Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 21. März 2016 - 10 B 10215/16

ECLI: ECLI:DE:OVGRLP:2016:0321.10B10215.16.0A
published on 21/03/2016 00:00
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 21. März 2016 - 10 B 10215/16
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Februar 2016 wird das Verwaltungsgericht angewiesen, dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers durch auf dessen Kosten zu fertigende Ablichtungen Einblick in den Entscheidungsvorschlag vom 13. Oktober 2015 sowie die Stellungnahme zur fachlichen Eignung der Bewerber/Bewerberinnen vom 30. September 2015 zu gewähren, soweit hiervon der Antragsteller und der Beigeladene betroffen sind. Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers durch auf dessen Kosten zu fertigende Ablichtungen Einblick in die letzte dienstliche Beurteilung des Beigeladenen zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen haben Antragsteller und Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen.

Gründe

1

I. Die Beschwerde ist zulässig, da mit ihr keine prozessleitende Verfügung im Sinne des § 146 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – angefochten wird (vgl. OVG RP, Beschluss vom 8. Dezember 1995 – 2 E 13607/95.OVG –).

2

II. Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der Antragsteller kann lediglich verlangen, dass seinem Prozessbevollmächtigten durch auf seine Kosten zu fertigende Ablichtungen Einblick in den Entscheidungsvorschlag vom 13. Oktober 2015 sowie die Stellungnahme zur fachlichen Eignung der Bewerber/Bewerberinnen vom 30. September 2015 gewährt wird, soweit hiervon der Antragsteller und der Beigeladene betroffen sind (1.). Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers durch auf dessen Kosten zu fertigende Ablichtungen Einblick in die letzte dienstliche Beurteilung des Beigeladenen zu gewähren (2.). Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat als Organ der Rechtspflege das Recht des Beigeladenen auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren, indem er die Ablichtungen vertraulich behandelt und nach Abschluss des Verfahrens vernichtet (3.).

3

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst der Bewerberverfahrensanspruch zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes die Pflicht des Dienstherrn, die maßgeblichen Auswahlerwägungen in einem Besetzungsvermerk zu dokumentieren, damit sie dem Antragsteller eines gerichtlichen Konkurrentenstreitverfahrens gemäß § 100 VwGO im erforderlichen Umfang zugänglich gemacht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 –, juris Rn. 20 f., Beschluss vom 5. September 2007 - 2 BvR 1855/07 –, juris Rn. 10). Da das Akteneinsichtsrecht nur der Wahrnehmung effektiven Rechtsschutzes dient und zudem das Recht der Bewerber auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten ist, kann sich die Akteneinsicht in den Fällen, in denen die Auswahlentscheidung ausschließlich auf einem Leistungsvergleich zwischen dem ausgewählten Beigeladenen und den jeweiligen Mitbewerbern beruht, grundsätzlich nur auf die Teile des Besetzungsvermerks erstrecken, die sich auf den Antragsteller und den Beigeladenen des gerichtlichen Konkurrentenstreitverfahrens beziehen. Denn da der Dienstherr nach dem Besetzungsvermerk von einem Vergleich aller Bewerber untereinander und damit von einer Reihung der nicht zum Zuge gekommenen Bewerbern abgesehen hat, obsiegt der Antragsteller, wenn die Auswahlentscheidung im Verhältnis zum Beigeladenen fehlerhaft ist. Es ist dann nämlich nicht ausgeschlossen, dass er - der Antragsteller - in einem neuen Auswahlverfahren berücksichtigt wird, weil ihm im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der ursprünglichen Auswahlentscheidung auch nicht hilfsweise entgegengehalten werden kann, jedenfalls ein anderer Bewerber als der Beigeladene sei ihm vorzuziehen.

4

Einsicht in die Auswahlerwägungen, welche weitere, nicht am gerichtlichen Verfahren beteiligte Bewerber betreffen, ist aber ausnahmsweise zu gewähren, wenn der Dienstherr den ausgewählten Beigeladenen nicht nur jeweils mit den einzelnen Mitbewerbern verglichen, sondern auch einen Leistungsvergleich aller Konkurrenten untereinander angestellt und dabei eine Reihenfolge der Bewerber gebildet hat. In diesem Fall besteht nämlich die Möglichkeit, dass ein Antragsteller, obwohl er im gerichtlichen Verfahren die Verletzung seines Bewerberverfahrensanspruchs glaubhaft gemacht hat, unterliegt, weil einem anderen, nicht verfahrensbeteiligten Mitbewerber nach der vom Dienstherrn im Besetzungsvermerk gebildeten Rangfolge Vorrang zukommt. Unter diesen Voraussetzungen besteht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers, die Auswahlerwägungen bezüglich der Mitbewerber einzusehen, die ihm in der Reihung vorgehen.

5

Sollte das Verwaltungsgericht bei der Prüfung des Akteneinsichtsbegehrens zunächst vom Nichtbestehen einer Rangfolge aller Bewerber ausgegangen sein und deshalb nur Akteneinsicht in die den Antragsteller und den Beigeladenen betreffenden Besetzungsvermerke gewährt haben, wäre das Gericht verpflichtet, dem Antragsteller nachträglich im erforderlichen Umfang weitergehende Akteneinsicht zu gewähren, wenn es bei der Sachprüfung feststellt, dass der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung einen Leistungsvergleich unter allen Bewerbern angestellt und insoweit eine Reihenfolge gebildet hat.

6

Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Antragsteller nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Einsicht in den Entscheidungsvorschlag vom 12. Oktober 2015 und die Stellungnahme zur fachlichen Eignung vom 30. September 2015 begehren kann. Denn aus beiden Vermerken, die zusammen gesehen die Auswahlerwägungen dokumentieren, geht hervor, dass der Beigeladene deshalb ausgewählt wurde, weil er im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern alle konstitutiven Merkmale des Anforderungsprofils erfüllt. Zu diesem Ergebnis ist der Dienstherr gelangt, ohne nach einem Vergleich aller Bewerber eine Rangfolge festzulegen. Somit besteht nicht die Möglichkeit, dass der Antragsteller, sollte er entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin das Anforderungsprofil erfüllen und einen Eignungsvorsprung vor dem Beigeladenen aufweisen, mit seinem Rechtsschutzbegehren nur deshalb unterliegt, weil ihm ein anderer Mitbewerber als der Beigeladene vorzuziehen wäre. Da es demnach zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes ausreicht, dem Antragsteller Akteneinsicht nur in dem im Tenor umschriebenen Umfang zu gewähren, kann seine Beschwerde insoweit keinen weitergehenden Erfolg haben.

7

2. Demgegenüber ist die Beschwerde begründet, soweit der Antragsteller Einsicht in die letzte dienstliche Beurteilung des Beigeladenen begehrt. Maßgebliche Grundlage für eine dem Leistungsgrundsatz Rechnung tragende Personalentscheidung sind die vom Dienstherrn aus dienstlichen Beurteilungen gewonnenen Erkenntnisse über die fachliche Leistung, Befähigung sowie die Eignung der Bewerber (vgl. OVG RP, Beschluss vom 23. Mai 2007 – 10 B 10318/07.OVG –, juris Rn. 13 ff; Beschluss vom 2. Juli 2014 – 10 B 10320/14.OVG –, juris Rn. 6). Deshalb ist die Kenntnis der letzten dienstlichen Beurteilung des vom Dienstherrn ausgewählten Beigeladenen grundsätzlich Voraussetzung für eine effektive Rechtsverfolgung in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren. Somit sind vom Verwaltungsgericht auf Kosten des Antragstellers Ablichtungen dieser Beurteilung zu fertigen und seinem Prozessbevollmächtigten zu überlassen.

8

3. Dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Beigeladenen ist dadurch Rechnung zu tragen, dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers als Organ der Rechtspflege die vertrauliche Behandlung der gefertigten Ablichtungen gewährleistet und sie nach Abschluss des Verfahrens vernichtet.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

(1) Die Beteiligten können die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. (2) Werden die Proze
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

(1) Die Beteiligten können die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. (2) Werden die Proze
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 17/05/2019 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Diese trägt der Beigeladene selbst. III. Der Streitwert wird auf
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Beteiligten können die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen.

(2) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, wird Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Über einen Antrag nach Satz 3 entscheidet der Vorsitzende; die Entscheidung ist unanfechtbar. § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(3) Werden die Prozessakten in Papierform geführt, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Die Akteneinsicht kann, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt werden. Nach dem Ermessen des Vorsitzenden kann der nach § 67 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 3 bis 6 bevollmächtigten Person die Mitnahme der Akten in die Wohnung oder Geschäftsräume gestattet werden. § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(4) In die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung und die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, wird Akteneinsicht nach den Absätzen 1 bis 3 nicht gewährt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.