit diesen Prothesen ausgeübt werden. Nur das Badmintonspiel würde durch die Sportprothese erleichtert. Dieser Zweck rechtfertige die Zusatzversorgung jedoch nicht; einem gehbehinderten Menschen müsse nicht jede Form der Freizeitbetätigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Die prothetische Versorgung müsse nicht nur das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ermöglichen, sondern auch das schnelle Laufen, das Springen und sonstige rasche Bewegungen der Beine, weil es dabei um Körperfunktionen gehe, über die jeder nicht gehbehinderte Mensch verfüge. Die Gleichbehandlung mit nicht behinderten Menschen sei auch beim Freizeitsport zu gewährleisten (Art 3 Abs 3 GG, § 1 SGB IX). Die Alltagsprothese benutze er beim Sport nur als Notbehelf. Es besteht immer die Gefahr eines Materialbruchs durch Überlastung. Alltagsprothesen und Sportprothesen dienten grundsätzlich verschiedenen Zwecken, sodass die Maßstäbe einer üblichen "Zweitversorgung" nicht anwendbar seien. Gerügt werde auch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG hätte ermitteln müssen, ob er mit den vorhandenen Prothesen auch im Sportbereich im Sinne eines Gleichziehens mit den Fähigkeiten eines nicht gehbehinderten Menschen ausreichend versorgt sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 2.2.2012 und des SG Mainz vom 8.6.2011 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 22.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zu versorgen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist unbegründet.

9

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V hat, weil die Sportprothese nur der sportlichen Betätigung in der Freizeit dient und damit ein Versorgungsziel verfolgt wird, für das die Krankenkassen nicht aufzukommen haben. Die Ermöglichung sportlicher Aktivitäten fällt grundsätzlich nur dann in die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, wenn es dabei zugleich um die Gewährleistung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens geht, wie es zB bei der Teilnahme am Sportunterricht in der Schule im Rahmen der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) oder bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike als Fahrradersatz) der Fall ist, oder wenn es sich um die Teilnahme am ärztlich verordneten Rehabilitationssport und Funktionstraining (§ 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX) handelt. Die Förderung des Freizeitsports und des Vereinssports gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl zur Teilnahme am Rollstuhlbasketballspiel in einem Behindertensportverein).

10

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen, auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 S 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um eine besondere Variante der Erstbeschaffung eines Hilfsmittels, deren Tatbestandsvoraussetzungen aber hier nicht erfüllt sind.

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2. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Sportprothese im vorliegenden Fall zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte - und hier allein in Betracht kommende - Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung.

12

a) Im Vordergrund einer Hilfsmittelversorgung steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg II). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl § 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

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b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 14). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

14

c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch ein Anspruch auf Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 S 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Die Krankenkassen haben auch nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15).

15

d) Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 - C-leg II).

16

3. Diese Grundsätze waren für den erkennenden Senat maßgeblich, als er in zwei Entscheidungen vom 25.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24) die Frage zu klären hatte, ob beinamputierte Versicherte, die bereits mit einer normalen Laufprothese ausgestattet sind, die zusätzliche Versorgung mit einer Badeprothese beanspruchen können. Dies wurde für eine übliche (süßwasserbeständige) Badeprothese bejaht, für eine salzwasserbeständige Badeprothese dagegen verneint. Dabei ging es indes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, um die Ermöglichung einer bestimmten gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung, nämlich das Schwimmen, sondern um die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses in Nassbereichen und damit um die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens.

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a) Die normale Beinprothese hat einen konstruktionsbedingten Gebrauchsnachteil, weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Krankenkassen zur Reparatur bzw zum Ersatz verpflichtet wären, was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht aber eine besondere Rutschgefahr. Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer Badeprothese kompensiert. Die Badeprothese gleicht praktisch das Funktionsdefizit der Alltagsprothese in Nassbereichen aus.

18

b) Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer Badeprothese wird durch die Bereitstellung einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern sowie an Flüssen und Binnenseen ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste Badeprothese lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in Salzwasser-Schwimmbädern und am Meer. Einen Ausgleich dieses Gebrauchsnachteils der ihm zur Verfügung gestellten Badeprothese kann der Versicherte jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste Badeprothese dem Versicherten nicht - wie bei der normalen Badeprothese - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

19

c) In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Hilfsmittels (hier: die Salzwasserfestigkeit) notwendig ist, den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und Gebote des SGB IX Rechnung zu tragen. Dies war dort zu verneinen. Es ging lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung, die dem Versicherten zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

20

Aber auch bei der Bewältigung des Alltags ist es einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem Salzwasserthermalbad oder im Urlaub am Meer. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im Süßwasserbereich zu beschränken. Ein Versicherter, der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen Badeprothese nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste Badeprothese benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

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4. Im Verhältnis von normaler Laufprothese und Badeprothese geht es um zwei sich in ihren Funktionen ergänzende Hilfsmittel zum unmittelbaren Behindertenausgleich, die stets nebeneinander beansprucht werden können. Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Versicherten, der zum unmittelbaren Behinderungsausgleich mit einem herkömmlichen, voll funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt ist, nun aber ein dem gleichen Zweck dienendes, aber technisch verbessertes oder aufwändiger ausgestattetes Hilfsmittel beansprucht. Es geht dabei um den besonderen Fall der qualifizierten Zweitversorgung bei Vorhandensein von zwei demselben Versorgungsziel dienenden Hilfsmitteln. Diese Situation ist zB gegeben, wenn ein gehbehinderter Versicherter, der mit einer herkömmlichen, mechanisch gesteuerten und noch voll funktionsfähigen Prothese ausgestattet ist, die Versorgung mit einer technisch weiterentwickelten, über ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk verfügenden Prothese (C-leg) begehrt. Der erkennende Senat hat diesen Anspruch auf Zweitversorgung in mehreren Entscheidungen stattgegeben (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8): Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg II). Dabei muss es stets um "wesentliche" Gebrauchsvorteile des neuartigen Hilfsmittels gehen, was dann der Fall ist, wenn sich die Gebrauchsvorteile allgemein im Alltagsleben auswirken, sich also nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Da eine C-leg-Prothese im Vergleich zu einer hergebrachten mechanisch wirkenden Prothese über deutliche allgemeine - und damit "wesentliche" - Gebrauchsvorteile verfügt (zB weitgehende Annäherung an ein natürliches Gangbild und erhebliche Reduzierung der Sturzgefahr beim Gehen auf unebenem Untergrund und auf Treppen, vgl BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 5, 14, 15),ist der Anspruch auf Zweitversorgung jeweils zuerkannt worden.

22

5. An diese Grundsätze ist anzuknüpfen, wenn es um die zusätzliche Versorgung eines beinamputierten Versicherten, der schon mit einer normalen Laufprothese und einer Badeprothese ausgestattet ist, mit einer Sportprothese geht, die ihm den Bereich des Freizeitsports noch weiter eröffnen soll, insbesondere mit Blick auf das von ihm bevorzugte Badmintonspiel.

23

Die Sportprothese gleicht nicht ein Funktionsdefizit der normalen Laufprothese im Alltagsgebrauch aus, wie es bei der Badeprothese in Nassbereichen der Fall ist. Sie ermöglicht zwar durch den rückfedernden Spezialfuß ein besseres Springen und andere rasche Körperbewegungen, wie sie einem nicht gehbehinderten Menschen gleichen Alters regelmäßig ohne Weiteres möglich sind. Diesen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur normalen Laufprothese benötigt der Kläger jedoch nicht zur Bewältigung von Mobilitätserfordernissen im Alltag, sondern ausschließlich für den Freizeitsport, der ihm in einem erheblichen Maße auch schon durch die vorhandene Prothese ermöglicht wird. Hierin besteht der Unterschied zu der Situation von beinamputierten Versicherten, die zwar mit einer funktionstüchtigen, alltagstauglichen mechanischen Beinprothese ausgestattet sind, nunmehr aber eine elektronisch gesteuerte Beinprothese beanspruchen, weil das Gangbild verbessert und die Sicherheit beim Gehen erheblich erhöht wird. Während beim C-leg der Gebrauchsvorteil also "wesentlich" ist, weil er sich im gesamten Alltagsgebrauch auswirkt, ist der Gebrauchsvorteil einer Sportprothese nicht "wesentlich", weil sie nur dem speziellen Mobilitätsbedürfnis des Klägers bei seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit, vor allem beim Badmintonspiel, dient. Im Vergleich zur normalen Laufprothese, die ebenfalls sportliche Betätigungen in nennenswertem Umfang ermöglicht, bietet die Sportprothese für den Alltagsgebrauch keinen Gebrauchsvorteil, sondern wirkt sich sogar nachteilig aus, weil der rückfedernde Spezialfuß beim normalen Gehen eher hinderlich wirkt. Daher hat die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V zu Recht abgelehnt.

24

6. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt es sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß Art 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 19).

25

7. Ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin nach § 14 SGB IX scheidet aus, weil die Leistungszuständigkeit anderer Sozialleistungsträger (Unfallversicherung, Sozialhilfe) weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden ist.

26

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren. Die Beklagte trägt die durch die Rücknahme der Revision entstandenen Kosten. Im Übrigen sind im Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von 1956,90 Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.

2

Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.

3

Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner der Beigeladenen iS von § 126 Abs 1 S 1 SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006", unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der Krankenkassen-Anteile" 1956,90 Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§ 33 Abs 8 iVm § 61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209 Euro) abgedeckt.

4

Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte, sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006).

5

Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage abgewiesen, gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90 Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung beruhe auf § 15 Abs 1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 9 Abs 1 und 2, § 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 26 Abs 1 und 2 Nr 6, § 31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.

7

Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick auf sie als Beigeladene abzuweisen.

8

Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen (Schriftsatz vom 18.3.2011).

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 iVm § 14 Abs 1 SGB IX).

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1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§ 36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war. Das ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).

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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch) bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ausgeschlossen(BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 18b).

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2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§ 87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des § 75 Abs 5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des § 83 SGG(Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

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3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs 1 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 5 Nr 2 und § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.

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Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses Falles zu bejahen.

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a) Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger(§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt(§ 14 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist(BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).

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b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt(vgl § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).

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4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.

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a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 S 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).

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b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel.

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c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IX(BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.

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d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.

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Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung, die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.

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Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach § 13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten(§ 1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.

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Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr 2, § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl § 14 Abs 1 S 3 SGB IX).

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e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit aufgehoben.

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5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben(§ 5 Nr 2, § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§ 36 SGB V) war rechtswidrig.

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6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste "Primärversorgung" zustand.

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7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen(§ 12 Abs 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

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8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 14 ff). Insoweit hat der in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.

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a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.

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b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.

33

c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43). Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung(vgl §§ 9 Abs 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung(insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl § 6 Abs 1 und 2, § 7 S 2 SGB IX)Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

34

d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).

35

9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät(§ 33 SGB V) fehlt.

36

Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes. Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege. Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.

37

Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend (§ 163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene den gegen sie nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat(§ 12 Abs 2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.

38

10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.

39

Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist(gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende angemessene Nachfrist nach § 15 Abs 1 S 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).

40

a) Die Regelungen des § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere § 7 S 2 SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe(§§ 4, 5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.

41

b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 15 Abs 1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX zuständige Träger(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).

42

11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

43

12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX sind - ebenso wie nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.

44

"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006, nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

45

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.

46

13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.

47

a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 9 Abs 1 SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.

48

Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

49

b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs 1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in Abs 1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs 1 Nr 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

50

Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von § 33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern, begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht zur Anwendung.

51

14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von § 15 Abs 1 S 3 SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.

52

15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger in Höhe des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§ 33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.

53

Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§ 40 Abs 1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach § 40 Abs 5 SGB XI geschaffen.

54

16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach § 75 Abs 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.

55

Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Form des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.

56

a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).

57

b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§ 83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein.

58

Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken(BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.

59

Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

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17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Versicherte haben während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Abweichend von Satz 2 beträgt die Belastungsgrenze 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für nach dem 1. April 1972 geborene chronisch kranke Versicherte, die ab dem 1. Januar 2008 die in § 25 Absatz 1 genannten Gesundheitsuntersuchungen vor der Erkrankung nicht regelmäßig in Anspruch genommen haben. Für Versicherte nach Satz 3, die an einem für ihre Erkrankung bestehenden strukturierten Behandlungsprogramm teilnehmen, beträgt die Belastungsgrenze 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seinen Richtlinien fest, in welchen Fällen Gesundheitsuntersuchungen ausnahmsweise nicht zwingend durchgeführt werden müssen. Die weitere Dauer der in Satz 2 genannten Behandlung ist der Krankenkasse jeweils spätestens nach Ablauf eines Kalenderjahres nachzuweisen und vom Medizinischen Dienst, soweit erforderlich, zu prüfen; die Krankenkasse kann auf den jährlichen Nachweis verzichten, wenn bereits die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind und im Einzelfall keine Anhaltspunkte für einen Wegfall der chronischen Erkrankung vorliegen. Die Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Versicherten zu Beginn eines Kalenderjahres auf die für sie in diesem Kalenderjahr maßgeblichen Untersuchungen nach § 25 Abs. 1 hinzuweisen. Das Nähere zur Definition einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92.

(2) Bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen nach Absatz 1 werden die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten, seines Ehegatten oder Lebenspartners, der minderjährigen oder nach § 10 versicherten Kinder des Versicherten, seines Ehegatten oder Lebenspartners sowie der Angehörigen im Sinne des § 8 Absatz 4 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte jeweils zusammengerechnet, soweit sie im gemeinsamen Haushalt leben. Hierbei sind die jährlichen Bruttoeinnahmen für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 vom Hundert und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners um 10 vom Hundert der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu vermindern. Für jedes Kind des Versicherten und des Lebenspartners sind die jährlichen Bruttoeinnahmen um den sich aus den Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes ergebenden Betrag zu vermindern; die nach Satz 2 bei der Ermittlung der Belastungsgrenze vorgesehene Berücksichtigung entfällt. Zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt gehören nicht Grundrenten, die Beschädigte nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes erhalten, sowie Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Körper und Gesundheit gezahlt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist bei Versicherten,

1.
die Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch oder die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach einem Gesetz, das dieses für anwendbar erklärt, erhalten,
2.
bei denen die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden
sowie für den in § 264 genannten Personenkreis als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches maßgeblich. Bei Versicherten, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch erhalten, ist abweichend von den Sätzen 1 bis 3 als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelbedarf nach § 20 Absatz 2 Satz 1 des Zweiten Buches maßgeblich. Bei Ehegatten und Lebenspartnern ist ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des Satzes 1 auch dann anzunehmen, wenn ein Ehegatte oder Lebenspartner dauerhaft in eine vollstationäre Einrichtung aufgenommen wurde, in der Leistungen gemäß § 43 oder § 43a des Elften Buches erbracht werden.

(3) Die Krankenkasse stellt dem Versicherten eine Bescheinigung über die Befreiung nach Absatz 1 aus. Diese darf keine Angaben über das Einkommen des Versicherten oder anderer zu berücksichtigender Personen enthalten.

(4) (weggefallen)

(5) (weggefallen)

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.