Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 27. Okt. 2014 - 6 B 10777/14
Gericht
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 21. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die mit ihr dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, führen nicht zu einem von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Ergebnis. Der Antragsteller kann im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zuweisung eines Studienplatzes im Masterstudiengang Psychologie nach den Verhältnissen des Sommersemesters 2014 nicht verlangen.
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1. Der angefochtene Beschluss bringt zutreffend zum Ausdruck, dass die Lehrangebotsberechnung nicht um die Lehraufträge zu erhöhen ist, die in den auslaufenden Studiengängen Psychologie (Diplom) bzw. Psychologische Psychotherapie (Staatsexamen) erbracht wurden. Nach § 10 Satz 1 KapVO werden als Lehrauftragsstunden (nur) die Lehrveranstaltungsstunden, die nicht auf einer Regellehrverpflichtung beruhen, in die Berechnung einbezogen, die der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern im Durchschnitt je Semester zur Verfügung gestanden haben. Der „Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO“ bezieht sich indessen auf den „jeweiligen Studiengang“, wie § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KapVO ausdrücklich bestimmen. Bei dem Masterstudiengang Psychologie handelt es sich aber um einen anderen Studiengang als den Studiengang Psychologie (Diplom) bzw. den Studiengang Psychologische Psychotherapie (Staatsexamen). Dass diese Studiengänge sämtlich der Lehreinheit Psychologie zugeordnet sind, weil sie i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 KapVO bei dieser Lehreinheit jeweils den überwiegenden Teil ihrer Lehrveranstaltungsstunden nachfragen, ist für den Umfang des Ausbildungsaufwands des jeweiligen Studiengangs i.S.d. § 13 Abs. 1 KapVO nicht von Bedeutung (vgl. auch Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 10 KapVO Rn. 3). Soweit das OVG Berlin-Brandenburg (5 NC 5.09, juris; 5 NC 84.08, juris) und das VG Osnabrück (1 C 15/11, juris) eine hiervon abweichende Auffassung vertreten, folgt ihnen der Senat angesichts der eindeutigen Formulierungen der erwähnten kapazitätsrechtlichen Bestimmungen nicht.
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2. Anders als der Antragsteller meint, ist die Berechnung der Schwundquote nicht deswegen zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin für das WS 2011/12 von 82 Studierenden im 1. Fachsemester ausgeht. Nach der Rechtsprechung des Senats (6 B 10261/09.OVG, DVBl 2009, 800, esovgrp, juris) ist Ausgangspunkt der Schwundberechnung grundsätzlich der Anfangsbestand einer jeden Semesterkohorte, also die Zahl der tatsächlich aufgenommenen Studienanfänger (vgl. VGH BW, NC 9 S 1792/08, juris). Bleibt diese Zahl jedoch hinter der in der Hochschul-Zulassungszahl-Verordnung für das 1. Fachsemester festgesetzten Zulassungszahl zurück, stellt diese Zulassungszahl den Anfangsbestand dar (vgl. HessVGH, Fa 11 G 117/91 T, juris; Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, Rn. 6 zu § 16 KapVO). Sie ist gegebenenfalls um die Anzahl der Studierenden zu erhöhen, die ihre Studienzulassung außerhalb der normativ festgesetzten Kapazität aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung erlangen (vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 2, 2013, Rn. 704 ff.). Nach diesen Maßstäben wurden im WS 2011/12 zunächst 62 Studierende im 1. Fachsemester immatrikuliert. Diese Zahl erhöhte sich in der Folgezeit – aufgrund gerichtlicher Vergleiche – um 20 auf insgesamt 82. Da diese Gesamtzahl nicht hinter der mit Verordnung festgesetzten Zulassungszahl von 72 zurückbleibt, ist der Anfangsbestand zutreffend mit 82, also dem höheren Wert, angenommen worden. Die Zulassungszahl von 72 war – anders als mit der Beschwerde vorgetragen – nicht um 20 auf 92 zu erhöhen, weil die nach vergleichsweiser Einigung der seinerzeitigen Beteiligten vergebenen 20 Plätze keine gerichtlich ausgesprochenen Zulassungen zur erschöpfenden Nutzung teilweise „verschwiegener“ Ausbildungskapazität darstellen.
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3. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass der Senat der Antragsgegnerin mit Satzung vom 1. Februar 2013 die Zulassungszahl im Masterstudiengang Psychologie mit klinisch-gesundheitsbezogenem Schwerpunkt auf jeweils 20 für das Wintersemester 2013/14 und das Sommersemester 2014 „vorab“ festgesetzt hat.
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Bei der Bestimmung einer Anteilquote eines einer Lehreinheit zugeordneten Studiengangs besitzt die Hochschule einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum, da sich weder aus § 12 Abs. 1 KapVO noch aus dem grundrechtlichen Kapazitätserschöpfungsgebot materielle Kriterien für die Verteilung der Gesamtaufnahmekapazität auf die zur Lehreinheit gehörenden Studiengänge ergeben. Das Gebot der erschöpfenden Nutzung des Lehrangebots verlangt lediglich, dass die Anteilquoten nicht willkürlich oder gezielt kapazitätsvernichtend, sondern anhand sachlicher Kriterien festgelegt werden (vgl. OVG Bremen, 2 B 428/09, juris). Die in § 12 KapVO vorgesehene Bildung von Anteilquoten ist nämlich ein Ausdruck der staatlichen Befugnis, die für die Hochschulausbildung eingesetzten Mittel aufgrund bildungsplanerischer Erwägungen für bestimmte Studiengänge zu „widmen“ (vgl. BVerfG, 1 BvF 1/76, BVerfGE 43, 291 <327>, NJW 1977, 569, juris; BVerwG, 7 C 15.88, NVwZ-RR 1990, 349, juris; BayVGH, 7 CE 07.10003, juris). Gemessen daran und angesichts des Bewerberüberhangs im Bachelorstudiengang hält sich die „Vorabentscheidung“ der Antragsgegnerin, jährlich 80 Master-Studienplätze Psychologie festzusetzen, im Rahmen dieser „Widmungsbefugnis“.
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4. Der Beschwerde ist auch insoweit nicht zu folgen, als gerügt wird, durch die „Vorabentscheidung“ würden im Falle „verschwiegener“ Studienplätze im gerichtlichen Verfahren aufgedeckte Kapazitäten ausschließlich an Bewerber um einen Studienplatz im Bachelorstudiengang Psychologie vergeben. Denn die Kapazitätsverordnung geht für Berechnungszwecke davon aus, dass die Lehrangebote der Lehrpersonen in einer Lehreinheit untereinander austauschbar sind (sog. "horizontale Substituierbarkeit"). Weil das von der Lehreinheit bereitgestellte Lehrangebot unabhängig von den lehreinheitsinternen Grenzen der unterschiedlichen Fächer, aus denen die Lehreinheit besteht, ermittelt wird, wirken sich etwaige fachliche Engpässe innerhalb einer Lehreinheit auf die Höhe der Zulassungszahl nicht aus, weil ein knappes Lehrangebot in einem Fach der Lehreinheit durch das reichlicher vorhandene Lehrangebot in den anderen Fächern ausgeglichen wird (BVerwG, 7 C 15.88, NVwZ-RR 1990, 349, juris). Dies hat im Falle frei gebliebener Kapazitäten in einzelnen Studiengängen einer Lehreinheit bei gleichzeitiger Überbeanspruchung eines anderen Studiengangs der Lehreinheit zur Folge, dass sich das Kapazitätserschöpfungsgebot insoweit gegenüber der staatlichen Widmungsbefugnis in Gestalt der Anteilquoten durchsetzt, als nur durch die Berücksichtigung der gerichtlichen Rechtsschutz suchenden Bewerber verhindert werden kann, dass freigebliebene Studienplätze endgültig ungenutzt bleiben (HambOVG, 3 Nc 163/11, NordÖR 2013, 343). Mit anderen Worten: Trotz „Vorabentscheidung“ der Antragsgegnerin über die Zulassungszahl im Masterstudiengang Psychologie können Bewerber um einen solchen Studienplatz in einem gerichtlichen Verfahren Erfolg haben, auch wenn bereits so viele Studierende wie „vorab“ festgelegt zugelassen sind (vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 2, 2013, Rn. 538). Wird nämlich in einem solchen Verfahren, das ein Bewerber um einen Studienplatz in einem Masterstudiengang Psychologie betreibt, ein „verschwiegener“ Studienplatz in der Lehreinheit Psychologie ermittelt, der nicht kapazitätserschöpfend (z. B. durch zulässige Überbuchung oder aufgrund gerichtlichen Vergleichs) vergeben ist und der nicht vorrangig von einem Bewerber des Bachelor-Studiengangs beansprucht werden kann, ist dieser Platz dem Bewerber um einen Studienplatz in einem Masterstudiengang Psychologie (vorläufig) zuzuweisen, ggf. nach den Verteilungskriterien des Senats (vgl. 6 D 11965/02.OVG, NVwZ-RR 2003, 502, esovgrp).
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Ein solcher freier Studienplatz in der Lehreinheit Psychologie steht allerdings nicht zur Verfügung. Vielmehr ist die vom Verwaltungsgericht zutreffend ermittelte Jahreskapazität von 234 Studienplätzen erschöpft. Von den davon auf den Bachelor-Studiengang entfallenden 154 Plätzen wurden im Wintersemester 2013/14 insgesamt 83 (74 festgesetzte zzgl. 6 überbuchte zzgl. 3 aufgrund Vergleichs) und im Sommersemester 2014 zunächst 58 und sodann aufgrund verwaltungsgerichtlicher Beschlüsse zusätzlich 13 Studienplätze vergeben, wie die Antragsgegnerin mit dem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 23. Oktober 2014 belegt hat.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
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vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
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die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.