Sozialgericht Augsburg Gerichtsbescheid, 05. Dez. 2016 - S 15 AS 980/16

published on 05/12/2016 00:00
Sozialgericht Augsburg Gerichtsbescheid, 05. Dez. 2016 - S 15 AS 980/16
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Gericht

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Tenor

I.

Der Bescheid vom 02.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 wird aufgehoben und der Beklagte außerdem verurteilt, dem Kläger die mit Bescheid vom 04.04.2016 bewilligten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.05.2016 auszubezahlen.

II.

Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich sowohl gegen eine Aufhebung und Rückforderung als auch gegen eine Versagung seiner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1990 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger und reiste in 2014 in die Bundesrepublik ein. Am 30.06.2015 erhielt er eine Aufenthaltsbewilligung bis 28.06.2018 und zog im Februar 2016 von F. nach N. Die Unterkunft befand sich dabei in einer Gewerbeimmobilie in N ...

Am 26.02.2016 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er legte einen Mietvertrag über die Wohnung vor, welcher befristet vom 01.03.2016 bis 30.05.2016 mit einer vierwöchigen Verlängerungsoption geschlossen worden war. An Mietkosten waren EUR 340,00 Kaltmiete und EUR 80,00 pauschal für Nebenkosten (davon EUR 40,00 kalte Nebenkosten und EUR 40,00 Heizkosten) zu leisten. Die Warmwassererwärmung erfolgte in der Küche per Boiler.

Mit Bescheid vom 04.04.2016 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum vom 01.03.2016 bis 30.05.2016. Die Befristung begründete der Beklagte mit der Befristung des Mietvertrages und der damit bestehenden Unkenntnis des dann weiteren Aufenthaltsortes.

Am 08.04.2016 erhielt der Beklagte von der Kriminalinspektion 3 (K 3) B-Stadt ein Schreiben, wonach bei einer Aufenthaltsermittlung des Klägers an der Meldeadresse ein verschlossenes Kuvert des Beklagten aufgefunden worden sei. Es handle sich bei der Adresse um ein gewerbliches Objekt. Es hätten weder eine Schlafstätte noch Hygieneartikel noch sonstige Hinweise auf einen dortigen Aufenthalt festgestellt werden können. Bei dem verschlossenen Kuvert handelte es sich um den Bewilligungsbescheid vom 04.04.2016.

Der Beklagte veranlasste daraufhin eine Meldeanfrage. Nach dieser sei der Kläger seit dem 20.02.2016 an der mitgeteilten Adresse gemeldet.

Mit Schreiben vom 12.04.2016 hörte der Beklagte den Kläger zu einer Rücknahme der bereits bezahlten Leistungen für März und April in Höhe von insgesamt EUR 1.666,58 an. Der Beklagte verfügte diesbezüglich die öffentliche Zustellung.

Mit Datum vom 20.04.2016 reichte der Kläger einen unterschriebenen Mietvertrag über eine neue Wohnung in der J.-straße in B-Stadt mit einer monatlichen Miete von EUR 380,00, beginnend zum 01.05.2016 ein.

Mit Bescheid vom 02.05.2016 hob der Beklagte die Leistungsgewährung auf und forderte die bereits gewährten Leistungen für März und April in genannter Höhe zurück. Den Bescheid versandte der Beklagte zunächst erfolglos an die neu mitgeteilte Adresse. Es erfolgte ein Postrückläufer, dass der Kläger dort nicht zu ermitteln sei. Der Beklagte verfügte am 12.05.2016 die öffentliche Zustellung ohne weitere Ermittlungen.

Am 17.05.2016 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Als Meldeadresse gab er die bislang in N. gelegene Adresse an.

Mit Bescheid vom 24.05.2016 lehnte der Beklagte die weitere Leistungsgewährung mit der Begründung ab, dass nicht davon auszugehen sei, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Einzugsbereich des Beklagten habe. Der Beklagte verfügte mit Datum vom 25.05.2016 die öffentliche Zustellung.

Bei einer persönlichen Vorsprache am 20.07.2016 wurden dem Kläger Anhörungsschreiben und Aufhebungsbescheid ausgehändigt.

Mit Datum vom 28.07.2016 erhob der Kläger Widerspruch gegen das Anhörungsschreiben betreffend die Überzahlung sowie die Zahlungsaufforderung vom 02.05.2016. Er versichere, dass er bis 30.06.2016 in der S.-straße gewohnt und dafür Miete bezahlt habe. Was am 07.04.2016 in N. vorgefallen sei, könne er nicht nachvollziehen. Er sei für zwei Tage zu einem Freund gefahren und erst am Sonntag zurückgekehrt (Bl. 85). Der Kläger legte eine Bestätigung des bisherigen Vermieters hierzu vor, auch betreffend seine Abwesenheit. Er bitte außerdem um Nachzahlung für die Monate Mai und Juni 2016.

Seit dem 01.07.2016 wohnt der Kläger in A-Stadt.

Der Beklagte verwarf den Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid und das Anhörungsschreiben mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2016 als unzulässig. Die Entscheidung sei am 11.05.2016 öffentlich zugestellt worden, der Aushang sei am 06.06.2016 entfernt worden. Damit gelte der Bescheid am 07.06.2016 als zugestellt und die Widerspruchsfrist sei am 28.07.2016 bereits abgelaufen gewesen.

Am 29.08.2016 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die wirksame Bekanntgabe des Bescheides sei erst mit der Aushändigung durch den Beklagten am 20.07.2016 erfolgt. Die öffentliche Zustellung sei unwirksam gewesen, da die Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Die öffentliche Zustellung sei nur zulässig, wenn sämtliche Möglichkeiten der Zustellung ausgeschöpft seien. Die bloße Vermutung, dass es sich um eine Scheinadresse handele, genüge nicht. Es müsse trotzdem ein Zustellversuch unternommen werden. Ggf. müsse eine Anfrage bei der Meldebehörde gestellt werden. Der Beklagte habe keinerlei Ermittlungen unternommen. Außerdem seien dem Beklagten sowohl Telefonnummer als auch die email-Adresse bekannt gewesen. Eine Kontaktaufnahme sei indes nicht erfolgt. Es habe auch nach Erlass des Bescheides eine persönliche Vorsprache stattgefunden, ohne dass man ihm den Bescheid ausgehändigt habe. Im Übrigen trage die Aufhebung auch materiell-rechtlich nicht. Es fehle an einer wirksamen Anhörung, die auch nicht durch das Widerspruchsverfahren geheilt worden sei. Er habe bis 30.06.2016 in der Wohnung in N. gewohnt. Er habe nur wenig Kleidung und Hygieneartikel besessen, die aufgrund des auswärtigen Besuches mitgeführt worden seien. Die ursprünglich bewilligten Leistungen seien zum 30.04.2016 eingestellt worden. Über die Einstellung sei bis heute kein Bescheid ergangen, weshalb die Leistungen nun nachzuzahlen seien.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 02.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm die mit Bescheid vom 04.04.2016 bewilligten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.05.2016 auszubezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dieser legt seine Verwaltungsakte vor und verweist auf deren Inhalte. Entsprechend den polizeilichen Angaben sei man davon ausgegangen, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt in dem Objekt gewohnt habe. Daher habe man die öffentliche Zustellung veranlasst. Nach Vorlage eines Mietvertrages für eine Wohnung in der J.-straße habe man den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid an diese Adresse versandt. Die Zustellung konnte nicht erfolgen, da der Adressat unter der Anschrift nicht zu ermitteln gewesen sei. Eine Meldeamtsanfrage habe ergeben, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt in B-Stadt gemeldet gewesen sei. Eine öffentliche Zustellung bei unbekanntem Aufenthalt sei zulässig. Die Polizei habe das Objekt ausführlich in Augenschein genommen. Die Vernehmung der Polizeikommissare werde beantragt. Der Beklagte legt Auszüge aus dem Melderegister vor, welche am 19.09.2016 ausgedruckt worden waren. Die Nachholung einer Anhörung werde nicht erfolgen, da man von einer wirksamen öffentlichen Zustellung ausgehe.

Beide Beteiligten sind mit gerichtlicher Verfügung vom 14.11.2016 auf eine mögliche Entscheidung per Gerichtsbescheid bei fehlender Nachholung der Anhörung und Ablauf des 02.12.2016 hingewiesen worden. Der Beklagte ist auf seinem rechtlichen Standpunkt verblieben.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Gründe

Über die Klage kann gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, gehört.

1. Die vor dem zuständigen Gericht erhobenen Klagen sind im Sinne einer Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und einer Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig.

Zu unterscheiden ist dabei das Begehren hinsichtlich des Bescheides vom 02.05.2016, welcher eine Leistungsaufhebung und Rückforderung konkret für die Monate März und April 2016 in Höhe von EUR 1.666,58 ausspricht und dem daneben noch bestehenden Bewilligungsbescheid vom 04.04.2016 für den Monat Mai 2016, auf den der Beklagte eine Zahlungseinstellung ohne Bescheiderlass verfügt hat.

Insofern handelt es sich um eine zulässige objektive Klagenhäufung, da zwei separate Klagebegehren vorliegen.

2. Die Klage hinsichtlich des Bescheides vom 02.05.2016 ist begründet

Der Klageerfolg begründet sich - ohne dass es noch auf materiell-rechtliche Fragen ankäme - bereits aus dem formellen Mangel der fehlenden Anhörung, welcher von dem Beklagten nicht geheilt wurde.

Dem Beklagten ist entgegenzuhalten, dass die erfolgte öffentliche Zustellung des Anhörungsschreibens und des Bescheides nicht den geltenden Gesetzen entsprechend erfolgte.

a) Eine Zustellung kann nach § 65 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist.

Die Entscheidung, ob öffentlich zugestellt werden soll, steht - wie sich aus der Verwendung des Begriffes "kann" im Wortlaut der Bestimmung ergibt - im Ermessen der Behörde. Dieses Ermessen setzt aber erst dann ein, wenn die in § 15 VwZVG bzw. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 3 VwZG geregelten gesetzlichen Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung vorliegen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in vollem Umfang nachprüfbar (vgl. BFH v. 15.1.1991 - VII R 86/89).

b) Die öffentliche Zustellung stellt die absolute Ausnahme der Zustellung dar und ist an enge Voraussetzungen geknüpft. So müssen sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft sein, das Schriftstück dem Empfänger in anderer Weise zukommen zu lassen. Es reicht nicht aus, dass nur die betreffende Behörde die Anschrift nicht kennt. Ob diese Voraussetzung der öffentlichen Zustellung vorliegt, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Hierfür sind gründliche und sachdienliche Bemühungen um Aufklärung des gegenwärtigen Aufenthaltsorts erforderlich, denn die Zustellungsvorschriften dienen auch der Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Sie sollen gewährleisten, dass der Adressat Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einrichten kann. Der Erfüllung der Zustellungsvoraussetzungen kommt insbesondere deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil das zuzustellende Dokument nach dem Ablauf einer bestimmten Frist als zugestellt "gilt" (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG), dem Empfänger also nicht übergeben und regelmäßig auch inhaltlich nicht bekannt wird. Die Zustellungsfiktion ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Form der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist. Sie ist nur als "letztes Mittel" der Bekanntgabe zulässig, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Dokument dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln (vgl. BFH v. 9.12.2009, X R 54/06, und v. 6.6.2000, VII R 55/99).

c) Dieser strengen Verpflichtung ist der Beklagte vorliegend nicht nachgekommen.

Nach der Mitteilung der Polizei, dass sich der Kläger vermeintlich nicht an der N. Adresse aufhalte, holte der Beklagte eine Meldeamtsauskunft ein, welche die besagte Adresse als tatsächliche Meldeadresse des Klägers auswies. Ein Zustellversuch an diese Adresse betreffend das Anhörungsschreiben erfolgte schon gar nicht, sondern es wurde unverzüglich eine öffentliche Zustellung eingeleitet. Hinsichtlich des Anhörungsschreibens erfolgte mithin schon aus diesem Grund keine ordnungsgemäße Zustellung. Der Beklagte wäre gehalten gewesen, zumindest einen Zustellversuch an die Adresse der Meldeauskunft zu versuchen, unabhängig von den Angaben der Polizei zum Aufenthalt des Klägers. Eine öffentliche Zustellung des Anhörungsschreibens war auch aus weiteren Gründen, wie nachfolgend zum Bescheid dargelegt, unzulässig.

Betreffend den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02.05.2016 versandte der Beklagte diesen an die vom Kläger mit Datum vom 20.04.2016 für die Zeit ab 01.05.2016 angegebene neue Meldeadresse in B-Stadt. Es erfolgte ein Rückläufer. Der Beklagte hat auf diesen Rückläufer keine weiteren Maßnahmen der Aufenthaltsermittlung veranlasst. Es wurde weder eine neue Meldeauskunft eingeholt (diese wurde ausweislich der vorgelegten Meldeauskunft erst nachträglich im Klageverfahren eingeholt - eine Dokumentation einer solchen in der Verwaltungsakte existiert jedenfalls nicht), noch wurde sonst eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger unternommen.

Vor dem Hintergrund, dass der Kläger schon im Mai persönlich bei dem Beklagten zur Abgabe des neuen Antrages vorgesprochen hat - vgl. Angaben des Klägers auf Bl. 70 Rückseite der Verwaltungsakte -, d. h. persönlich vor Ort war und auch seine Adresse abgegeben hat, ist es unverständlich, dass kein neuer Zustellversuch betreffend des Bescheides unternommen wurde, sondern es lediglich bei dem am 13.05.2016 erfolgten Aushang noch bis 06.06.2016 verblieb. Auch eine persönliche Übergabe des Bescheides hätte sich zu diesem Zeitpunkt aufdrängen müssen. Der nachträgliche Ausdruck einer Meldeamtsanfrage trägt im Übrigen nicht, da der Beklagte ein derartiges Ermittlungsversäumnis nicht nachholen kann.

Wie der Kläger im Übrigen zu Recht vorträgt, hatte der Kläger bei seinem Erstantrag sowohl eine deutlich lesbare Telefonnummer als auch eine lesbare email-Adresse angegeben, so dass es dem Beklagten ohne umständliche Ermittlungen möglich gewesen wäre, über diese Daten mit dem Kläger in Kontakt zu treten bzw. dies zumindest zu versuchen. Nichts von alledem ist erfolgt. Der Einwand des Beklagten, dass aus den Vorakten des bisherigen Jobcenters bekannt gewesen sei, dass eine telefonische Kommunikation mit dem Kläger schwierig sei, da dieser schlecht deutsch könne, trägt nicht. Der Beklagte verweist dabei auf einen Vermerk aus Januar 2016. Der Kläger hatte seither auch nach seinen Angaben im Leistungsantrag eine Sprachschule besucht, so dass es dem Beklagten zuzumuten war, den persönlichen Anruf zu versuchen, gerade vor dem Hintergrund, dass bekannt war, dass der Kläger Telefonanrufe auch annimmt. Die vom Kläger angegebene email-Adresse ist im Übrigen als [email protected] entzifferbar, so dass hierüber eine Kontaktaufnahme hätte versucht werden können. Die vom Beklagten behauptete Unlesbarkeit ist nicht nachvollziehbar.

Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung von Anhörungsschreiben und Bescheid lagen damit nicht vor. Eine Bekanntgabe der beiden konnte hierüber nicht wirksam erfolgen.

d) Tatsächliche Kenntnis und damit eine wirksame Bekanntgabe von Anhörung und Bescheid erhielt der Kläger erst am 20.07.2016, als man ihm beide gemeinsam bei einer erneuten Vorsprache übergab.

e) Es mangelt hiernach an einer Anhörung vor Bescheiderlass.

Der Beklagte verkennt in seiner Argumentation, dass es nicht darauf ankommt, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt Kenntnis von dem Anhörungsschreiben gehabt hat. Das Anhörungsschreiben wurde diesem gemeinsam mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bei einer persönlichen Vorsprache am 20.07.2016 ausgehändigt, was unstreitig ist.

Auf die bloße Kenntnis zu irgendeinem Zeitpunkt kommt es aber für eine formell wirksame Anhörung nicht an. Maßgeblich ist, ob eine Anhörung in einer angemessenen Frist vor Bescheiderlass stattgefunden hat und falls nicht, ob eine Heilung im Widerspruchsverfahren durch Befassung des Beklagten mit den Inhalten des Widerspruchs eingetreten ist.

Beides ist nicht der Fall.

aa) Eine Kenntnis vor Bescheiderlass lag aus oben genannten Gründen nicht vor. Wie oben bereits dargelegt, hat der Beklagte an den Kläger nicht wirksam vor Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides ein Anhörungsschreiben zukommen lassen. Vielmehr erhielt der Kläger von dem Anhörungsschreiben und dem Bescheid zeitgleich mit deren Übergabe am 20.07.2016 Kenntnis. Eine Möglichkeit vor Erlass des Bescheides (vgl. § 24 Abs. 1 SGB X) sich zu äußern, bestand damit nicht.

bb) Außerdem hat der Beklagte mit dem Verwerfen des Widerspruchs als unzulässig keine inhaltliche Befassung mit der Widerspruchsbegründung im Widerspruchsverfahren vorgenommen.

Grundsätzlich ist eine nach § 24 SGB X unterbliebene Anhörung nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X nachholbar. Insoweit ersetzt zunächst das Widerspruchsverfahren die förmliche Anhörung, wenn dem Betroffenen darin die Möglichkeit gegeben wurde, sich sachgerecht zu äußern. Schließlich muss dann aber im Widerspruchsbescheid deutlich werden, dass die Behörde die vorgebrachten Argumente des Widerspruchsführers zur Kenntnis genommen und abgewogen hat (vgl. Schütze, in v. Wulffen, SGB X Kommentar, § 41 Rn. 15ff). Eine derartige Heilung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat in dem vorliegenden Fall nicht stattgefunden, da der Beklagte sich inhaltlich mit dem Vortrag des Klägers nicht auseinandergesetzt hat, sondern die Zurückweisung des Widerspruchs ausschließlich auf das Fristversäumnis und damit dessen Unzulässigkeit gestützt wurde. Eine inhaltliche Entscheidung erfolgte nicht. Eine Nachholung der Anhörung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens scheidet aus.

f) Die fehlende Anhörung ist weiterhin nicht im gerichtlichen Verfahren durch Nachholung geheilt worden.

Eine wirksame Nachholung setzt voraus, dass diese den Anforderungen an eine Anhörung nach § 24 SGB X entspricht und insbesondere der Beteiligte über die entscheidungserheblichen Tatsachen in Kenntnis gesetzt wurde sowie Gelegenheit zur Äußerung hatte (BSG, Urteil v. vom 9.11.2010 - B 4 AS 37/09 R; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Januar 2011, § 41 RdNr. 15; Waschull in LPK-SGB X, 3. Aufl. 2011, § 41 RdNr. 15).

Für eine Heilung im Gerichtsverfahren, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz möglich gewesen wäre (§ 41 Abs. 2 SGB X), genügt nicht die schlichte Klageerhebung ggf. in Verbindung mit der Klageerwiderung. Vielmehr ist ein eigenständiges, nicht notwendigerweise förmliches Verwaltungsverfahren notwendig (BSG, Urteile vom 9.11.2010, a. a. O. und vom 07.07.2011 - B 13 AS 144/17; LSG Thüringen, Urteil v. 10.09.3023 - L 6 KR 757/10; Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 41 RdNr. 18, der ausdrücklich auf die Aussetzungsmöglichkeit des Gerichts nach § 114 Abs. 2 Satz 2 SGG hinweist; Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 41 RdNr. 16).

Sofern ein Widerspruchsverfahren keine Heilung bewirken konnte, so kann das rechtliche Gehör immer noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Die Nachholung der fehlenden Anhörung während des Gerichtsverfahrens setzt voraus, dass die beklagte Behörde dem Kläger in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach Prüfung dieser Tatsachen am bisher erlassenen Verwaltungsakt festhält. Dies setzt regelmäßig voraus, dass die Behörde den Kläger in einem gesonderten "Anhörungsschreiben" alle Haupttatsachen mitteilt, auf die sie die belastende Entscheidung stützen will und sie ihm eine angemessene Frist zur Äußerung setzt. Ferner ist erforderlich, dass die Behörde das Vorbringen des Betroffenen zur Kenntnis nimmt und sich abschließend zum Ergebnis der Überprüfung äußert (vgl. BSG, Urteil v. 09.11.2010 - B 4 AS 37/09 R).

Für eine Aussetzung des Verfahrens war vorliegend kein Raum mehr.

Der Beklagte wurde durch das Gericht in zwei gerichtlichen Hinweisen vom 28.10.2016 und 14.11.2016 auf die Problematik des fehlenden Anhörungsverfahrens hingewiesen. Der Beklagte hat mit zwei Schriftsätzen vom 04.11.2016 und 17.11.2016 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es die Rechtsauffassung des Gerichts zur fehlenden Anhörung nicht teile und eine solche auch nicht nachholen werde. Das Gericht hat dem Beklagten hiernach ausreichend und erfolglos Gelegenheit gegeben, das fehlende förmliche Anhörungsverfahren nachzuholen.

Aufgrund der nachhaltigen Weigerung ein solches durchzuführen, war keine Aussetzung vorzunehmen, sondern in der Sache auf der Grundlage des formellen Fehlers zu entscheiden.

Eine inhaltliche Befassung hatte vor diesem Hintergrund nicht mehr zu erfolgen, da der Bescheid bereits an formeller - nicht geheilter - Rechtswidrigkeit krankte.

3. Die Klage hinsichtlich des Auszahlungsbegehrens aus dem Bescheid vom 04.04.2016 für den Mai 2016 ist begründet.

Der Beklagte hatte mit seinem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 02.05.2016 ausdrücklich nur eine Leistungsaufhebung für die Monate März und April 2016 ausgesprochen.

Bei der unterbliebenen Auszahlung für Mai 2016 handelte es sich um eine Zahlungseinstellung im Sinne von § 40 Abs. 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 331 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der Beklagte hat hiernach die Möglichkeit die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und wenn der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist. Soweit die Kenntnis nicht auf Angaben der Person beruht, die die laufende Leistung erhält, sind ihr unverzüglich die vorläufige Einstellung der Leistung sowie die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen, und es ist ihr Gelegenheit zu geben, sich zu äußern (Abs. 1). Der Beklagte hat eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist (Abs. 2).

Eine derartige Leistungsaufhebung ist aus den Akten nicht ersichtlich und wurde von dem Beklagten auch nicht behauptet. Insofern hat es der Beklagte versäumt, fristgerecht eine entsprechende Leistungsaufhebung für Mai 2016 auszusprechen. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger einen Anspruch auf Auszahlung der für Mai 2016 gewährten Leistungen. Im Übrigen mangelt es auch an einer Mitteilung an den Kläger über die Zahlungseinstellung, wie Abs. 1 der Norm es fordert.

Die Leistungsklage ist hiernach vollumfänglich begründet.

Die Kostenfolge basiert auf § 193 SGG.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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published on 09/11/2010 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landes-sozialgerichts vom 17. März 2009 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Sc
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Annotations

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Soweit Zustellungen durch Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorgeschrieben sind, gelten die §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes. § 5 Abs. 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes und § 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind auf die nach § 73 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 bis 9 und Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes als Bevollmächtigte zugelassenen Personen entsprechend anzuwenden. Diese Vorschriften gelten auch, soweit Zustellungen durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vorgeschrieben sind.

(2) Für die übrigen Behörden gelten die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Zustellungsverfahren.

(1) Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen, wenn

1.
der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist,
2.
bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist oder
3.
sie im Fall des § 9 nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht.
Die Anordnung über die öffentliche Zustellung trifft ein zeichnungsberechtigter Bediensteter.

(2) Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung an der Stelle, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist, oder durch Veröffentlichung einer Benachrichtigung im Bundesanzeiger. Die Benachrichtigung muss

1.
die Behörde, für die zugestellt wird,
2.
den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsadressaten,
3.
das Datum und das Aktenzeichen des Dokuments sowie
4.
die Stelle, wo das Dokument eingesehen werden kann,
erkennen lassen. Die Benachrichtigung muss den Hinweis enthalten, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und Fristen in Gang gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste drohen können. Bei der Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung den Hinweis enthalten, dass das Dokument eine Ladung zu einem Termin enthält, dessen Versäumung Rechtsnachteile zur Folge haben kann. In den Akten ist zu vermerken, wann und wie die Benachrichtigung bekannt gemacht wurde. Das Dokument gilt als zugestellt, wenn seit dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung zwei Wochen vergangen sind.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits von einem familien- oder erbrechtlichen Verhältnis ab, so kann das Gericht das Verfahren solange aussetzen, bis dieses Verhältnis im Zivilprozeß festgestellt worden ist.

(2) Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist, so kann das Gericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen sei. Auf Antrag kann das Gericht die Verhandlung zur Heilung von Verfahrens- und Formfehlern aussetzen, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist.

(2a) Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ab von der Gültigkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Vorschrift, die nach § 22a Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, so kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Antragsverfahrens nach § 55a auszusetzen ist.

(3) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluß ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Die Agentur für Arbeit kann die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und wenn der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist. Soweit die Kenntnis nicht auf Angaben der Person beruht, die die laufende Leistung erhält, sind ihr unverzüglich die vorläufige Einstellung der Leistung sowie die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen, und es ist ihr Gelegenheit zu geben, sich zu äußern.

(2) Die Agentur für Arbeit hat eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.