Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 26. März 2015 - S 1 U 1602/14

bei uns veröffentlicht am26.03.2015

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 04.07.2012.
Der 1964 geborene Kläger, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, stürzte am 04.07.2012 bei seiner Tätigkeit als Betonbauer von einem Regalbediengerät aus etwa 4 Meter Höhe und fiel auf den Rücken. Dabei zog er sich eine Beckenringfraktur links, eine LWK-II-Fraktur sowie eine Dünndarmperforation mit nachfolgend beginnender Entzündung des Bauchfells zu. Er befand sich ab dem Unfalltag bis zum 08.08.2012 zunächst in stationärer Behandlung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. (Klinik). Dort erfolgte noch am Unfalltag eine Laparatomie mit Dünndarmübernähung sowie am 07.07.2012 eine Relaparatomie mit Lavage. Am 12.07.2012 erfolgte die Versorgung der Beckenringfraktur mittels perkutaner Lochschraubenosteosynthese und Kriechschraube Os pubis von der Symphyse her (vgl. Verlegungsbericht der Klinik vom 07.08.2012). Vom 08.08. bis zum 21.09.2012 befand sich der Kläger in frühstationärer Weiterbehandlung in der Orthopädischen Fachklinik N.. Bei einer im Verlauf durchgeführten neurologischen Konsiliaruntersuchung wegen angegebener Sensibilitätsstörungen an der linken Hand und dem linken Fuß diagnostizierte die Neurologin Dr. St. ein Sulcus-ulnaris-Syndrom links und eine inkomplette Nervus peronaeus-Läsion links (vgl. Befundbericht vom 06.09.2012). Nach weiteren tätigkeitsbezogenen stationären Rehabilitationsverfahren in der Klinik vom 15.01. bis zum 07.02.2013 und erneut vom 12.03. bis zum 23.04.2013 nahm der Kläger in der Zeit vom 29.04.2013 bis zum 15.09.2013 an einer Arbeits- und Belastungserprobung im Arbeitgeberbetrieb teil.
Zur Feststellung von Art und Ausmaß seiner Unfallfolgen ließ die Beklagte den Kläger durch den Chirurgen Dr. H. untersuchen und begutachten. Dr. H. diagnostizierte als Unfallfolgen eine ausgedehnte Narbenbildung im Becken- und Abdominalbereich, eine Bauchwandschwäche rechts sowie eine eingeschränkte Belastbarkeit von Becken und Lendenwirbelsäule nach Fraktur des 2. Lendenwirbelkörpers und Transfixation des hinteren linken Beckengürtels. Unfallunabhängig leide der Kläger an einer Osteochondrose und Spondylose der Lendenwirbelsäule. Die unfallbedingte MdE bewertete er ab dem Zeitpunkt seiner Untersuchung und Begutachtung (12.07.2013) und unter der Annahme bereits bestehender Arbeitsfähigkeit mit 20 v. H. Gestützt auf das Ermittlungsergebnis anerkannte die Beklagte als Folge des Arbeitsunfalls:
„Nach Bruch der linken Beckenhälfte mit Beteiligung des Kreuzbeins und des vorderen Beckenrings links, Deckplattenimpressionsbruch des 2. Lendenwirbelkörpers sowie Durchbohrung des Dünndarms mit nachfolgender Bauchinfektion eingeschränkte Belastbarkeit von Becken und Lendenwirbelsäule, Bauchwandschwäche rechts, ausgedehnte reizlose Narbenbildung am Becken- und Bauchbereich, reizlos einliegendes Osteosynthesematerial im Bereich des linken Schambeins, des Beckens und des Kreuzbeins.“
Keine Folgen des Arbeitsunfalls seien krankhafte Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Brustwirbelsäule. Wegen der Unfallfolgen gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 16.09.2013 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v. H. der Vollrente (Bescheid vom 10.10.2013).
Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs verwies der Kläger auf weitere Arbeitsunfälle in den Jahren 1998, 2000 und 2005. Hieraus resultierten jeweils verbleibende Schäden, die das Ausmaß der unfallbedingten MdE erhöhten. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 09.04.2014).
Deswegen hat der Kläger am 09.05.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er leide unfallbedingt neben einer ausgedehnten Narbenbildung im Becken- und Abdominalbereich an einer Bauchwandschwäche rechts sowie einer eingeschränkten Belastbarkeit des Beckens und der Lendenwirbelsäule. Seine frühere Tätigkeit habe er bislang nicht wieder vollschichtig aufnehmen können. Die ihm von seinem Arbeitgeber zugewiesene deutlich leichtere Tätigkeit könne er ebenfalls nur mit zusätzlichen Pausen und unter Einnahme von Schmerzmitteln bewältigen. Das Ergebnis des Gutachtens des Dr. H., insbesondere dessen Einschätzung der unfallbedingten MdE, sei nicht nachvollziehbar. Zu Unrecht gehe die Beklagte darüber hinaus von einer folgenlosen Ausheilung des Bruchs des 2. Lendenwirbelkörpers aus. Auch deren Annahme, die Bauchwandschwäche bedinge keine unfallbedingte MdE, sei rechtsfehlerhaft. Gleiches gelte für die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, die Funktionseinschränkungen früherer Arbeitsunfälle seien im Rahmen der Einschätzung der MdE aufgrund des Arbeitsunfalls vom Juli 2012 nicht entscheidungserheblich.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Auskünfte des Chirurgen Dr. G. und des ärztlichen Direktors der Klinik, Prof. Dr. Gr., als sachverständige Zeugen:
Dr. G. hat bekundet, er habe bei seinen Untersuchungen im November 2013 und Juni 2014 jeweils eine klinisch gute Entfaltung der Lendenwirbelsäule bei Achsengradstand erhoben. Durchblutung, Motorik und Sensibilität seien intakt gewesen. Radiologisch zeigten sich ein regelrechter innerer und äußerer Beckenring sowie eine knöchern konsolidierte LWK-II- Vorderkantenfraktur. Das Ausmaß der MdE sei in einem Gutachten festzustellen.
10 
Prof. Dr. Gr. hat die von ihm im Verlauf der stationären Behandlungen in der Klinik erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen mitgeteilt. Die Nervus peronaeus-Läsion links habe sich zurückgebildet. Unfallunabhängig leide der Kläger unter anderem an degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren Wirbelsäule mit Verschmälerung des Bandscheibenraums L5/S1. Diese Gesundheitsstörungen hätten keinen Einfluss auf das Unfallereignis, seien jedoch teilweise mitverantwortlich für die vom Kläger angegebenen persistierenden Wirbelsäulenbeschwerden. Die Teil-MdE für die komplette Beckenverletzung mit Beckenringfraktur und geringfügiger Verschiebung des Kreuzbeins links bewerte er mit 15 v. H., die Teil-MdE für die Dünndarmperforation mit nachfolgender Bauchwandschwäche mit 10 v. H. Die Vorderkantenabsprengung des 2. Lendenwirbelkörpers bedinge keine messbare MdE. Die Gesamt-MdE bewerte er mit 20 v. H.
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Sodann hat im Auftrag der Kammer auf Antrag und im Kostenrisiko des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Orthopäde Dr. W. ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet. Dr. W. hat als Gesundheitsstörungen eine Minderbelastbarkeit des Beckens und der Lendenwirbelsäule bei in leichter Fehlstellung ausgeheilter, osteosynthetisch versorgter Beckenringfraktur links Typ C1 nach A0 und konservativ behandelter LWK-II-Fraktur sowie eine Bauchwandschwäche rechts nach Dünndarmteilresektion infolge traumatischer Dünndarmperforation mit beginnender Unterbauchperitonitis diagnostiziert. Unfallunabhängig leide der Kläger an einer Osteochondrose im Segment L5/S1. Aufgrund der Minderbelastbarkeit des Beckens bei in leichter Fehlstellung ausgeheilter Beckenringfraktur bewerte er die unfallbedingte Teil-MdE hierfür mit 20 v. H. Die Verletzung des 2. Lendenwirbelkörpers sei mit 10 v. H. zu bemessen, weil die Vorderkante noch ventral versetzt sei und noch keine knöcherne Konsolidierung des abgesprengten ventralen Knochenfragments eingetreten sei. Außerdem sei eine Schädigung der Bandscheibe L1/2 infolge der Wirbelkörperfraktur anzunehmen. Die Bauchwandschwäche rechts nach Dünndarmteilresektion bewerte er ebenfalls mit einer Teil-MdE um 10 v. H. und die unfallbedingte Gesamt-MdE mit 40 v. H.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
den Bescheid vom 10. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. April 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04. Juli 2012 ab dem 16. September 2013 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v. H. der Vollrente zu gewähren.
14 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
16 
Unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. S.-F. erachtet er die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
17 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 4 und § 56 SGG) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v. H.
19 
1. Nach § 26 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls, unter anderem eines Arbeitsunfalls (§ 7 Abs. 1 SGB VII), Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung unter anderem in Form von Verletztenrente (§ 56 SGB VII). Die Gewährung von Verletztenrente setzt nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus bzw. an dem Tag, der auf denjenigen folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), um wenigsten 20 v. H. gemindert ist.
20 
Die MdE richtet sich im Unfallversicherungsrecht nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. dem sogenannten allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 sowie Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2014, § 56 SGB VII, R. 16). Damit kommt es auf den bisherigen Beruf oder die bisher berufliche Tätigkeit - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII) abgesehen - nicht an (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2 und Breithaupt 2010, 31 bis 37). Bei der Festsetzung der unfallbedingten MdE sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Interesse der Gleichbehandlung aller Versicherter die im unfallrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Regel- oder Normalsätze als Anhaltspunkte unter Einbeziehung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beachten (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 15, 22, 23, 27 und 28 sowie vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R- ). Die MdE-Bewertung enthält weder ein Ermessen noch eine exakte Berechnung, sondern eine nur zu Annäherungswerten kommende Schätzung im Sinne einer Tatsachenfeststellung (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Zur Mitwirkung ist regelmäßig ein fachkundiger Arzt berufen. Da aber die Höhe der MdE letztlich eine Rechtsfrage betrifft, sind die Gerichte und die Unfallversicherungsträger nicht an seine Schätzung gebunden (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 und SozR 3-2200 § 581 Nr. 8); vielmehr haben sie die MdE aus der aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens gewonnenen Überzeugung in eigener Verantwortung zu prüfen und ggf. zu korrigieren (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2, vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - und vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - ).
21 
2. Orientiert an diesen Rechtsgrundlagen und Bemessungsgrundsätzen sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden und steht dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v. H. der Vollrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.07.2012 nicht zu. Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf die glaubhaften Bekundungen des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. Gr., das Gutachten des Dr. H. sowie die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. S.-F., die die Kammer im Wege des Urkundenbeweises verwertet.
22 
a) Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass die unfallbedingte MdE sich vorliegend ausschließlich an den verbliebenen Funktionseinschränkungen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 04.07.2012 orientiert. Hat - wie hier - ein Versicherter mehrere Arbeitsunfälle erlitten, ist wegen der Folgen dieser Arbeitsunfälle keine Gesamt-MdE zu bilden, vielmehr ist die MdE für jeden Arbeitsunfall gesondert festzustellen (vgl. BSG vom 24.06.1966 - 2 RU 53/62 -; vom 14.11.1984 - 9b RU 58/83 - und vom 19.08.2003 - B 2 U 50/02 R - , ferner BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 sowie Kunze in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 56, Rn. 12 und Ricke, a.a.O., Rn. 24). Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut von § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII, denen zufolge bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle um wenigstens 20 v. H. für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente besteht.
23 
b) Weiter ist darauf hinzuweisen, dass gem. § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall der Versicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen soll, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Eine solche vorläufige Festsetzung hat die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide vorgenommen. Da seit dem Unfallereignis bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht noch keine drei Jahre verstrichen sind, erwächst die vorläufige Entschädigung auch nicht kraft Gesetzes (§ 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) in eine Rente auf unbestimmte Zeit. Mithin kann auch das erkennende Gericht allein die Höhe der unfallbedingten MdE mit der von der Beklagten gewährten vorläufigen Entschädigung überprüfen.
24 
c) Als Folge des streitgegenständlichen Arbeitsunfalls vom 04.07.2012 leidet der Kläger im Anschluss an Prof. Dr. Gr. und Dr. H. an einer knöchern durchbauten Beckenringfraktur mit geringfügiger Verschiebung des Kreuzbeins links ohne Erweiterung der Iliosakralfuge bei fest einsitzendem Osteosynthesematerial, einer Vorderkantenabsprengung des 2. Lendenwirbelkörpers mit geringfügigem Versatz eines abgesprengten Vorderkantenanteils und an einer Bauchwandschwäche rechts. Die darüber hinaus nachgewiesene Osteochondrose und Spondylose der Lendenwirbelsäule des Klägers insbesondere im Segment L5/S1 ist demgegenüber degenerativ, und damit unfallunabhängig, entstanden. Dies haben Dr. H. und der Sachverständige Dr. W. übereinstimmend und zutreffend dargelegt. Eine von der Neurologin Dr. St. im August 2012 diagnostizierte - inkomplette - Läsion des Nervus peronaeus links hat sich nach den glaubhaften Bekundungen des Prof. Dr. Gr. zwischenzeitlich zurückgebildet. Über Missempfindungen im Bereich der linken Hand hat er überdies weder gegenüber Dr. H. noch dem Sachverständigen Dr. W. geklagt.
25 
aa) Die Folgen der Beckenringfraktur rechtfertigen für sich eine unfallbedingte Teil-MdE um 15 v. H., wie Prof. Dr. Gr. und der Beratungsarzt Dr. S.-F. übereinstimmend und zutreffend (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 579) ausgeführt haben. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Fraktur nach den von Dr. H. durchgeführten Röntgenuntersuchungen knöchern durchbaut ist ohne Erweiterung der Iliosakralfuge. Das Becken selbst ist geschlossen bei nur geringgradigem Hochstand des linken Kreuzbeins im Vergleich zu rechts. Diese Befunde hat auch der Sachverständige Dr. W. aufgrund der von ihm erneut durchgeführten Röntgenaufnahmen des Beckens bestätigt. Allerdings darf die MdE für Beckenknochenfrakturen nicht allein aufgrund des Röntgenbefundes bemessen werden. Vielmehr stehen im Vordergrund die Folgen der Verletzung für die Statik und Dynamik der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaßen im Sinne von Beeinträchtigung der Wirbelsäule, Instabilität der Wirbelsäule und/oder Leistungsminderung der unteren Gliedmaßen (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, a.a.O., Seite 578). Bei der Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch Dr. H. gab der Kläger keinen Beckenkompressionsschmerz an. Die Funktion der Rumpfwirbelsäule war klinisch nicht messbar eingeschränkt, nachdem der Kläger die Rumpfbeuge nach vorn bis zu einem Finger-Boden-Abstand von 10 cm ausüben konnte. Dabei entfaltete sich die Brustwirbelsäule mit einem Ott´schen Zeichen von 30/33 cm und die Lendenwirbelsäule mit einem Schober’schen Zeichen von 10/15 cm jeweils regelrecht. Auch die Drehung und Neigung der Brust- und Lendenwirbelsäule konnte der Kläger bis beidseits 40-0-40 Grad innerhalb des Normbereichs ausführen. Anhaltspunkte für eine Bewegungseinschränkung der Hüft-, Knie- und Fußgelenke hat Dr. H. nicht objektiviert. Dies entspricht auch den von Dr. W. erhobenen Befunden und Krankheitsäußerungen: So konnte der Kläger das Gangbild zu ebener Erde hinkfrei und uneingeschränkt ausführen. Auch der Zehen- und Hackenstand sowie der Einbeinstand war beidseits uneingeschränkt möglich. Lediglich beim In-die-Hocke-gehen gab der Kläger linksseitige Beckenschmerzen an. Die Brust- und Lendenwirbelsäule hat Dr. W. als „lotgerecht aufgebaut“ bezeichnet und die von Dr. H. beschriebenen Funktionsausmaße bestätigt. Anhaltspunkte für Nervendehnungszeichen hat Dr. W. ebenfalls verneint. Auch einen Beckenkompressions- und Beckenstauchungsschmerz konnte er nicht auslösen. Anhaltspunkte für eine wesentliche Seitendifferenz des Kraftaufwands beider Beine hat er nicht objektiviert, ebenso keine relevante Muskelumfangsdifferenz an den Beinen. Der von ihm erhobene neurologische Untersuchungsbefund war unauffällig ohne Hinweise auf ein peripher sensomotorisches Defizit. Wenn deshalb Prof. Dr. Gr. und Dr. S.-F. die Teil-MdE für diesen Funktionenkomplex mit 15 v. H. bewerten, ist dies auch für das erkennende Gericht nachvollziehbar und überzeugend. Die insoweit abweichende Einschätzung der unfallbedingten Teil-MdE durch Dr. W. überzeugt demgegenüber nicht. Denn eine MdE um 20 v. H. der Vollrente setzte eine instabile Beckenringfraktur mit Schoßfugenerweiterung von mehr als 15 mm oder eine zusätzliche Arthrose in den Kreuz-Darmbein-Gelenken, eine einseitige Verschiebung der Beckenhälfte über 10 mm oder eine beidseitige Verschiebung jeweils über 10 mm voraus (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.). Entsprechende Befunde hat indes auch Dr. W. nicht objektiviert. Mit einer Teil-MdE um 15 v. H. berücksichtigt die Beklagte in ausreichendem Ausmaß auch die eingeschränkte Belastbarkeit des Beckens.
26 
bb) Die Folgen der Dünndarmperforation mit nachfolgender Bauchwandschwäche bewertet auch das erkennende Gericht, ebenfalls in Übereinstimmung mit dem sachverständigen Zeugen Prof. Dr. Gr. und dem Beratungsarzt Dr. S.-F., mit 10 v. H. Als Restfolge der Dünndarmperforation mit nachfolgender beginnender Bauchfellentzündung besteht eine rechts vermehrt ausladende Vorwölbung der im Übrigen geschlossenen Bauchdecke. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Ernährung oder der Verdauung des Klägers sind weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ersichtlich. Entgegen der Annahme des Sachverständigen Dr. W. erfolgte im Übrigen während des stationären Aufenthalts des Klägers in der Klinik im Juli 2012 keine Resektion von Darmanteilen, sondern (nur) eine Dünndarmübernähung und Relaparatomie mit Lavage drei Tage später, wie sich aus dem Verlegungsbericht der Klinik vom 07.08.2012 ergibt. Weiter findet sich im Bereich der Bauchdecke eine ausgedehnte Mittelschnittnarbe von 34 cm Länge mit Linksumschneidung des Bauchnabels. Diese Narbe ist zwar mit Dr. H. teilweise verbreitert und etwas wulstig verändert, jedoch reizlos und ohne Anhalt für eine Narbenhernie. Diese Befunde hatten bereits die Ärzte der Klinik im Abschlussbericht vom 30.04.2013 bestätigt. Die Teil-MdE um 10 v. H. entspricht auch unfallmedizinischen und unfallrechtlichen Bewertungsgrundsätzen (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, a.a.O., Seite 927 f).
27 
cc) Die Folgen der LWK-II-Fraktur bedingt eine Teil-MdE von weniger als 10 v. H. Auch insoweit folgt die Kammer der Einschätzung von Prof. Dr. Gr. und Dr. S.-F.. Nach dem von Dr. H. erhobenen röntgenologischen Befund zeigt sich im Segment L2 ein Kantenabbruch mit geringfügigem Versatz eines wohl abgesprengten Vorderkantenanteils. Eine wesentliche Keilwirbelform oder sonstige knöcherne Veränderungen der Wirbelkörper der Lendenwirbelsäule hat Dr. H. nicht bestätigt. Eine relevante Keilwirbeldeformität insbesondere im Segment L2 hat auch Dr. W. bei seiner Nachbefundung der Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule vom Januar und März 2013 verneint. Anhaltspunkte für einen statisch wirksamen Achsenknick aufgrund des Wirbelkörperbruchs enthalten die zahlreichen aktenkundigen medizinischen Unterlagen wie insbesondere auch das Gutachten von Dr. W. nicht. Denn der Sachverständige selbst hat die Wirbelsäule als lotrecht aufgebaut bezeichnet und ein in der Seitenansicht physiologisches Profil bestätigt. Auch die von ihm erhobenen Funktionsausmaße im Bereich der Lendenwirbelsäule (Finger-Boden-Abstand 7 cm, Schober`sches Zeichen 10/15 cm, negatives Lasègue`sches Nervendehnungszeichen beidseits) widerlegen stärkergradige Auswirkungen des Wirbelkörperbruchs. Mithin handelt es sich um einen isolierten Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung, die nach unfallrechtlichen und unfallmedizinischen Bewertungskriterien (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, a.a.O., Seite 442) eine MdE von weniger als 10 v. H. bedingt. Auch der Umstand, dass im abgesprengten ventralen Knochenfragment nach LWK-II-Fraktur noch keine knöcherne Konsolidierung eingetreten ist, rechtfertigt nicht die Annahme einer unfallbedingten Teil-MdE von 10 v. H.
28 
d) Die unfallbedingte Gesamt-MdE bewertet auch das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit der Beklagten sowie den Ärzten Dr. H., Prof. Dr. Gr. und Dr. S.-F., mit 20 v. H. Maßgebend hierfür ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Dabei ist in einem ersten Schritt von den Funktionsstörungen mit der höchsten Einzel-MdE auszugehen und sodann zu prüfen, ob weitere Funktionsstörungen das Ausmaß der Einschränkungen vergrößern (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, a.a.O., Seite 103). Gemessen daran erachtet es das erkennende Gericht für sachgerecht, aber auch ausreichend, die unfallbedingte Teil-MdE für die verbliebenen Folgen der Beckenringfraktur aufgrund der Auswirkungen der Bauchwandschwäche um 5 Prozentpunkte auf insgesamt 20 v. H. anzuheben.
29 
e) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die Einschätzung der unfallbedingten MdE durch den Sachverständigen Dr. W.. Denn ungeachtet dessen, dass bereits dessen Bewertung der Teil-MdE-Sätze nur in Bezug auf die Restfolgen der Bauchwandschwäche überzeugt, ergibt sich die von ihm angenommene MdE von 40 v. H. allein aus einer - unzulässigen - Addition mehrerer Teil-MdE-Werte. Dr. W. berücksichtigt damit nicht die Kriterien zur Bildung einer unfallbedingten Gesamt-MdE. Der vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung angeregten Einholung eines „Obergutachtens“ bedurfte es nicht, weil die von Dr. H. und Dr. W. erhobenen Befunde im Wesentlichen übereinstimmen.Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung des Gerichts (§ 128 SGG). Eine Verpflichtung zur Einholung eines „Obergutachtens“ besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtensergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128 Rn. 7d und 7e m.w.N.). Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (vgl. BSG SozR 4-1500 § 160a, Nr. 21, Rn. 21, und BSG vom 01.04.2014 - B 9 V 54/13 B -, Rn. 10 ; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 3g).
30 
3. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Absätze 1 und 4 SGG.

Gründe

 
18 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 4 und § 56 SGG) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v. H.
19 
1. Nach § 26 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) haben Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls, unter anderem eines Arbeitsunfalls (§ 7 Abs. 1 SGB VII), Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung unter anderem in Form von Verletztenrente (§ 56 SGB VII). Die Gewährung von Verletztenrente setzt nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus bzw. an dem Tag, der auf denjenigen folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), um wenigsten 20 v. H. gemindert ist.
20 
Die MdE richtet sich im Unfallversicherungsrecht nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. dem sogenannten allgemeinen Arbeitsmarkt (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 sowie Ricke in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2014, § 56 SGB VII, R. 16). Damit kommt es auf den bisherigen Beruf oder die bisher berufliche Tätigkeit - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII) abgesehen - nicht an (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2 und Breithaupt 2010, 31 bis 37). Bei der Festsetzung der unfallbedingten MdE sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Interesse der Gleichbehandlung aller Versicherter die im unfallrechtlichen und unfallmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Regel- oder Normalsätze als Anhaltspunkte unter Einbeziehung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beachten (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 15, 22, 23, 27 und 28 sowie vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R- ). Die MdE-Bewertung enthält weder ein Ermessen noch eine exakte Berechnung, sondern eine nur zu Annäherungswerten kommende Schätzung im Sinne einer Tatsachenfeststellung (vgl. BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Zur Mitwirkung ist regelmäßig ein fachkundiger Arzt berufen. Da aber die Höhe der MdE letztlich eine Rechtsfrage betrifft, sind die Gerichte und die Unfallversicherungsträger nicht an seine Schätzung gebunden (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 und SozR 3-2200 § 581 Nr. 8); vielmehr haben sie die MdE aus der aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens gewonnenen Überzeugung in eigener Verantwortung zu prüfen und ggf. zu korrigieren (vgl. BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2, vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - und vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - ).
21 
2. Orientiert an diesen Rechtsgrundlagen und Bemessungsgrundsätzen sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden und steht dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer höheren MdE als 20 v. H. der Vollrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.07.2012 nicht zu. Für diese Überzeugung stützt sich die Kammer auf die glaubhaften Bekundungen des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. Gr., das Gutachten des Dr. H. sowie die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. S.-F., die die Kammer im Wege des Urkundenbeweises verwertet.
22 
a) Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass die unfallbedingte MdE sich vorliegend ausschließlich an den verbliebenen Funktionseinschränkungen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 04.07.2012 orientiert. Hat - wie hier - ein Versicherter mehrere Arbeitsunfälle erlitten, ist wegen der Folgen dieser Arbeitsunfälle keine Gesamt-MdE zu bilden, vielmehr ist die MdE für jeden Arbeitsunfall gesondert festzustellen (vgl. BSG vom 24.06.1966 - 2 RU 53/62 -; vom 14.11.1984 - 9b RU 58/83 - und vom 19.08.2003 - B 2 U 50/02 R - , ferner BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 sowie Kunze in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII, 4. Aufl. 2014, § 56, Rn. 12 und Ricke, a.a.O., Rn. 24). Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut von § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII, denen zufolge bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle um wenigstens 20 v. H. für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente besteht.
23 
b) Weiter ist darauf hinzuweisen, dass gem. § 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall der Versicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen soll, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Eine solche vorläufige Festsetzung hat die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide vorgenommen. Da seit dem Unfallereignis bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht noch keine drei Jahre verstrichen sind, erwächst die vorläufige Entschädigung auch nicht kraft Gesetzes (§ 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) in eine Rente auf unbestimmte Zeit. Mithin kann auch das erkennende Gericht allein die Höhe der unfallbedingten MdE mit der von der Beklagten gewährten vorläufigen Entschädigung überprüfen.
24 
c) Als Folge des streitgegenständlichen Arbeitsunfalls vom 04.07.2012 leidet der Kläger im Anschluss an Prof. Dr. Gr. und Dr. H. an einer knöchern durchbauten Beckenringfraktur mit geringfügiger Verschiebung des Kreuzbeins links ohne Erweiterung der Iliosakralfuge bei fest einsitzendem Osteosynthesematerial, einer Vorderkantenabsprengung des 2. Lendenwirbelkörpers mit geringfügigem Versatz eines abgesprengten Vorderkantenanteils und an einer Bauchwandschwäche rechts. Die darüber hinaus nachgewiesene Osteochondrose und Spondylose der Lendenwirbelsäule des Klägers insbesondere im Segment L5/S1 ist demgegenüber degenerativ, und damit unfallunabhängig, entstanden. Dies haben Dr. H. und der Sachverständige Dr. W. übereinstimmend und zutreffend dargelegt. Eine von der Neurologin Dr. St. im August 2012 diagnostizierte - inkomplette - Läsion des Nervus peronaeus links hat sich nach den glaubhaften Bekundungen des Prof. Dr. Gr. zwischenzeitlich zurückgebildet. Über Missempfindungen im Bereich der linken Hand hat er überdies weder gegenüber Dr. H. noch dem Sachverständigen Dr. W. geklagt.
25 
aa) Die Folgen der Beckenringfraktur rechtfertigen für sich eine unfallbedingte Teil-MdE um 15 v. H., wie Prof. Dr. Gr. und der Beratungsarzt Dr. S.-F. übereinstimmend und zutreffend (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 579) ausgeführt haben. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Fraktur nach den von Dr. H. durchgeführten Röntgenuntersuchungen knöchern durchbaut ist ohne Erweiterung der Iliosakralfuge. Das Becken selbst ist geschlossen bei nur geringgradigem Hochstand des linken Kreuzbeins im Vergleich zu rechts. Diese Befunde hat auch der Sachverständige Dr. W. aufgrund der von ihm erneut durchgeführten Röntgenaufnahmen des Beckens bestätigt. Allerdings darf die MdE für Beckenknochenfrakturen nicht allein aufgrund des Röntgenbefundes bemessen werden. Vielmehr stehen im Vordergrund die Folgen der Verletzung für die Statik und Dynamik der Wirbelsäule und der unteren Gliedmaßen im Sinne von Beeinträchtigung der Wirbelsäule, Instabilität der Wirbelsäule und/oder Leistungsminderung der unteren Gliedmaßen (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, a.a.O., Seite 578). Bei der Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch Dr. H. gab der Kläger keinen Beckenkompressionsschmerz an. Die Funktion der Rumpfwirbelsäule war klinisch nicht messbar eingeschränkt, nachdem der Kläger die Rumpfbeuge nach vorn bis zu einem Finger-Boden-Abstand von 10 cm ausüben konnte. Dabei entfaltete sich die Brustwirbelsäule mit einem Ott´schen Zeichen von 30/33 cm und die Lendenwirbelsäule mit einem Schober’schen Zeichen von 10/15 cm jeweils regelrecht. Auch die Drehung und Neigung der Brust- und Lendenwirbelsäule konnte der Kläger bis beidseits 40-0-40 Grad innerhalb des Normbereichs ausführen. Anhaltspunkte für eine Bewegungseinschränkung der Hüft-, Knie- und Fußgelenke hat Dr. H. nicht objektiviert. Dies entspricht auch den von Dr. W. erhobenen Befunden und Krankheitsäußerungen: So konnte der Kläger das Gangbild zu ebener Erde hinkfrei und uneingeschränkt ausführen. Auch der Zehen- und Hackenstand sowie der Einbeinstand war beidseits uneingeschränkt möglich. Lediglich beim In-die-Hocke-gehen gab der Kläger linksseitige Beckenschmerzen an. Die Brust- und Lendenwirbelsäule hat Dr. W. als „lotgerecht aufgebaut“ bezeichnet und die von Dr. H. beschriebenen Funktionsausmaße bestätigt. Anhaltspunkte für Nervendehnungszeichen hat Dr. W. ebenfalls verneint. Auch einen Beckenkompressions- und Beckenstauchungsschmerz konnte er nicht auslösen. Anhaltspunkte für eine wesentliche Seitendifferenz des Kraftaufwands beider Beine hat er nicht objektiviert, ebenso keine relevante Muskelumfangsdifferenz an den Beinen. Der von ihm erhobene neurologische Untersuchungsbefund war unauffällig ohne Hinweise auf ein peripher sensomotorisches Defizit. Wenn deshalb Prof. Dr. Gr. und Dr. S.-F. die Teil-MdE für diesen Funktionenkomplex mit 15 v. H. bewerten, ist dies auch für das erkennende Gericht nachvollziehbar und überzeugend. Die insoweit abweichende Einschätzung der unfallbedingten Teil-MdE durch Dr. W. überzeugt demgegenüber nicht. Denn eine MdE um 20 v. H. der Vollrente setzte eine instabile Beckenringfraktur mit Schoßfugenerweiterung von mehr als 15 mm oder eine zusätzliche Arthrose in den Kreuz-Darmbein-Gelenken, eine einseitige Verschiebung der Beckenhälfte über 10 mm oder eine beidseitige Verschiebung jeweils über 10 mm voraus (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.). Entsprechende Befunde hat indes auch Dr. W. nicht objektiviert. Mit einer Teil-MdE um 15 v. H. berücksichtigt die Beklagte in ausreichendem Ausmaß auch die eingeschränkte Belastbarkeit des Beckens.
26 
bb) Die Folgen der Dünndarmperforation mit nachfolgender Bauchwandschwäche bewertet auch das erkennende Gericht, ebenfalls in Übereinstimmung mit dem sachverständigen Zeugen Prof. Dr. Gr. und dem Beratungsarzt Dr. S.-F., mit 10 v. H. Als Restfolge der Dünndarmperforation mit nachfolgender beginnender Bauchfellentzündung besteht eine rechts vermehrt ausladende Vorwölbung der im Übrigen geschlossenen Bauchdecke. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Ernährung oder der Verdauung des Klägers sind weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ersichtlich. Entgegen der Annahme des Sachverständigen Dr. W. erfolgte im Übrigen während des stationären Aufenthalts des Klägers in der Klinik im Juli 2012 keine Resektion von Darmanteilen, sondern (nur) eine Dünndarmübernähung und Relaparatomie mit Lavage drei Tage später, wie sich aus dem Verlegungsbericht der Klinik vom 07.08.2012 ergibt. Weiter findet sich im Bereich der Bauchdecke eine ausgedehnte Mittelschnittnarbe von 34 cm Länge mit Linksumschneidung des Bauchnabels. Diese Narbe ist zwar mit Dr. H. teilweise verbreitert und etwas wulstig verändert, jedoch reizlos und ohne Anhalt für eine Narbenhernie. Diese Befunde hatten bereits die Ärzte der Klinik im Abschlussbericht vom 30.04.2013 bestätigt. Die Teil-MdE um 10 v. H. entspricht auch unfallmedizinischen und unfallrechtlichen Bewertungsgrundsätzen (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, a.a.O., Seite 927 f).
27 
cc) Die Folgen der LWK-II-Fraktur bedingt eine Teil-MdE von weniger als 10 v. H. Auch insoweit folgt die Kammer der Einschätzung von Prof. Dr. Gr. und Dr. S.-F.. Nach dem von Dr. H. erhobenen röntgenologischen Befund zeigt sich im Segment L2 ein Kantenabbruch mit geringfügigem Versatz eines wohl abgesprengten Vorderkantenanteils. Eine wesentliche Keilwirbelform oder sonstige knöcherne Veränderungen der Wirbelkörper der Lendenwirbelsäule hat Dr. H. nicht bestätigt. Eine relevante Keilwirbeldeformität insbesondere im Segment L2 hat auch Dr. W. bei seiner Nachbefundung der Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule vom Januar und März 2013 verneint. Anhaltspunkte für einen statisch wirksamen Achsenknick aufgrund des Wirbelkörperbruchs enthalten die zahlreichen aktenkundigen medizinischen Unterlagen wie insbesondere auch das Gutachten von Dr. W. nicht. Denn der Sachverständige selbst hat die Wirbelsäule als lotrecht aufgebaut bezeichnet und ein in der Seitenansicht physiologisches Profil bestätigt. Auch die von ihm erhobenen Funktionsausmaße im Bereich der Lendenwirbelsäule (Finger-Boden-Abstand 7 cm, Schober`sches Zeichen 10/15 cm, negatives Lasègue`sches Nervendehnungszeichen beidseits) widerlegen stärkergradige Auswirkungen des Wirbelkörperbruchs. Mithin handelt es sich um einen isolierten Wirbelkörperbruch ohne Bandscheibenbeteiligung, die nach unfallrechtlichen und unfallmedizinischen Bewertungskriterien (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, a.a.O., Seite 442) eine MdE von weniger als 10 v. H. bedingt. Auch der Umstand, dass im abgesprengten ventralen Knochenfragment nach LWK-II-Fraktur noch keine knöcherne Konsolidierung eingetreten ist, rechtfertigt nicht die Annahme einer unfallbedingten Teil-MdE von 10 v. H.
28 
d) Die unfallbedingte Gesamt-MdE bewertet auch das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit der Beklagten sowie den Ärzten Dr. H., Prof. Dr. Gr. und Dr. S.-F., mit 20 v. H. Maßgebend hierfür ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Dabei ist in einem ersten Schritt von den Funktionsstörungen mit der höchsten Einzel-MdE auszugehen und sodann zu prüfen, ob weitere Funktionsstörungen das Ausmaß der Einschränkungen vergrößern (vgl. Schönberger/Merten/Valentin, a.a.O., Seite 103). Gemessen daran erachtet es das erkennende Gericht für sachgerecht, aber auch ausreichend, die unfallbedingte Teil-MdE für die verbliebenen Folgen der Beckenringfraktur aufgrund der Auswirkungen der Bauchwandschwäche um 5 Prozentpunkte auf insgesamt 20 v. H. anzuheben.
29 
e) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die Einschätzung der unfallbedingten MdE durch den Sachverständigen Dr. W.. Denn ungeachtet dessen, dass bereits dessen Bewertung der Teil-MdE-Sätze nur in Bezug auf die Restfolgen der Bauchwandschwäche überzeugt, ergibt sich die von ihm angenommene MdE von 40 v. H. allein aus einer - unzulässigen - Addition mehrerer Teil-MdE-Werte. Dr. W. berücksichtigt damit nicht die Kriterien zur Bildung einer unfallbedingten Gesamt-MdE. Der vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung angeregten Einholung eines „Obergutachtens“ bedurfte es nicht, weil die von Dr. H. und Dr. W. erhobenen Befunde im Wesentlichen übereinstimmen.Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung des Gerichts (§ 128 SGG). Eine Verpflichtung zur Einholung eines „Obergutachtens“ besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtensergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 128 Rn. 7d und 7e m.w.N.). Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (vgl. BSG SozR 4-1500 § 160a, Nr. 21, Rn. 21, und BSG vom 01.04.2014 - B 9 V 54/13 B -, Rn. 10 ; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rn. 3g).
30 
3. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Absätze 1 und 4 SGG.

Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 26. März 2015 - S 1 U 1602/14

Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 26. März 2015 - S 1 U 1602/14

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß
Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 26. März 2015 - S 1 U 1602/14 zitiert 10 §§.

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Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 56 Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs


(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versich

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 7 Begriff


(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 62 Rente als vorläufige Entschädigung


(1) Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. In

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 72 Beginn von Renten


(1) Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem 1. der Anspruch auf Verletztengeld endet,2. der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist. (2) Renten an Hinterbl

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Bundessozialgericht Beschluss, 01. Apr. 2014 - B 9 V 54/13 B

bei uns veröffentlicht am 01.04.2014

Tenor Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Juni 2013 Prozesskostenhilfe

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem

1.
der Anspruch auf Verletztengeld endet,
2.
der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist.

(2) Renten an Hinterbliebene werden vom Todestag an gezahlt. Hinterbliebenenrenten, die auf Antrag geleistet werden, werden vom Beginn des Monats an gezahlt, der der Antragstellung folgt.

(3) Die Satzung kann bestimmen, daß für Unternehmer, ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder mitarbeitenden Lebenspartner und für den Unternehmern im Versicherungsschutz Gleichgestellte Rente für die ersten 13 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. Die Rente beginnt spätestens am Tag nach Ablauf der 13. Woche, sofern Verletztengeld nicht zu zahlen ist.

(4) (weggefallen)

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden.

(2) Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Juni 2013 Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihr Rechtsanwalt B. aus H. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Juni 2013 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die 1969 geborene Klägerin begehrt in der Hauptsache die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das beklagte Land lehnte ihren diesbezüglichen Antrag ab, weil sich der geltend gemachte sexuelle Missbrauch, der während der Kindheit der Klägerin durch den eigenen Vater erfolgt sein soll, nicht habe feststellen lassen (Bescheid vom 11.6.2004, Widerspruchsbescheid vom 6.1.2005). Das SG hat nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens den Beklagten verurteilt, der Klägerin "Versorgung nach dem OEG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 80 vH zu gewähren" (Urteil vom 5.3.2008). Das LSG hat auf die Berufung des beklagten Landes nach Vernehmung mehrerer Zeugen (Eltern, Bruder der Klägerin; frühere Lehrerinnen der Klägerin; frühere Freundinnen, früherer Freund der Klägerin) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG nicht habe festgestellt werden können(Urteil vom 24.2.2010). Der erkennende Senat hat auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision die Sache an das LSG zurückverwiesen. Die gerügte Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG)liege vor, weil das LSG dem Beweisantrag, die behandelnde Diplom-Psychologin G. zur Frage zu vernehmen, ob die bei der Klägerin festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit zurückzuführen seien, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Jedenfalls soweit es um die Vernehmung zu der Frage gehe, ob die Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch fremdinduziert (False-Memory-Syndrom) seien, habe es an einem Ablehnungsgrund gefehlt (Beschluss vom 7.4.2011).

2

Das LSG hat im wiedereröffneten Berufungsverfahren die Diplom-Psychologin G. als sachverständige Zeugin gehört, die eine Suggestion der Klägerin hinsichtlich der Genese ihrer Aussage zu sexuellen Übergriffen durch ihren Vater ausgeschlossen hat. Das LSG hat zusätzlich ein schriftliches aussagepsychologisches Gutachten bei Prof. Dr. K. eingeholt und diesen zur Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 18.6.2013 angehört. Der Gutachter hat ua ausgeführt, bei der Klägerin dränge sich angesichts einer außerordentlichen Kumulation von Risikofaktoren eine Suggestionshypothese geradezu auf. Es könne daher nicht mehr zuverlässig zwischen einer Erlebnisgrundlage und einer Auto- oder Fremdsuggestion unterschieden werden, so dass von einer eigenen aussagepsychologischen Untersuchung der Klägerin abgesehen werde. Über die bloße Möglichkeit hinaus seien auch Schlussfolgerungen aus den vorhandenen psychischen Störungen auf sexuelle Übergriffe ausgeschlossen. Das LSG hat die Klage erneut abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Beweiserleichterung des § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) auch dann zum Tragen komme, wenn - wie hier - die Aussage des Antragstellers und die Aussage der als Täter beschuldigten Person gegenüber stünden. Auch wenn eine Glaubhaftmachung iS des § 15 KOVVfG ausreiche, könne ein tätlicher Angriff nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden. Dies folge noch nicht allein aus dem aussagepsychologischen Gutachten, weil konkrete Aussagen zu der Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Aussage der Wahrheit entspreche, mit den Methoden der Glaubwürdigkeitsbegutachtung getroffen werden könnten. Es folge jedoch aus der umfassenden Würdigung der erhobenen Beweise. Aus der schweren psychischen Erkrankung könne dabei nicht auf eine traumatische Genese geschlossen werden. Die Angabe der sachverständigen Zeugin G. sei nach den Ausführungen des Sachverständigen insoweit wissenschaftlich ebenso wenig haltbar wie ihre Meinung, eine Fehlerinnerung der Klägerin könne ausgeschlossen werden. Angesichts einer Vielzahl von Risikofaktoren dränge sich vielmehr die gute Möglichkeit einer Scheinerinnerung auf (Urteil vom 18.6.2013).

3

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und beantragt hierfür Prozesskostenhilfe (PKH).

4

II. 1. Der Antrag der Klägerin, ihr PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. für die von ihr eingelegte und begründete Beschwerde zu gewähren, ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist nämlich unzulässig (dazu 2.).

5

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Divergenz und des Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG.

6

a) Die Klägerin legt die für eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar seien sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).

7

Die Klägerin führt zwar einen Rechtssatz an, macht aber schon nicht ausreichend deutlich, welchem Gericht sie diesen Rechtssatz als Aussage zuordnet, wenn sie hierzu ausführt,

        

"die angefochtene Entscheidung des Landessozialgerichts weicht in seiner Entscheidung von der Entscheidung des BSG vom 17.4.2013 (B 9 V 1/12 R), sofern sie den abstrakten Rechtssatz enthält:

Die Glaubhaftigkeit einer Aussage im Sinne des § 15 KOV-VfG kann nur im Rahmen eines aussagepsychologischen Gutachtens, welches nach dem Falsifikationsprinzip arbeitet (also von der sog. Unwahr- oder 'Null-Hyothese' als Ausgangsthese ausgeht), überprüft werden."

8

Unabhängig von dieser unklaren Zuordnung eines behaupteten Rechtssatzes stellt sie diesem Rechtssatz auch keinen abweichenden Rechtssatz des jeweils anderen Gerichts gegenüber, welcher einen Widerspruch im Grundsätzlichen belegen könnte. Dies gilt auch hinsichtlich eines von der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-3800 § 1 Nr 20, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) etwaig abweichenden Beweismaßstabs. Der Beschwerdebegründung lässt sich entnehmen, dass das LSG die Frage nach dem Beweismaßstab gerade offen gelassen hat. Der Hinweis auf die vom Sachverständigen angeführte Kumulation von Risikofaktoren und die darauf fußende Hypothese einer Scheinerinnerung belegen keine Divergenz hinsichtlich der durch den erkennenden Senat vorgegebenen und vom LSG zugrunde gelegten Beweismaßstäbe. Auch geringere Anforderungen an den Beweismaßstab gewährleisten das gewünschte Beweisergebnis nicht, unabhängig von den festgestellten Tatsachen. Soweit die Klägerin in diesem Kontext bemängelt, das LSG habe die Grenzen der aussagepsychologischen Begutachtung zum Anlass nehmen müssen, in weitere Ermittlungen hinsichtlich der Aussagegenese einzutreten, erhebt sie stattdessen die Aufklärungsrüge (§ 103 SGG; dazu II.2.b). Soweit sie darüber hinaus der Meinung ist, die Entscheidung des LSG verstoße gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats, rügt sie die Richtigkeit der Entscheidung des LSG. Diese ist indessen nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

9

b) Die Klägerin bezeichnet auch einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr, vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 13 RdNr 4 mwN). Geltend gemacht werden kann nur ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

10

Die Klägerin rügt vorrangig, das LSG sei zwar formal entsprechend den Vorgaben im Beschluss des BSG vom 7.4.2011 gefolgt und habe antragsgemäß die sachverständige Zeugin G. angehört. Nachdem diese zugunsten der Klägerin eine Fremdinduzierung der Erinnerungen habe ausschließen können, habe das LSG aber nicht in weitere Ermittlungen eintreten dürfen. Damit rügt die Klägerin keinen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht. Denn das Gericht darf eine Entscheidung nur treffen, wenn der Sachverhalt in der Weise ausermittelt ist, dass er für eine Überzeugungsbildung ausreicht (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG). Umgekehrt mussten die von der Klägerin dargelegten Grenzen aussagepsychologischer Begutachtung ebenso wenig wie die vom Sachverständigen angeführte wissenschaftliche Haltlosigkeit der Äußerungen der Zeugin G. das LSG zur Einholung des hilfsweise beantragten nichtaussagepsychologischen Sachverständigengutachtens veranlassen. Die Klägerin bezeichnet insoweit schon keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Die Klägerin bezieht sich nicht auf bisher noch nicht berücksichtigte Aspekte zur Genese der psychischen Erkrankung. Der von ihr wiedergegebene Antrag zielt vielmehr ausschließlich darauf ab, mit Hilfe einer weiteren Begutachtung zu einer abweichenden Beurteilung zu kommen. Damit stellt sich die angebliche Aufklärungsrüge in Wirklichkeit als ein durch § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 Alt 1 SGG ausgeschlossener Angriff auf die Beweiswürdigung dar. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zur Einholung eines sogenannten Obergutachtens besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtensergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 7d, 7e mwN). Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8).

11

Gründe für eine Ausnahme sind hier nicht dargelegt. Liegen bereits mehrere Gutachten (oder fachkundige Angaben) vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten (oder fachkundigen Angaben) grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9 mwN). Derartige Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Der Hinweis auf die bei der Klägerin durchgehend seit 1993 gestellte Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung durch nahezu alle behandelnden Therapeuten stellt den vom Sachverständigen begründeten Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit nicht in Frage. Die Grenzen der aussagepsychologischen Begutachtung beinhalten hinsichtlich des hier entscheidenden Aspekts der Fremdinduziertheit der Erinnerungen keinen konkreten Mangel.

12

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

13

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem

1.
der Anspruch auf Verletztengeld endet,
2.
der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist.

(2) Renten an Hinterbliebene werden vom Todestag an gezahlt. Hinterbliebenenrenten, die auf Antrag geleistet werden, werden vom Beginn des Monats an gezahlt, der der Antragstellung folgt.

(3) Die Satzung kann bestimmen, daß für Unternehmer, ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder mitarbeitenden Lebenspartner und für den Unternehmern im Versicherungsschutz Gleichgestellte Rente für die ersten 13 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. Die Rente beginnt spätestens am Tag nach Ablauf der 13. Woche, sofern Verletztengeld nicht zu zahlen ist.

(4) (weggefallen)

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden.

(2) Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Juni 2013 Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihr Rechtsanwalt B. aus H. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Juni 2013 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die 1969 geborene Klägerin begehrt in der Hauptsache die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das beklagte Land lehnte ihren diesbezüglichen Antrag ab, weil sich der geltend gemachte sexuelle Missbrauch, der während der Kindheit der Klägerin durch den eigenen Vater erfolgt sein soll, nicht habe feststellen lassen (Bescheid vom 11.6.2004, Widerspruchsbescheid vom 6.1.2005). Das SG hat nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens den Beklagten verurteilt, der Klägerin "Versorgung nach dem OEG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 80 vH zu gewähren" (Urteil vom 5.3.2008). Das LSG hat auf die Berufung des beklagten Landes nach Vernehmung mehrerer Zeugen (Eltern, Bruder der Klägerin; frühere Lehrerinnen der Klägerin; frühere Freundinnen, früherer Freund der Klägerin) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG nicht habe festgestellt werden können(Urteil vom 24.2.2010). Der erkennende Senat hat auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision die Sache an das LSG zurückverwiesen. Die gerügte Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG)liege vor, weil das LSG dem Beweisantrag, die behandelnde Diplom-Psychologin G. zur Frage zu vernehmen, ob die bei der Klägerin festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit zurückzuführen seien, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Jedenfalls soweit es um die Vernehmung zu der Frage gehe, ob die Erinnerungen der Klägerin an sexuellen Missbrauch fremdinduziert (False-Memory-Syndrom) seien, habe es an einem Ablehnungsgrund gefehlt (Beschluss vom 7.4.2011).

2

Das LSG hat im wiedereröffneten Berufungsverfahren die Diplom-Psychologin G. als sachverständige Zeugin gehört, die eine Suggestion der Klägerin hinsichtlich der Genese ihrer Aussage zu sexuellen Übergriffen durch ihren Vater ausgeschlossen hat. Das LSG hat zusätzlich ein schriftliches aussagepsychologisches Gutachten bei Prof. Dr. K. eingeholt und diesen zur Erläuterung seines Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 18.6.2013 angehört. Der Gutachter hat ua ausgeführt, bei der Klägerin dränge sich angesichts einer außerordentlichen Kumulation von Risikofaktoren eine Suggestionshypothese geradezu auf. Es könne daher nicht mehr zuverlässig zwischen einer Erlebnisgrundlage und einer Auto- oder Fremdsuggestion unterschieden werden, so dass von einer eigenen aussagepsychologischen Untersuchung der Klägerin abgesehen werde. Über die bloße Möglichkeit hinaus seien auch Schlussfolgerungen aus den vorhandenen psychischen Störungen auf sexuelle Übergriffe ausgeschlossen. Das LSG hat die Klage erneut abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Beweiserleichterung des § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) auch dann zum Tragen komme, wenn - wie hier - die Aussage des Antragstellers und die Aussage der als Täter beschuldigten Person gegenüber stünden. Auch wenn eine Glaubhaftmachung iS des § 15 KOVVfG ausreiche, könne ein tätlicher Angriff nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden. Dies folge noch nicht allein aus dem aussagepsychologischen Gutachten, weil konkrete Aussagen zu der Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Aussage der Wahrheit entspreche, mit den Methoden der Glaubwürdigkeitsbegutachtung getroffen werden könnten. Es folge jedoch aus der umfassenden Würdigung der erhobenen Beweise. Aus der schweren psychischen Erkrankung könne dabei nicht auf eine traumatische Genese geschlossen werden. Die Angabe der sachverständigen Zeugin G. sei nach den Ausführungen des Sachverständigen insoweit wissenschaftlich ebenso wenig haltbar wie ihre Meinung, eine Fehlerinnerung der Klägerin könne ausgeschlossen werden. Angesichts einer Vielzahl von Risikofaktoren dränge sich vielmehr die gute Möglichkeit einer Scheinerinnerung auf (Urteil vom 18.6.2013).

3

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und beantragt hierfür Prozesskostenhilfe (PKH).

4

II. 1. Der Antrag der Klägerin, ihr PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. für die von ihr eingelegte und begründete Beschwerde zu gewähren, ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ua die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist nämlich unzulässig (dazu 2.).

5

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Divergenz und des Verfahrensmangels nach § 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG.

6

a) Die Klägerin legt die für eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar seien sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).

7

Die Klägerin führt zwar einen Rechtssatz an, macht aber schon nicht ausreichend deutlich, welchem Gericht sie diesen Rechtssatz als Aussage zuordnet, wenn sie hierzu ausführt,

        

"die angefochtene Entscheidung des Landessozialgerichts weicht in seiner Entscheidung von der Entscheidung des BSG vom 17.4.2013 (B 9 V 1/12 R), sofern sie den abstrakten Rechtssatz enthält:

Die Glaubhaftigkeit einer Aussage im Sinne des § 15 KOV-VfG kann nur im Rahmen eines aussagepsychologischen Gutachtens, welches nach dem Falsifikationsprinzip arbeitet (also von der sog. Unwahr- oder 'Null-Hyothese' als Ausgangsthese ausgeht), überprüft werden."

8

Unabhängig von dieser unklaren Zuordnung eines behaupteten Rechtssatzes stellt sie diesem Rechtssatz auch keinen abweichenden Rechtssatz des jeweils anderen Gerichts gegenüber, welcher einen Widerspruch im Grundsätzlichen belegen könnte. Dies gilt auch hinsichtlich eines von der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-3800 § 1 Nr 20, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) etwaig abweichenden Beweismaßstabs. Der Beschwerdebegründung lässt sich entnehmen, dass das LSG die Frage nach dem Beweismaßstab gerade offen gelassen hat. Der Hinweis auf die vom Sachverständigen angeführte Kumulation von Risikofaktoren und die darauf fußende Hypothese einer Scheinerinnerung belegen keine Divergenz hinsichtlich der durch den erkennenden Senat vorgegebenen und vom LSG zugrunde gelegten Beweismaßstäbe. Auch geringere Anforderungen an den Beweismaßstab gewährleisten das gewünschte Beweisergebnis nicht, unabhängig von den festgestellten Tatsachen. Soweit die Klägerin in diesem Kontext bemängelt, das LSG habe die Grenzen der aussagepsychologischen Begutachtung zum Anlass nehmen müssen, in weitere Ermittlungen hinsichtlich der Aussagegenese einzutreten, erhebt sie stattdessen die Aufklärungsrüge (§ 103 SGG; dazu II.2.b). Soweit sie darüber hinaus der Meinung ist, die Entscheidung des LSG verstoße gegen die Rechtsprechung des erkennenden Senats, rügt sie die Richtigkeit der Entscheidung des LSG. Diese ist indessen nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

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b) Die Klägerin bezeichnet auch einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr, vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 13 RdNr 4 mwN). Geltend gemacht werden kann nur ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der § 109 und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

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Die Klägerin rügt vorrangig, das LSG sei zwar formal entsprechend den Vorgaben im Beschluss des BSG vom 7.4.2011 gefolgt und habe antragsgemäß die sachverständige Zeugin G. angehört. Nachdem diese zugunsten der Klägerin eine Fremdinduzierung der Erinnerungen habe ausschließen können, habe das LSG aber nicht in weitere Ermittlungen eintreten dürfen. Damit rügt die Klägerin keinen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht. Denn das Gericht darf eine Entscheidung nur treffen, wenn der Sachverhalt in der Weise ausermittelt ist, dass er für eine Überzeugungsbildung ausreicht (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG). Umgekehrt mussten die von der Klägerin dargelegten Grenzen aussagepsychologischer Begutachtung ebenso wenig wie die vom Sachverständigen angeführte wissenschaftliche Haltlosigkeit der Äußerungen der Zeugin G. das LSG zur Einholung des hilfsweise beantragten nichtaussagepsychologischen Sachverständigengutachtens veranlassen. Die Klägerin bezeichnet insoweit schon keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Die Klägerin bezieht sich nicht auf bisher noch nicht berücksichtigte Aspekte zur Genese der psychischen Erkrankung. Der von ihr wiedergegebene Antrag zielt vielmehr ausschließlich darauf ab, mit Hilfe einer weiteren Begutachtung zu einer abweichenden Beurteilung zu kommen. Damit stellt sich die angebliche Aufklärungsrüge in Wirklichkeit als ein durch § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 Alt 1 SGG ausgeschlossener Angriff auf die Beweiswürdigung dar. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst. Eine Verpflichtung zur Einholung eines sogenannten Obergutachtens besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtensergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 7d, 7e mwN). Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8).

11

Gründe für eine Ausnahme sind hier nicht dargelegt. Liegen bereits mehrere Gutachten (oder fachkundige Angaben) vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten (oder fachkundigen Angaben) grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9 mwN). Derartige Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Der Hinweis auf die bei der Klägerin durchgehend seit 1993 gestellte Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung durch nahezu alle behandelnden Therapeuten stellt den vom Sachverständigen begründeten Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit nicht in Frage. Die Grenzen der aussagepsychologischen Begutachtung beinhalten hinsichtlich des hier entscheidenden Aspekts der Fremdinduziertheit der Erinnerungen keinen konkreten Mangel.

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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.