Sozialgericht Duisburg Beschluss, 13. Juli 2015 - S 48 SO 344/15 ER
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten über die vorläufige Übernahme ungedeckter Heimkosten.
4Die im Jahre 1936 geborene Antragstellerin befindet sich seit dem 24.06.2014 in einer Einrichtung der Beigeladenen. Sie ist der Pflegestufe III zugeordnet und bezieht eine Altersrente i.H.v. 875,91 EUR monatlich (Stand: Oktober 2014). Ihr im Jahre 1941 geborener Ehegatte bezieht eine Altersrente i.H.v. 281,02 EUR monatlich sowie Pensionsbezüge in Höhe von monatlich 2.240,48 EUR (jeweils Stand: Februar 2015).
5Die Beigeladene beantragte am 20.05.2014 Pflegewohngeld für die Antragstellerin bei dem Antragsgegner. Weiterhin beantragte die Antragstellerin am 26.05.2014 die Übernahme ungedeckter Heimkosten. Die Bescheidung des letztgenannten Antrags ist Gegenstand einer Untätigkeitsklage, die bei dem Sozialgericht Duisburg unter dem Aktenzeichen S 48 SO 346/15 geführt wird.
6Mit Schreiben vom 11.06.2015 übersandte die Beigeladene dem Ehegatten der Antragstellerin eine Aufstellung der offenen Heimkosten für den Zeitraum Juli 2014 bis Mai 2015, ausweislich derer sich die offenen Kosten auf 31.333,41 EUR beliefen.
7Mit Bescheid vom 23.07.2015 bewilligte der Antragsgegner Pflegewohngeld nach dem Alten– und Pflegegesetz NRW (APG NRW) für den Zeitraum Juni 2014 bis Juli 2015 i.H.v. 10.150,01 EUR sowie ab August 2015 i.H.v. 767,19 EUR monatlich.
8Am 13.07.2015 hat die Antragstellerin gerichtlichen Eilrechtsschutz beantragt. Sie führt an, dass unbeschadet der Bewilligung des Pflegewohngeldes ein erheblicher monatlicher Unterschuss bestehe. Ein Abwarten der Hauptsache sei ihr aufgrund der Zahlungsrückstände und ihres hohen Alters nicht zumutbar.
9Die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ergänzende Leistung auf Hilfe zum Lebensunterhalt (in stationären Einrichtungen) zuzüglich behinderungsbedingten Mehrbedarf, Kosten der Unterkunft und Heizung (in Gestalt von stationären Einrichtungskosten) und Pflegegeld bei vollstationärer Unterbringung in gesetzlicher Höhe vorläufig als Darlehen, respektive unter Vorbehalt zu gewähren und – soweit dies in Betracht kommt – gegenüber den Leistungsträgern zu übernehmen.
10Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
11Er ist der Ansicht, dass aufgrund dessen, dass der Heimvertrag noch nicht gekündigt worden sei, ein Anordnungsgrund nicht vorliege.
12Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsakte des Antragsgegners, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
13Gründe:
14II.
15Der zulässige Antrag ist unbegründet.
161. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt dabei neben dem Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. eines materiellen Anspruchs auf die begehrte Leistung, auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes voraus. Ein solcher Anordnungsgrund besteht, wenn die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, vgl. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, S. 927).
172. Nach der demzufolge im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung hat die Antragstellerin jedenfalls einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
18Nach der Rechtsprechung des LSG NRW, der sich das Gericht nach eigener Prüfung anschließt, ist in Fällen, in denen um die Übernahme ungedeckter Heimkosten nach dem Siebten Kapitel des SGB XII gestritten wird, ein unzumutbarer Nachteil im Sinne eines Anordnungsgrundes bereits dann, aber auch erst dann anzunehmen, wenn der Verlust eines Heimplatzes wegen eingetretener Zahlungsrückstände konkret droht (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.07.2008, L 20 B 51/08 SO ER, Rn. 44, m.w.N.). Ausreichend ist hierzu die ausgesprochene Kündigung des Heimplatzes, da es angesichts des durch die Kündigung entstandenen unsicheren Zustandes für den Betroffenen unzumutbar ist, ohne entsprechende Gegenleistung die nach Kündigung des Heimvertrages vertraglich nicht mehr geschuldeten Leistungen des Pflegeheimes in Anspruch zu nehmen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.07.2008, a.a.O., Rn. 46).
19Nach diesen Maßgaben hat die Antragstellerin einen drohenden Verlust des Heimplatzes nicht glaubhaft gemacht. Denn die Beigeladene hat auf gerichtliche Anfrage mit Schreiben vom 29.07.2015 mitgeteilt, dass der Heimvertrag mit der Antragstellerin nicht gekündigt worden und eine Kündigung derzeit nicht beabsichtigt sei. Die Beigeladene erwarte von der Antragstellerin, dass zumindest die festgesetzten Eigenanteile gezahlt oder die Gründe dargelegt würden, die einer Zahlung entgegenstünden. Für die rückständig bleibenden Beträge erwarte die Beigeladene gegebenenfalls die Stellung von Sicherheiten. Für den Fall, dass die Antragstellerin und deren Ehegatte nicht mitwirkten, die Zahlung der Heimkosten sicherzustellen, behalte sich die die Beigeladene die Kündigung des Heimvertrages vor. Nach dieser Mitteilung der Beigeladenen ist ein Verbleib der Antragstellerin in der Einrichtung, trotz der noch bestehenden Rückstände, nicht unzumutbar in dem vorbeschriebenen Sinne.
203. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.