Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 09. Mai 2014 - 15 B 521/14
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, unverzüglich eine Sitzung des Rates der Stadt E. einzuberufen, zu Recht abgelehnt. Der Antrag ist unbegründet. Denn die Antragstellerin hat entgegen § 123 Abs. 3 i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
3An einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch mangelt es deshalb, weil gegenwärtig ein Verstoß des Antragsgegners gegen § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW nicht festgestellt werden kann. Danach ist der Rat unverzüglich einzuberufen, wenn ein Fünftel der Ratsmitglieder oder eine Fraktion dies unter Angabe der zur Beratung zu stellenden Gegenstände verlangen.
4Der Bürgermeister muss also bei Vorliegen der Voraussetzungen vorzitierter Vorschrift ohne schuldhaftes Zögern den Rat einberufen. Ein schuldhaftes Zögern des Antragsgegners liegt aber zur Zeit nicht vor. Denn ausweislich seines Schreibens vom 25. April 2014 an die Antragstellerin prüft dieser derzeit noch die Zulässigkeit des Antrags, ohne dass insoweit eine ihm vorwerfbare Verzögerung erkennbar wäre.
5Allerdings sind dem Bürgermeister für die Ablehnung eines Antrags auf Einberufung des Rates gemäß § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW enge Grenzen gesetzt. Im Grundsatz gilt, dass er den Rat bei Vorliegen der Voraussetzungen vorzitierter Norm einberufen muss, ohne Rücksicht z. B. darauf, ob nach seiner Auffassung die Zuständigkeit der Gemeinde oder des Rates gegeben ist, ob es sich um mehr oder weniger bedeutungsvolle, um unwesentliche, eilige oder nicht eilbedürftige Beratungsgegenstände handelt.
6Held/Winkel/Wansleben (Hrsg.), Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen I., Wiesbaden (Stand: Dezember 2013), § 47 Anm. 4.2.
7Ferner entbindet z. B. eine Bestimmung in der Geschäftsordnung eines Rates, wonach Angelegenheiten, über die der Rat bereits früher entschieden hat, innerhalb einer bestimmten Frist nicht erneut zur Beratung gestellt werden dürfen, den Bürgermeister nicht von der Pflicht zur Einberufung des Rates, sofern die Antragsteller die erneute Beratung einer bereits früher vom Rat entschiedenen Sache verlangen. Denn es widerspräche dem vom Gesetzgeber gewollten Minderheitenschutz, wenn § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW durch Bestimmungen der Geschäftsordnung eingeschränkt werden könnte.
8Rehn/Cronauge/vonLennep/Knirsch, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen I, Siegburg (Stand: März 2014), § 47 Anm. 3.
9Da ein Antrag auf Einberufung des Rates eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung ist, darf der Bürgermeister einen solchen Antrag also letztlich nur bei erkennbarer mangelhafter Ernsthaftigkeit oder dann unberücksichtigt lassen, wenn ein verständiger Sinn nicht möglich oder das Begehren aus tatsächlichen Gründen nicht beratungsfähig ist.
10Held/Winkel/Wansleben (Hrsg.), a. a. O. § 47 Anm. 4.3. m. w. N..
11Darüber hinaus braucht einem Antrag auf unverzügliche Einberufung des Rates natürlich auch dann nicht entsprochen zu werden, wenn die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit der Antragstellung ergibt, dass mit ihr die Grenze zum Rechtsmissbrauch überschritten wird.
12Eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Rechtsposition der Antragstellerin aus § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW ist hier zumindest nicht von vorneherein von der Hand zu weisen, wenn in den Blick genommen wird, dass die in der beantragten Ratssitzung zu behandelnde Thematik nach den Ausführungen im schon genannten Schreiben des Antragsgegners vom 25. April 2014 bereits Gegenstand der letzten, gerade erst durchgeführten Sitzung des Rates der Stadt E. am 10. April 2014 war. Letzteres wird von der Antragstellerin im Übrigen nicht in Abrede gestellt und in ihrer Beschwerdebegründung auch nicht weiter thematisiert. Das wäre aber gerade mit Blick auf den vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung u. a. in Bezug genommenen Prüfungsvorgang des Antragsgegners zu erwarten gewesen. Vor diesem Hintergrund ist dem Antragsgegner zuzugestehen, innerhalb einer angemessenen – hier noch nicht überschrittenen - Frist zu prüfen und festzustellen, ob sich der vom Grundsatz her ordnungsgemäß gestellte Antrag der Antragstellerin gemäß § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW hier ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich erweist.
13Darüber hinaus fehlt es vorliegend aber auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen ist es der Antragstellerin zuzumuten, die im Schreiben des Antragsgegners vom 25. April 2014 angesprochene Prüfung der Zulässigkeit ihres Antrags nach § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW abzuwarten, so dass im gegenwärtigen Zeitpunkt eine vorläufige Regelung im Sinne von § 123 Abs. 1 VwGO nicht nötig ist.
14Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Da der im Rechtsmittelverfahren weiterverfolgte erstinstanzliche Antrag der Antragstellerin auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, hat der Senat ebenfalls von einer Reduzierung des in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts abgesehen.
15Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.