Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 21. Apr. 2010 - 3 K 333/09
Gericht
Tatbestand
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Der Antragsteller wendet sich gegen die Gültigkeit der Verordnung des Antragsgegners über die Schulentwicklungsplanung vom 22. September 2009. Er ist Schulträger der Sekundarschulen in seinem Kreisgebiet, zu denen u. a. die Sekundarschulen in L., deren Jahrgangsstärke zwischen 120 und 180 Schülern liegt, und die Sekundarschule in Bad K., deren Jahrgangsstärke zwischen 141 und 177 Schülern schwankt, gehören.
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Mit der Verordnung zur Schulentwicklungsplanung (SEPl-VO LSA) vom 22. September 2009, bekannt gemacht in der Ausgabe des Gesetz- und Verordnungsblattes vom 30. September 2009 (GVBl. LSA S. 309), bestimmte der Antragsgegner zur Beurteilung der mittelfristigen Bestandsfähigkeit von Schulen als Bezugsgröße für die Schulentwicklungsplanung einen aus der Teilung der durchschnittlichen Jahrgangsstärke einer Schule und dem für Sekundarschulen auf 20 festgesetzten Richtwert zur Festlegung der Einzügigkeit zu bestimmenden Zügigkeitsrichtwert. Für die Regelzügigkeit von Sekundarschulen (Jahrgangsstufen 5 bis 10) bestimmte die Verordnung einen Zügigkeitsrichtwert von mindestens 2. Die danach notwendige Mindestschülerzahl von 240 darf an Einzelstandorten und an Mehrfachstandorten mit bis zu vier Sekundarschulen an einer Schule und an Standorten mit mindestens fünf Sekundarschulen an zwei Schulen jeweils um bis zu 60 unterschritten werden. Ferner können Sekundarschulen in den Landkreisen Altmarkkreis Salzwedel, Stendal, Jerichower Land, Wittenberg sowie in den Verwaltungsgemeinschaften der Stadt Z mit dem Einzugsgebiet Elbe-Ehle-Nuthe (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) und der Stadt E mit dem Einzugsgebiet Brocken-Hochharz (Landkreis Harz) ausgehend vom Gebietsstand vom 01. Juli 2007 fortgeführt werden, solange die Mindestschülerzahl von 120 nicht unterschritten wird.
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Mit dem am 22. September 2009 gestellten Normenkontrollantrag macht der Antragsteller geltend, die Verordnung sei ungültig, weil die Bestimmung von Mindestgrößen für die Aufrechterhaltung von Schulstandorten wegen des erheblichen Eingriffs in die Selbstverwaltungsrechte der Schulträger einer Regelung durch formelles Gesetz vorbehalten sei. Wenn bereits die Bestimmung eines Pflichtfachkataloges dem Gesetzgeber überlassen bleibe, so müsse entsprechendes erst Recht für die Bestimmung von Mindestschülerzahlen bei der Schulorganisation gelten, zumal Schulschließungen in die Rechte von Eltern und Schülern eingriffen. Jedenfalls hätten zur Vermeidung unverhältnismäßiger Belastungen durch Schulschließungen Überleitungsregelungen vorgesehen werden müssen. Die Ausnahmeregelung für die Standorte u. a. in der Altmark verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil die Bevölkerungsdichte allein kein taugliches Abgrenzungskriterium sei. Denn nach dem Gesetz seien zudem raumordnerische Belange zu berücksichtigen. Die Einbeziehung von Verwaltungsgemeinschaften in den Ausnahmekatalog sei sachwidrig, weil diese die Schließung einzelner Schulen wegen des kleineren Gebietszuschnitts besser verkraften könnten als Landkreise, die ggf. mehr als nur einen Standort aufgeben müssten. Die Verwaltungsgemeinschaft Brocken-Hochharz weise nur einen Bruchteil der Fläche des Antragstellers auf und komme dennoch in den Genuss der Ausnahmeregelung. Willkürlich sei auch die Ausnahmeregelung für Sekundarschulen an Mehrfach- und an Einzelstandorten. Ferner seien die Regelungen in der Verordnung zu unbestimmt. So lasse sich der Verordnung nicht entnehmen, ob der Begriff der Jahrgangsstärke auf die Schülerzahlen zu Beginn oder zum Ende des Schuljahres abstelle. Fraglich sei auch, ob die Fortschreibung jährlich oder in Zeiträumen von bis zu fünf Jahren zu erfolgen habe und ob die Jahrgangsstärke in letzterem Fall als Durchschnittswert mehrerer Jahrgänge ermittelt werden könne. Schließlich stünden die Regelungen über die Mindestschülerzahlen in einem unauflöslichen Widerspruch zu den Vorgaben für Schulstandortentscheidungen, nach denen für die Sekundarstufe I Schulstandorte in Grund-, Mittel- und Oberzentren vorgesehen seien.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung vom 22. September 2008 (GVBl. LSA 309) für unwirksam zu erklären.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er meint, der Antrag sei unzulässig, weil dem Antragsteller nur die Schulträgerschaft als eigene Aufgabe zugewiesen sei. Die Schulentwicklungsplanung sei eine staatliche Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises, so dass eine Verletzung eigener Rechte durch die Vorgaben in der Verordnung nicht in Betracht komme. Zudem hätten es die Schulträger in der Hand, im Bestand gefährdete Schulen aufzulösen oder durch Änderung der Schuleinzugsbereiche oder durch kreisübergreifende Kooperation mit anderen Schulträgern zu erhalten. Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis, weil bei einem Erfolg des Normenkontrollantrages wieder die durch die angegriffene Verordnung abgelöste, formell nicht aufgehobene Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung auflebe, die ein Unterschreiten der Mindestzahl von 240 Schülern nicht erlaube. Schließlich bestehe kein Bedürfnis, die Verordnung insgesamt für unwirksam zu erklären, weil sich der Antragsteller nach dem Inhalt der Begründung nur gegen die Regelungen über die Mindestgröße der Sekundarschulen wende. Der Antrag könne auch in der Sache keinen Erfolg haben, weil die Bestimmung von Schülermindestzahlen keine dem Gesetzgeber vorbehaltene wesentliche Entscheidung darstelle. Es handele sich nicht um Grundsätze der Schulentwicklungsplanung, sondern um Einzelanforderungen an die Schulgröße. Zudem sei die Verordnung in enger Abstimmung mit dem Landtag erlassen worden, dessen Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur die Landesregierung gebeten habe, bei der Schulentwicklungsplanung von regional differenzierten konkreten Planungsgrößen auszugehen. Die Verordnung stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff dar, weil Schulen bei Unterschreiten der Mindestschülerzahlen nicht sofort geschlossen werden müssten. Eine auslaufende Beschulung bleibe weiterhin zulässig. Die Ausnahmeregelungen für einzelne Landkreise und Verwaltungsgemeinschaften sei durch die geringere Einwohnerdichte gerechtfertigt. Die Stadt Z und das Umland seien außerordentlich dünn besiedelt. Ein Ausgleich durch eine Beschulung in anderen Teilen des Landkreises Anhalt-Bitterfeld sei unter Berücksichtigung einer zumutbaren Dauer der Schulbeförderung wegen der Trennung dieses Gebietes durch die Elbe nicht möglich. Entsprechendes gelte für den Oberharz. Die Regelungen seien auch hinreichend bestimmt, weil die Begriffe bereits durch die Vorgängerverordnung eingeführt und durch Anwendungshinweise des Antragsgegners hinreichend konkretisiert seien.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige Normenkontrollantrag ist unbegründet.
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1) Der Antrag ist zulässig.
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a) Der Antragsteller ist antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder ihre Anwendung in eigenen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde stellen.
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aa) Zwar mag fraglich erscheinen, ob der Antragsteller als juristische Person öffentlichen Rechts durch die Verordnung oder ihre Anwendung in eigenen Rechten verletzt sein kann, weil die Schulentwicklungsplanung nach § 22 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SchulG LSA eine staatliche Aufgabe ist, die der Antragsteller als Aufgabe des übertragenen Wirkungswirkungskreises i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 LKO LSA wahrzunehmen hat (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 16.07.2001 – 2 R 197/01 – Rdnr. 16 bis 18
).
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bb) Indes ist der Antragsteller als untere Verwaltungsbehörde (§ 5 Abs. 1 Satz 2 LKO LSA) antragsbefugt i. S. d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Eine Kommune kann die Prüfung der Gültigkeit einer von ihr nicht erlassenen, aber in ihrem Gebiet geltenden Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO beantragen, wenn sie die Vorschrift als Behörde zu beachten hat. Ihre Antragsbefugnis ist nicht davon abhängig, dass die zu beachtende Rechtsvorschrift die Kommune in ihrem Recht auf Selbstverwaltung konkret beeinträchtigt, weil § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zwischen natürlichen und juristischen Personen auf der einen Seite und Behörden andererseits als möglichen Antragstellern eines Normenkontrollverfahrens unterscheidet und nur für natürliche und juristische Personen zur Begründung der Antragsbefugnis die Darlegung verlangt, dass sie durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung eine Rechtsverletzung zu gegenwärtigen haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.03.1989 – 4 NB 10/88 – Rdnr. 11 ff.
).
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Bei der angegriffenen Verordnung handelt es sich um eine Norm, die im Kreisgebiet des Antragstellers gilt und von ihr bei der Wahrnehmung der ihm übertragenen Angelegenheiten der Schulentwicklungsplanung zu beachten ist.
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b) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners steht der Zulässigkeit des Antrages nicht entgegen, dass im Falle des Erfolgs des Normenkontrollantrages die zuvor geltende und durch die hier angegriffene Norm der Sache nach abgelöste, ausdrücklich indes nicht aufgehobene Verordnung zur Mittelfristigen Schulentwicklungsplanung (MitSEPl-VO LSA) vom 17. November 1999 (GVBl. LSA S. 356), zuletzt geändert durch Verordnung vom 05. Mai 2003 (GVBl. LSA S. 92), in ihrer Wirksamkeit wieder aufleben würde, die dem Antragssteller bei der Schulentwicklungsplanung noch striktere Vorgaben mache. Zwar entfällt das Rechtsschutzbedürfnis bei Normenkontrollanträgen von natürlichen oder juristischen Personen i. S. d. § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO, wenn der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht verbessern könnte und die Inanspruchnahme des Gerichts deshalb für ihn nutzlos erschiene (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.08.2007 – 3 S 274/06 – Rdnr. 22
). Dieser Gedanke kann indes auf Normenkontrollanträge von Behörden nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO so nicht übertragen werden, weil es bei einem von einer Behörde initiierten Normenkontrollverfahren nicht um den Schutz eigener „Rechte“ der Behörde geht. Das schützenswertes Interesse an der Durchführung des Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO besteht für eine Behörde darin, dass sie nach den durch die angegriffene Norm bewirkten rechtlichen Bindungen, über die sie nicht verfügen kann, in der Weise betroffen ist, als dass sie die Norm in ihrem amtlichen Geschäftsbereich anzuwenden hat (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, zu § 47 Rdnr. 79; Christoniakis, Das verwaltungsprozessuale Rechtsschutzinteresse, Berlin 2004, S. 260) und deshalb ein berechtigtes Interesse hat, Klarheit über diejenige objektive Rechtslage zu schaffen, die sich auf ihr Aufgabengebiet auswirken kann (BVerwG, Beschl. v. 11.08.1989 – 4 NB 23/89 – Rdnr. 7 = NVwZ 1990, 57 <58>).
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2) Der Antrag ist indes unbegründet, weil die Rechtsvorschrift nicht ungültig i. S. d. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist. Sie ist mit höherrangigem Gesetzes- und Verfassungsrecht vereinbar. Ermächtigungsgrundlage für die Verordnung ist § 22 Abs. 6 SchulG LSA. Danach ist der Antragsgegner als oberste Schulbehörde (§ 82 Abs. 2 SchulG LSA) ermächtigt, durch Verordnung (u. a.) zu regeln, welche Anforderungen unter raumordnerischen Gesichtspunkten an Schulstandorte und Schuleinzugsbereiche beziehungsweise Schulbezirke zustellen sind (§ 22 Abs. 6 Nr. 1 SchulG LSA), welche Größe die Schulen oder Teile von Schulen unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines differenzierten Unterrichts und regionaler Besonderheiten aufweisen sollen (§ 22 Abs. 6 Nr. 2 SchulG LSA) und zu bestimmen, wie die Einzugsbereiche und Standorte von Schulen der einzelnen Schulformen aufeinander abgestimmt werden sollen (§ 22 Abs. 6 Nr. 3 SchulG LSA).
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a) Die Verordnung ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht deshalb unwirksam, weil die Verordnungsermächtigung in § 22 Abs. 6 SchulG LSA ihrerseits wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip (Art. 2 Abs. 1 VerfLSA) nichtig ist. Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, die Bestimmung von Mindestgrößen für die Aufrechterhaltung von Schulstandorten bedürfe wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Selbstverwaltungsrecht des Schulträgers und wegen des mit einer Schulschließung verbundenen Eingriffs in die Rechte der Schüler und Eltern einer Regelung in einem formellen Gesetz und sei einer Delegation an den Verordnungsgeber nicht zugänglich.
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Im Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung ist die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger betreffen, der Entscheidung durch den parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten. Das Demokratieprinzip verbietet es, grundlegende Entscheidungen der Exekutive - der Schulverwaltung - zu überlassen. Die Bestimmung von Mindestschülerzahlen gehört nicht zu den wesentlichen Entscheidungen, die sich der Gesetzgeber zur Regelung in einem formellen Gesetz vorzubehalten hätte.
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Die Schulentwicklungsplanung dient – wie § 22 Abs. 1 SchulG LSA verdeutlicht – dazu, die planerischen Grundlagen für die Entwicklung eines regional ausgeglichenen und leistungsfähigen Bildungsangebotes im Land zu ermitteln und den Planungsrahmen für einen auch langfristig zweckentsprechenden Schulbau zu schaffen. Die Schulentwicklungsplanung nimmt damit nicht unmittelbar Entscheidungen über den Bestand von Schulstandorten vorweg, die geeignet wären, einen Grundrechtsbezug oder einen Bezug zur Schulträgerschaft als kommunaler Selbstverwaltungsaufgabe herzustellen. Die Schulentwicklungsplanungsverordnung soll nur gewährleisten, dass die Entscheidungen über den Bestand oder die Entwicklung von Schulstandorten planvoll und auf einer genügenden sachlichen Grundlage getroffen werden. Sie hat deshalb keinen unmittelbaren Grundrechtsbezug oder unmittelbare Auswirkungen auf die kommunale Selbstverwaltung, sondern allenfalls mittelbar Folgen für Schüler, Eltern und die Schulträger. Denn die Regelungen in der Schulentwicklungsplanungsverordnung überlassen es dem Schulträger, wie er auf eine sich nach dem Schulentwicklungsplan abzeichnende unzulängliche Auslastung einzelner Schulen reagiert. Es liegt in seiner Verantwortung zu entscheiden, ob er als Reaktion auf eine solche Entwicklung einen Schulstandort aufgibt oder ob er der sich abzeichnenden Entwicklung etwa durch eine Änderung des Schulbezirke oder Schuleinzugsbereiches (vgl. § 41 SchulG LSA) steuernd entgegenwirkt. Soweit der Antragsteller hierzu in der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, dass solche Steuerungselemente zur Vermeidung einer Schulschließung politisch nicht durchsetzbar und deshalb nicht praktikabel seien, bleibt dies ohne Erfolg, weil der fehlende ernsthafte Wille, von einer rechtlich offen stehenden Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, nicht dazu führt, dass dem Schulträger nach der gebotenen rechtlichen Betrachtungsweise durch die Vorgaben in der Schulentwicklungsplanungsverordnung kein eigener Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Frage verbliebe, ob und wie er auf die Ergebnisse der Schulentwicklungsplanung reagiert.
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Soweit der Antragsteller auf die Antragserwiderung geltend gemacht hat, die vom Antragsgegner hervorgehobene mehrfache und eingehende Befassung des Landtages mit den Grundsätzen der Schulentwicklungsplanung sei ein Hinweis darauf, dass auch der Landtag die Schulentwicklungsplanung für eine grundlegende Angelegenheit halte, ändert dies nichts. Welche Gegenstände wesentlich sind und deshalb einer Regelung durch ein Gesetz im formellen Sinne vorbehalten sind, hängt davon ab, ob und welchen Grundrechtsbezug die Regelung aufweist und nicht davon, ob der Landtag oder einer seiner Ausschüsse einen Gegenstand für wesentlich hält. Abgesehen davon ist die Befassung des Landtages mit einem Regelungsgegenstand bereits deshalb ungeeignet, Rückschlüsse auf die Wesentlichkeit des Gegenstandes zuzulassen, weil dem Parlament nicht einzig die Funktion zugewiesen ist, durch den Erlass von Gesetzen die grundlegenden Entscheidungen selbst zu treffen. Neben der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt (Art. 41 Abs. 1 Satz 2 VerfLSA) ist dem Parlament gegenüber der Regierung und Exekutive eine Kontrollfunktion zugedacht.
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b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers verstößt die angegriffene Verordnung nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1 VerfLSA).
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aa) Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, die Verordnung hätte zur Vermeidung unverhältnismäßiger Belastungen, die eine Schulschließung sowohl für Schulträger als auch für Eltern und Schüler bedeute, Überleitungsregelungen vorsehen müssen, um eine auslaufende Beschulung zu ermöglichen. Die Regelungen in der angegriffenen Verordnung enthalten keine Regelung dazu, dass eine Schule, die die Mindestschülerzahl nicht mehr erreicht, zwingend und übergangslos zu schließen ist. Fehlt es daran, so bedarf es auch keiner Überleitungsregelungen zur Vermeidung unverhältnismäßiger Belastungen. Die Verordnung gibt nur den Rahmen dafür vor, dass die Schulentwicklungsplanung orientiert an den Zielen des § 22 Abs. 1 SchulG LSA im Land nach einem einheitlichen Rahmen vollzogen wird. Zu Recht macht der Antragsgegner geltend, dass ein Unterschreiten der Mindestschülerzahl nicht als automatische Folge die Schließung der Schule nach sich zieht. Es liegt und bleibt in der Verantwortung des Schulträgers, der eine solche Entwicklung auf der Grundlage der Schulentwicklungsplanung absieht, zu entscheiden, ob er den Standort aufgibt oder der Entwicklung der Schülerzahlen durch geeignete organisatorische Maßnahmen, wie der Änderung von Schulbezirken oder Schuleinzugsbereichen entgegenwirkt (s. o.).
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Allerdings bestimmt die Verordnung zur Bildung von Anfangsklassen und zur Aufnahme an allgemeinbildenden Schulen (im Folgenden: ABSchulAufnV LSA) vom 08. Februar 2006 (GVBl. LSA S. 62), dass zur Bildung von Anfangsklassen für Sekundarschulen Mindestjahrgangsstärken erreicht sein müssen. Die Mindestjahrgangsstärke beträgt bei Mehrfachstandorten 40 Schüler (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ABSchulAufnV LSA). Bei sechs Schuljahrgängen einer Schule der Sekundarstufe I (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 SchulG LSA) ergibt dies die nach der Schulentwicklungsplanungsverordnung im Grundsatz verlangte Mindestschülerzahl von 240. Für Einzelstandorte und für Einzelstandorte in dünn besiedelten Gebieten beträgt die Mindestjahrgangsstärke 20 und steht unter dem weiteren Vorbehalt, dass die insoweit mit den Vorgaben der Schulentwicklungsplanungsverordnung mit einer Mindestschülerzahl von 180 für Einzelstandorte (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 SEPl-VO LSA) und 120 für Einzelstandorte in den dünn besiedelten Gebieten i. S. d. §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 ABSchulAufnV LSA, 4 Abs. 3 Nr. 3 SEPl-VO LSA nicht unterschritten werden (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b und c ABSchulAufnV LSA). Diese mit den Regelungen in der Schulentwicklungsplanungsverordnung kongruenten Regelungen in der ABSchulAufnV LSA führen dazu, dass bei Unterschreiten einer Jahrgangsstärke keine neuen Anfangsklassen gebildet werden dürfen. Auch diese Regelungen aber ermöglichen es, dass die bereits eingerichteten höheren Klassenstufen eingerichtet bleiben. Sie ermöglichen mit anderen Worten die auslaufende Beschulung der Schüler, die der Antragsteller zur Vermeidung von Härten als rechtlich geboten erachtet.
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bb) Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind die Regelungen in der Verordnung nicht zu unbestimmt. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert von einem Normgeber, seine Regelungen so genau zu fassen, dass der Normadressat die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen in zumutbarer Weise zu erkennen und sein Verhalten darauf einrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen; allerdings müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. OVG LSA, Urt. v. 17.03.2010 – 3 K 319/09 – m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Verordnung.
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Der Einwand des Antragstellers, es lasse sich der Verordnung nicht entnehmen, ob bei der Bestimmung der Jahrgangsstärke auf die Schülerzahlen zu Beginn oder zum Ende eines Schuljahres abzustellen sei, greift nicht durch. Die Schulentwicklungsplanung dient der mittel- und langfristigen Planung. Als Planungsgrundlage werden nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 SEPl-VO LSA zur Bestimmung einer langfristigen Auslastung die schuljahresbezogenen Schülerzahlen auf der Basis der statistisch nachweisbaren Geburtsjahrgänge ermittelt.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist anhand der Regelungen in der Verordnung genügend deutlich zu bestimmen, in welchen Zeiträumen die Schulentwicklungspläne fortzuschreiben sind. Nach § 22 Abs. 4 Satz 3 SchulG LSA sind Schulentwicklungspläne mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen und fortzuschreiben. Unabhängig davon sind sie nach § 22 Abs. 4 Satz 4 SchulG LSA fortzuschreiben, wenn hinreichende Gründe eine Änderung des vorliegenden genehmigten Schulentwicklungsplans erfordern. Ferner ist der Schulentwicklungsplan jährlich jeweils zum 31. Dezember fortzuschreiben, wenn die Bestandfähigkeit einzelner Schulen nicht mehr gegeben ist (vgl. § 7 Abs. 7 SEPl-VO LSA).
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Ebenfalls klar geregelt ist, ob es bei einer sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckenden Schulentwicklungsplanung zulässig ist, die Jahrgangsstärke als einen Durchschnittswert aus mehreren Jahrgängen zu ermitteln. Denn nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 SEPl-VO LSA sind die Vorausberechnungen der Schülerzahlen schuljahresbezogen darzustellen.
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Schließlich stehen die Regelungen über die Mindestschülerzahlen nach § 4 SEPl-VO LSA nicht – wie der Antragsteller meint – in einem unauflöslichen Widerspruch zu den raumordnerischen Anforderungen an Schulstandorte in § 2 SEPl-VO LSA. § 4 SEPl-VO LSA betrifft die Frage, welche Größe eine Schule bemessen nach der durchschnittlichen Jahrgangsstärke aufweisen muss. Diese Bestimmung betrifft mithin die Frage, ob ein Schulstandort mittel- und langfristig eine für die Aufrechterhaltung hinreichende Größe aufweist. § 2 SEPlVO LSA hingegen bestimmt unter raumordnerischen Gesichtspunkten, wo Schulstandorte ausgewiesen werden.
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c) Die Ausnahmeregelungen in § 4 Abs. 3 SEPl-VO LSA verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz.
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aa) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Ausnahmeregelung für Standorte in den Landkreisen Altmarkreis Salzwedel, Stendal, Jerichower Land und Wittenberg sowie in den Verwaltungsgemeinschaften in den Gebieten der Stadt Z mit dem Einzugsgebiet Elbe-Ehle-Nuthe (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) und der Stadt E mit dem Einzugsbereich Brocken-Hochharz (Landkreis Harz) durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
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Nach § 22 Abs. 6 Nr. 2 SchulG LSA ist die oberste Schulbehörde ermächtigt, durch die Verordnung die Größe der Schulen unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines differenzierten Unterrichtsund regionaler Besonderheiten zu bestimmen.
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Der Antragsgegner hat mit der Antragserwiderung aufgezeigt, dass die Landkreise, in denen Sekundarschulen an Einzelstandorten abweichend von der im Übrigen geltenden Mindestschülerzahl von 240 fortgeführt werden, solange die Mindestschülerzahl von 120 nach dem Gebietsstand vom 01. Juli 2007 (§ 5 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SEPl-VO LSA) nicht unterschritten wird, nach der demographischen Entwicklung im Jahr 2020 eine signifikant geringere Einwohnerdichte aufweisen werden, als etwa der Antragsteller. So liegt die Einwohnerdichte im Landesdurchschnitt (ohne Berücksichtigung der Landehauptstadt Magdeburg und der kreisfreien Städte Halle und Dessau-Roßlau bei 100 Einwohnern je km². Die Einwohnerdichte in den Landkreisen, in denen eine Unterschreitung der Mindestschülerzahlen auf die Hälfte hingenommen wird, liegt zwischen 41 Einwohnern je km² im Altmarkkreis Salzwedel und 74 Einwohnern je km² im Landkreis Wittenberg und damit deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Das rechtfertigt es, eine Unterschreitung der Mindestschülerzahlen hinzunehmen, um auch in dünn besiedelten Gebieten zu gewährleisten, dass nicht durch Schließung von Schulstandorten Schulwege entstehen, die das Maß des den Schülern und Eltern Zumutbaren überschreiten.
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Entsprechendes gilt für die Privilegierung der Verwaltungsgemeinschaften der Stadt Z mit dem Einzugsgebiet Elbe-Ehle-Nuthe im Landkreis Anhalt-Bitterfeld und die Stadt E mit dem Einzugsbereich Brocken-Hochharz im Landkreis Harz. Beide Regionen weisen eine signifikant unter dem Landesdurchschnitt liegende Einwohnerdichte auf. Eine Beschulung an anderen Standorten außerhalb dieser Regionen stehen regionale Besonderheiten, die der Verordnungsgeber nach § 22 Abs. 6 Nr. 2 SchulG LSA zu berücksichtigen hat, entgegen. Hinsichtlich der Region um Z gilt dies, weil diese von dem weiteren Gebiet des Landkreises Anhalt-Bitterfeld durch die Elbe getrennt und unter Berücksichtigung einer zumutbaren Dauer der Schülerbeförderung nur über saisonal eingeschränkt zuverlässig nutzbare Fährverbindungen erreichbar ist. Für die Region Brocken-Hochharz gilt dies wegen der besonderen geographischen und meteorologischen Verhältnisse, die insbesondere in den Wintermonaten wegen der ungünstigen Witterungsbedingungen und Straßenverhältnisse zu einer Überschreitung der als zumutbar angesehenen Schülerbeförderungsdauer von 60 Minuten je Fahrstrecke führen.
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bb) Die Ausnahmeregelungen in § 4 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SEPl-VO LSA zugunsten von Schulen an Einzel- und Mehrfachstandorten ist ebenfalls nicht willkürlich. Den Ausnahmen an Einzelstandorten liegt erkennbar zugrunde, dass dort eine Schulschließung vermieden werden soll, wo die Mindestschülerzahl zwar nicht erreicht wird, aber nicht unter 180 absinkt, um für Einzelstandorte einen zusätzlichen Puffer zu schaffen. Erkennbarer Zweck der Regelung ist es, den Schülern und den Eltern die mit einer Schulschließung einhergehenden Belastungen erst aufzuerlegen, wenn die Schülerzahlen signifikant unter die Mindestschülerzahlen hinaus absinken. Anderes für Mehrfachstandorte vorzusehen ist deshalb nicht willkürlich, weil die mit der Schließung einer Schule an einem Mehrfachstandort verbundenen Belastungen für Schüler und Eltern typischerweise nicht das Gewicht haben, wie bei der Schulschließung an einem Einzelstandort. Denn bei einem Mehrfachstandort kann der Schüler der zu schließenden Schule an eine Schule am selben Standort ausweichen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
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Annotations
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
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von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - 2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.
(2a) (weggefallen)
(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.
(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.
(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.
(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.