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| Die form- und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht erhobene Klage ist zulässig und in der Sache begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Darüber hinaus hat der Kläger ein Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld für insgesamt 352 Tage. |
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| Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten im Erörterungstermin vom 09.09.2010 hierzu ihr Einverständnis erklärt haben. |
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| 1. Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg), die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Gemäß § 119 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Gemäß § 123 Abs. 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Gemäß § 124 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Alg-Anspruchsdauer bestimmt sich nach § 127 SGB III, wobei gem. § 339 SGB III ein Monat 30 Tagen entspricht. |
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| 2. Die Rahmenfrist beginnt im Falle des Klägers am 20.08.2007 und endet am 19.08.2009, da am 20.08.2009 (Alo-Meldung) alle sonstigen Voraussetzungen für die Erfüllung des Alg-Anspruchs erfüllt waren. Jedoch ragt nach § 124 Abs. 2 SGB III die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaft erfüllt hatte. Aus diesem Grund beginnt die Rahmenfrist im Falle des Klägers tatsächlich erst am 01.03.2008, also mit Beginn des letzten Alg-Anspruchs, und endet am 19.08.2009. In dieser Zeit hatte der Kläger lediglich eine Anwartschaftszeit von 344 Tagen (Versicherungspflichtverhältnis vom 09.09.08 bis 18.08.09) erfüllt, sodass kein neuer Anspruch auf Alg begründet werden konnte. |
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| Zu Recht sind sich die Beteiligten darüber einig, dass der Kläger gem. § 127 Abs. 4 SGB III einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 172 Tagen hatte. |
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| 3. Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie die Tatsache, dass er Kläger aufgrund des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs faktisch bis zum 10.09.2009 in einem Versicherungspflichtverhältnis stand, zu bewerten ist. |
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| a. Grundsätzlich ändert sich in einem solchen Fall nichts an der Bemessung der Rahmenfrist, da der Kläger in der Zeit vom 19.08.09 bis 10.09.09 beschäftigungslos war und die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 117 SGB III lediglich Beschäftigungslosigkeit voraussetzt (st. Rspr. BSG, 11.06.87, 7 RAr 40/86; 03.12.1998, B 7 AL 34/98 R). Der Beginn der Rahmenfrist des § 124 Abs. 1 SGB III knüpft an die materiellen Voraussetzungen für die Entstehung des Stammrechts, nicht jedoch an den Zeitpunkt der Antragstellung an (LSG Baden-Württemberg, 24.09.03, L 12 AL 224/03). Der Kläger hatte somit nach wie vor am 20.08.09 alle sonstigen Voraussetzungen für den Alg-Anspruch erfüllt, sodass keine Verlängerung der Rahmenfrist angenommen werden kann. |
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| b. Seit dem der Gesetzgeber jedoch mit Gesetz vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) in § 118 Abs. 2 SGB III geregelt hat, dass der Arbeitnehmer bis zur Entscheidung über den Anspruch bestimmen kann, dass dieser nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll, ist den obigen Ausführungen zur Überzeugung der Kammer eine weiterer Aspekt hinzuzufügen. Nunmehr hat es der Versicherte in der Hand den Anspruch auf Alg „hinauszuzögern“. Denn § 118 Abs. 2 SGB III ermöglicht die Verschiebung der Entstehung des Stammrechts. Der Kläger hätte also grundsätzlich die Möglichkeit gehabt die Entstehung des Stammrechts und damit das Ende der Rahmenfrist solange hinauszuzögern, bis ihm der Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens bzw. das tatsächliche Ende seines Arbeitsverhältnisses bekannt ist. § 118 Abs. 2 SGB III bedarf jedoch der Ausübung des Wahlrechts durch den Versicherten. Dies kann bis zur Entscheidung der Beklagten über den Alg-Anspruch geschehen. Unstreitig hat der Kläger sein Wahlrecht nicht ausgeübt, sodass die Vorschrift des § 118 Abs. 2 SGB III im vorliegenden Fall zu keiner Änderung der Sach- und Rechtslage führt. |
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| c. Der Kläger wäre jedoch über die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts durch die Beklagte zu beraten gewesen. Dies ist nicht, auch nicht im Merkblatt für Arbeitslose, geschehen. Der Einwand der Beklagten, dass über ein ungewisses Ereignis, nämlich den Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens, aufzuklären gewesen wäre, geht fehl. Die Beklagte hätte den Kläger überhaupt über das Bestehen eines Wahlrechts und der Folgen der Ausübung des Wahlrechts aufklären müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ihr - wie vorliegend - zur Kenntnis gelangt, dass ein Kündigungsschutzverfahren anhängig ist und der Beklagten sogar das Datum des Gütetermins bekannt ist. |
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| Der Kläger ist deshalb im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob er ordnungsgemäß beraten und sein Stammrecht erst am 11.09.09 hätte entstehen lassen (vgl. Gutzler, in: Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, § 118 Rn. 33 mwN). Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger die Anwartschaftszeit mit 366 Tagen erfüllt und einen neuen Anspruch auf Alg in Höhe von 6 Monaten (= 180 Tagen) begründet. |
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| Durch die Unterlassung der erforderlichen Beratung ist beim Kläger ein Nachteil dadurch entstanden, dass er keinen neuen Alg-Anspruch begründen konnte. Die Unterlassung der Beratung war auch rechtswidrig. Die Beklagte ist gemäß § 14 Erstes Sozialgesetzbuch Buch (SGB I) rechtlich verpflichtet, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass ein verständiger Versicherter sie mutmaßlich nutzen würde (vgl. BSG, 05.08.1999, B 7 AL 38/98 R). Angesichts der Angaben des Klägers in seinem Arbeitslosengeldantrag (Kündigungsschutzklage anhängig, Gütetermin am 10.09.09) hätte es sich der Beklagten aufdrängen müssen, dass für den Kläger eine Verschiebung des Arbeitslosengeldanspruchs in Betracht kommt. Denn es ergaben sich aus dem Antrag Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Zeitraum bis zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht von weniger als 4 Wochen ohne Bezug von Arbeitslosengeld überbrücken können würde. Der Kläger machte in seinem Antrag ausführliche Angaben dazu, warum die Kündigung seiner Meinung nach unwirksam war und er arbeitsrechtlich dagegen vorgehen wollte (vgl. LSG NRW, 29.01.2007, L 1 AL 62/06). Zum Zeitpunkt des Antrags auf Alg hatte der Kläger daher die berechtigte Aussicht, zeitnah eine Klärung der Rechtswirksamkeit der Kündigung sowie seine Weiterbeschäftigung oder zumindest eine Abfindung zu erwirken. Im Übrigen ist es gerichtsbekannt - und muss auch der Beklagten bekannt sein -, dass der ehemalige Arbeitgeber sehr freizügig mit fristlosen Kündigungen hantiert, die nicht selten einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht stand halten. Unter diesen Umständen lag es nahe, dass der Kläger sich nicht ohne Weiteres der Aussicht auf eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld begeben würde. Die Beklagte war daher gehalten, den Kläger auf die Gestaltungsmöglichkeit nach § 118 Abs. 2 SGB III hinzuweisen und ihm eine entsprechende Beratung zuteilwerden zu lassen. Diese wäre auch noch im Rahmen der Antragsbearbeitung vor Erlass des Bewilligungsbescheids möglich gewesen. |
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| Die unterbliebene Beratung war auch kausal für den eingetretenen Rechtsnachteil für den Kläger, der in dem kürzeren Leistungsanspruch liegt. Zur Überzeugung der Kammer hätte der Kläger die Zeit bis zum 11.09.2009 ohne Weiteres aus finanziellen Rückstellungen überbrücken können, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass er einen um 180 Tage längeren Leistungsanspruch realisieren kann. |
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| Rechtsfolge des Herstellungsanspruchs ist, dass der Kläger so zu stellen ist, als ob er sein Bestimmungsrecht ausgeübt und die Entstehung des Anspruchs auf den 11.09.09 verschoben hätte. Denn auch die auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Nichtausübung des Dispositionsrecht kann im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs korrigiert werden (vgl. LSG RP, 26.02.2009, L 1 AL 81/07). |
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| Der Klage war somit vollumfänglich statt zu geben. |
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