Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 08. Okt. 2015 - 6 E 904/15
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
Gründe:
2Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.
3Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das Verfahren bis zur Neuregelung einer Altershöchstgrenze für die Verbeamtung nach § 94 VwGO auszusetzen, ist bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 27. August 2015 nicht zu beanstanden.
4Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens sind bei entsprechender Anwendung des § 94 VwGO erfüllt.
5Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen ist. Allerdings kommt die Vorschrift im Streitfall nicht unmittelbar als Rechtsgrundlage für die Aussetzung Betracht. Es fehlt jedenfalls daran, dass die vorgreifliche Frage der Gültigkeit von § 8 Abs. 1 LVO NRW Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens ist. Mit Beschluss vom 21. April 2015,
6– 2 BvR 1322/12 und 2 BvR 1989/12 -, juris,
7hat das Bundesverfassungsgericht bindend (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) die Unvereinbarkeit von § 6 Abs. 1 LVO NRW a.F. (heute: § 8 Abs. 1 LVO NRW) mit dem Grundgesetz festgestellt.
8Im Wege der entsprechenden Anwendung von § 94 VwGO ist jedoch aus Gründen der prozessökonomischen Verwertung der bindenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Ausnahmefällen eine „nachfolgende“ Aussetzung geboten, in denen der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten ist, tätig zu werden.
9Vgl. Schmid in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 4. Auflage 2014, § 94 Rn. 12.
10Das ist zum einen dann der Fall, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung unter Fristsetzung anmahnt, weil der angenommene Verfassungsverstoß nur durch eine Neuregelung beseitigt werden kann, oder wenn in einem gegen normgeberisches Unterlassen gerichteten Verfahren ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gerade in dem Fehlen der Regelung gesehen wird,
11so: OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 13 OB 6/15 -, juris, Rn. 8.
12Zum anderen ist die Aussetzung auch dann geboten, wenn der Gesetzgeber zwar nicht unter Fristsetzung durch das Bundesverfassungsgericht, jedoch in Wahrung der in Art. 33 Abs. 2 und 5 GG enthaltenen verfassungsrechtlichen Grundsätze zu einer Regelung aufgefordert ist.
13Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 und 2 BvR 12 BvR 1989/12 -, a. a. O., Rn. 92 sowie Rn. 75 f. und 77 ff.
14In beiden Fällen ist dem Interesse des Rechtsschutzsuchenden an einer zeitnahen gesetzgeberischen Entscheidung Rechnung getragen.
15Die Voraussetzungen der zweitgenannten Fallgestaltung sind erfüllt. Insbesondere ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, die Entscheidung in dem ausgesetzten Rechtsstreit hänge von der Neuregelung der Höchst-altersgrenze ab.
16Das Beschwerdegericht ist bei der Überprüfung der Aussetzungsentscheidung nicht befugt, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts abschließend zu überprüfen. Die Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens ist kein vorweggenommenes Rechtsmittel gegen die künftige Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts. Sie dient allein der Überprüfung seiner Verfahrensweise und soll verhindern, dass das Verwaltungsgericht ohne zureichenden Grund die sachliche Entscheidung des Rechtsstreits aufschiebt. Der Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts ist daher der Beschwerdeentscheidung zugrundezulegen, sofern er nicht grob fehlerhaft ist.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 1 E 175/14 -, juris, Rn. 8 f. m. w. N. aus der Rechtsprechung.
18Derartiges ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
19Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO in das Ermessen des Gerichts gestellte Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, kann vom Beschwerdegericht nur begrenzt, nämlich nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern, überprüft werden.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2014 – 1 E 175/14 -, a. a. O., Rn. 18.
21Zwar hat das Verwaltungsgericht die für die von ihm getroffene Ermessensentscheidung maßgeblichen Erwägungen im Beschluss nicht gesondert zum Ausdruck gebracht. Diese erschließen sich aber mit Blick auf die protokollierten Ausführungen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2015. Es hat mit dem Hinweis auf die anstehende Neuregelung der Höchstaltersgrenze bei seiner Abwägung dem Gesichtspunkt der Vermeidung einer unnötigen Inanspruchnahme des Instanzenzuges erkennbar den Vorrang vor dem Aspekt eingeräumt, das Klageverfahren dem Willen der Klägerin entsprechend nicht auszusetzen und erstinstanzlich zeitnah zu entscheiden. Anhaltspunkte dafür, dass diese Entscheidung ermessensfehlerhaft sein könnte, sind in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Sie sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht.
23Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.
(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.