Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 16. Juni 2015 - 14 A 910/15
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 9.577,89 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vorliegen oder bereits nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind.
3Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen aus den in der Antragsbegründung aufgeführten Gründen nicht. Kein tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
4Soweit unter diesem Gesichtspunkt die Übertragung auf den Einzelrichter vor Eingang der Klagebegründung gerügt wird, vermag der Umstand keine solchen Zweifel zu wecken. Ernstliche Zweifel im genannten Sinne erfordern inhaltliche Bedenken gegen das Urteil, nicht aber Verfahrensbedenken gegen die Bestimmung der zuständigen Richter.
5Soweit die Klägerin meint, entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des beschließenden Gerichts sei die Verbrauchsteuerrichtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 relevant, bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Für die die hier in Rede stehende Vergnügungssteuererhebung regelt die Richtlinie nichts.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.8.2014 ‑ 14 A 1353/14 ‑, NRWE Rn. 4 ff. m. w. N.
7Das gilt auch für den von der Klägerin herangezogenen unionsrechtlichen Grundsatz steuerlicher Neutralität.
8Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 23.6.2010 ‑ 14 A 597/09 -, NRWE Rn. 57 ff.
9Die Vergnügungssteuer ist entgegen der Darstellung der Klägerin keine harmonisierte Steuer. Zwar eröffnet Art. 113 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) grundsätzlich eine Kompetenz zur Harmonisierung indirekter Steuern, also auch der Geldspielgerätesteuer. Davon ist aber bislang kein Gebrauch gemacht worden.
10Vgl. die Zusammenstellung der auf dieser Rechtsgrundlage ergangenen Rechtsakte bei Kamann in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl., Art. 113 AEUV Rn. 13 ff.; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 18 Rn. 106.
11Im Übrigen dürfte wegen der einschränkenden Voraussetzungen für die Kompetenz in Art. 113 AEUV ("soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig ist") eine Kompetenz zur Harmonisierung der Geldspielgerätesteuer angesichts ihrer nur örtlichen Wirkung auch nicht eröffnet sein.
12So auch Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 4 Rn. 66.
13Alle von der Antragstellerin an die vermeintliche Harmonisierung geknüpften europarechtlichen Beschränkungen in Bezug auf Spielbanken sind damit gegenstandslos.
14Da diese Fragen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt sind oder zweifelsfrei bejaht werden können, bedarf es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV nicht. Es besteht daher ‑ auch unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) - keine Veranlassung zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.
15Die Rechtssache weist nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, weil die Frage nach der Bedeutung der Verbrauchsteuerrichtlinie 2008/118/EG für die hier in Rede stehende Vergnügungssteuererhebung auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens mit der erforderlichen Sicherheit beantwortet werden kann. Ob die Vergnügungssteuer terminologisch auch als Verbrauchsteuer angesehen wird, ist für die Tatsache unerheblich, dass die Vergnügungssteuer durch die Verbrauchsteuerrichtlinie nicht harmonisiert wird. Auch die zitierte Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts begründet keine besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache. Aus der Wiedergabe der Entscheidungen durch die Klägerin ergibt sich, dass beide Gerichte ‑ in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht und dem beschließenden Gericht ‑ die Vergnügungssteuer als Besteuerung eines Aufwands ansehen.
16Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Die insoweit aufgeworfene Frage,
17ob die Vergnügungssteuer als Verbrauchsteuer zu sehen ist, für die die Verbrauchsteuerrichtlinie anwendbar ist, oder ob sie als Aufwandsteuer zu sehen ist und ob und inwieweit sich Aufwand- und Verbrauchsteuern unterscheiden,
18ist, soweit sich in einem Berufungsverfahren überhaupt stellen würde, nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres dahin beantwortet werden kann, dass die Verbrauchsteuerrichtlinie die Vergnügungssteuer als örtliche Aufwandsteuer nicht regelt.
19Vgl. die zwei selbständigen Gründe aus OVG NRW, Beschluss vom 20.8.2014 ‑ 14 A 1353/14 ‑, NRWE Rn. 4 ff. m.w.N., von denen der Umstand, dass die Vergnügungssteuer keine Steuer auf Dienstleistungen ist, neben dem Umstand fehlender Umsatzbezogenheit steht.
20Die weiter aufgeworfene Frage,
21ob neben der Besteuerungsmöglichkeit von Waren oder Dienstleistungen als dritte Möglichkeit auch der Vergnügungsaufwand eines Spielers besteuert werden kann, soweit er sich nicht als Besteuerung einer Dienstleistung darstellen würde,
22ist nicht klärungsfähig, da sie sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde. Ob die Vergnügungssteuer eine Besteuerung einer Dienstleistung darstellt, ist für den Umstand, dass die Verbrauchsteuerrichtlinie die Vergnügungssteuer als örtliche Aufwandsteuer nicht regelt, wie oben ausgeführt, nicht allein maßgeblich. Dass die Besteuerung von Aufwand europarechtlich unzulässig sein könnte, legt die Klägerin nicht dar, so dass nicht erkennbar ist, warum sich diese Frage stellen könnte.
23Schließlich ist die Frage,
24ob die Vergnügungssteuer als Verbrauchsteuer zu sehen ist und ob demzufolge die Verbrauchsteuerrichtlinie Anwendbarkeit findet,
25wie die erstgenannte Frage nicht klärungsbedürftig, soweit sie sich in einem Berufungsverfahren überhaupt stellen würde. Es steht auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres fest, dass die Verbrauchsteuerrichtlinie die Vergnügungssteuer als örtliche Aufwandsteuer nicht regelt.
26Der Zulassungsgrund einer Abweichung des angegriffenen Urteils von der Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte ist nicht hinreichend dargelegt. Dazu ist erforderlich, dass der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat. In der Antragsschrift wird kein solcher Satz aus den Gründen der angegriffenen Entscheidung benannt, mit dem das Verwaltungsgericht von einem ebensolchen Rechtssatz aus der zitierten Entscheidung des übergeordneten Gerichts abgewichen sein soll. Vielmehr meint die Klägerin allein ‑ und dies im Übrigen noch zu Unrecht ‑, dass das Verwaltungsgericht die vom Bundeverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union fehlerhaft angewandt habe.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.
28Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.