Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Feb. 2015 - 2 O 9/15

ECLI: ECLI:DE:OVGST:2015:0217.2O9.15.0A
published on 17/02/2015 00:00
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Feb. 2015 - 2 O 9/15
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Gründe

1

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil das Verfahren vor der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch bereits durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden ist.

2

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt regelmäßig nicht mehr in Betracht, wenn das Verfahren in der Hauptsache bereits beendet ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 13.10.2011 – 2 O 108/11 –, juris m.w.N.). Dies folgt insbesondere aus der Beschränkung auf eine „beabsichtigte" Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und der Funktion der Prozesskostenhilfe, einer bedürftigen Partei den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz zu ermöglichen. Demgegenüber hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht die Aufgabe, finanziell bedürftige Personen für prozessbedingte Kosten bzw. dafür eingegangene Verpflichtungen nachträglich zu entschädigen. Eine rückwirkende Gewährung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss des Verfahrens ist allerdings aus Gründen der Billigkeit in besonders gelagerten Einzelfällen angebracht. Sie kann ausnahmsweise in Fällen geboten sein, in denen die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung zu einem früheren Zeitpunkt, als die Rechtsverfolgung noch beabsichtigt war, vorgelegen haben und es lediglich in Folge eines Versäumnisses des Gerichts nicht zu einer rechtzeitigen Entscheidung über den Bewilligungsantrag gekommen ist (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 24.08.2011 – 1 O 128/11 –, juris). Gleiches gilt, wenn der Kläger vor dem Wegfall der Rechtshängigkeit alles ihm Zumutbare getan hat, um eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu erreichen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 20.05.2014 – 11 PA 186/13 –, juris RdNr. 8).

3

Hiernach kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugunsten der Klägerin nicht in Betracht. Im Zeitpunkt der Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch am 28.11.2014 ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren bereits beendet gewesen. Der Rechtsstreit ist durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten vom 07.10.2014 und 23.10.2014 beendet worden.

4

Es ist auch nicht aus Gründen der Billigkeit geboten, ausnahmsweise rückwirkend Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe lagen auch vor der Beendigung des Verfahrens durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht vor, denn die Klage hatte keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie war gegen den falschen Beklagten gerichtet. Richtiger Beklagte für die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bzw. Duldung war der Landkreis Saalekreis. Die Klage war jedoch gegen die Widerspruchsbehörde – den Beklagten – gerichtet. Damit konnte sie keinen Erfolg haben.

5

Das Verwaltungsgericht hat auch nicht – wie die Klägerin meint – gegen die aus § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO folgende Verpflichtung zur Aufforderung zur Ergänzung der Klageschrift verstoßen. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand bezeichnen. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht in vollem Umfange, so hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Diesen rein formellen Anforderungen genügte die Klage der Klägerin jedoch. Weitergehende materiell-rechtlich bedingte Ergänzungen hat die Vorschrift demgegenüber nicht im Blick (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.05.1991 – 2 BvR 170/85 –, juris RdNr. 11).

6

Es bedarf keiner Vertiefung, ob das Verwaltungsgericht mit dem – möglicherweise missverständlichen – Hinweis vom 24.07.2014 seiner Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO entsprochen hat. Gemäß § 86 Abs. 3 VwGO hat der Vorsitzende unter anderem darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt bzw. unklare Anträge erläutert werden. Durch die in dieser Vorschrift zur Pflicht gemachten Hinweise müssen die Verwaltungsgerichte aufgrund ihres besseren Überblicks dem Kläger bei der Rechtsverfolgung behilflich sein und ihm den rechten Weg weisen, wie er im Rahmen der jeweils gegebenen Möglichkeiten das erstrebte Ziel am besten und zweckmäßigsten erreichen kann. Die Hinweispflicht umfasst je nach der Lage des Einzelfalles auch den Hinweis auf solche als sachdienlich angesehene Anträge, die nur im Rahmen der Klagänderung in den anhängigen Rechtsstreit eingeführt werden können. Ist der Kläger anwaltlich vertreten, so ist die Belehrungspflicht ihrem Umfang nach zwar geringer als sonst; sie ist jedoch nicht etwa von vornherein ausgeschlossen. Die Unterlassung einer Anregung zur Änderung eines Klagantrages stellt einen Verfahrensmangel dar, wenn sich eine solche Anregung dem Vorsitzenden nach der eindeutigen Sach- und Rechtslage aufdrängen musste (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.05.1991 – 2 BvR 170/85 – a.a.O. RdNr. 12). Es kann offen bleiben, ob der Vorsitzende hiernach verpflichtet war, die anwaltlich vertretene Klägerin darauf hinzuweisen, dass ihr Klageziel nur mit einer Klage gegen den Landkreis Saalekreis, nicht aber mit einer Klage gegen das Landesverwaltungsamt erreicht werden kann, und damit einen Wechsel des Beklagten anzuregen, der auch nach Ablauf der Klagefrist noch möglich gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.01.1993 – BVerwG 7 B 158.92 –, juris). Selbst wenn eine dahingehende Verpflichtung des Vorsitzenden anzunehmen wäre, würde hierin allenfalls ein im vorliegenden Zusammenhang nicht relevanter Verfahrensmangel liegen. Eine Verpflichtung zur rückwirkenden Gewährung von Prozesskostenhilfe ließe sich hieraus nicht ableiten.

7

Die Klägerin hat auch nicht alles ihr Zumutbare getan, um eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag noch vor Wegfall der Rechtshängigkeit zu erreichen. Sie hat zwar mit Schriftsatz vom 07.10.2014 gebeten, eine Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch zu treffen, jedoch zugleich den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Sie hätte eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag noch vor Wegfall der Rechtshängigkeit dadurch erreichen können, dass sie die Erledigungserklärung erst nach einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag abgibt. Hat es der bedürftige Prozessbeteiligte selbst in der Hand, eine Entscheidung des Gerichts zum Prozesskostenhilfeantrag zu erreichen, bevor die Rechtshängigkeit wegfällt, ist für Billigkeitserwägungen kein Raum (vgl. OVG MV, Beschl. v. 03.06.2005 – 1 O 55/05 –, juris RdNr. 9 ff.). So liegt es hier. Die Klägerin hätte das Gericht darum ersuchen können, über das Prozesskostenhilfegesuch vor Abgabe einer Erledigungserklärung zu entscheiden.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka
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published on 23/12/2015 00:00

Gründe 1 Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil das Verfahren vor der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch bereits durch überei
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Annotations

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 60 entsprechend.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.