Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 13. Feb. 2014 - 14 A 215/14.A
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht zu.
4Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der genannten Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
5Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,
6"ob unverfolgt, illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, angesichts der Repression des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden im Sinne einer Einzelverfolgung aufgrund Gruppenzugehörigkeit",
7keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist nicht klärungsbedürftig, da sie in Nordrhein-Westfalen im verneinenden Sinne geklärt ist.
8Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 9.12.2013 ‑ 14 A 2663/13.A ‑, NRWE Rn. 5 ff.
9Der Umstand, dass die tatsächliche Situation in Syrien hinsichtlich dieser Frage unterschiedlich gewürdigt wird, kann nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unter dem Gesichtspunkt führen, dass zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen ist. Das ist nämlich nicht möglich, da dieses Gericht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO).
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2013 ‑ 14 A 1863/13.A ‑, NRWE Rn. 9.
11Somit könnte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur damit begründet werden, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, die die genannte Frage als klärungsbedürftig geblieben oder wieder geworden erscheinen lassen.
12Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124 Rn. 144.
13Das ist nicht der Fall. Der Verweis auf die abweichende Wertung der tatsächlichen Verhältnisse durch andere Gerichte genügt dafür nicht. Die vom Kläger insoweit genannten tatsächlichen Gesichtspunkte hat auch der Senat in seiner Rechtsprechung berücksichtigt. Sie können die mit dieser Rechtsprechung übereinstimmende Beurteilung des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil nicht in Frage stellen. Belastbare Erkenntnisse, die die asylrechtlich erhebliche Gefahr einer politischen Verfolgung belegen, benennt der Kläger in den abweichenden Entscheidungen anderer Gerichte nicht. Deren Auffassung beruht mangels Referenzfällen, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände. Diese Wertung teilt der beschließende Senat in seiner Rechtsprechung nicht, weil es lebensfremd ist anzunehmen, der syrische Staat, dessen Machthaber gegen Aufständische um das politische und physische Überleben kämpfen und dabei die Kontrolle über erhebliche Landesteile verloren haben, hätte Veranlassung und Ressourcen, alle zurückgeführten unpolitischen Asylbewerber ohne erkennbaren individuellen Grund aus den in § 60 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) genannten Gründen zu verfolgen. Für die Annahme, dass die syrischen Sicherheitsorgane eine solche auf jeden Asylbewerber bezogene, an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgungstätigkeit entfalteten, gibt es keinerlei Anhalt.
14Damit setzt sich der Senat keineswegs, wie der Kläger glaubt, in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung hinsichtlich der Gewährung von Abschiebungsschutz für alle syrischen Asylbewerber. Der Senat hat entschieden, dass angesichts des weitverbreiteten und wahllosen Einsatzes der Folter durch den syrischen Staat für jeden rückgeführten Asylbewerber die beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, auch ohne individuellen Bezug zu Gruppen oder Personen der Exilszene über sein Wissen darüber während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unter Einsatz der Folter abgeschöpft zu werden.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.2.2012 ‑ 14 A 2708/10.A ‑, NRWE Rn. 43 ff.
16Die allgemeine Gefahr informatorischer Befragung unter Folter ohne erkennbaren individuellen ‑ und sei es auch nur gruppenabgeleiteten ‑ Grund knüpft jedoch nicht an asylerhebliche Merkmale an. Folter kann ein Indiz für eine asylrechtsrelevante Gerichtetheit der Verfolgung sein,
17Vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 21. August 1995 ‑ 2 BvR 1675/95 ‑, juris Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 ‑ 9 C 36.83 ‑, BVerwGE 67, 184 (194); OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2013 ‑ 14 A 2130/13.A ‑, S. 3 des amtlichen Umdrucks,
18führt aber nicht als solche zur Annahme einer politischen Verfolgung, sondern zu Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes. Zur Annahme der politischen Verfolgung eines durch Folter Bedrohten ist, wenn nicht in seiner Person an asylerhebliche Merkmale angeknüpft wird, jedenfalls dessen Zurechnung zur Gegenseite des Verfolgerstaates oder zu einer anderen Person, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist, erforderlich.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.7.2012 ‑ 14 A 2485/11.A ‑, NRWE Rn. 16 f.; Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2013), vor II-1 Rn. 69.
20Daran fehlt es, wenn lediglich die beachtliche Wahrscheinlichkeit für jeden Asylbewerber besteht, bei seiner Rückkehr routinemäßig auch unter Einsatz der Folter befragt zu werden.
21Das angegriffene Urteil weicht auch nicht von den von den Klägern zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG. Eine die Berufung eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz mit einem die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widerspricht.
22Das Bundesverwaltungsgericht hat in den vom Kläger zitierten Entscheidungen,
23Urteil vom 1.6.2011 ‑ 10 C 25.10 ‑, NVwZ 2011, 1463, und Urteil vom 27.4.2010 ‑ 10 C 5.09 ‑, NVwZ 2011, 51,
24entschieden, dass in Abweichung von der früheren, auf nationales Recht gestützten Rechtsprechung ein einheitlicher Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden ist, dass aber bei Vorverfolgten bzw. Geschädigten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 Platz greife. Das Verwaltungsgericht hat ‑ unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des beschließenden Senats ‑ keine dem widersprechenden Rechtssätze aufgestellt, wie es der Kläger aus Entscheidungen des beschließenden Senats herauslesen zu können glaubt. Wie oben bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem vom Senat und vom Verwaltungsgericht für jedweden Rückkehrer nach Syrien angenommenen Umstand der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 AsylVfG unterworfen zu werden, mitnichten die beachtliche Wahrscheinlichkeit, unter Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG verfolgt zu werden.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung
- 1.
von Bundesrecht oder - 2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.