Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 29. Juni 2015 - 7 A 457/14
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 4.665,76 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil die Klage gegen den Leistungsbescheid vom 8. November 2012 in der Fassung vom 14. Januar 2014 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Räumung des Pflegeheimes sei eine rechtmäßige Amtshandlung gewesen, die dokumentierten Brandschutzmängel hätten bei Ausbruch eines Brandes, mit dem grundsätzlich jederzeit zu rechnen gewesen sei, eine erhebliche Erschwerung bzw. Verzögerung der Rettung der Heimbewohner zur Folge gehabt, und der Leistungsbescheid sei nach der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Reduzierung auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
4Das dagegen gerichtete Zulassungsvorbringen führt nicht zu den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
5Soweit die Kläger einwenden, die Beanstandungen hinsichtlich des Brandschutzes seien haltlos, die Brandmeldeanlage sei zu einem Wachdienst aufgeschaltet, die Fluchtwege seien frei begehbar gewesen und sie hätten Brandwachen aufgestellt, stellt dieser Vortrag die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Mängel des Brandschutzes nicht durchgreifend in Frage. Abgesehen davon, dass die Aufschaltung der Brandschutzanlage zu einem Wachdienst schon nicht dem zum Gegenstand der Baugenehmigung vom 6. Juni 2008 gewordenen Brandschutzkonzept vom 6. März 2008 genügt, das eine Aufschaltung zur Feuerwehr verlangt, hat das Verwaltungsgericht auch auf durch den Beklagten bei der Ortsbesichtigung am 3. Juli 2012 festgestellte erhebliche Brandschutzmängel verwiesen. So schloss u. a. eine Brandschutztür nicht richtig, die Rettungswegbeschilderung war fehlerhaft, Brandschutztüren waren falsch eingebaut, der Notausgang im Erdgeschoss ließ sich nicht vollständig öffnen, in einer T-90- Decke befand sich eine Öffnung und der Aufzugschacht war nicht verkleidet. Dem haben die Kläger nichts entgegen gesetzt.
6Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht im Hinblick auf die Rüge, es habe die Androhung der Ersatzvornahme gefehlt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, § 55 Abs. 2 VwVG NRW sei anwendbar, weil es zur Abwehr der Brandgefahr notwendig gewesen sei, die Ersatzvornahme im Wege des Sofortvollzugs durchzusetzen, wird durch das Zulassungsvorbringen nicht hinreichend erschüttert.
7Verwaltungszwangsmaßnahmen ohne vorausgehenden Verwaltungsakt sind zwar nur dann zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme nicht durch den Erlass eines Verwaltungsaktes und Anordnung der sofortigen Vollziehung erreicht werden kann. Mit einem derartigen sofortigen Vollzug soll einer Gefahr begegnet werden können, die aufgrund außergewöhnlicher Dringlichkeit des behördlichen Eingreifens ein gestrecktes Vorgehen im Sinne des § 55 Abs. 1 VwVG NRW, also auf der Grundlage eines unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes sowie nach vorheriger Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels, nicht zulässt. Ohne das sofortige Tätigwerden der Behörde im Wege des Verwaltungszwanges muss mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit der Eintritt eines Schadens für ein geschütztes Rechtsgut unmittelbar bevorstehen. Eine solche Situation ist insbesondere dann gegeben, wenn die mit einem Einschreiten gemäß § 55 Abs. 1 VwVG NRW verbundenen Verzögerungen die Wirksamkeit erforderlicher Maßnahmen zur Gefahrenabwehr aufheben oder wesentlich beeinträchtigen würden, wenn also allein der sofortige Vollzug geeignet ist, die Gefahr wirkungsvoll abzuwenden.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. April 2008 - 11 A 1386/05 -, NVwZ-RR 2008, 437; Mosbacher in Engelhardt/Schlatmann, VwVG/VwZG-Kommentar, 10. Auflage, § 6 Rn. 24.
9Eine derartige Gefahrensituation lag hier aufgrund der festgestellten vielfältigen und eklatanten Mängel des Brandschutzes vor. Im Brandfall war eine erhebliche Gefahr für Leben bzw. Gesundheit der Bewohner gegeben. Nach dem Brandschutzkonzept besteht gerade in Altenpflegeheimen ein besonders hohes Brandrisiko. Die festgestellten Mängel betrafen neben unzureichenden Vorkehrungen gegen die Ausbreitung von Feuer und Rauch im Brandfall insbesondere auch die Rettungswege. Deren ordnungsgemäßer Zustand ist für Rettung - z. T. nicht mobiler - Pflegeheimbewohner im Brandfall unerlässlich. Insoweit konnte die Gefahr auch nicht durch das Aufstellen von Brandwachen gemindert oder gar beseitigt werden. Diese hätten - quasi als menschliche Brandmelder - einen Brand zwar entdecken können; ihr Einsatz führt aber nicht zur Behebung der Mängel der Rettungswege.
10Dass es bis zur Räumung noch nicht zu einem Brand gekommen war, rechtfertigt nicht die Annahme, dass eine entsprechende Gefahr nicht bestanden hatte. Mit dem Brandfall musste jederzeit gerechnet werden.
11Vgl. Senatsbeschluss vom 11. November 2014 - 7 B 1312/14 -, m.w.N.
12Auch der weitere Einwand der Kläger, zur Räumung des Pflegeheimes hätte der Einsatz eines Busses und eines Krankenwagens genügt und deshalb seien die Maßnahmen unverhältnismäßig gewesen und müssten von ihnen in dieser Höhe nicht ersetzt werden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Mit diesem Einwand haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass die zum Transport der pflegebedürftigen Bewohner eingesetzten Fahrzeuge nicht erforderlich gewesen wären. Insbesondere sind die Räumung des Pflegeheims und die Verteilung der Bewohner auf andere Einrichtungen nicht mit den von den Klägern genannten Gruppenausflügen in Bussen vergleichbar. Bei der Räumung wurde der Lebensmittelpunkt der Bewohner auf Dauer verlagert und sie wurden in neue Lebensumfelder gebracht. Das alleine führt insbesondere bei älteren Menschen zu Aufregung und ggf. körperlichen Reaktionen. Zudem sind von den 24 verlegten Bewohnern 13 in die Pflegestufe 2 und 3 in die Pflegestufe 3 eingestuft, so dass auch deshalb mit erheblichen Komplikationen beim Transport zu rechnen war. Der von den Klägern gerügte Einsatz der Feuerwehr war schon deshalb nicht zu beanstanden, weil sie diejenigen Bewohner des Pflegeheimes, die nicht liegend transportiert werden mussten, befördert hat.
13Soweit die Kläger im Übrigen pauschal die Höhe des Leistungsbescheides bestreiten, fehlt es an jeglicher Darlegung, warum die in Rechnung gestellten Beträge fehlerhaft sein könnten.
14Des Weiteren ist auch eine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht hinreichend dargelegt.
15Schließlich führt auch die Verfahrensrüge (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht zur Zulassung der Berufung. Insbesondere war das Verwaltungsgericht aus obigen Gründen nicht verpflichtet, von Amts wegen zu ermitteln, ob und wann Brandwachen aufgestellt worden sind.
16Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
17Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 3 GKG.
18Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.