Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 18. Juni 1990 - 1 Ss 238/89
Gericht
Principles
Amtliche Leitsätze
Keine Körperverletzung, sondern nur Beleidigung, wenn das Tatopfer angespuckt wird und das dadurch hervorgerufene Ekelgefühl “nicht erheblich" und “nach dem Abwischen (des Speichels) alsbald abgeklungen" war.
Tatbestand:
Der Angekl. trat an die Fahrerseite des Pkw des Zeugen ... und sagte durch das geöffnete Fahrerfenster hindurch: “Ist noch was?" Sodann spuckte er dem Zeugen ... ins Gesicht, so daß der Speichel von der Brille und der Wange auf die Oberbekleidung des Zeugen tropfte. Dieser ekelte sich aufgrund dessen. Das AG Pirmasens hat den Angekl. wegen Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung gem. §§ 185, 223, 52 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt und die Höhe eines Tagessatzes auf 50 DM festgesetzt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat die Kleine StrK des LG Zweibrücken verworfen.
Die zulässige Revision des Angekl. hatte einen Teilerfolg.
Entscheidungsgründe:
Die Kleine StrK hat diesen Sachverhalt als ein tateinheitliches Vergehen der Beleidigung und der vorsätzlichen Körperverletzung gewertet. Bei der Tat handelt es sich um eine Beleidigung nach § 185 Alt. 2 (mittels einer Tätlichkeit begangen) StGB (Lackner, StGB, 18. Aufl., § 185 Anm. 6; Rudolphi, in: SKStGB, 4. Aufl., § 185 Rdnr. 21). Dagegen erfüllt die Handlung nicht den Tatbestand einer vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 StGB. Zwar hat das RG in einer Entscheidung aus dem Jahre 1910 (GA 58, 184) entschieden, daß das Anspucken, wenn es geeignet sei, Ekel, also eine auf das körperliche Befinden störend wirkende Einwirkung, hervorzurufen, als Körperverletzung angesehen werden könne. Dieser Auffassung kann aber nicht gefolgt werden. Das Anspucken hat bei dem Zeugen ... nicht zu einer Gesundheitsbeschädigung geführt, weil er sich zwar ekelte, aber daraus kein weiterer pathologischer Zustand, wie etwa Übelkeit, resultierte. Der Zeuge ist auch nicht körperlich mißhandelt worden. Zwar stellt das Anspucken eine üble, unangemessene Behandlung dar, das körperliche Wohlbefinden wird aber nur unerheblich beeinträchtigt. Wie das LG hierzu festgestellt hat, war die Einwirkung “nicht erheblich und nach dem Abwischen alsbald abgeklungen”. Soweit in der Literatur die Frage genauer erörtert wird, vertreten Arzt-Weber (StrafR BT Lehrheft 1, 3. Aufl., Rdnr. 267) und Horn (in: SKStGB, 4. Aufl., § 223 Rdnrn. 7, 8) die Auffassung, daß Anspucken als Körperverletzung strafbar sei. Das wird damit begründet, daß auch ganz unerhebliche Einwirkungen auf den Körper eines anderen, soweit sie von einer Gesinnung getragen seien, die den Vorgang als üble unangemessene Behandlung charakterisiere, sich als Körperverletzung darstellten. Zutreffend wird dagegen von Maurach-Schroeder-Maiwald (StrafR BT Bd. 1, 7. Aufl., § 9 I 4) eingewendet, daß die Grenze zwischen Beleidigung und Körperverletzung verwischt werde, wenn die in dem Vorfall liegende besondere Kränkung die fehlende Erheblichkeit der körperlichen Einwirkung ersetzen könne. Hirsch (in: LK, 10. Aufl., § 223 Rdnr. 8) kommt auch zu dem Ergebnis, daß wegen fehlender körperlicher Einwirkung die nur ekelerregende Behandlung durch Anspucken nicht den Tatbestand der Körperverletzung erfülle. In der Tat liegt das Schwergewicht der Einwirkung beim Angespucktwerden in der Empörung über die besonders kränkende Behandlung, während das körperliche Wohlbefinden regelmäßig kaum tangiert ist. So würde ein Geschädigter, der ersichtlich versehentlich vom Speichel getroffen worden wäre, sich nicht als körperlich verletzt betrachten. Da der Angekl. demnach keine Körperverletzung begangen hat, war der Schuldspruch entsprechend zu berichtigen.
Der Angekl. hat sich nur wegen Beleidigung nach § 185 StGB strafbar gemacht. Zwar liegt die Strafe von 30 Tagessätzen Geldstrafe im untersten Bereich sowohl des Strafrahmens der Körperverletzung gem. § 223 I StGB, von dem die StrK ausgegangen ist, als auch des Strafrahmens des § 185 Alt. 2 StGB, aus dem die Strafe richtigerweise gewonnen werden muß. Sie erscheint angesichts des festgestellten Sachverhalts keineswegs unangemessen. Es ist indessen nicht auszuschließen, daß das Gericht, hätte es erkannt, daß die Tat nicht sowohl nach § 185 als auch nach § 223 in Tateinheit, sondern nur nach § 185 Alt. 2 StGB zu bestrafen ist, zu einem noch milderen Strafmaß gelangt wäre. Der Rechtsfolgenausspruch war deshalb mit den dazu getroffenen Feststellungen aufzuheben.
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Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.