Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klagen sind die Wirtschaftlichkeitsprüfungen in den Quartalen 3/14 und 4/14. Diese führten zu Kürzungen der Gesamtabrechnung in Höhe von 10% (= 7622,58 €) im Quartal 3/14 bzw. in Höhe von 15% (= 11.051,51 €) im Quartal 4/14.
Der Beklagte führte jeweils eine statistische Durchschnittsprüfung durch und verglich den Kläger, der Fachzahnarzt für Oralchirurgie ist, mit den Vertragszahnärzten. Er stellte dabei eine Überschreitung des Fallwerts von 126% (= Quartal 3/14) bzw. in Höhe von 147% (= Quartal 4/14) bei gleichzeitigen Fallzahlunterschreitungen von 36% bzw. 17% fest. Der Beschwerdeausschuss setzte sich mit der Vorschrift von § 20 Abs. 9 der Anlage 4a zum GV-Z auseinander. Trotz der Überweisungspraxis des Klägers sei eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht ausgeschlossen. So könnten Begleitleistungen, die über den Überweisungsauftrag hinausgingen, der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen werden. Der Beklagte habe schwere Fälle über 400 € berücksichtigt mit der Folge, dass im Quartal 3/14 beim Kläger 68 Fälle als Praxisbesonderheit (= 55.942 €) bzw. im Quartal 4/14 66 Fälle (= 51.130 €) als Praxisbesonderheit anerkannt werden könnten. Der Abzug dieser Beträge vom Gesamthonorar führe zu einem bereinigten Gesamtfallwert von 101 € (Durchschnitt der Vertragszahnärzte: 99.- €) bzw. von 97.- € (Durchschnitt der Vertragszahnärzte: 85 €). Somit überschreite der Kläger nach wie vor den Gesamtfallwert des Durchschnitts der Vertragszahnärzte, nämlich im Quartal 3/14 um 2% und im Quartal 4/14 um 14%. Diese Überschreitungen lägen im sogenannten Streubereich. Zudem sichtete der Beklagte die kostenintensiven Fälle anhand der vorliegenden Einzelfalldarstellungen sowie der eingesandten Röntgenaufnahmen, Krankenblattauszüge, histologischen Befunde und Überweisungsaufträge. Im Quartal gelangte er schließlich zu einer geschätzten Unwirtschaftlichkeit von 20%. Es handle sich um nicht von Überweisungsaufträgen gedeckte Positionen, die somit der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterlägen. Im Einzelnen wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass beim Kläger 259 Nachbehandlungen auf 100 Behandlungsfälle entfielen, während 113 Nachbehandlungen auf 100 Behandlungsfälle beim Landesdurchschnitt der MKG-Praxen zu verzeichnen seien. Es errechne sich eine Vergütungsberichtigung der Gesamtabrechnung in Höhe von 20%. Diese Vergütungsberichtigung beziehe sich zu 14% auf das bei den kostenintensiven Fällen abgerechnete Honorar und zu 6% auf das restliche Honorar. Die Vergütungsberichtigung sei jedoch im Hinblick auf die „reformatio in peius“ (Verböserungsgebot) nicht durchsetzbar. Im Quartal 4/14 gelangte der Beschwerdeausschuss zu einer geschätzten Unwirtschaftlichkeit von 15%, wobei sich die Vergütungsberichtigung zu 10% auf das bei den kostenintensiven Fällen abgerechnete Honorar und zu 5% auf das restliche Honorar beziehe. Auch hier wies der Beschwerdeausschuss auf nicht von Überweisungsaufträgen gedeckte Positionen hin, die somit der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterlägen. Zudem falle auf, dass die Praxis des Klägers eine um ca. 28% erhöhte chirurgische Tätigkeit im Verhältnis zu den MKG-Chirurgen aufweise, jedoch die Anzahl der Nachbehandlungen auf 100 Fälle (281,4 in der klägerischen Praxis zu 111,2 im Landesdurchschnitt der MKG-Praxen) hierzu in einem Missverhältnis stehe. Nach Kürzung werde dem Kläger immer noch eine Restüberschreitung von 103% im Quartal bzw. von 110% im Quartal 4/14 belassen.
Dagegen ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klagen zum Sozialgericht München einlegen. Dieser wies insbesondere darauf hin, der Kläger sei Facharzt für Oralchirurgie und ausschließlich chirurgisch tätig. Es handle sich um eine ausschließliche Überweisungspraxis. Vor diesem Hintergrund sei es nicht nachvollziehbar, dass der Kläger mit Vertragszahnärzten verglichen werde. Vielmehr sei es sinnvoll, ihn mit der Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen zu vergleichen. Abgesehen davon könne die weitere Berechnungsweise des Beklagten nicht nachvollzogen werden. Konkret führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus: „Der Beklagte stellt zunächst die nahezu vollständige Wirtschaftlichkeit der erbrachten Leistungen fest, um dies dann doch wieder durch eine nicht näher dargestellte weitere Prüfung auszuhebeln.“ Die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers könne deshalb nur im Rahmen einer sogenannten Einzelfallprüfung erfolgen.
Die Verfahren wurden in der mündlichen Verhandlung am 05.07.2017 verbunden.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte folgende Anträge:
Der Beschluss des Beschwerdeausschusses - Kammer ... vom 24.11.2016 und der Beschluss des Beschwerdeausschusses - Kammer ... vom 24.02.2017 werden aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über die Widersprüche des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Vertreter der Beigeladenen zu 2 beantragte, die Klagen abzuweisen.
Die übrigen anwesenden Beteiligten stellten keine Anträge.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Beklagtenakten. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 05.07.2017 verwiesen.
Die zum Sozialgericht München eingelegten Klagen sind zulässig und erweisen sich auch als begründet. Die Bescheide des Beklagten sind als rechtswidrig anzusehen.
In beiden Quartalen (Quartale 3/14 und 4/14) fand eine statistische Durchschnittsprüfung des Gesamtfallwerts statt. Der Beklagte stellte fest, dass der Kläger den Fallwert der Vergleichsgruppe (Vertragszahnärzte) erheblich überschreite und zwar im Quartal 3/14 um 126% und im Quartal 4/14 um 147% bei gleichzeitig unterdurchschnittlichen Fallzahlen (-36% im Quartal 3/14 und -17% im Quartal 4/14). Ferner stellte der Beschwerdeausschuss fest, in der Praxis des Klägers gebe es überdurchschnittlich viele schwere Fälle ab 400 € Fallwert. Er kam dann zu dem Ergebnis eines bereinigten Fallwerst, der knapp über dem Fallwert der Vergleichsgruppe lag. Im Anschluss daran fand eine Untersuchung der sogenannten kostenintensiven Fälle statt. Als Ergebnis gelangte der Beschwerdeausschuss schließlich zu einer geschätzten Unwirtschaftlichkeit in Höhe von 20% bzw. 15%. Dem Kläger werde eine Restüberschreitung in Höhe von 103% bzw. von 110% belassen, die nach wie vor im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liege.
Rechtsgrundlage für die durchgeführte statistische Durchschnittsprüfung ist § 106 Abs. 2 S. 2 SGB V in Verbindung mit §§ 18, 20 der Anlage 4a zum GV-Z. Bis zum 31.12.2003 sah der Gesetzgeber in § 106 Abs. 2 Ziff. 1 SGB V die Durchschnittsprüfung als Regelprüfung vor. Mit Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) zum 01.01.2004 wird diese Prüfmethode in § 106 Abs. 1 SGB V nicht mehr als Prüfmethode vorgesehen. Hintergrund hierfür war die Skepsis des Gesetzgebers, was die qualitative Wertigkeit dieser Prüfmethode betrifft (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 14.01.2015, Az. L 12 KA 43/13; SG Hannover, Urteil vom 19.10.2016, Az. S 78 KA 191/14). Allerdings sieht § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V vor, dass die Landesverbände der Krankenkassenverbände und der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus auch Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten vereinbaren können. Von dieser Ermächtigung wurde Gebrauch gemacht. So wird in § 18 Abs. 2c der Anlage 4a zum GV-Z die Durchschnittsprüfung als Prüfmethode genannt. In § 20 der Anlage 4a zum GV-Z werden die Voraussetzungen aufgeführt. Danach wird die Prüfung nach Durchschnittswerten auf der Grundlage einer Gegenüberstellung der Einzelleistungswerte bzw. der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Vertragszahnarztes einerseits, und aller Vertragszahnärzte andererseits auf der Grundlage der von der KZVB gemäß Abs. 1 erstellten Statistiken durchgeführt ( § 20 Abs. 5 der Anlage 4a zum GV-Z). Nach § 27 Abs. 2 der Anlage 4a zum GV-Z findet für alle Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab dem 01.07.2009 unabhängig vom Zeitpunkt des Abrechnungsquartals und der Antragstellung diese Prüfvereinbarung Anwendung.
Der Kläger ist Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Er wurde verglichen mit den Vertragszahnärzten; dies, obwohl er ausschließlich auf Überweisung und chirurgisch tätig ist.
Was die Tätigkeit aufgrund von Überweisungen betrifft, hindert dies nicht daran, dass der Kläger einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen wird. Nach § 20 der Anlage 4a zum GV-Z unterliegen Leistungen aufgrund von Überweisungen zu einer nach Art und Umfang festgelegten Behandlung nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung, soweit der Vertragszahnarzt den Inhalt der Überweisung nachweist. Überprüfungen, ob der Überweisungsauftrag eingehalten worden ist, sind zulässig.
Es stellt sich die Frage, ob der Beklagte nicht gehalten gewesen wäre, eine sogenannte verfeinerte Vergleichsgruppe für die Prüfung heranzuziehen. Das Bundessozialgericht (Urteil vom 14.12.2005, Az. B 6 KA 4/05R) hat die Meinung vertreten, die Prüfgremien seien nicht verpflichtet, einen Zahnarzt mit der Gebietsbezeichnung „Oralchirurgie“ nur mit denjenigen zu vergleichen, die ebenfalls diese Zusatzbezeichnung führten. Insgesamt sei es Sache der Prüfgremien, ob sogenannte spezielle bzw. verfeinerte Vergleichsgruppen gebildet werden (BSG, Urteil vom 27.04.2005, Az. B 6 KA 39/04 R). Die Prüfgremien hätten hier einen Entscheidungsspielraum, es sei denn, die Tätigkeiten sind zu verschieden, dass von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit gemacht werden könnten. Ärzte, die eine Gebietsbezeichnung führten, könnten grundsätzlich nur mit Ärzten verglichen werden, die ebenfalls diese Gebietsbezeichnung führten. Für Nordrhein-Westfalen kam das Bundessozialgericht zu dem Ergebnis, das Führen einer Gebietsbezeichnung entspreche hinsichtlich der normativen Wirkungen derjenigen einer Zusatzbezeichnung im ärztlichen Bereich. Dies wurde damit begründet, § 51 HeilBerG NRW gelte nicht für Zahnärzte. Zahnärzte mit der Gebietsbezeichnung „Oralchirurgie“ müssten sich nicht auf oralchirurgische Behandlungen beschränken und seien nicht einmal verpflichtet, solche Behandlungen anzubieten, sondern könnten ausschließlich oder in großem Umfang allgemeinzahnärztlich tätig sein. In B. darf nach Art. 34 Abs. 1. Heilberufekammergesetz (HKaG) ebenfalls grundsätzlich nur in dem Gebiet tätig sein, wer die Gebietsbezeichnung führt. Diese Vorschrift gilt auch für Zahnärzte, es sei denn die Weiterbildungsordnung für die Bayerischen Zahnärzte sieht etwas anderes vor (Art. 45 Abs. 2 S. 3 HKaG). Dies ist der Fall. Denn nach der Weiterbildungsordnung für die Bayerischen Zahnärzte braucht ein Fachzahnarzt für Oralchirurgie seine Tätigkeit nicht auf das Gebiet der zahnärztlichen Chirurgie beschränken (§ 23 Abs. 6 der Weiterbildungsordnung für die Bayerischen Zahnärzte vom 22.01.1985, zuletzt geändert durch Satzung vom 12.12.2015). Insofern ist der streitgegenständliche Fall mit dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall grundsätzlich vergleichbar. Allerdings ist anzumerken, dass das Verfahren vor dem Bundessozialgericht, wie in den Entscheidungsgründen ausdrücklich hervorgehoben wurde, nur den Fall der Wirtschaftlichkeitsprüfung von Einzelleistungen betraf, die typischerweise von allen Zahnärzten erbracht werden. In den hier streitgegenständlichen Fällen wurde jeweils die Gesamtabrechnung des Klägers gekürzt. Ist Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Gesamtabrechnung, sind die Prüfgremien grundsätzlich verpflichtet, einen Fachzahnarzt für Oralchirurgie mit Zahnärzten mit der Gebietsbezeichnung „Oralchirurgie“ zu vergleichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Fachzahnarzt für Oralchirurgie ausschließlich oder fast ausschließlich chirurgische Leistungen erbringt und auf Überweisung hin tätig wird. Denn der Vergleich mit den Zahnärzten, die ihrerseits wesentlich weniger chirurgische Leistungen erbringen, lässt keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit der Gesamtabrechnung zu. Genauso wenig kommt nach Auffassung des Gerichts ein Vergleich mit den MKG-Chirurgen in Betracht, auch wenn diese ebenfalls in großem Umfang oder ausschließlich chirurgische Leistungen erbringen. Aufgrund deren Doppelzulassung sowohl im ärztlichen, als auch zahnärztlichen Bereich haben diese die Möglichkeit, ihre Leistungen sowohl gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung, als auch gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung abzurechnen. Aus diesem Grund können Statistiken, die MKG-Chirurgen betreffen, nur bedingt zu Vergleichszwecken herangezogen werden.
Übertragen auf das streitgegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass der Kläger bereits nicht mit der richtigen Vergleichsgruppe verglichen wurde und insofern die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten als fehlerhaft anzusehen ist. Abgesehen von dem Problem der zutreffenden Vergleichsgruppe erscheint es äußerst fraglich, ob den bestehenden Praxisbesonderheiten ausreichend Rechnung getragen wurde, wenn nach den Bescheidgründen des Beklagten einerseits schwere Fälle über 400 € berücksichtigt werden sollen, andererseits nach Sichtung der kostenintensiven Fälle anhand der vorliegenden Einzelfalldarstellungen sowie der eingesandten Röntgenaufnahmen, Krankenblattauszüge, histologischen Befunde und Überweisungsaufträge überraschenderweise ohne nähere Begründung die Unwirtschaftlichkeit festgestellt und geschätzt wird. Diese Prüfung ist nicht nachvollziehbar und stellt auch nicht die zu fordernde intellektuelle Prüfung dar. Ein Vergleich mit den Fachärzten für „Oralchirurgie“ ist aber nicht möglich, da hierzu keine Statistiken existieren.
Daraus folgt, dass der Beklagte für die erneute Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Klägers eine andere Prüfmethode anwenden muss. Aus Sicht des Gerichts kommt lediglich eine Einzelfallprüfung (§ 21 der Anlage 4a zum GV-Z) oder eine Einzelfallprüfung mit Hochrechnung (§ 22 der Anlage 4a zum GV-Z) in Betracht.
Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.
Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.