Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 28. Juli 2017 - S 1 U 2602/16

published on 28/07/2017 00:00
Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 28. Juli 2017 - S 1 U 2602/16
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztengeld wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls über den 31.03.2016 hinaus.
Der 1964 geborene, als Verkäufer bei einer Werbeagentur beschäftigt gewesene Kläger, erlitt am 20.10.2014 auf einem Betriebsweg einen Arbeitsunfall, als er mit seinem Motorroller mit einem Pkw kollidierte und auf die rechte Seite stürzte. Der erstversorgende Arzt, der Chirurg Dr. F., diagnostizierte am Unfalltag als Gesundheitsstörungen eine Prellung des rechten Knies, eine Schürfwunde am rechten Bein sowie eine oberflächliche Verletzung (Prellung) des Rumpfes und verneinte eine Gehirnerschütterung (vgl. Durchgangsarztbericht vom 20.10.2014). Im Rahmen einer Nachuntersuchung am 27.10.2014 diagnostizierte Dr. F. als zusätzliche Gesundheitsstörungen eine Verstauchung und Zerrung des linken oberen Sprunggelenks und multiple oberflächliche Verletzungen (vgl. Nachschaubericht vom 28.10.2014). Zum Ausschluss einer Fraktur bzw. Thrombose am linken Unterschenkel befand sich der Kläger vom 29. bis zum 31.10.2014 stationär in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Klinikums Mi. (vgl. Entlassungsbericht vom 05.11.2014). Erstmals im Rahmen einer weiteren Nachuntersuchung durch Dr. F. am 12.11.2014 klagte der Kläger über Schwindelerscheinungen und Ohrgeräusche, die er auf das Unfallereignis zurückführte (vgl. Zwischenbericht vom 12.11.2014). Der HNO-Arzt Dr. M. diagnostizierte am 13.11.2014 als Gesundheitsstörungen einen beidseitigen Tinnitus. Nachfolgende Infusions- und Hochdosiscortisonstoß-Therapien erbrachten keine wesentliche Beschwerdebesserung (vgl. u.a. Bericht des Dr. M. vom 13.01.2015). Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. diagnostizierte aufgrund des Untersuchungsbefundes vom 14.11.2014 als Gesundheitsstörungen eine Schädelprellung und eine HWS-Distorsion (vgl. Arztbrief vom 15.11.2014). Aufgrund des Ergebnisses einer von Dr. F. veranlassten kernspintomographischen Untersuchung des Schädels und der Halswirbelsäule des Klägers schloss der Facharzt für Nuklearmedizin und diagnostische Radiologie Dr. L. eine intrakranielle Blutung und Raumforderung, insbesondere eine Neoplasie, aus. Die Kleinhirnrückenwinkel und die Vestibulocochlear-Nerven beidseits kamen unauffällig zur Darstellung. Im Bereich der Halswirbelsäule fand Dr. L. Bandscheibenprolabierungen in den Segmenten C5/6 und C6/7 mit möglichen Wurzelirritationen sowie weniger ausgeprägte Bandscheibenprolabierungen in den Segmenten Th2 bis 4, außerdem eine Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule ohne Spinal- oder Foramensstenosierung. Eine Bandverletzung der Halswirbelsäule schloss er ebenso aus wie eine Verletzung knöcherner Strukturen der Halswirbelsäule (vgl. Arztbrief vom 24.11.2014). In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom März 2015 äußerte der HNO-Arzt Dr. J. den Verdacht auf eine psychische Überlagerung als Ursache der geltend gemachten Ohrgeräusche bei beidseitigem Hörverlust von weniger als 10 %. Zur Heilverfahrenskontrolle befand sich der Kläger außerdem in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Lu. in der Zeit vom 16. bis 20.03.2015. Die Klinikärzte diagnostizierten als Gesundheitsstörungen u.a. eine HWS-Distorsion, eine Schädelprellung sowie einen beidseitigen Tinnitus (Schadensanlage) und empfahlen in Bezug auf das Ohrgeräusch eine ambulante psychotherapeutische Behandlung des Klägers (vgl. Entlassungsbericht vom 20.03.2015). Der Neurologe und Psychiater Dr. H. verneinte auf seinem Fachgebiet objektivierbare Unfallfolgen bei Zustand nach HWS-Distorsion und Schädel-Gesichts-Prellung. Auch eine zervikal-radikuläre Symptomatik sei nicht darzustellen (vgl. Bericht vom 18.03.2015). Die Psychologische Psychotherapeutin G. erachtete den Kläger nach Abschluss der psychotherapeutischen Behandlung trotz seiner Gesundheitsstörung (Tinnitus, Anpassungsstörung) als uneingeschränkt arbeitsfähig und empfahl eine stationäre Tinnitusbehandlung (vgl. Abschlussbericht vom 13.07.2015).
Zur Feststellung von Art und Ausmaß der Unfallfolgen sowie der Dauer unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit ließ die Beklagte den Kläger durch die HNO-Ärzte Dr. Gt. und Dr. M., den Neurologen und Psychiater Dr. B. und den Chirurgen Dr. F. untersuchen und begutachten. Außerdem veranlasste sie eine Heilverfahrenskontrolle durch die Neurologin und Psychiaterin Dr. Gr. .
Dr. Gt. objektivierte eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit mit Hörverlust beidseits von 0 % sowohl im Ton- als auch im Sprachaudiogramm, außerdem einen beidseitigen Tinnitus mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen. Das Unfallereignis vom 20.10.2014 sei nicht mit Wahrscheinlichkeit Ursache der Tinnitusbeschwerden. Dagegen spreche insbesondere das beschwerdefreie Intervall von rund 10 Tagen nach dem Unfallgeschehen.
Dr. M. bestätigte die von Dr. Gt. erhobenen Befunde auf seinem Fachgebiet. Anhaltspunkte für einen peripher-vestibulären Schwindel habe er nicht feststellen können. Ein Schädeltrauma als mögliche Ursache der Tinnitusbeschwerden habe nicht stattgefunden, ebenso wenig eine HWS-Distorsion. Vielmehr leide der Kläger an unfallunabhängigen degenerativen Vorschäden der Halswirbelsäule im Sinne multipler Bandscheibenprotrusionen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tinnitus und dem Unfallereignis bestehe nicht, zumal ein Tinnitus nach den anamnestischen Angaben des Klägers auch schon vor dem Unfallgeschehen gelegentlich und vorübergehend vorgelegen habe. Eventuell sei diese Gesundheitsstörung Folge einer unfallbedingten psychischen Belastung. Für einen Schwindel finde sich auf HNO-fachärztlichem Gebiet kein Korrelat.
Dr. Sch. teilte auf Anfrage der Beklagten mit, eine psychogene Ursache des Tinnitus durch eine unfallbedingte psychische Traumatisierung sei nicht sicher (vgl. Schreiben vom 11.10.2015).
Dr. B. führte zusammenfassend aus, bei dem Kläger sei allein eine leichtgradige Beeinträchtigung der Medianusnerven im Verlauf des Karpalkanals zu objektivieren. Insoweit sei ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis mit Handgelenksextensionstrauma, Fraktur der Hand bzw. Distorsion der Handwurzelknochen rechts wahrscheinlich. Das beidseitige Ohrgeräusch, die subjektiv geklagte Konzentrationsstörung und der Schwankschwindel seien jedoch dem Unfallereignis „nicht ohne vernünftige Zweifel“ zuzuordnen. Eine unfallbedingte psychische Störung liege nicht vor
Dr. F. diagnostizierte als Unfallfolgen eine folgenlos ausgeheilte Prellung beider Kniegelenke, eine Bewegungseinschränkung nach Abriss des TFCC am rechten Handgelenk, eine Meniskusrissbildung am Innenmeniskushinterhorn im Übergang zur Pars intermedia, eine folgenlos ausgeheilte HWS-Distorsion und eine ebenfalls folgenlos ausgeheilte Abrissfraktur am Os hamatum. Unfallunabhängig leidet der Kläger an einem Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits und an einem vorbestehenden Tinnitus. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertete Dr. F. auf seinem Fachgebiet mit 10 v.H. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte Dr. F. aus, spätestens seit dem 03.11.2015 bestehe von Seiten der chirurgischen Verletzungsfolgen keine Arbeitsunfähigkeit mehr; seither stehe die Tinnitusproblematik eindeutig im Vordergrund.
Dr. Gr. diagnostizierte als Gesundheitsstörung eine leichte Anpassungsstörung im Sinne einer ängstlichen Restsymptomatik beim Autofahren und einer verminderten Stresstoleranz. Außerdem klage der Kläger über ein Tinnitusleiden. Die Schwindelsymptomatik stelle sich eher als Benommenheits- und Anspannungs- bzw. Nervositätssyndrom dar, das überwiegend beim Autofahren auftrete. Insoweit bestehe ein kausaler Zusammenhang zu dem Arbeitsunfallereignis. Dagegen sei die Tinnitussymptomatik nicht eindeutig in einem kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis zu bringen. Auf ihrem Fachgebiet bestehe weder eine messbare MdE noch Arbeitsunfähigkeit.
10 
Nach Anhörung des Klägers (vgl. Schreiben vom 09.03.2016) stellte die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld mit Ablauf des 31.03.2016 mit der Begründung ein, die chirurgischen Verletzungsfolgen bedingten ab dem 03.11.2015 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Seither stehe die Tinnitus-Problematik im Vordergrund. Diese sei jedoch nicht ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestünden keine Unfallfolgen mit Arbeitsunfähigkeit mehr. Wegen der Tinnitusbeschwerden und der leicht ausgeprägten Anpassungsstörung seien ambulante psychotherapeutische Behandlungen ausreichend. Für die tinnitusspezifischen Behandlungsmaßnahmen sei die Krankenkasse des Klägers zuständig (Bescheid vom 01.04.2016).
11 
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, er leide seit dem Unfall an erheblichen Tinnitusbeschwerden, die weiterer ärztlicher Behandlung bedürften. Zu Unrecht habe die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld über den 31.03.2016 versagt. Zur Stützung seines Klagebegehrens verwies der Kläger auf den Arztbrief des Dr. Sch. vom 15.11.2014.
12 
Dr. F. erachtete den Kläger aufgrund der von ihm am 10.05.2016 erhobenen Befunde als weiterhin arbeitsfähig (vgl. Zwischenbericht vom 10.05.2016).
13 
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Die Ohrgeräusche seien nicht Folge des Arbeitsunfalls. Das Ereignis habe die Ohrgeräusche auch nicht verschlimmert. Die Einstellung des Verletztengeldes mit Ablauf des 31.03.2016 sei daher zu Recht erfolgt (Widerspruchsbescheid vom 01.07.2016).
14 
Deswegen hat der Kläger am 02.08.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Widerspruchsvorbringen und legt das Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. van Q. vom 13.07.2017 vor.
15 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung medizinischer Sachverständigengutachten des HNO-Arztes Prof. Dr. Si. und des Neurologen Dr. St.:
16 
Prof. Dr. Si. hat als Befunde (tonschwellen- und sprachaudiometrisch) einen beidseitigen Hörverlust von 0 % erhoben. Den Tinnitus habe der Kläger beidseits bei einer Frequenz von 10 kHz in einer Lautstärke rechts von 54 dB und links von 85 dB angegeben. Im Rahmen der Vestibularisprüfung habe er keine krankhaften Veränderungen und allein beim Tretversuch nach Unterberger eine leichte Abweichung nach rechts objektiviert. Zusammenfassend hat Prof. Dr. Si. ausgeführt, der Sturz vom Motorroller sei grundsätzlich geeignet gewesen, eine HWS-Distorsion zu verursachen und damit ein Tinnitusleiden hervorzurufen. Allerdings habe die kernspintomographische Untersuchung des Schädels im November 2014 keine Verletzungen des Felsenbeins oder der Halswirbelsäule ergeben. Eine HWS-Distorsion sei nach den ärztlichen Unterlagen überdies nicht dokumentiert. Gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfall und dem Tinnitus spreche bereits die Latenz von 24 Tagen oder auch anamnestisch von einigen Tagen bis zum Auftreten der Ohrgeräusche. Außerdem sei ein Tinnitus als alleiniges Symptom ohne unfallbedingte Hörminderung oder unfallbedingte Schäden des Gleichgewichtsapparates nicht wahrscheinlich zu machen. Hinweise auf eine Läsion der Vestibularisorgane fänden sich jedoch weder in den aktuellen Untersuchungsbefunden noch in den Gutachten der Dres. M. und Gt.. Die sensorineurale Hörminderung links sei am ehesten degenerativ bedingt. Die Auswirkungen des Tinnitus begründeten keine längerfristige Arbeitsunfähigkeit des Klägers.
17 
Dr. St. hat dargelegt, für den vom Kläger seit dem Unfallereignis angegebenen subjektiven Schwankschwindel bei Dunkelheit und geschlossenen Augen finde sich in der klinisch-neurologischen Untersuchung kein Korrelat. Auf seinem Fachgebiet sei eine Gefühlsstörung im Bereich der Narben am linken Schienbein und am rechten Handgelenk zu objektivieren. Diese Gesundheitsstörungen seien zweifelsfrei als unmittelbare Unfallfolge anzusehen. Die Frage nach einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit wegen der von ihm diagnostizierten Unfallfolgen hat Dr. St. mit „entfällt“ beantwortet.
18 
Der Kläger beantragt,
19 
den Bescheid vom 01. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfallereignisses vom 20. Oktober 2014 über den 31. März 2016 hinaus Verletztengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
23 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 20.10.2014 mit Ablauf des 31.03.2016 eingestellt.
25 
1. Dass der Kläger am 20.10.2014 in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Verkäufer bei einer Werbeagentur auf einem Betriebsweg (§ 8 Abs. 1 SGB VII; vgl. hierzu u.a. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 39, Rdnr. 20) einen Arbeitsunfall erlitten hat, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Dies hat die Beklagte in der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 01.07.2016 auch - inzidenter - anerkannt.
26 
2. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls, u.a. eines Arbeitsunfalls, u.a. Anspruch auf Geldleistungen in Form von Verletztengeld (§ 45 ff. SGB VII).
27 
Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte in Folge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können (Nr. 1) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung u.a. Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten (Nr. 2). Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird (§ 46 Abs. 1 SGB VII) und endet u.a. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme (§ 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII).
28 
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. zur st. Rspr. in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSGE 26, 288; BSGE 61, 66 und BSGE 85, 271, 273; zur Literatur: Schifferdecker in Kasseler Kommentar, Stand März 2017, § 44 SGB V, Rdnr. 41, 45 ff; zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung: vgl. BSG, USK 72181; BSG SozR 3-2200 § 560 Nr. 1; BSG SozR 3-2700 § 46 Nr. 1 und SozR 4-2700 § 46 Nr. 3; zur unfallversicherungsrechtlichen Literatur: Fischer in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, Stand: 24.05.2016, § 45, Rdnr. 15; Nehls in Hauck/Noftz, SGBVII, Stand 08/2012, § 45, Rdnr. 4 und Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 45, Rdnr. 6). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist es, ob die Heilbehandlung des Versicherten abgeschlossen ist oder nicht (vgl. Fischer, a.a.O. und § 46, Rdnr. 38; Köllner in LPK-SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 45, Rdnr. 8 sowie Nehls, a.a.O., Rdnr. 6).
29 
3. Gemessen daran sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
30 
Der Kläger hat über den 31.03.2016 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist auch nicht zur Überzeugung der Kammer (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) erwiesen, dass der Kläger über diesen Zeitpunkt hinaus wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.10.2014 arbeitsunfähig krank war. Hierfür stützt sich das erkennende Gericht auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. Si. und Dr. St., die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dres. Gt., M., B. und F., den Heilverfahrens-Bericht von Dr. Gr., das Schreiben des Dr. Sch. vom 11.10.2015 sowie das nach Erlass des Widerspruchsbescheides von der Beklagten eingeholte weitere Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. vom Juni 2016.
31 
a) Wie Dr. F. und Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. - im Ergebnis - übereinstimmend dargelegt haben, sind unfallbedingte Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet, mit Ausnahme einer leichten Bewegungseinschränkung am rechten Handgelenk nach Abriss des TFCC für die Streckung/Beugung um jeweils 10° und die Unterarmdrehung, folgenlos ausgeheilt. Sie bedingen mit Dr. F. seit dem 03.11.2015 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Gegenteiliges macht auch der Kläger nicht geltend.
32 
b) Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sind ebenfalls keine überdauernden Unfallfolgen zu objektivieren, die über den 31.03.2016 hinaus eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen würden. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Gutachten von Dr. B. , dem Heilverfahrensbericht von Dr. Gr. wie auch dem Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. H. bereits vom 18.03.2015. Bei Zustand nach HWS-Distorsion und Schädel-Gesichts-Prellung - wobei nach den zutreffenden Darlegungen des Prof. Dr. Sp./PD Dr. He., des Dr. M. und des Sachverständigen Prof. Dr. Si. eine HWS-Distorsion angesichts der insoweit blanden Befunde in den zeitnah zum Unfallereignis erstellten Berichten des Dr. F., insbesondere im Durchgangsarztbericht vom 20.10.2014, wie auch im Arztbrief des Dr. L. vom 24.11.2014 nicht erwiesen ist; auch Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. halten eine unfallbedingte leichtgradige HWS-Distorsion im Ergebnis nur für möglich - hat Dr. H. objektive Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet ausdrücklich verneint, ebenso eine zervikal-radikuläre Symptomatik. Auch Dr. B. hat aufgrund der von ihm erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen weitere Heilbehandlungsmaßnahmen als nicht erforderlich erachtet und zutreffend eine behandlungsbedürftige bzw. behandelbare psychische Störung verneint. Schließlich rechtfertigt auch die von Dr. Gr. diagnostizierte leichte Anpassungsstörung des Klägers im Sinne einer Restsymptomatik nicht die Annahme unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit über den 31.03.2016 hinaus, wie die Ärztin überzeugend dargelegt hat. Dies gilt auch in Bezug auf den vom Kläger angegebenen Schwankschwindel, ungeachtet dessen, dass die Dres. M., Gt. und B. wie auch die Sachverständigen Prof. Dr. Si. und Dr. St. keinen Anhalt für eine unfallbedingte Schädigung der Vestibularisorgane oder ein klinisch-neurologisches Korrelat objektiveren konnten, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang dieser Gesundheitsstörung mit dem Arbeitsunfall vom 20.01.2014 auch zur Überzeugung der Kammer nicht wahrscheinlich ist. Ursache der Schwindelerscheinungen dürften vielmehr die bildtechnisch von Dr. L. bereits am 24.11.2014 nachgewiesenen erheblichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sein.
33 
c) Mit Dr. F. und in Übereinstimmung mit der Beklagten geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass im Vordergrund der weiteren Behandlungsbedürftigkeit seit dem 03.11.2015 die Tinnitusproblematik des Klägers stand. Ob der Kläger deswegen über den 31.03.2016 hinaus arbeitsunfähig war, kann vorliegend indes offenbleiben. Denn der Tinnitus einschließlich evtl. psychischer Folgeerscheinungen ist nicht - wie erforderlich - mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 20.10.2014 zurückzuführen. Insoweit schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung den - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen der Dres. Gt. und M. und des Sachverständigen Prof. Dr. Si. an. Ungeachtet der Frage, ob ein Tinnitus Folge einer HWS-Distorsion sein kann und vorliegend eine unfallbedingte HWS-Distorsion tatsächlich vorgelegen hat - dagegen sprechen die Berichte des Dr. F. vom 20.10. 28.10. und vom 12.11.2014 wie auch der Entlassungsbericht des Klinikums Mi. vom 05.11.2014 und insbesondere der Arztbrief des Dr. L. vom 24.11.2014 -, spricht gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall vom Oktober 2014 und der Ohrgeräuschproblematik mit Prof. Dr. Si. und Dr. Gt. das beschwerdefreie Intervall von mehreren Tagen - hier: konkret von 24 Tagen - zwischen dem Unfall und dem Beschwerdevorbringen in Form von Ohrgeräuschen und Schwindelerscheinungen gegenüber Dr. F. erstmals bei der Nachuntersuchung am 12.11.2014. Entgegen dem Vorbringen des Klägers gehen Prof. Dr. Si. und Dr. Gt. insoweit auch nicht von unrichtigen Anknüpfungstatsachen aus. Denn gegenüber Dr. Gt. hat der Kläger bei der Untersuchung und Begutachtung am 03.06.2015 ausdrücklich angegeben, er sei unmittelbar nach dem Unfall hinsichtlich des HNO-Bereichs beschwerdefrei gewesen und habe nach dem Unfall für mehr als eine Woche weder Ohrgeräusche noch eine andere Hörstörung/Hörminderung noch Schwindelbeschwerden gehabt; den Tinnitus beidseits habe er vielmehr erst 10 Tage nach dem Unfall erstmals bemerkt. Diese Angaben hat er sowohl gegenüber Dr. B. („Entwicklung eines Ohrgeräusches, zeitliches Fenster nicht genau angegeben, im Verlauf“; „…etwa 3-4 Tage nach dem Unfall aufgetreten.“) und gegenüber Prof. Dr. Si. („... andauerndes hochfrequentes Geräusch auf beiden Ohren“ ...“ sei einige Tage nach dem Unfall neu aufgetreten.“) bestätigt. Auch gegenüber Dr. St. hat der Kläger anamnestisch angegeben, „kurz nach dem Unfall, möglicherweise während der drei Tage als er stationär im Krankenhaus lag, habe er ein Ohrgeräusch auf beiden Ohren festgestellt, genau könne er das gar nicht terminieren“. Sein nunmehr hiervon abweichendes Vorbringen, die Ohrgeräusche hätten bereits unmittelbar nach dem Unfall am 20.10.2014 bestanden, erachtet die Kammer deshalb als nicht glaubhaft, sondern als ziel- und zweckgerichtetes Vorbringen.
34 
Überdies setzt ein traumatischer Tinnitus nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Prof. Dr. Si. voraus, dass gleichzeitig andere unfallbedingte Störungen des Innenohrs (Hörminderung, Schwindel) objektivierbar sind (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Gerichts vom 20.04.2017 - S 1 U 3641/16 -, Rdnr. 35 m.w.N. ). Den isolierten unfallbedingten Tinnitus gibt es nicht. Bei den Untersuchungen durch die HNO-Ärzte Dres. Gt., M. und Prof. Dr. Si. konnten die genannten Ärzte eine Hörminderung, die das altersphysiologische Ausmaß überschreitet, jedoch nicht objektivieren. Vielmehr ergaben die von allen HNO-Ärzten durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen des Hörvermögens keine messbaren Hörverlust (= beidseits jeweils 0%). Auch Hinwiese auf eine Läsion der Vestibularisorgane konnten Dr. M., Dr. Gt. und Prof. Dr. Si. nicht objektivieren. Der Sachverständige Dr. St. hat für die vom Kläger angegebenen Schwindelbeschwerden ein klinisch-neurologisches Korrelat ausdrücklich verneint; denn der Kläger zeigte bei der Untersuchung und Begutachtung ein normales und flüssiges Gangbild. Den Romberg-Stehversuch wie auch die Gangvaria (Zehenspitzen- und Fersenstand) konnte er ohne Hilfestellung und ohne Gleichgewichtsstabilisierung regelrecht ausführen. Selbst die erschwerten Gangproben (Blind- und Seiltänzergang) waren sicher möglich.
35 
d) Eine evtl. traumatisch bedingte psychische Ursache des Tinnitusleidens, wie von Dr. M. angedacht, hat bereits Dr. Sch. in seinem Schreiben an die Beklagte vom 11.10.2015 nicht bestätigt. Dem hat sich Dr. B. in seinem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten ebenso angeschlossen wie Dr. Gr. im Heilverfahrenskontrollbericht vom März 2016. Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. St. bei seiner Untersuchung und Begutachtung des Klägers keine Befunde und/oder Krankheitsäußerungen erhoben, die die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer traumatisch bedingten psychischen Überlagerung und den Tinnitusbeschwerden auch nur nahelegen könnte.
36 
e) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem versicherten Unfallereignis und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen nicht ausreicht, die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn zu begründen (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, Rdnr. 20 und - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, Rdnr. 53; ferner Sächs. LSG vom 13.08.2014 - L 6 U 142/11 -, Rdnr. 41 und Bayr. LSG vom 11.11.2014 - L 2 U 398/13 -, Rdnr. 54 - ), und zwar selbst dann nicht, wenn sich eine andere - nicht versicherte - Ursache nicht feststellen lässt.
37 
f) Das zuletzt noch vorgelegte Attest des Dr. van Q. ist nicht geeignet, das Klagebegehren zu stützen. Denn ungeachtet dessen, dass dessen Angaben: „Initial Kopfschmerzen und Schwindel, zudem … seither aufgetretenen … Tinnitus“ allein subjektives Vorbringen des Klägers wiederspiegeln, das zudem sowohl der Aktenlage wie auch den anamnestischen Angaben des Klägers gegenüber den behandelnden und untersuchenden Ärzten widersprechen, ist auch nicht ersichtlich, dass Dr. van Q. den Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall behandelt und - ggf. welche - von den Gutachten der Dres. M., Gt. und B. sowie des Prof. Dr. Si. und des Dr. St. abweichende Befunde erhoben hat.
38 
4. Aus eben diesen Gründen hat es die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide zu Recht abgelehnt, dem Kläger über den 31.03.2016 hinaus Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich damit als rechtmäßig, weshalb das Begehren des Klägers erfolglos bleiben musste.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe

 
24 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 20.10.2014 mit Ablauf des 31.03.2016 eingestellt.
25 
1. Dass der Kläger am 20.10.2014 in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit als Verkäufer bei einer Werbeagentur auf einem Betriebsweg (§ 8 Abs. 1 SGB VII; vgl. hierzu u.a. BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 39, Rdnr. 20) einen Arbeitsunfall erlitten hat, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Dies hat die Beklagte in der Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom 01.07.2016 auch - inzidenter - anerkannt.
26 
2. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls, u.a. eines Arbeitsunfalls, u.a. Anspruch auf Geldleistungen in Form von Verletztengeld (§ 45 ff. SGB VII).
27 
Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte in Folge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können (Nr. 1) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung u.a. Anspruch auf Arbeitsentgelt hatten (Nr. 2). Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird (§ 46 Abs. 1 SGB VII) und endet u.a. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme (§ 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII).
28 
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. zur st. Rspr. in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSGE 26, 288; BSGE 61, 66 und BSGE 85, 271, 273; zur Literatur: Schifferdecker in Kasseler Kommentar, Stand März 2017, § 44 SGB V, Rdnr. 41, 45 ff; zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung: vgl. BSG, USK 72181; BSG SozR 3-2200 § 560 Nr. 1; BSG SozR 3-2700 § 46 Nr. 1 und SozR 4-2700 § 46 Nr. 3; zur unfallversicherungsrechtlichen Literatur: Fischer in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, Stand: 24.05.2016, § 45, Rdnr. 15; Nehls in Hauck/Noftz, SGBVII, Stand 08/2012, § 45, Rdnr. 4 und Schmitt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 45, Rdnr. 6). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist es, ob die Heilbehandlung des Versicherten abgeschlossen ist oder nicht (vgl. Fischer, a.a.O. und § 46, Rdnr. 38; Köllner in LPK-SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 45, Rdnr. 8 sowie Nehls, a.a.O., Rdnr. 6).
29 
3. Gemessen daran sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
30 
Der Kläger hat über den 31.03.2016 hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist auch nicht zur Überzeugung der Kammer (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) erwiesen, dass der Kläger über diesen Zeitpunkt hinaus wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.10.2014 arbeitsunfähig krank war. Hierfür stützt sich das erkennende Gericht auf die wohlbegründeten, kompetenten und widerspruchsfreien Darlegungen der Sachverständigen Prof. Dr. Si. und Dr. St., die im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dres. Gt., M., B. und F., den Heilverfahrens-Bericht von Dr. Gr., das Schreiben des Dr. Sch. vom 11.10.2015 sowie das nach Erlass des Widerspruchsbescheides von der Beklagten eingeholte weitere Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. vom Juni 2016.
31 
a) Wie Dr. F. und Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. - im Ergebnis - übereinstimmend dargelegt haben, sind unfallbedingte Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet, mit Ausnahme einer leichten Bewegungseinschränkung am rechten Handgelenk nach Abriss des TFCC für die Streckung/Beugung um jeweils 10° und die Unterarmdrehung, folgenlos ausgeheilt. Sie bedingen mit Dr. F. seit dem 03.11.2015 keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr. Gegenteiliges macht auch der Kläger nicht geltend.
32 
b) Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sind ebenfalls keine überdauernden Unfallfolgen zu objektivieren, die über den 31.03.2016 hinaus eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit rechtfertigen würden. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Gutachten von Dr. B. , dem Heilverfahrensbericht von Dr. Gr. wie auch dem Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. H. bereits vom 18.03.2015. Bei Zustand nach HWS-Distorsion und Schädel-Gesichts-Prellung - wobei nach den zutreffenden Darlegungen des Prof. Dr. Sp./PD Dr. He., des Dr. M. und des Sachverständigen Prof. Dr. Si. eine HWS-Distorsion angesichts der insoweit blanden Befunde in den zeitnah zum Unfallereignis erstellten Berichten des Dr. F., insbesondere im Durchgangsarztbericht vom 20.10.2014, wie auch im Arztbrief des Dr. L. vom 24.11.2014 nicht erwiesen ist; auch Prof. Dr. Sp./PD Dr. He. halten eine unfallbedingte leichtgradige HWS-Distorsion im Ergebnis nur für möglich - hat Dr. H. objektive Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet ausdrücklich verneint, ebenso eine zervikal-radikuläre Symptomatik. Auch Dr. B. hat aufgrund der von ihm erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen weitere Heilbehandlungsmaßnahmen als nicht erforderlich erachtet und zutreffend eine behandlungsbedürftige bzw. behandelbare psychische Störung verneint. Schließlich rechtfertigt auch die von Dr. Gr. diagnostizierte leichte Anpassungsstörung des Klägers im Sinne einer Restsymptomatik nicht die Annahme unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit über den 31.03.2016 hinaus, wie die Ärztin überzeugend dargelegt hat. Dies gilt auch in Bezug auf den vom Kläger angegebenen Schwankschwindel, ungeachtet dessen, dass die Dres. M., Gt. und B. wie auch die Sachverständigen Prof. Dr. Si. und Dr. St. keinen Anhalt für eine unfallbedingte Schädigung der Vestibularisorgane oder ein klinisch-neurologisches Korrelat objektiveren konnten, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang dieser Gesundheitsstörung mit dem Arbeitsunfall vom 20.01.2014 auch zur Überzeugung der Kammer nicht wahrscheinlich ist. Ursache der Schwindelerscheinungen dürften vielmehr die bildtechnisch von Dr. L. bereits am 24.11.2014 nachgewiesenen erheblichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule sein.
33 
c) Mit Dr. F. und in Übereinstimmung mit der Beklagten geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass im Vordergrund der weiteren Behandlungsbedürftigkeit seit dem 03.11.2015 die Tinnitusproblematik des Klägers stand. Ob der Kläger deswegen über den 31.03.2016 hinaus arbeitsunfähig war, kann vorliegend indes offenbleiben. Denn der Tinnitus einschließlich evtl. psychischer Folgeerscheinungen ist nicht - wie erforderlich - mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 20.10.2014 zurückzuführen. Insoweit schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung den - im Ergebnis - übereinstimmenden Darlegungen der Dres. Gt. und M. und des Sachverständigen Prof. Dr. Si. an. Ungeachtet der Frage, ob ein Tinnitus Folge einer HWS-Distorsion sein kann und vorliegend eine unfallbedingte HWS-Distorsion tatsächlich vorgelegen hat - dagegen sprechen die Berichte des Dr. F. vom 20.10. 28.10. und vom 12.11.2014 wie auch der Entlassungsbericht des Klinikums Mi. vom 05.11.2014 und insbesondere der Arztbrief des Dr. L. vom 24.11.2014 -, spricht gegen die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall vom Oktober 2014 und der Ohrgeräuschproblematik mit Prof. Dr. Si. und Dr. Gt. das beschwerdefreie Intervall von mehreren Tagen - hier: konkret von 24 Tagen - zwischen dem Unfall und dem Beschwerdevorbringen in Form von Ohrgeräuschen und Schwindelerscheinungen gegenüber Dr. F. erstmals bei der Nachuntersuchung am 12.11.2014. Entgegen dem Vorbringen des Klägers gehen Prof. Dr. Si. und Dr. Gt. insoweit auch nicht von unrichtigen Anknüpfungstatsachen aus. Denn gegenüber Dr. Gt. hat der Kläger bei der Untersuchung und Begutachtung am 03.06.2015 ausdrücklich angegeben, er sei unmittelbar nach dem Unfall hinsichtlich des HNO-Bereichs beschwerdefrei gewesen und habe nach dem Unfall für mehr als eine Woche weder Ohrgeräusche noch eine andere Hörstörung/Hörminderung noch Schwindelbeschwerden gehabt; den Tinnitus beidseits habe er vielmehr erst 10 Tage nach dem Unfall erstmals bemerkt. Diese Angaben hat er sowohl gegenüber Dr. B. („Entwicklung eines Ohrgeräusches, zeitliches Fenster nicht genau angegeben, im Verlauf“; „…etwa 3-4 Tage nach dem Unfall aufgetreten.“) und gegenüber Prof. Dr. Si. („... andauerndes hochfrequentes Geräusch auf beiden Ohren“ ...“ sei einige Tage nach dem Unfall neu aufgetreten.“) bestätigt. Auch gegenüber Dr. St. hat der Kläger anamnestisch angegeben, „kurz nach dem Unfall, möglicherweise während der drei Tage als er stationär im Krankenhaus lag, habe er ein Ohrgeräusch auf beiden Ohren festgestellt, genau könne er das gar nicht terminieren“. Sein nunmehr hiervon abweichendes Vorbringen, die Ohrgeräusche hätten bereits unmittelbar nach dem Unfall am 20.10.2014 bestanden, erachtet die Kammer deshalb als nicht glaubhaft, sondern als ziel- und zweckgerichtetes Vorbringen.
34 
Überdies setzt ein traumatischer Tinnitus nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Prof. Dr. Si. voraus, dass gleichzeitig andere unfallbedingte Störungen des Innenohrs (Hörminderung, Schwindel) objektivierbar sind (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Gerichts vom 20.04.2017 - S 1 U 3641/16 -, Rdnr. 35 m.w.N. ). Den isolierten unfallbedingten Tinnitus gibt es nicht. Bei den Untersuchungen durch die HNO-Ärzte Dres. Gt., M. und Prof. Dr. Si. konnten die genannten Ärzte eine Hörminderung, die das altersphysiologische Ausmaß überschreitet, jedoch nicht objektivieren. Vielmehr ergaben die von allen HNO-Ärzten durchgeführten ton- und sprachaudiometrischen Untersuchungen des Hörvermögens keine messbaren Hörverlust (= beidseits jeweils 0%). Auch Hinwiese auf eine Läsion der Vestibularisorgane konnten Dr. M., Dr. Gt. und Prof. Dr. Si. nicht objektivieren. Der Sachverständige Dr. St. hat für die vom Kläger angegebenen Schwindelbeschwerden ein klinisch-neurologisches Korrelat ausdrücklich verneint; denn der Kläger zeigte bei der Untersuchung und Begutachtung ein normales und flüssiges Gangbild. Den Romberg-Stehversuch wie auch die Gangvaria (Zehenspitzen- und Fersenstand) konnte er ohne Hilfestellung und ohne Gleichgewichtsstabilisierung regelrecht ausführen. Selbst die erschwerten Gangproben (Blind- und Seiltänzergang) waren sicher möglich.
35 
d) Eine evtl. traumatisch bedingte psychische Ursache des Tinnitusleidens, wie von Dr. M. angedacht, hat bereits Dr. Sch. in seinem Schreiben an die Beklagte vom 11.10.2015 nicht bestätigt. Dem hat sich Dr. B. in seinem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten ebenso angeschlossen wie Dr. Gr. im Heilverfahrenskontrollbericht vom März 2016. Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. St. bei seiner Untersuchung und Begutachtung des Klägers keine Befunde und/oder Krankheitsäußerungen erhoben, die die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer traumatisch bedingten psychischen Überlagerung und den Tinnitusbeschwerden auch nur nahelegen könnte.
36 
e) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem versicherten Unfallereignis und dem Auftreten von Gesundheitsstörungen nicht ausreicht, die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs im Rechtssinn zu begründen (vgl. BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R -, Rdnr. 20 und - im Ergebnis - BSG vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, Rdnr. 53; ferner Sächs. LSG vom 13.08.2014 - L 6 U 142/11 -, Rdnr. 41 und Bayr. LSG vom 11.11.2014 - L 2 U 398/13 -, Rdnr. 54 - ), und zwar selbst dann nicht, wenn sich eine andere - nicht versicherte - Ursache nicht feststellen lässt.
37 
f) Das zuletzt noch vorgelegte Attest des Dr. van Q. ist nicht geeignet, das Klagebegehren zu stützen. Denn ungeachtet dessen, dass dessen Angaben: „Initial Kopfschmerzen und Schwindel, zudem … seither aufgetretenen … Tinnitus“ allein subjektives Vorbringen des Klägers wiederspiegeln, das zudem sowohl der Aktenlage wie auch den anamnestischen Angaben des Klägers gegenüber den behandelnden und untersuchenden Ärzten widersprechen, ist auch nicht ersichtlich, dass Dr. van Q. den Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall behandelt und - ggf. welche - von den Gutachten der Dres. M., Gt. und B. sowie des Prof. Dr. Si. und des Dr. St. abweichende Befunde erhoben hat.
38 
4. Aus eben diesen Gründen hat es die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide zu Recht abgelehnt, dem Kläger über den 31.03.2016 hinaus Verletztengeld aus Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich damit als rechtmäßig, weshalb das Begehren des Klägers erfolglos bleiben musste.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos
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published on 11/11/2014 00:00

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbe
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Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Versicherte haben nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget nach § 29 des Neunten Buches erbracht; dies gilt im Rahmen des Anspruchs auf Heilbehandlung nur für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig

1.
den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern,
2.
den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
3.
Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen,
4.
ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe zu erbringen,
5.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen.

(3) Die Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen.

(4) Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Sie werden als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.

(5) Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei prüfen sie auch, welche Leistungen geeignet und zumutbar sind, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.

(1) Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte

1.
infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und
2.
unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten.

(2) Verletztengeld wird auch erbracht, wenn

1.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind,
2.
diese Maßnahmen sich aus Gründen, die die Versicherten nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar an die Heilbehandlung anschließen,
3.
die Versicherten ihre bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können oder ihnen eine andere zumutbare Tätigkeit nicht vermittelt werden kann oder sie diese aus wichtigem Grund nicht ausüben können und
4.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind.
Das Verletztengeld wird bis zum Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Zeit bis zum Beginn und während der Durchführung einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung.

(3) Werden in einer Einrichtung Maßnahmen der Heilbehandlung und gleichzeitig Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Versicherte erbracht, erhalten Versicherte Verletztengeld, wenn sie arbeitsunfähig sind oder wegen der Maßnahmen eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind.

(4) Im Fall der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines durch einen Versicherungsfall verletzten Kindes gilt § 45 des Fünften Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass

1.
das Verletztengeld 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts beträgt und
2.
das Arbeitsentgelt bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist.
Erfolgt die Berechnung des Verletztengeldes aus Arbeitseinkommen, beträgt dies 80 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes.

(1) Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert.

(2) Die Satzung kann bestimmen, daß für Unternehmer, ihre Ehegatten oder ihre Lebenspartner und für den Unternehmern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Gleichgestellte Verletztengeld längstens für die Dauer der ersten 13 Wochen nach dem sich aus Absatz 1 ergebenden Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. Satz 1 gilt nicht für Versicherte, die bei einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind.

(3) Das Verletztengeld endet

1.
mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme,
2.
mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht.
Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld
1.
mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, daß die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können,
2.
mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches genannten Leistungen, es sei denn, daß diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen,
3.
im übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.

(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben

1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben,
2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
Für die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt § 53 Absatz 8 Satz 1 entsprechend. Für die nach Nummer 2 und 3 aufgeführten Versicherten bleibt § 53 Abs. 6 unberührt. Geht der Krankenkasse die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 zum Zeitpunkt einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu, wirkt die Wahlerklärung erst zu dem Tag, der auf das Ende dieser Arbeitsunfähigkeit folgt.

(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Versicherte haben nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget nach § 29 des Neunten Buches erbracht; dies gilt im Rahmen des Anspruchs auf Heilbehandlung nur für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.

(2) Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig

1.
den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern,
2.
den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
3.
Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen,
4.
ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe zu erbringen,
5.
Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen.

(3) Die Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen.

(4) Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Sie werden als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.

(5) Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei prüfen sie auch, welche Leistungen geeignet und zumutbar sind, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.

(1) Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte

1.
infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und
2.
unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten.

(2) Verletztengeld wird auch erbracht, wenn

1.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind,
2.
diese Maßnahmen sich aus Gründen, die die Versicherten nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar an die Heilbehandlung anschließen,
3.
die Versicherten ihre bisherige berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können oder ihnen eine andere zumutbare Tätigkeit nicht vermittelt werden kann oder sie diese aus wichtigem Grund nicht ausüben können und
4.
die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind.
Das Verletztengeld wird bis zum Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Zeit bis zum Beginn und während der Durchführung einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung.

(3) Werden in einer Einrichtung Maßnahmen der Heilbehandlung und gleichzeitig Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Versicherte erbracht, erhalten Versicherte Verletztengeld, wenn sie arbeitsunfähig sind oder wegen der Maßnahmen eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind.

(4) Im Fall der Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines durch einen Versicherungsfall verletzten Kindes gilt § 45 des Fünften Buches entsprechend mit der Maßgabe, dass

1.
das Verletztengeld 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts beträgt und
2.
das Arbeitsentgelt bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen ist.
Erfolgt die Berechnung des Verletztengeldes aus Arbeitseinkommen, beträgt dies 80 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens bis zu einem Betrag in Höhe des 450. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes.

(1) Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert.

(2) Die Satzung kann bestimmen, daß für Unternehmer, ihre Ehegatten oder ihre Lebenspartner und für den Unternehmern nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Gleichgestellte Verletztengeld längstens für die Dauer der ersten 13 Wochen nach dem sich aus Absatz 1 ergebenden Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. Satz 1 gilt nicht für Versicherte, die bei einer Krankenkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind.

(3) Das Verletztengeld endet

1.
mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme,
2.
mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht.
Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld
1.
mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, daß die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können,
2.
mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches genannten Leistungen, es sei denn, daß diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen,
3.
im übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.

(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben

1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben,
2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
Für die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt § 53 Absatz 8 Satz 1 entsprechend. Für die nach Nummer 2 und 3 aufgeführten Versicherten bleibt § 53 Abs. 6 unberührt. Geht der Krankenkasse die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 zum Zeitpunkt einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu, wirkt die Wahlerklärung erst zu dem Tag, der auf das Ende dieser Arbeitsunfähigkeit folgt.

(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.