Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 04. Nov. 2011 - 1 E 11244/11
Gericht
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 27. September 2011 wird abgeändert.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren erster Instanz wird auf 85.775,00 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
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Die zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 € anzunehmen (vgl. § 52 Abs. 2 GKG). Das Gericht ist somit, sofern genügende Anhaltspunkte vorliegen, berechtigt und verpflichtet, den Streitwert nach richterlichem Ermessen zu bestimmen. Bei der Ausübung dieses Ermessens ist im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung eine weitgehende Pauschalierung und Schematisierung für gleichartige Streitigkeiten zulässig und geboten (BVerwG, JurBüro 1989, 809 f.). Dabei orientiert sich der Senat in der Regel an den mit dem „Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004“ (NVwZ 2004, 1327) vorgeschlagenen Werten. Dem Streitwertkatalog kommt zwar keinerlei normative Wirkung zu, die dort vorgeschlagenen Werte können aber im Sinne einer „guten Praxis“ der Verwaltungsgerichte verstanden werden (vgl. BayVGH vom 11. Juli 2003, BayVBl. 2033, 28) und sind daher in der Regel eine geeignete Ausgangsbasis für die in das Ermessen des Senats gestellte Streitwertfestsetzung (so auch BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 1994, 4 B 102/94).
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Für den hier zu entscheidenden Fall einer Klage auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für drei Windkraftanlagen führt die Orientierung an dem Streitwertkatalog aber ausnahmsweise nicht zu einer sachgerechten Bewertung, da die dort vorgeschlagenen Werte in sich widersprüchlich sind. Einerseits wird nämlich mit den Nrn. 9.1.8 und 9.2 des Streitwertkataloges für eine Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung von Windkraftanlagen ein Wert von 5 % der geschätzten Herstellungskosten (10 % im Falle der Baugenehmigung) vorgeschlagen. Da bei Erstellung des Streitwertkataloges im Jahre 2004 für die Errichtung eines Windparks mit mindestens 3 Windenergieanlagen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich war (vgl. 4. BImSchV i.d.F. der Änderungsverordnung vom 24. März 1993, BGBl. I S. 383), ist aber anderseits gemäß Nr. 19.1.3 für eine Klage auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für 3 Windenergieanlagen ein Wert von 1 % der Investitionssumme vorgesehen. Der hier zu Tage tretende Wechsel im Bewertungssystem - bis einschließlich zwei Windenergieanlagen 5 % , ab drei Anlagen 1 % der Herstellungskosten - ist nicht plausibel, sodass eine Streitwertfestsetzung für Windenergieanlagen nicht auf den Streitwertkatalog gestützt werden kann.
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Der Senat geht bei der danach ohne unmittelbare Heranziehung des Streitwertkataloges vorzunehmenden Bewertung von folgenden Überlegungen aus: Der nach Nr. 19.1.3 des Streitwertkataloges vorgesehene Prozentsatz von 2,5 % der Investitionssumme für eine Genehmigung bzw. von 1 % für einen Vorbescheid beruht darauf, dass Gegenstand derartiger Verfahren technische Großvorhaben mit einem erheblichen Investitionsaufwand -unter Umständen in Höhe von mehrstelligen Millionenbeträgen- sein können, bei denen die Zugrundelegung eines höheren Prozentsatzes unangemessen hohe Streitwerte zur Folge hätte, die den Zugang zu den Verwaltungsgerichten in nicht vertretbarer Weise erschweren könnten. In Streitverfahren mit einer relativ geringen Investitionssumme ist hingegen zu berücksichtigen, dass der Streitwert bei Anlegung eines darauf bezogenen Prozentsatzes von (nur) 2,5 % bzw. 1% in einer Höhe bemessen würde, die der Bedeutung der Angelegenheit - absolut gesehen - nicht gerecht werden und etwa im Vergleich zu Streitwerten im Sachgebietsbereich Nr. 9 “Bau- und Bodenrecht“ unangemessen (niedrig) erscheinen könnte (so: Oberverwaltungsgericht Lüneburg, B.v. 10.10.2008, 12 OA 343/07, juris).
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Bis zu einer entsprechenden Änderung des Streitwertkataloges hält der Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung eine Klage auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für die Errichtung von 3 Windenergieanlagen mit einem Wert von 2,5 % der Herstellungskosten (5 % im Falle einer Klage auf Erteilung der Genehmigung) für angemessen bewertet. Ob und gegebenenfalls mit welchen Abstufungen bei höheren Investitionssummen degressive, mit zunehmender Höhe der Investitionssumme abnehmende Prozentsätze bis hin zu den in Nr. 19.1.3 des Streitwertkataloges vorgesehenen 1 % der Investitionssumme in Ansatz zu bringen sind (vgl. insoweit Oberverwaltungsgericht Lüneburg B. v. 27.8.2002, 7 OA 169/02, NVwZ-RR 2002, 901) oder ob bei sehr niedrigen Investitionskosten ausnahmsweise ein höherer Prozentsatz angemessen ist, muss hier nicht entschieden werden.
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Ausgehend von dem danach anzusetzenden Prozentsatz von 2,5 und einer Investitionssumme von 3.431.000,-- € errechnet sich daher hier ein Streitwert von 85.775,-- €.
Annotations
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.