Sozialgericht Köln Urteil, 12. Nov. 2014 - S 9 KR 351/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand
2Streitig ist die Versorgung mit einem Hilfsmittel, einem Liegerad.
3Der Kläger, geboren 1973, ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet unter einer schubförmig verlaufenden Enzephalitis, die zu einer Störung der Augenbewegung geführt hat. Ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 zuerkannt.
4Unter dem 11.11.2012 beantragte er bei der Beklagten die Versorgung mit einem Therapiedreirad mit Faltverdeck und Regeponcho unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der behandelnden Neurologin Frau Dr. I, Köln, vom 05.11.2012 und einem Kostenvoranschlag von X, Bergisch Gladbach, vom 07.11.2012 über 4.966,00 €. Zur Begründung trug er vor, seine Mutter habe vor kurzem eine Oberschenkelamputation und einen schweren Schlaganfall erlitten. Damit er wenigstens kleine Besorgungen machen könne, brauche er dringend das Dreirad, um einen kleinen Teil seiner Mobilität wieder zu bekommen. Auf Anfrage der Beklagten gab Dr. I an, das Fahrrad sei verordnet worden zur Mobilität und damit größere Strecken alleine bewältigt werden könnten. Das Verständnis für Gefahren im Straßenverkehr für die Nutzung des Fahrrades sei ausreichend. Er habe Probe gesessen und fühle sich sicher. Die Bewegung der Beine sei aus medizinischer Sicht unbedingt zu fördern. Ein Rollstuhl würde das Gegenteil bewirken. Das Dreirad solle überall genutzt werden, wo es möglich sei. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) vertrat die Auffassung, dass die Förderung der Bewegung der Beine auch mit einem im Handel zu erwerbenden Zweirad erfolgen könne. Er sehe keine Indikation für ein Dreirad. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 06.02.2013 ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies auf ein in einem vorherigen Streitverfahren eingeholtes Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S vom 27.06.2011, in dem es um die Versorgung des Klägers mit einem Softwaretherapieprogramm für eine Hirnleistungsminderung ging. Darin war festgestellt worden, dass der Kläger unter einer komplexen Augenbewegungsstörung im Sinne eines zykloratorischen diskonjugierten Nystagmus (unwillkürliche Fehlbelegung beider Augäpfel mit unterschiedlicher Richtung der Auslenkung) leide. Ferner hat er festgestellt eine Störung der Feinmotorik, aufgehobene räumliche Orientierung, aufgehobene visuelle Kontrolle über die Körperbewegungen, Gangstörungen, Wahrnehmung ständig gegenläufig wachsender Bilder und Konzentrationsstörungen. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die Versorgung mit einem Dreirad weder zur Krankenbehandlung noch zum Behinderungsausgleich notwendig sei. Die Krankenkasse sei nicht dafür zuständig, den Behinderten durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln (wie mit einem Dreirad) in die Lage zu versetzen, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen, die ein Nichtbehinderter bei normalem Gehen zu Fuß bewältigen könne. Zu den maßgeblichen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens gehöre die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung für einen kurzen Spaziergang oder um Alltagsgeschäfte im Nahbereich zu erledigen, verlassen zu können. Damit er den Nahbereich erschließen könne, um kleinere Besorgungen zu machen, sei die Versorgung mit einem Rollstuhl oder einem Elektrorollstuhl/-mobil ausreichend. Allerdings nur, wenn hier gewährleistet sei, dass der Versicherte den Elektrorollstuhl/-mobil mit der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt und Sicherheit führen könne. Ihm wurde angeboten, sich anteilig an den Kosten in Höhe eines Elektrorollstuhls von 3.317,00 € zu beteiligen. Damit war der Kläger nicht einverstanden, denn ein Elektrorollstuhl sei für ihn nicht akzeptabel, weil er ihm nicht helfe. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 zurück.
5Dagegen hat der Kläger am 06.05.2013 Klage erhoben. Er verweist u.a. auf eine neue Versorgung seitens der Universitätsaugenklinik Köln mit neuen Kontaktlinsen.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2013 zu verurteilen, ihm ein Liegedreirad „Lepsus“ mit Faltverdeck und Regenponcho zu gewähren.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
11Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts einen Behandlungs-und Befundbericht von Frau Dr. I und ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. S, Neurologe und Psychiater, Köln, eingeholt. Wegen des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf den Befundbericht vom 05.12.2013 und auf das schriftliche Gutachten vom 14.05.2014 verwiesen.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
13Entscheidungsgründe
14Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
15Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn die Bescheide sind rechtmäßig. Zu Recht hat die Beklagte die Versorgung des Klägers mit einem Liegedreirad abgelehnt.
16Gemäß § 33 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.
17Einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens stellt das Liegedreirad nicht dar, denn es ist speziell auf die Bedürfnisse Behinderter ausgerichtet und wird ausschließlich von diesem Personenkreis genutzt.
18Der Anspruch des Klägers scheitert aber daran, dass das begehrte Hilfsmittel nicht erforderlich ist, um eine Behinderung auszugleichen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein Hilfsmittel nur dann erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören einerseits die körperlichen Grundfunktionen wie das Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Hören sowie die Nahrungsaufnahme und die Ausscheidung. Daneben ist auch die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen und die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums Bestandteil der allgemeinen Grundbedürfnisse. Ebenso wird die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Schulgrundwissens im Rahmen des § 33 SGB V erfasst (BSG, Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 3/02 R; Urteil vom 08.06.1994, 3/1 RK 13/93). Der Einsatz des Liegedreirads dient nicht dem unmittelbaren Ausgleich einer ausgefallenen Körperfunktion, da dem Kläger mit Hilfe des begehrten Hilfsmittels die Grundfunktion des Gehens nicht selbst ermöglicht wird. Vielmehr soll hierdurch ein mittelbarer Ausgleich erzielt werden, indem mit dieser Transportmöglichkeit die Fortbewegung von einem Ort zum anderen ermöglicht wird und zum anderen eine Erweiterung des körperlichen Freiraums geschaffen wird, um mit der Umwelt in Kontakt zu treten. Bei solchen, dem mittelbaren Ausgleich von Behinderungen dienenden Hilfen hat das BSG diese nur dann als Hilfsmittel im Sinne der Gesetzlichen Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich, sondern im gesamten täglichen Leben beseitigen oder mildern (Urteil vom 06.08.1998, B 3 KR 3/97 R). Sofern nur Teilbereiche des allgemeinen Lebens betroffen sind, ist die soziale Rehabilitation Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Das Liegdreirad ist allerdings nicht notwendig, um das Grundbedürfnis des Klägers im Rahmen der Fortbewegung zu befriedigen. Dieses ist nämlich nur im Sinne eines Basisausgleichs zu verstehen und beinhaltet nicht das vollständige Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden. So ist hiervon nach der Rechtsprechung des BSG nur die Fähigkeit erfasst, sich in der Wohnung zu bewegen und sie zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu gelangen (BSG, Urteile vom 16.09.1999, Az. B 3 KR 8/98, sowie vom 18.05.2011, B 3 KR 10/10 R). Im Übrigen ist das Grundbedürfnis der Fortbewegung dann gewährleistet, wenn Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die einen Bewegungsradius ermöglichen, der auch von Gesunden üblicherweise zu Fuß zurückgelegt wird (BSG aaO). Auf die Besonderheiten des Wohnortes kommt es dabei nicht an.
19Die gerichtlich durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt dieses Ergebnis. Der Sachverständige Dr. S ist nach ambulanter Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 14.05.2014 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine komplexe Störung der Oculomotorik nach Enzephalitis, multifaktorielle Gangstörung als Ausdruck einer milden sensiblen Ataxie und einer höhergradigen Sehstörung bestehe. Das im Rahmen der jetzigen Begutachtung festgestellte Behinderungssyndrom sei derart, dass nach seinem Dafürhalten gegebenenfalls auch mit einem Aktivrollstuhl Wegstrecken von 1 bis 2 km Länge zurückgelegt werden könnten. Es obliege einer Testung, ob durch den Gebrauch eines entsprechenden Rollstuhls bei Kurven-und Wendemanövern ausreichende Steuerungsmöglichkeiten bestehe. Es sei jedoch aufgrund des Untersuchungsbefundes davon auszugehen. Eine wesentliche Ataxie an den oberen Extremitäten könne nicht festgestellt werden. Grundsätzlich halte er es für möglich, dass der Kläger mit einem Aktivrollstuhl in der Lage sei, seine Wohnung zu verlassen und einen kürzeren Spaziergang zurückzulegen. Es könnten dabei üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegende Stellen erreicht werden, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen seien Beweisende Gründe, die hier den Einsatz eines Elektrorollstuhls oder eines Dreirads notwendig machten, könne er anhand der Untersuchung nicht feststellen. Die Versorgung mit einem Liegedreirad sei prinzipiell geeignet, um die bestehende Behinderung auszugleichen. Es könne nicht begründet werden, dass eine entsprechende Versorgung notwendig und wirtschaftlich sei.
20Auch die behandelnde Neurologin Frau Dr. I hat in ihrem Befundbericht vom 05.12.2013 bestätigt, dass der Kläger wegen Einschränkung der Kraft der Armmuskulatur allenfalls 50-100 m je nach Tagesverfassung mit einem Aktivrollstuhl zurücklegen könne. Kurze Strecken bewältige er ohne Rollstuhl.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
22Rechtsmittelbelehrung:
23Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
24Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
25Landessozialgericht
26Nordrhein-Westfalen,
27Zweigertstraße 54,
2845130 Essen,
29schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
30Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
31Sozialgericht Köln,
32An den Dominikanern 2,
3350668 Köln,
34schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
35Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
36Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-koeln.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht überprüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzungen bekanntgegeben.
37Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
38Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Köln schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
39Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
40Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
41Plum
42Richter am Sozialgericht
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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.
(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie
- 1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder - 2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.
(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.
(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.
(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.
(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.
(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.
(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.
(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.
(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.