Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 21. Jan. 2016 - 4 A 858/15.A
Gericht
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 18.2.2015 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos.
2Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
3Die als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,
4ob nunmehr, bei Beachtung der neuen Rechtsmaßstäbe zur Verfolgungshandlung durch die Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts im Gegensatz zu vorher durchaus eine Gruppenverfolgung der Untergruppe der Ahmadis vorliegt, die ihrem Glauben verbunden sind und diesen ausüben,
5rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Sie ist ausgehend von der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Das ergibt sich schon daraus, dass das Verwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus individuellen Gründen wegen seiner Religionszugehörigkeit eigenständig tragend deshalb verneint hat, weil ihm interner Schutz im Sinne von § 3e Abs. 1 AsylVfG (jetzt AsylG) offen stünde (vgl. Urteilsabschrift, S. 22 f.). Diesbezüglich sind Zulassungsgründe nicht geltend gemacht, so dass sich die aufgeworfene Problematik der Gruppenverfolgung der ihrem Glauben verbundenen Ahmadis in Pakistan nicht mehr stellt. Ist eine Entscheidung – wie hier – selbständig tragend mehrfach begründet, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.5.1990 – 5 B 31.90 –, Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 284 = juris, Rn. 3, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 25.6.2015 – 4 A 756/15.A –.
7Aber auch bezogen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verfolgung des Klägers aus religiösen Gründen ist die aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht die Überzeugungsgewissheit gewonnen, dass für den Kläger die öffentliche Ausübung seiner Religion zentraler Bestandteil seiner religiösen Identität und damit für ihn unverzichtbar ist (vgl. Urteilsabdruck, S. 18, zweiter Absatz, bis S. 21, letzter Absatz), er also seinem Glauben verbunden ist. Danach fehlt es an Feststellungen, wonach der Kläger zu den Ahmadis gehört, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für eine Gruppenverfolgung in Betracht kommen.
8Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 29.
9Weiter hält der Kläger für klärungsbedürftig,
10ob bei der Erweiterung des Verfolgungsbegriffs in der höchstrichterlichen Rechtsprechung das klassische Muster des „Verfolgungsschlags“ oder der „Verfolgungshandlung“, von denen im Zusammenhang mit der Gruppenverfolgung verlangt wird, dass sie im Heimatland mit der erforderlichen Dichte stattfinden, überhaupt noch tauglich ist.
11Höchstrichterlich ist die aufgeworfene Frage bereits in dem Sinne geklärt, dass die für eine Gruppenverfolgung geltenden Maßstäbe insoweit heranzuziehen sind, als eine Vergleichsbetrachtung bezogen auf die Gruppe der ihren Glauben trotz der Verbote in der Öffentlichkeit praktizierenden Glaubensangehörigen anzustellen ist. Nachdem zumindest annäherungsweise die Größe dieser Gruppe bestimmt ist, ist festzustellen, wie viele Verfolgungsakte die Angehörigen dieser Gruppe treffen. Besteht für die Angehörigen dieser Gruppe ein reales Verfolgungsrisiko, so kann daraus der Schluss gezogen werden, dass auch die Gesamtgruppe der Ahmadis, für die diese öffentlichkeitswirksamen Glaubenspraktiken ein zentrales Element ihrer religiösen Identität darstellen und in diesem Sinne unverzichtbar sind, von den Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit in flüchtlingsrechtlich beachtlicher Weise betroffen ist.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 – 10 C 23.12 –, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 33.
13Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylG.
14Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.