Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 13. Apr. 2015 - 19 E 514/14
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1
Gründe:
2Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch die Berichterstatterin, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§§ 87a Abs. 2, 3, 125 Abs. 1 VwGO).
3Die Prozesskostenhilfebeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag der Kläger für das erstinstanzliche Klageverfahren zu Recht mit der Begründung abgelehnt, ihre Klage habe keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ihr Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Es erschöpft sich im Wesentlichen in pauschalen und rechtlich unhaltbaren Vorwürfen gegen den Schulleiter der vom Kläger zu 2. besuchten Realschule, Herrn C. , etwa demjenigen, seine (des Klägers zu 2.) Aussage sei „erst durch eine rechtswidrige Initiierung der Schule zustande gekommen“, weshalb seine Aussage einem „Beweisverwertungsverbot“ unterliege. Mit dieser an das Strafprozessrecht angelehnten Argumentation verkennen die Kläger grundlegend den Zweck schulischer Ordnungsmaßnahmen. Diese sind nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW ausschließlich zukunftsgerichtete pädagogische Maßnahmen (Prävention), aber keine „Schulstrafen“, mit denen der Gesetzgeber das Fehlverhalten des Schülers in der Vergangenheit ahnden oder disziplinieren will.
4OVG NRW, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 19 B 679/14 ‑, juris, Rdn. 18; VG Berlin, Urteil vom 18. Februar 2014 – 3 K 320.13 ‑, juris, Rdn. 25; OVG RP, Beschluss vom 14. August 2013 ‑ 2 A 10251/13 ‑, juris, Rdn. 26; Nolte, SchVw 2014, 220.
5Folgerichtig unterliegt die Sachverhaltsermittlung der Schule bei einer Schulordnungsmaßnahme auch nicht der Formenstrenge des Strafprozessrechts, gilt nicht der Grundsatz „ne bis in idem“, und genügt es, dass Frau I. ihre schriftliche Aussage nach Bescheiderlass nachgereicht hat. Aus demselben Grund ist die Auffassung der Kläger abwegig, der Schulleiter habe den Kläger zu 2. vor seiner Anhörung nach § 53 Abs. 6 SchulG NRW auf sein „Aussageverweigerungsrecht“ hinweisen müssen. Unzutreffend ist schließlich der Vorwurf, die Schule habe der Klägerin zu 1. eine Anwesenheit bei der „Vernehmung“ des Klägers zu 2. verwehrt. Die Klägerin zu 1. hat durch ihre eigene Unterschrift unter die Niederschrift vom 19. September 2013 bestätigt, dass sie bei der Anhörung des Klägers zu 2. anwesend war.
6Entgegen der Auffassung der Kläger ist der zweiwöchige Unterrichtsausschluss auch nicht „völlig unverhältnismäßig“. Im Gegenteil hat die Schule hier den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach § 53 Abs. 1 Satz 3 SchulG NRW beachtet und insbesondere die Angemessenheit des zweiwöchigen Unterrichtsausschlusses zutreffend bejaht. Der Senat teilt insoweit die ausführlich begründete Bewertung des Verwaltungsgerichts in seinem Eilbeschluss vom 24. September 2013 (S. 3 des Beschlussabdrucks).
7Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
8Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,
- 1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens; - 2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 4.
über den Streitwert; - 5.
über Kosten; - 6.
über die Beiladung.
(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.
(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
3Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Schulordnungsmaßnahme der Städtischen Gemeinschaftsgrundschule C. X. in E. vom 20. Mai 2014 stattzugeben, mit der der Schulleiter die Antragstellerin zu 3. von der Klassenfahrt vom 23. bis 26. Juni 2014 ausgeschlossen hat.
4Fehl geht der Beschwerdeeinwand, im Bescheid vom 20. Mai 2014 fehle es an der Begründung des öffentlichen Vollzugsinteresses. Denn die strittige Ordnungsmaßnahme nach § 53 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchulG NRW ist nach Satz 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Dies und die Gründe für die sofortige Vollziehbarkeit musste der Schulleiter demgemäß nicht dartun; die schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung schreibt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur für den Fall der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vor.
5Der Regelung in § 53 Abs. 3 Satz 2 SchulG NRW liegt die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass bei den erfassten Ordnungsmaßnahmen generell ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht, das grundsätzlich das entgegenstehende Aufschubinteresse des Betroffenen überwiegt. Für eine gegenteilige gerichtliche Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO müssen daher im konkreten Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die gemessen an dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG eine ausnahmsweise Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen. Letzteres kommt umso eher in Betracht, je schwerwiegender die dem Betroffenen auferlegte Belastung ist und je mehr die sofortige Vollziehung der Maßnahme Unabänderliches bewirkt.
6Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., 2014, § 80 Rdn. 140.
7Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsmaßnahme das Aufschubinteresse der Antragsteller überwiegt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass die sofortige Vollziehung des Ausschlusses von der ab dem 23. Juni 2014 angesetzten viertägigen Klassenfahrt für die Antragstellerin zu 3. Unabänderliches bewirkt. Die strittige Ordnungsmaßnahme erweist sich nach Aktenlage voraussichtlich als offensichtlich rechtmäßig, und die Durchsetzung des Ausschlusses liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse an der Verwirklichung des schulischen Erziehungsauftrags im konkreten Fall.
8Die Antragstellerin zu 3. hat im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW durch wiederholtes Fehlverhalten ihre Pflicht als Schülerin, daran mitzuarbeiten, dass die erzieherische Aufgabe der Schule erfüllt werden kann (§ 42 Abs. 3 SchulG NRW) und hierzu alles zu unterlassen, was eine ihrem Erziehungsauftrag (§ 2 SchulG NRW) dienende geordnete Erziehungsarbeit stört, schwerwiegend dadurch verletzt, dass sie in einem Zeitraum von etwa einer Woche bis zum 8. Mai 2014 in der Schule 14 Mitschülerinnen und Mitschülern ein Video „mit stark jugendgefährdendem pornografischem Inhalt“ gezeigt hat, das auf ihrem internetfähigen Handy (Smartphone) gespeichert war. Die diesem Vorwurf zugrunde liegenden Tatsachen hat die Schule ausweislich der von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegten Vermerke über ihre Erhebungen durch Ansicht des Videos, in Anhörungen der Antragsteller, in Gesprächen mit betroffenen Mitschülern der Klasse 3b (als Zeugen) und teilweise in Kontakten mit deren Eltern festgestellt. Ein tauglicher Anhalt dafür, dass diese Feststellungen unrichtig sind oder unzutreffend festgehalten worden sind, ist nicht ersichtlich.
9Die Einwände der Antragsteller greifen nicht durch.
10Ihr Einwand, die 9-jährige Antragstellerin zu 3. habe – „gerichtsnaher Lebenserfahrung“ zuwider – nicht bewusst das Pornovideo auf ihr Smartphone heruntergeladen, vielmehr sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diese Datei in Form eines Virus auf das Gerät am 14. 04. 14“ gelangt, geht schon am der Ordnungsmaßnahme zugrunde gelegten Vorwurf vorbei; dieser zielt auf das aktive Zeigen des auf ihrem Handy gespeicherten Videos in der Schule. Davon abgesehen ist der Vortrag unglaubhaft. Er steht in direktem Widerspruch zu den Angaben, die die Antragsteller bei ihrer Anhörung durch den Schulleiter gemacht haben. Die Antragstellerin zu 3. hat auf dessen Befragen am 14. Mai 2014 angegeben, ein Freund ihres Bruders habe ihr gezeigt, wie man „so etwas“ speichere, sie habe es dann selber gemacht, eigentlich habe sie es nicht gewollt, der Film sei dann schon drauf gewesen. Die Antragsteller zu 1. und 2. haben am 20. Mai 2014 angegeben, die Antragstellerin zu 1. selber habe das Video „downgeloaded“. Die Angabe der Antragstellerin zu 2. in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 3. Juni 2014, ihre Tochter habe ihr mitgeteilt, dass sie Anfang Mai eine ihr unbekannte Datei auf ihrem Smartphone festgestellt, diese geöffnet und ein Video mit pornografischem Inhalt gefunden habe, hat keinen erheblichen Beweiswert; denn sie gibt lediglich eine ihrer Mutter gegenüber geäußerte Version der Antragstellerin zu 3. wieder, der diese schon mit ihrer Aussage gegenüber dem Schulleiter die Grundlage entzogen hatte.
11Ebenso wenig glaubhaft ist das in der Antragsschrift und der vorgenannten eidesstattlichen Versicherung, beide vom 3. Juni 2014, sinngemäße Abstreiten, die Antragstellerin zu 3. habe das Video Mitschülern aktiv gezeigt, nämlich der Vortrag, nach dem Feststellen des Videos auf dem Smartphone seien auch weitere um sie herum versammelte Mitschüler auf das Video aufmerksam geworden und hätten es unbedingt sehen wollen, was dann auch „geschehen“ sei. Dieser verharmlosenden Version hat die Antragstellerin zu 3. selbst den Boden entzogen, indem sie auf Befragen des Schulleiters am 14. Mai 2014 angegeben hat, zuerst habe sie den Kindern den Film „so gezeigt“, dann hätten sie danach gefragt.
12Dass die Antragstellerin zu 3., indem sie das Video Mitschülern in der Schule zeigte, nicht im altersgemäßen Sinne wusste, was sie tat, ist nicht anzunehmen. Unerheblich für den Pflichtverstoß ist, dass sie, wie sie geltend macht, nicht die Absicht verfolgte, Mitschüler zu gefährden.
13Die strittige Ordnungsmaßnahme erweist sich auch als offensichtlich verhältnismäßig. Insbesondere war der Schulleiter nicht gehalten, wegen des gravierenden Fehlverhaltens eine weniger eingreifende Ordnungsmaßnahme zu wählen und sich etwa bei dem zugleich angeordneten vorübergehenden Unterrichtsausschluss vom 26. bis 28. Mai 2014 zu beschränken. Die Entscheidung über die Art der Ordnungsmaßnahme und ihren Umfang hat die Schule in Ausübung des ihr obliegenden pädagogischen Ermessens je nach Art und Schwere des Fehlverhaltens und der Persönlichkeit des Schülers, insbesondere seiner Einsichtsfähigkeit zu treffen.
14OVG NRW, Beschluss vom 23. Februar 2007 – 19 B 306/07 -, juris, Rdn. 5.
15Gemessen daran erweist sich die pädagogische Ermessensentscheidung des Schulleiters, neben dem Unterrichtsausschluss auch den Ausschluss der Antragstellerin zu 3. von der Klassenfahrt anzuordnen, als geeignet und erforderlich. Zu Recht hat er Pflichtverletzung der Antragstellerin zu 3. als schwerwiegend eingestuft. Diese war geeignet, die Erfüllung des Auftrags der Schule zur Erziehung im Bereich der Sexualität, nämlich zu alters- und entwicklungsgemäßen Vorstellungen von Sexualität, zu einem selbstbestimmten und selbstbewussten Umgang mit der eigenen Sexualität und zum Leitbild eines verantwortungsvollen Umgangs mit Partnern in sexueller Hinsicht (vgl. § 33 SchulG NRW), nachhaltig zu stören und auf diese Erziehungsziele bezogene Rechte der betroffenen Mitschüler zu gefährden. Das aktive und insbesondere ungefragte und unvorbereitete Zeigen des 10-minütigen Videos – ganz oder in Ausschnitten - mit seinem stark jugendgefährdenden pornografischen Inhalt, u. a. schon in der Anfangsszene mit eindeutigen Sexpraktiken, konnte bei betroffenen Mitschülern des dritten Jahrgangs zu einer verstörenden Konfrontation mit je nach Entwicklungsstand bedrohlich erfahrenen Darstellungen führen und sich so auch auf das Recht der Eltern betroffener Mitschüler auf Sexualerziehung des eigenen Kindes nachteilig auswirken.
16Auf diese erzieherischen Belange bezogen haben ausweislich der Gesprächsvermerke der Schule weder die Antragstellerin zu 3. selbst noch ihre Eltern Einsicht gezeigt. Insbesondere die Antragstellerin zu 3. hat bei ihrer Anhörung durch den Schulleiter am 14. Mai 2014 nicht in altersgemäßer Form zu ihrem Fehlverhalten gestanden und zudem hinsichtlich des behaupteten Einbehaltens des Handys durch ihren Vater, der Übergabe an die Mutter und des Löschens des Videos die Unwahrheit gesagt; denn noch am 12. Mai 2014 hatte sie das Handy mit dem gespeicherten Video in der Schule bei sich, das im Verlauf des Gesprächs zwischen Antragstellerin zu 2., Klassenlehrerin und Schulsozialarbeiterin vom Handy gelöscht wurde, nachdem die Antragstellerin zu 3. den ihrer Mutter unbekannten Zugangscode eingegeben hatte.
17Angesichts dessen und des Umstandes, dass die Antragstellerin zu 3. bei ihrer Anhörung am 14. Mai 2014 eingeräumt hat, sie habe solche Filme schon gekannt, ist die pädagogische Einschätzung des Schulleiters, sie bedürfe auch im Hinblick auf die Klassenfahrt einer intensiven erzieherischen Einwirkung, damit sie ihr Verhalten reflektieren und verändern könne, was die erzieherische Einwirkung von Seiten der Eltern und die allgemeine Erziehungsarbeit der Schule nicht vergleichbar effektiv leisten könne, nachvollziehbar und lässt Ermessenfehler nicht erkennen. Entsprechendes gilt für den mit der Ermessenserwägung des bezweckten Schutzes der Mitschüler angesprochenen generalpräventiven Aspekt.
18Diese - neben den auf die Klassenfahrt selbst bezogenen situativen Aspekten („größere Freiräume“) – selbständig tragenden Ermessenserwägungen hat der Schulleiter mit der Beschwerdeerwiderung in das gerichtliche Verfahren eingeführt, und sie sind den Antragstellern mit der Folge jedenfalls der Heilung eines anfänglichen Begründungsmangels (§ 3 Abs. 3 Nr. 3, § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW) bekannt gegeben worden.
19Nach Art und Schwere des Pflichtenverstoßes der Antragstellerin zu 3. und dem Gewicht der erzieherischen Belange trifft der Ausschluss von der Klassenfahrt die Antragstellerin zu 3. auch nicht unzumutbar hart. Dabei verkennt der Senat nicht, dass für sie die viertägige Klassenfahrt als Gemeinschaftserlebnis große Bedeutung hat und die Teilnahme daran ein „Herzenswunsch“ ist. Für die Antragstellerin zu 3. gehen aber die Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Grundschule und das Lernen wie auch das Gemeinschaftserleben in der Klasse auch nach der Klassenfahrt weiter. Der mit dem Ausschluss empfundenen Ausgrenzung entgegenzuwirken ist – selbstverständlich - pädagogische Aufgabe der Schule, obliegt aber auch der Antragstellerin zu 3. und ihren Eltern.
20Auch die weiteren Einwände der Antragsteller dringen nicht durch. Auf die von ihnen herangezogene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe können sie sich nicht mit Erfolg berufen. Hier geht es um den vorliegenden Einzelfall der Antragstellerin zu 3. Es ist nicht ersichtlich, dass die genannte Entscheidung eine mit dem vorliegenden Sachverhalt auch hinsichtlich der individuellen Ermessenserwägungen vergleichbare Konstellation betraf. Der Hinweis auf die fehlende Schuldfähigkeit der 9-jährigen Antragstellerin zu 3. nach § 19 StGB verfängt nicht, weil schulische Ordnungsmaßnahmen ihrem Zweck gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW zufolge keine Strafen sind.
21OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2012 – 19 B 935/12 -.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 6. November 2012 wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,-- € festgesetzt.
Gründe
- 1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Keiner der vom Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe liegt vor.
- 2
1. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils begegnet keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –. Die vom Beklagten gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vorgebrachten Einwendungen, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124a Rn. 184, 186), lassen keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung in einem späteren Berufungsverfahren erwarten.
- 3
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die bislang dargelegten Erwägungen der Gesamtkonferenz, welche auf der Annahme beruhen, der Kläger habe in der Schule Marihuana erworben, anderen Schülern angeboten sowie in der Klasse vorgezeigt, den Schulausschluss des Klägers nicht tragen (a). Allerdings begründen nicht nur der Verkauf illegaler Drogen, sondern auch das bewusste Erwecken eines dahingehenden Anscheins sowie der Handel mit sogenannten „Legal Highs“ eine ernstliche Gefahr für die Erziehung der anderen Schülerinnen und Schüler und können nach den Umständen des Einzelfalls auch ohne vorherige Androhung den dauerhaften Ausschluss von der bisher besuchten Schule rechtfertigen (b). Die Entscheidung hierüber ist jedoch zunächst der Gesamtkonferenz vorbehalten (c).
- 4
a) Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Schulgesetz – SchulG –, § 99 Abs. 1 Schulordnung für die öffentlichen Realschulen plus, Integrierten Gesamtschulen, Gymnasien, Kollegs und Abendgymnasien – ÜSchulO – kann ein Schüler auf Dauer von der bisher besuchten Schule ausgeschlossen werden, wenn der dortige Verbleib eine ernstliche Gefahr für die Erziehung, die Sicherheit oder die Unterrichtung der anderen Schülerinnen und Schüler bedeutet.
- 5
Hierüber entscheidet gemäß § 99 ÜSchulO i.V.m. § 27 Abs. 6 Satz 1 SchulG die Gesamtkonferenz. Ihr steht bei der Auswahl der Ordnungsmaßnahme ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 30. Mai 1997 – 7 S 33/97 –, juris Rn. 6), welcher verwaltungsgerichtlich nur daraufhin zu überprüfen ist, ob die Behörde diesen Spielraum erkannt, seine Grenzen gewahrt, seiner Ausfüllung einen vollständigen und zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe beachtet sowie keine sachfremden Erwägungen angestellt hat. Danach erweist sich die angefochtene Maßnahme bislang als fehlerhaft.
- 6
aa) Allerdings ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass eine Gefährdung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 SchulG ohne weiteres durch ein Verhalten bewirkt wird, welches den Konsum von Rauschgiften propagiert, fördert oder verbreitet.
- 7
Der Handel mit Suchtstoffen im schulischen Umfeld sowie deren Zur-Schau-Stellen sind gerade in einem von vielzähligen Unsicherheiten geprägten Alter geeignet, Mitschülerinnen und -schüler anzuregen, Drogen zumindest einmal auszuprobieren. Schüler haben jedoch einen Anspruch darauf, dass ihre Entwicklung innerhalb des – aufgrund der allgemeinen Schulpflicht letztlich erzwungenen – staatlichen Obhutsverhältnisses nicht gefährdet wird. Auch den Eltern ist nicht zuzumuten, ihre Kinder in die Obhut einer Schule zu geben, die ein drogenfreies Umfeld nicht gewährleisten kann (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 – 2 B 10386/12.OVG –). Das der Schule anvertraute Rechtsgut der Erziehung würde beträchtlichen Schaden erleiden, wenn der erwiesene Umgang eines Schülers mit Rauschgift, insbesondere innerhalb des Verantwortungsbereiches der Anstalt, die Schule nicht zur Ergreifung geeigneter Ordnungsmaßnahmen veranlassen würde. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass der Konsum von Rauschgift, die Herstellung von Kontakten zum Erwerb von Rauschgift und dessen Weitergabe an Mitschüler einen Schulausschluss rechtfertigen (vgl. OVG RP, Beschlüsse vom 7. Februar 1996 – 2 B 10106/96 –, NJW 1996, 1690, sowie vom 7. Mai 1996 – 2 B 11101/97.OVG –, n.v.; BayVGH, Beschlüsse vom 10. Juni 1997 – 7 ZS 97.1403 –, NVwZ-RR 1998, 239 [240]; vom 14. Juni 2002, 7 CS 02.776 –, BayVBl. 2002, 671; vom 28. April 2003 – 7 ZB 02.2230 –, juris Rn. 9; einschränkend OVG Berlin, Beschluss vom 30. Mai 1997 – 7 S 33.97 –, juris Rn. 8).
- 8
bb) Ausweislich des von OStR X. unter dem 11. Dezember 2011 verfassten Vermerks „Begründung Schulausschluss gegen A., Klasse 9e“
- 9
(„Die Schule hält es für erwiesen, dass […] A. versucht hat Marihuana an Mitschüler zu verkaufen [Angebot erfolgte an B.]. In mindestens einem Fall hat er selbst Marihuana von C. gekauft. Auch bei A. lässt der zeitliche Ablauf der Vorfälle darauf schließen, dass es sich hier nicht um einen einmaligen Vorfall, sondern um mehrere Vorfälle bestehend aus Verkaufsangebot an Mitschüler, Ankauf und Vorzeigen von Joints handelt.“),
- 10
des Einladungsschreibens an die Eltern des Klägers zur Sitzung der Gesamtkonferenz vom 6. Dezember 2011
- 11
(„[W]ir legen Ihrem Sohn zur Last, vor und nach den Herbstferien Drogen gekauft und anderen Schülern zum Kauf angeboten zu haben.“),
- 12
des im Protokoll der Gesamtkonferenz vom 14. Dezember 2011 wiedergegebenen Berichts des Mittelstufenteams
- 13
(„Glaubwürdige Mitschüler berichten von der Vermittlung und dem Verkaufsangebot von Marihuana durch A. vor den Herbstferien und im November, was von diesem aber bestritten wird.“)
- 14
sowie des angefochtenen Bescheids vom 15. Dezember 2011
- 15
(„A. wird von mehreren glaubhaften Zeugen mit Angaben von Ort und Zeit beschuldigt, an der Schule während der Schulzeit Drogen [2 Joints] gekauft und anderen Schülern vor den Herbstferien zum Kauf angeboten zu haben. Nach den Herbstferien hat er Joints von C. im Schulgebäude auf der Jungentoilette gekauft. In einer anderen Situation hat er Mitschülern seine Joints im Klassenraum gezeigt. Daher kommen wir zu dem Schluss, dass er nicht nur selbst Drogen konsumiert, sondern diese auch Mitschülern aktiv zum Kauf angeboten hat.“)
- 16
hat die Gesamtkonferenz ihrer Entscheidung, den Kläger von der Schule auszuschließen, allein die Annahme zugrunde gelegt, er habe nachweislich mit illegalen Drogen gehandelt. Auch der Widerspruchsbescheid vom 3. April 2012 stellt ausschließlich darauf ab, der Kläger habe
- 17
„durch sein Handeln mit Drogen den Schulbetrieb massiv gestört und darüber hinaus das Zusammenleben in der Schule erheblich erschwert und gefährdet“, die Schule könne jedoch „auf dem Schulgelände in keinem Fall Drogen, Drogenkonsum oder den Handel mit Drogen dulden.“
- 18
Diesen vom Kläger bestrittenen Sachverhalt hat die vor dem Verwaltungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme jedoch nicht bestätigt. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, weshalb hierauf gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO verwiesen wird. Zwar sprechen die Übergabe selbstgedrehter Zigaretten auf der Toilette, die vom Kläger im September 2011 an C. gesendeten Kurznachrichten
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(„Ey du hast doch gesagt das dir jemand was besorgt Kannst du mir auch was holen??“; „Ja kannst du morgen nochmal mitnehmen?? Da bin ich sicher da Wieviel muss ich dir nochmal dafür geben??:-*“)
- 20
sowie dessen Antwort
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(„Ja okay… Ja geb einfach 8 Euro passt schon :)… 1. Große pause auf dem Klo <3“)
- 22
ebenso für eine Übergabe illegaler Drogen wie die verzögerten und in ihrer Glaubhaftigkeit zumindest zweifelhaften Erklärungen des Klägers (vgl. auch AG Mainz, Urteil vom 27. April 2012 – 3331 Js 4081/12 jug.407Ds –). Insbesondere ergibt sich aus den vorstehenden Kurznachrichten, dass der Kläger an C. Geld nicht lediglich zur Begleichung von Schulden aus Supermarkteinkäufen übergeben hat. Auch haben die Schulleiterin sowie der Mittelstufenleiter übereinstimmend bekundet, der Vater des Klägers habe ihnen gegenüber die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe eingeräumt, ohne dass Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, warum beide Lehrer ungeachtet drohender straf- und disziplinarrechtlicher Sanktionen wahrheitswidrige Angaben machen sollten. Die vom Kläger veranlasste Haaranalyse ist schließlich aufgrund der mit ihr verbundenen Ungereimtheiten gleichfalls nicht geeignet, die Bedenken an der Wahrheitsgemäßheit seiner Darstellung zu zerstreuen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 – 2 B 10386/12.OVG –).
- 23
Letztlich verbleiben jedoch – wenn auch nur geringe – Zweifel, ob die „selbstgedrehten Zigaretten“ tatsächlich illegale Substanzen enthielten oder ob der dahingehende erhebliche Verdacht nicht lediglich – wie vom Kläger vorgetragen – durch „pubertäres Imponiergehabe“ verursacht wurde. Zum Inhalt der von C. erworbenen sowie der den Mitschülern vorgezeigten Zigaretten konnten weder B. noch D. Angaben machen. LOStDir’in Y. und OStR X. wiederum haben nur bezeugen können, dass sie die Ausführungen des Vaters des Klägers als Eingeständnis verstanden haben. Die Schulleiterin hat hingegen angegeben, über die Inhaltsstoffe sei nicht gesprochen worden. Ob sich die Ausführungen des Vaters des Klägers hinsichtlich des Erwerbs, Angebots und Vorzeigens von „Joints“ damit tatsächlich auf Marihuana oder Haschisch oder lediglich auf die äußere Erscheinung der Zigaretten bezogen und ob dieser wiederum den Inhalt des Gesprächs mit dem Kläger vollständig wiedergegeben hat, wird damit nicht belegt. Auch insoweit bestehen zwar erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass es tatsächlich um Betäubungsmittel ging. Wegen der vorgenannten Zweifel kann jedoch nicht mit der für eine Urteilsfindung erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, dass der Kläger in der Schule mit Rauschgift gehandelt hat.
- 24
b) Vielmehr kann aufgrund der vorliegenden Beweismittel sowie der Einlassungen der Beteiligten im Straf- und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der schulrechtlichen Bewertung derzeit lediglich zugrunde gelegt werden, dass der Kläger von C. „Shisha-Tabak“, „Legal Highs“ und „Kräutermischungen“ erworben hat, die Übergabe (auch) auf der Schultoilette erfolgte (Schriftsatz vom 27. April 2012, S. 2 und 3; Kurznachrichten vom 20. September 2011), er in der Schule wie „Joints“ aussehende selbstgedrehte Zigaretten mit „Shisha-Tabak“ und „Legal Highs“ bei sich führte (Klageschrift vom 30. April 2012, S. 5) und dem Mitschüler B. gegenüber – wenn auch auf dessen Nachfrage nach Drogen hin – angegeben hat, er könne ihm möglicherweise etwas besorgen.
- 25
Auch ein solches Verhalten begründet allerdings eine ernstliche Gefahr für die Erziehung der anderen Schülerinnen und Schüler im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 SchulG und kann einen – auch dauerhaften – Schulausschluss rechtfertigen.
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aa) Insoweit kommt es nicht darauf an, ob „Legal Highs“ und „Kräutermischungen“ in den Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes fallen und ob ihr unerlaubtes Inverkehrbringen strafbar ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. März 2013 – 3 StR 437/12 –, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Dezember 2012 – 1 St OLG Ss 246/12 –, juris; Patzak/Volkmer, NStZ 2011, 498; Nobis, NStZ 2012, 422). Schulische Ordnungsmaßnahmen sind weder Strafen noch bezwecken sie eine (zusätzliche) Sanktionierung strafbaren Verhaltens. Vielmehr dienen sie der Wahrung des schulischen Erziehungsauftrags. Trotz ihres repressiven und reaktiven Charakters steht nicht der Sühne- oder Vergeltungsgedanke, sondern der erzieherische Aspekt im Vordergrund (vgl. Tangermann, BayVBl. 2008, 357 [358]).
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Ungeachtet der Strafbarkeit nach dem Betäubungs- oder dem Arzneimittelgesetz gefährden „Legal Highs“ und ähnliche Produkte die schulische Erziehung. Ihre Propagierung und Verbreitung in der Schule bedeuten daher eine ernstliche Gefahr für die Schülerinnen und Schüler. „Legal Highs“ sind synthetische Drogen, die als angeblich legale Alternativen zu illegalen Drogen vermarktet werden. Sie enthalten in der Regel jedoch ebenfalls Betäubungsmittel oder chemische, psychoaktive Substanzen (oftmals synthetische Cannabinoide) aus der Pharmaforschung und können eine ähnliche Wirkung wie illegale Drogen haben. Die Substanzen werden in illegalen Labors gemischt, wobei die Hersteller auf die Unterstellung einzelner Stoffe unter das Betäubungsmittelgesetz in der Regel umgehend dadurch reagieren, dass diese durch neue Inhaltsstoffe ersetzt werden. Ihre Neuheit sowie die Geschwindigkeit und Vielzahl, in der sie angeboten werden, machen eine angemessene und zeitnahe betäubungsmittelrechtliche Kontrolle dieser Drogen äußerst schwierig (vgl. BT-Drucks. 17/7706, S. 2; Warnung des Bundeskriminalamts und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vor dem Konsum von „Legal Highs“ vom 20. Dezember 2010, http://www.bka.de/nn_206064/DE/ThemenABisZ/Kriminalpraevention/Warnhinweise/101220__legalHighs.html; Drogenreferat der Stadt Frankfurt/Main, Informationen zu „Legal Highs“, http://www.frankfurt.de/sixcms/media.php/738/infopapier_legal_%20high.pdf).
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„Legal Highs“ werden danach zu Rauschzwecken als (vermeintlich) legale Alternative zu illegalen Drogen konsumiert. Sie sind bewusst darauf angelegt, vergleichbare Wirkungen zu erzielen sowie die Restriktionen des Betäubungsmittelrechts zu umgehen. Eine solche Flucht in psychoaktive Substanzen am Rande der Legalität widerspricht der staatlichen Erziehung zu einem bewussten und eigenverantwortlichen Leben; sie fördern zudem selbst dann, wenn sie im Einzelfall nicht unter betäubungs- und arzneimittelrechtliche Verbote fallen, die Bereitschaft, auch einmal „echte“ Drogen auszuprobieren, und senken damit – gerade im Hinblick auf ihre vermeintliche Legalität – die Hemmschwelle für einen Einstieg in den Drogenkonsum. Ihr Gefährdungspotential für die Entwicklung von Schülern steht vor diesem Hintergrund demjenigen illegaler Drogen wie Haschisch oder Marihuana letztlich nicht nach. Hinzu kommen erhebliche unkalkulierbare gesundheitliche Risiken. Es wurden Fälle aus ganz Deutschland bekannt, in denen es nach dem Konsum von „Legal High“-Produkten zu teilweise schweren, mitunter lebensgefährlichen Intoxikationen kam und die meist jugendlichen Konsumenten mit Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen, Wahnvorstellungen, Muskelzerfall bis hin zu drohendem Nierenversagen in Krankenhäusern notfallmedizinisch – einschließlich künstlicher Beatmung und Reanimation – behandelt werden mussten (vgl. BT-Drucks. 17/7706, S. 2; Warnung des Bundeskriminalamts und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vor dem Konsum von „Legal Highs“ vom 20. Dezember 2010).
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bb) Darüber hinaus bedeutet auch das Vorspiegeln der Verfügbarkeit von Drogen eine Propagierung von deren Konsum und ist damit geeignet, andere Schüler zu derartigen „Experimenten“ zu verleiten. Selbst wenn der Kläger daher in der Schule nicht mit illegalen Drogen gehandelt haben sollte, so hat er doch bewusst – nach seinem Vortrag aufgrund jugendlichen Imponierbedürfnisses – den gegenteiligen Anschein erweckt. Berücksichtigt man die Aussagen von B., D. und E., so glaubten mehrere Schüler, der Kläger habe Zugang zu Drogen. Die Aufgabe der Schule, ein drogenfreies Umfeld zu gewährleisten, wird hierdurch erheblich erschwert und ihre Erfüllung gegenüber sowohl Mitschülern als auch deren Eltern nachhaltig in Zweifel gezogen.
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Hinzu kommt, dass es der Schule in diesen Fällen regelmäßig nicht oder nur äußerst schwer möglich ist, den positiven Nachweis eines Handelns mit illegalen Drogen zu führen. Ein Schulausschluss als die auch in der Rechtsprechung als angemessen anerkannte Reaktion im Falle der Einbringung von Betäubungsmitteln in das schulische Umfeld käme daher in der Regel nur gegenüber geständigen oder gegenüber solchen Schülern in Betracht, in deren Besitz auf dem Schulgelände Drogen gefunden werden. Selbst bei gewichtigen, dem Schüler zurechenbaren Verdachtsmomenten zusätzlich den uneingeschränkten Nachweis des Einbringens „echter“ Drogen zu verlangen, erweckte angesichts der generell erschwerten Nachweisbarkeit derartiger Verstöße – Drogenhandel, bei dem sich alle Beteiligten strafbar machen und daher kein Interesse an der Offenlegung haben, findet meist im Verborgenen statt, wobei Absatzmöglichkeiten andererseits davon abhängen, dass Bezugsquellen gerüchteweise bekannt sind – den Anschein, im Vertrauen darauf, sich notfalls in die (Schutz-)Behauptung von „Scheindrogen“ zu flüchten, könnten Drogen gefahrlos im schulischen Umfeld lanciert oder zumindest zur Steigerung des Ansehens unter Mitschülern verwendet werden. Einen Schulausschluss nur unter der Bedingung des unzweifelhaften Nachweises des Handelns mit illegalen Drogen für rechtmäßig zu erachten, würde zudem die negative Vorbildfunktion, die schon durch den bewusst erweckten Anschein des Drogenhandels ausgelöst wird, ebenso ignorieren wie den Umstand, dass auch ein solches Verhalten den Konsum von Rauschgiften propagiert.
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cc) Derartige Verhaltensweisen können daher einen Schulausschluss rechtfertigen, und zwar nach den Umständen des Einzelfalls – insbesondere unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Schülers, seiner Einsichtsfähigkeit sowie der Einwirkung der Eltern – auch ohne vorherige Androhung gemäß § 55 Abs. 4 Satz 2 SchulG, § 99 Abs. 2 ÜSchulO. Insofern verweist der Senat auf seine Ausführungen im Beschluss vom 16. Juli 2012 – 2 B 10386/12.OVG –, S. 6 ff.
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c) Hierauf hat die hierzu allein berufene Gesamtkonferenz den Schulausschluss des Klägers bislang jedoch nicht gestützt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der dahingehende Vortrag des Beklagten eine bloße Ergänzung der Ermessenserwägungen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO oder eine Auswechselung der Begründung darstellt.
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Gemäß § 99 ÜSchulO entscheidet die Gesamtkonferenz darüber, ob ein Schüler von der Schule ausgeschlossen oder ob gegen ihn eine andere Ordnungsmaßnahme ausgesprochen wird. Ihr Beschluss wiederum ist für die Schulleitung nach § 27 Abs. 6 Satz 1 SchulG bindend. Wie vorstehend dargelegt, hat die Gesamtkonferenz des Gymnasiums … ihrer Entscheidung über die gegen den Kläger zu treffende Maßnahme ausschließlich zugrunde gelegt, er habe mit Haschisch oder Marihuana gehandelt. Anderweitige Überlegungen der Konferenz bzw. der Mehrheit ihrer Teilnehmer sind nicht, insbesondere nicht aus den Sitzungsprotokollen, erkennbar. Eine „Erweiterung“ der Ausschlussgründe auf den Anschein des Drogenhandels erfolgte vielmehr erst durch die Schulleiterin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sowie – allerdings widersprüchlich – in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung durch den Bevollmächtigten des Beklagten. Ohne eine dahingehende Beschlussfassung der zuständigen Gesamtkonferenz können jedoch die bislang erkennbar gewordenen Erwägungen weder durch die Schulleitung noch durch die Aufsichtsbehörde ergänzt werden (vgl. OVG RP, Beschluss vom 7. Februar 1996 – 2 B 10106/96.OVG –, NJW 1996, 1690).
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2. Darüber hinaus liegt auch kein Verfahrensfehler vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
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Die Rüge, das Verwaltungsgericht hätte auch D. als Zeugen vernehmen müssen, ist bereits deshalb unbegründet, weil es der Beklagte unterlassen hat, in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts einen dahingehenden förmlichen Beweisantrag zu stellen. Darüber hinaus mussten sich dem Verwaltungsgericht die vom Beklagten angemahnten Ermittlungen nicht aufdrängen, da auch dieser Schüler keine Angaben zum Inhalt der vom Kläger vorgezeigten Zigaretten machen konnte.
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Der Einwand, der Bevollmächtigte habe in der mündlichen Verhandlung aus staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten zitiert, ohne dass das Verwaltungsgericht oder der Beklagte den Wahrheitsgehalt der Vorhaltungen hätten prüfen können, wird schließlich dadurch widerlegt, dass der Klägerbevollmächtigte ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung Kopien der wiedergegebenen Passagen verteilt hat.
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3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.