Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 31. März 2010 - 4 L 447/08
Gericht
Gründe
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Der auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne der genannten Vorschrift; denn mit der Zulassungsschrift wird weder ein die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz noch eine für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 21.01.2009 - 1 BvR 2524/06 -; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, beide zit. nach juris).
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Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, der Anspruch des Beklagten auf einen Beitrag auf Grundlage seiner Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Verbesserung der zentralen Schmutzwasseranlage vom 29. November 1998 sei zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 26. März 2004 bereits erloschen gewesen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2b KAG LSA i. V. m. § 47 AO). Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der Beklagte den vom Kläger angefochtenen Beitragsbescheid über den Schmutzwasseranschluss an die zentrale öffentliche Abwasseranlage vom 13. Dezember 2002 (Herstellungsbeitrag) nicht durch den Widerspruchsbescheid vom 26. März 2004 aufgehoben und durch einen (neuen) Verbesserungsbeitragsbescheid ersetzt, sondern den Bescheid betreffend die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungsanlage ausdrücklich nur abgeändert habe mit der Folge, dass der Beitragsanspruch nicht erloschen ist.
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Unabhängig davon, dass sich der Wille des Beklagten, den Ausgangsbescheid lediglich zu ändern, bereits aus Nr. 1 des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2004 ergibt („abgeändert“), war der Beklagte hieran im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auch rechtlich nicht gehindert. Denn zum einen sind gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen, d. h. der Devolutiveffekt, der in Selbstverwaltungsangelegenheiten - wie hier - nur innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaft selbst besteht, führt zu einer erneuten umfassenden Kontrollkompetenz der Ausgangsbehörde als Widerspruchsbehörde: Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und ggf. aller Ermessenserwägungen befugt. Ausgangs- und Widerspruchsverfahren sind eine Einheit; denn Gegenstand der Anfechtungsklage ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (allgemeine Meinung, vgl. BVerwG, Urt. v. 17.05.1979 - BVerwG 2 C 4.78 -, zit. nach juris; z.B. Dolde, in: Schoch/A.-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 68 Rdnr. 36 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 68 Rdnr. 9 ff.).
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Zum anderen war der Beklagte auch nicht daran gehindert, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens die von dem Kläger geforderte Beitragsleistung, die nach seiner Auffassung zu Unrecht auf die Abgabensatzung vom 29. Oktober 1998 gestützt worden war, nunmehr auf einer anderen Grundlage, nämlich seiner (gesonderten) Verbesserungsbeitragssatzung vom 29. Oktober 1998 geltend zu machen; denn auf die gewählte Begründung eines Verwaltungsaktes und die angegebene Rechtsnorm kommt es nicht maßgeblich an, weil weder die Widerspruchsbehörde gehindert ist, im Vorverfahren ihre Begründung zu ändern, noch das Verwaltungsgericht auf die Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Gründe beschränkt ist, die der Beklagte im Verwaltungsverfahren angeführt hat. Insofern ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 19.08.1988 - BVerwG 8 C 29.87 -; BFH, Urt. v. 24.08.2004 - VII R 50/02 -, beide zit. nach juris), dass die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig ist, sich nach dem Recht richtet, das geeignet ist, seinen Spruch zu rechtfertigen. Erweist sich also der Spruch eines angefochtenen Verwaltungsaktes aus anderen Rechtsgründen, als die bisher angegeben, als rechtmäßig, ohne dass an dem Spruch etwas Wesentliches geändert zu werden braucht, dann ist der Verwaltungsakt, wenn sonst keine Rechtsfehler vorliegen, nicht rechtswidrig.
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So liegt es hier. Der (bestandskräftige) Beitragsbescheid vom 13. Dezember 2002 verlangte von dem Kläger eine bestimmte Beitragsleistung, die - insoweit hat der Kläger keine Zweifel geltend gemacht - auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i. V. m. der Verbesserungsbeitragssatzung des Beklagten vom 29. Oktober 1998 erhoben werden konnte. Kommt aber eine Beitragserhebung nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA in Betracht, ist - wenn und soweit eine Beitragspflicht entstanden ist - die Aufrechterhaltung des Herstellungsbeitragsbescheides als Verbesserungsbeitragsbescheid geboten, weil dadurch eine Wesensänderung des Bescheids nicht bewirkt wird (vgl. zum insoweit vergleichbaren Verhältnis zwischen Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 27.01.1982 - BVerwG 8 C 12.81 -, zit. nach juris; Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 41).
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Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
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wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
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der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist
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der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, - 2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
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vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
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die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.