Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 08. Jan. 2018 - 3 LZ 331/17
Gericht
Tenor
Die Berufung der Kläger wird insoweit zugelassen, als das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 06. April 2017 den Hilfsantrag abgewiesen hat. Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist fristgerecht gestellt und begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. April 2017 wurde den Klägern am 26. April 2017 zugestellt. Der Zulassungsantrag ist beim Verwaltungsgericht am 24. Mai 2017 eingegangen und am 26. Juni 2017 gegenüber dem Oberverwaltungsgericht begründet worden.
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Ein Zulassungsgrund liegt nur insoweit vor, als es den Hilfsantrag betrifft.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Geboten ist eine summarische Prüfung des Zulassungsvorbringens auf die schlüssige Infragestellung der Auffassung des Verwaltungsgerichts. Ernstliche Zweifel sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG 3. Kammer des Ersten Senats, B. v. 21.01.2009 -, 1 BvR 2524/06). Dabei hat das Zulassungsverfahren nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen (vgl. BVerfG 2. Kammer 1. Senat, B. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163).
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Derartige Zweifel werden in der Zulassungsschrift nicht aufgezeigt, soweit das Verwaltungsgericht den Hauptantrag auf Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion abgewiesen hat. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass Bauvorlagen auch im vereinfachten Verfahren solche Unterlagen enthalten müssen, die – möglicherweise – im Genehmigungsverfahren selbst nicht geprüft werden (vgl. auch OVG des Saarlandes, Beschluss vom 12.02.2009 - 2 A 256/08 – juris). Soweit das Verwaltungsgericht den Beschluss des Senats vom 09.03.2004 – 3 M 253/03 – juris Rn. 20 zitiert, ergibt sich diese Aussage hieraus jedoch nicht. Die zitierte Stelle lautet: „Die Genehmigungsfiktion kann daher nur dann eintreten, wenn - erstens - die Bauunterlagen vollständig sind und - zweitens - das geplante Bauvorhaben unter § 63 Abs. 1 LBauO M-V subsumiert werden kann.“ Damit ist über den Umfang der vorzulegenden Bauunterlagen nichts gesagt, sondern es werden zwei unabhängig zu erfüllende Voraussetzungen für das Eintreten eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens gestellt. Maßgebend ist, dass nach § 3 Nr. 1 der Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen (Bauvorlagenverordnung - BauVorlVO M-V) in der hier maßgebenden Fassung vom 10. Juli 2006 (GVOBl. M-V 2006, S. 612) der Auszug aus der amtlichen Liegenschaftskarte und der Lageplan (§ 7) vorzulegen sind. § 7 BauVorlVO M-V bestimmt den näheren Inhalt der Angaben, die sich aus der amtlichen Liegenschaftskarte und dem Lageplan ergeben müssen. Eine Differenzierung dieser Anforderungen danach, ob das Vorhaben in einem vollständigen Genehmigungsverfahren, einem vereinfachten Genehmigungsverfahren oder im Freistellungsverfahren zu beurteilen ist, enthält die Verordnung nicht. Eine solche Unterscheidung lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass § 7 BauVorlVO M-V die Einschränkung enthält, der Lageplan müsse die genannten Angaben enthalten, “soweit dies zur Beurteilung des Vorhabens erforderlich ist“. Diese Einschränkung bezieht sich erkennbar zunächst auf die Voraussetzungen für die Beurteilung der materiellen Baurechtmäßigkeit des Vorhabens. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. Die Angaben sollen es nämlich zugleich der zuständigen Behörde ermöglichen, gegebenenfalls wegen der Nichteinhaltung materiellen Baurechts, das im Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen, das aber gemäß § 59 Abs. 3 LBauO M-V einzuhalten ist, gleichwohl die Realisierung des mitgeteilten Vorhabens im Wege des repressiven Einschreitens zu unterbinden (§ 58 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V). Zugleich müssen die Angaben aber auch diejenigen Hinweise enthalten, die dafür erforderlich sind, um beurteilen zu können, in welchen der drei Verfahrensarten das Vorhaben zu beurteilen ist. Die vermissten Angaben der First – und Außenwandhöhe sind allein schon für die Beurteilung der Abstandsflächen nach § 6 LBauO M-V erforderlich.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, jedenfalls aber einen Verfahrensmangel haben die Kläger dargelegt, soweit das Verwaltungsgericht den Hilfsantrag abgelehnt hat, ohne die angebotenen Beweise zu erheben. Für die Klärung der Frage, ob ein Weg zu den maßgebenden Zeitpunkten dem öffentlichen (Fuß)gängerverkehr diente, sind Zeugen grundsätzlich ein geeignetes Beweismittel (vgl. nur BVerwG, B. v. 29.10.2008 – 9 B 53/08 - Buchholz 407.0 Allg Straßenrecht Nr 25, zit. nach juris; OVG Magdeburg, B. v. 15.09.2017 - 2 L 23/16 – juris). Dem Vorhandensein eines öffentlichen Wegs steht auch nicht von vornherein entgegen, dass keine herausgemessene Wegefläche besteht. Hierin mag, ebenso wie in dem Umstand, dass die behauptete Wegefläche über Privatgrund verläuft oder zusätzlich privatrechtliche Sicherung vereinbart worden sind, ein Indiz für die Nichtöffentlichkeit liegen. Damit wird aber kein Zeugenbeweis unzulässig, der dafür angeboten wird, diese Indizien zu widerlegen. Das Vorliegen eines Ausforschungsbeweises hat das Verwaltungsgericht nicht weiter begründet. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt vor, wenn für den Wahrheitsgehalt der Tatsachenbehauptungen nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt werden, für die tatsächliche Grundlagen jedoch fehlen (BVerwG, B. v. 04.10.2010 - 3 B 17/10 - NVwZ-RR 2011, 45). Dass die Annahme, der Weg habe Strandbesuchern gedient, gerade öffentlichen und nicht Anliegerverkehr begründen könnte, liegt auf der Hand.
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Mit der Bekanntgabe dieses Beschlusses wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, soweit der Hauptantrag abgewiesen worden ist.
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Hinsichtlich des Hilfsantrags wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Domstraße 7, 17489 Greifswald einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
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Hinweis:
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Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
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wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.