Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 24. Feb. 2016 - 7 A 48/14
Gericht
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 20.9.2013 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung, mit welcher der Klägerin die Duldung der Beseitigung der auf dem von ihr bewohnten Grundstück befindlichen baulichen Anlagen aufgegeben und ein Zwangsgeld angedroht worden ist.
3Die Klägerin bewohnt als Inhaberin eines Nießbrauchrechts das im Eigentum ihrer Tochter stehende streitgegenständliche Grundstück Gemarkung L. Flur , Flurstück (ehemals Gemarkung C. , Flur , Flurstück , bzw. ). Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus sowie Nebengebäuden, einem Carport und einem Gartenhäuschen bebaut. In den Verwaltungsvorgängen befindet sich keine Baugenehmigung für das streitgegenständliche Grundstück. Anlässlich eines ein anderes Grundstück am C1. Weg betreffenden Klageverfahrens erfolgte seitens des Beklagten die Prüfung der Legalität der Bebauung des streitgegenständlichen Grundstücks. Nach vorheriger Anhörung forderte der Beklagte die Tochter der Klägerin mit Bescheid vom 20.8.2012 unter Androhung eines Zwangsgeldes auf, die auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindlichen baulichen Anlagen binnen zwölf Monaten nach Bestandskraft der Verfügung vollständig zu beseitigen. Diese Beseitigungsverfügung ist Gegenstand des Verfahrens - 7 A 19/14 -, in dem die Klägerin beigeladen ist.
4Mit Bescheid vom 20.9.2013 forderte der Beklagte unter Bezugnahme auf die Beseitigungsverfügung vom 20.8.2012 von der Klägerin die Duldung der Beseitigung der auf dem streitbefangenen Grundstück stehenden baulichen Anlagen ab Bestandskraft der Verfügung und drohte ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 Euro an. Zur Begründung verwies er wegen der Einzelheiten auf seine Ordnungsverfügung vom 20.8.2012. Die Duldungsverfügung sei rechtliche Voraussetzung für die Durchsetzung der ergangenen Beseitigungsverfügung. Die Klägerin sei auch gemäß § 18 Abs. 2 OBG als Inhaberin eines Nießbrauchrechts und tatsächliche Inhaberin der Gewalt über das Grundstück richtige Adressatin.
5Die Klägerin hat am 18.10.2013 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Da kein Beseitigungsanspruch seitens des Beklagten bestehe, sei auch der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Sie müsse nicht dulden, was der Verpflichtete nicht schulde.
6Die Klägerin hat beantragt,
7die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 20.9.2013 aufzuheben.
8Der Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen: Es werde auf das bereits anhängige Streitverfahren hinsichtlich der Beseitigungsverfügung verwiesen. Das bestehende Nießbrauchrecht der Klägerin erfordere zur Durchsetzung der Beseitigungsverfügung den Erlass der Duldungsverfügung. Die Rechte der Klägerin als Nießbraucherin reichten nicht weiter, als die der Eigentümerin.
11Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.11.2013 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Die angefochtene Duldungsverfügung sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Erlass der Duldungsverfügung sei notwendig, geeignet und erforderlich zur Überwindung eines Vollstreckungshindernisses gewesen. Er habe von der ihm eingeräumten Befugnis rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Im Übrigen werde auf die Gründe des Bescheides verwiesen.
12Die Klägerin trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung vor: Der Erlass des angefochtenen Bescheides sei nicht notwendig, geeignet und erforderlich zur Überwindung eines Vollstreckungshindernisses gewesen. Sie müsse nicht die Vollstreckung der Beseitigungsanordnung dulden. Diese sei rechtswidrig. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen im Verfahren 7 A 19/14.
13Die Klägerin beantragt,
14unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 22.11.2013 die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 20.9.2013 aufzuheben.
15Der Beklagte beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Der Erlass der Duldungsverfügung sei notwendig zur Beseitigung des Vollstreckungshindernisses betreffend die an die Grundstückseigentümerin gerichtete Beseitigungsanordnung vom 20.8.2012 gewesen. Im Übrigen werde auf den Vortrag im Verfahren 7 A 19/14 verwiesen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Berufung hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Die zulässige Klage ist begründet. Die streitgegenständliche Ordnungsverfügung des Beklagten vom 20.9.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
21Die Klägerin ist nicht verpflichtet, die Beseitigung der baulichen Anlagen zu dulden. Die Beseitigungsverfügung vom 20.8.2012 ist aus den Gründen des Urteils vom 24.2.2016 im Verfahren 7 A 19/14 rechtswidrig und mit diesem Urteil aufgehoben worden. Ebenso ist die Zwangsgeldandrohung mangels vollstreckbaren Grundverwaltungsaktes rechtswidrig.
22Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
23Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
24Die Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, beruht auf § 132 Abs. 2 VwGO. Gründe für eine Revisionszulassung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.