Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 15. Nov. 2017 - 2 AR 40/17

published on 15/11/2017 00:00
Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 15. Nov. 2017 - 2 AR 40/17
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Tenor

1. Herrn Rechtsanwalt J. wird für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten … im Ermittlungsverfahren, im Zwischenverfahren sowie im Strafverfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 1 KLs 359Js 11531/11) unter Anrechnung der bereits ausgezahlten Pflichtverteidigergebühren eine Pauschgebühr in Höhe von 16.100 € (zuzüglich Auslagen und USt.) bewilligt.

2. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der bereits aufgrund Vollmacht vom 31.05.2011 als Wahlverteidiger des Angeklagten … tätig war, war diesem mit Verfügung des Amtsgerichts Nürnberg vom 04.07.2011 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat mit Anklageschrift vom 11.06.2012 am selben Tag Anklage erhoben. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 28.08.2012 das Hauptverfahren eröffnet.

Der Antragsteller verteidigte den Angeklagten in der Hauptverhandlung an 44 Verhandlungstagen.

Mit Schreiben vom 11.09.2017 beantragte der Antragsteller, ihm eine Pauschgebühr nach § 51 RVG in Höhe von mindestens 251000 € (zzgl. USt.) festzusetzen, da die gesetzlichen Gebühren angesichts des erheblichen Zeitaufwands und des Umfangs und der Schwierigkeit der Angelegenheit unzumutbar seien.

Die Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Schreiben vom 16.10.2017 Stellung genommen. Sie erachtet unter Berücksichtigung der dem Pflichtverteidiger zustehenden gesetzlichen Gebühren von 14.211 € im Hinblick auf den Umfang des Verfahrens die Bewilligung einer Pauschgebühr unter Erhöhung der gesetzlichen Grund- und der beiden Verfahrensgebühren auf die Wahlverteidigerhöchstgebühren (375 €, 312,50 € und 337,50 €) für angemessen aber auch ausreichend, und beantragt demzufolge - unter Hinzurechnung der gesetzlichen Terminsgebühren in Höhe von 13.761 € - dem Antragsteller keine höhere Pauschgebühr als 14.786 €, aufgerundet 14.800 € zu bewilligen und im Übrigen den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller nahm mit Schreiben vom 03.11.2017 Stellung und hielt an seinem ursprünglichen Antrag fest.

II.

Auf seinen nach § 51 Abs. 1 RVG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Antrag ist dem Antragsteller eine Pauschgebühr von 16.100 € (zzgl. Auslagen und USt.) zu gewähren.

1. Die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren errechnen sich (ohne Auslagen und Umsatzsteuer) wie folgt:

Nr. 4101 VV RVG: Grundgebühr mit Zuschlag gemäß Vorbem. 4 Abs. 4

162,00 €

Nr. 4103 VV RVG: Terminsgebühr mit Zuschlag gemäß Vorbem. 4 Abs. 4

137,00 €

Nr. 4105 VV RVG: Verfahrensgebühr mit Zuschlag gemäß Vorbem. 4 Abs. 4

137,00 €

Nr. 4113 VV RVG: Verfahrensgebühr mit Zuschlag gemäß Vorbem. 4 Abs. 4

151,00 €

Nr. 4115 VV RVG: Terminsgebühr Nr. 4114 mit Zuschlag gemäß Vorbem. 4 Abs. 4 (44 Termine a' 263,00 €)

11.572,00 €

Nr. 4116 VV RVG: Teilnahme an Hauptverhandlung mehr als 5 bis 8 Stunden (17 Termine a' 108,00 6)

1.836,00 €

Nr. 4117 VV RVG: Teilnahme an Hauptverhandlung mehr als 8 Stunden

216,00 €

Summe:

14.211,00 €

Da die Bestellung des Antragstellers am 04.07.2011, also vor Inkrafttreten der durch Art. 8 des am 23.07.2013 verkündeten Zweiten Kostenmodernisierungsgesetzes am 01.08.2013 (vgl. dort Art. 50) bewirkten Änderungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erfolgte, richten sich die Gebühren nach der bis dahin geltenden Fassung.

2. Nach § 51 Abs. 1 RVG kann bei Strafsachen besonderen Umfangs oder besonderer Schwierigkeit dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt eine Pauschgebühr entweder für das ganze Verfahren oder für einzelne besonders umfangreiche oder schwierige Verfahrensabschnitte gewährt werden. Damit soll eine unzumutbare Benachteiligung verhindert werden (Mayer/Kroiß, RVG 6. Aufl. § 51 Rdn. 2). Bei der Prüfung, ob die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Insgesamt muss die Tätigkeit des Verteidigers das Durchschnittsmaß erheblich überschritten haben.

Bei dem gegenständlichen Strafverfahren handelt es sich im Vergleich mit anderen, in die erstinstanzliche Zuständigkeit der großen Strafkammer beim Landgericht fallenden Strafsachen im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität - wovon auch die Bezirksrevisorin in deren Stellungnahme ausgeht - um eine besonders umfangreiche Sache, die jedoch auch überdurchschnittlich umfangreiche Strafverfahren im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität noch exorbitant übersteigt. Das Strafverfahren wurde gegen zwei Angeklagte geführt, die (in der Hauptverhandlung) von insgesamt vier Verteidigern verteidigt wurden.

Der Umfang der Ermittlungsakten (Hauptakte) betrug bis zur Anklageerhebung 1.733 Blätter und zum Beginn der Hauptverhandlung knapp 3.500 Blätter. Hinzu kamen bei Anklageerhebung weitere Teilermittlungsakten und Beweismittelakten. Wie sich den Blattzahlenangaben in der Anklageschrift (vor allem unter den Gliederungspunkten Beweismittel, Zeugen, Urkunden) entnehmen lässt, umfasste die Beweismittelakte ... mindestens 1,920 Blätter, die Beweismittelakte ... mindestens 528 Blätter, die Teilermittlungsakte Diebstahl ... mindestens 469 Blätter und die Teilermittlungsakte ... mindestens 1.662 Blätter. Bei der Haftprüfung vor Anklageerhebung sind sieben Bände an das Oberlandesgericht Nürnberg übersandt worden. Nach den Angaben in der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vorn 09.06.2012 sind insgesamt 23 Bände Ermittlungsakten an das Landgericht Nürnberg-Fürth übersandt worden. Besonders umfangreich waren die sich auf Datenträger in CD-Form befindenden TKÜ-Protokolle über rund 136.000 Telefongespräche. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft im Vorlagebericht vom 10.04.2012 hätten die Protokolle über die mitgeschnittenen Telefongespräche einen geschätzten Umfang von etwa 150 Leitzordnern erreicht, wenn sie ausgedruckt worden wären. Nach Angäben des Antragstellers im Schreiben vom 01.05,2012 (Seite 4) hatten die ihm am 30.11.2011 übersandten zwei CDs mit im pdf-Format verschrifteten Telefongesprächen einen Umfang von rund 44.500 Druckseiten.

Nicht nur der durchschnittliche, sondern auch der überdurchschnittliche Aktenumfang eines vor der großen Strafkammer geführten Strafverfahrens wurde somit hier deutlich überschritten. Dem Umfang der Akten und des Verfahrens entsprechend fand die neun Monate (vom 26.11.2012 bis 15.07.2013) dauernde Hauptverhandlung an insgesamt 44 Verhandlungstagen statt, was einem Durchschnitt von 1,4 Tagen pro Woche entspricht.

3. Der Senat hält die Vergütung durch die dem Pflichtverteidiger gesetzlich zustehenden Gebühren in Höhe von 14.211,00 € für unzumutbar, um den durch den Umfang der Akten erforderlichen Mehraufwand für die Einarbeitung in diese auszugleichen, so dass dem Antragsteller eine Pauschgebühr zu bewilligen ist. Diese ist der Höhe nach grundsätzlich durch eine Anhebung der Grundgebühr (diese beträgt nach Nr. 4101 VV RVG 162 €) und der Verfahrensgebühren (diese betragen nach Nr. 4105 VV RVG 137,00 € und nach Nr. 4113 VV RVG 151 €) zu berechnen.

Die Pauschgebühr wird zwar grundsätzlich durch die Obergrenze der Wahlverteidigergebühren begrenzt, da letztere regelmäßig eine leistungsorientierte Vergütung gewährleisten, durch den Gesetzgeber an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden und die Aufteilung der Gebühren auf die verschiedenen Tätigkeiten eine aufwandsangemessene Abrechnung der Anwaltsvergütung zulässt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 2, 144, 146, 149; BT Drucks. 17/11471, S. 133, 281 f.). Diese Grenze kann aber in extremen Ausnahmefällen überschritten werden, etwa wenn die Arbeitskraft des Verteidigers über einen längeren Zeitraum hinweg nahezu ausschließlich für seine Pflichtverteidigertätigkeit in Anspruch genommen wird oder eine Beschränkung selbst auf die Rahmenhöchstgebühr des Wählverteidigers in einem grob unbilligen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts stehen und diesem ein unzumutbares Sonderopfer abverlangen würde (vgl. ausführlich Beschluss des 2. Strafsenats vom 30.12.2014 - Az. 2 AR 36/14, Rpfleger 2015, 355, juris Rn. 54 ff) Ein solcher Fall liegt hier vor.

a) Mit der Grundgebühr wird gemäß Anmerkung (1) zu Nr. 4100 VV RVG die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt; Nach der Gesetzesbegründung betrifft dies das mit dem Mandanten und die erste Beschaffung der erforderlichen Informationen (BT-Drucks. 15/1971 S. 222 zu Nr. 4100 W); dies erfasst alle in zeitlich nahem Zusammenhang mit der Übernähme des Mandats stehenden Tätigkeiten, die notwendig für die ordnungsgemäße Erstbearbeitung des Rechtsfalles sind, also auch die erste Akteneinsicht (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG aaO, W 4100, 4101 Rdn. 1 und 10; Burhoff, RVG, aaO., Nr.4100 W Rdn. 20 ff.).

Spätere sich anschließende Gespräche, die z.B. dem konkreten Aufbau der Verteidigungsstrategie dienen, werden nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entstehenden Verfahrensgebühr umfasst (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG aaO. W 4100 Rdn. 11; zum Ganzen OLG München Rpfleger 2014, 445 Rdn. 19 nach juris). Durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 bzw. 4105 VV RVG wird die gesamte Tätigkeit des Pflichtverteidigers im vorbereitenden Verfahren bis zum Eingang der Anklageschrift, durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 ff. VV RVG dessen gesamte Tätigkeit im Strafverfahren des ersten Rechtszuges nach Abschluss des vorbereitenden Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung abgegolten (Mayer/Kroiß, aaO. VV RVG Nrn. 4106-4123 Rdn. 3 s.a. BT-Drucks. 17/11471, Seite 281).

Da der Zeitaufwand für die Einarbeitung in den Fall, die Besprechung mit dem Angeklagten und die Vorbereitung der Hauptverhandlung die Verfahrensabschnitte betrifft, die durch die Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG und die Verfahrensgebühren nach Nrn. 4105 und 4113 VV RVG vergütet werden, sind für die Bemessung der Pauschgebühr diese drei Gebührentatbestände angemessen anzuheben (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 30.12.2014 -2 AR 36/14, Rpfleger 2015, 355 juris Rn. 82 ff.).

b) Aufgrund der durch den exorbitanten Umfang des Verfahrens verursachten Belastung des Antragstellers im Sinne eines erheblichen Sonderopfers sind unter Berücksichtigung der Grundsätze in der Senatsentscheidung vom 30.12.2014 (2 AR 36/14, Rpfleger 2015; 355) die Grundgebühr sowie die Verfahrensgebühr jeweils um das Fünffache zu erhöhen. Demgegenüber kommt hinsichtlich der Terminsgebühren eine Anhebung der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühr nicht in Betracht. Insgesamt wird mit der für das gesamte Verfahren auf 16.100 € festzusetzenden Pauschgebühr die Wahlverteidigerhöchstgebühr (unter Einbeziehung der Terminsgebühren) nicht überschritten.

aa) Aufgrund des exorbitanten Umfangs der Verfahrensakten und vor allem der TKÜ-Dateien ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit für den Angeklagten den Antragsteller über einen längeren Zeitraum zumindest fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (vgl. OLG Hamm StV 2002, 90 juris Rn. 23), auch wenn sich die Tätigkeit über einen Gesamtzeitraum von über zwei Jahren seit Bestellung am 04.07.2011 bis zum Abschluss der ersten Instanz am 15.07.2013 erstreckte und von den 44 Hauptverhandlungstagen 17 Tage von nicht überdurchschnittlicher Dauer waren. Beachtlich ist aber, dass sich allein der Umfang der Hauptakte zwischen Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung von rund 1.733 auf knapp 3.500 verdoppelt hat und während der Hauptverhandlung nochmals umfangreiches neues Aktenmaterial hinzugekommen ist. Wie die Aufstellung seiner einzelnen Tätigkeiten zeigt, war der Antragsteller durchgehend, überwiegend auch an mehreren Tagen jedes Monats seit Juli 2011 mit dem vorliegenden Verfahren beschäftigt.

Der Angeklagte ... wurde zwar durch zwei Pflichtverteidiger verteidigt. Hierdurch war eine ökonomische Arbeitsteilung und damit eine Erzielung von Synergieeffekten möglich, die den Arbeitsaufwand für beide Verteidiger jeweils teilweise minderte, zumal beide Verteidiger derselben Kanzleien angehören bzw. angehörten. Das Verfahren weist jedoch trotz dieser Kompensationsmöglichkeiten - vor allem hinsichtlich des außerordentlichen Umfangs der Verfahrensakten -einen besonderen Umfang auf, der die genannte Erhöhung der Grundgebühren und der Verfahrensgebühren gebietet.

bb) Der Zeitaufwand für die Fahrten des Antragstellers zu den Besprechungsterminen mit seinem Mandanten in der Justizvollzugsanstalt Augsburg wird im Rahmen der Erhöhung der Grund-und Verfahrensgebühren berücksichtigt und rechtfertigen keine weitere Anhebung. Besuche des sich in Untersuchungshaft befindenden Angeklagten gehören grundsätzlich zu den Aufgaben eines Pflichtverteidigers, die durch die gesetzlichen Gebühren, nämlich die Haftzuschläge gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 4 VV RVG, abgegolten sind (vgl. Beschlüsse des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27.06.2011 - 1 ARs 22/11 - und vom 31.10.2007 - 2 ARs 69/07 -). Auch war die Entfernung nicht so erheblich, dass überobligatorische Zeiten öder Kosten angefallen wären. Die Besuche konnten mit Hin- und Rückfahrt am selben Tag erledigt werden und der zeitliche Mehraufwand war bei dem - wie der Kanzleiort - in Bayern liegenden Haftort nicht so unbillig, dass eine zusätzliche Vergütung gerechtfertigt wäre (vgl. Beschluss des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 13.09.2010 -1 ARs 33/10).

c) Eine Anhebung der Terminsgebühren kommt hingegen nicht in Betracht.

Mit der Terminsgebühr - hier nach Nr. 4115 - 4117 VV RVG - wird die Teilnahme an jedem Hauptverhandlungstermin abgegolten (Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 VV RVG). Erfasst wird auch die Vor- und Nachbereitung des konkreten Hauptverhandlungstermins, nicht jedoch die allgemeine Vorbereitung der Hauptverhandlung. Die insoweit erbrachten Tätigkeiten werden bereits von der Verfahrensgebühr abgegolten (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG aaO., W 4108-4111 Rdn. 10).

Wie die Bezirksrevisorin zutreffend ausgeführt hat, kann die Länge der Hauptverhandlungstermine wegen der Längenzuschläge - hier nach Nr. 4117,4118 VV RVG - bei der Frage des besonderen Umfangs des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. nur BGH StRR 2013, 39 Rdn. 6 nach juris; BGH StRR 2014, 198 Rdn. 6 nach juris). Dies entspricht der Gesetzesbegründung, wonach aufgrund der an die Dauer des Hauptverhandlungstermins gebundenen Gebührenstaffelung das Zeitmoment, das bislang als wesentlich für die Bewilligung einer Pauschgebühr angesehen wurde, nur noch in Ausnahmefällen zur Verfügung steht (BT-Drucks. 15/197; 1, S. 201). Grundsätzlich sind auch die erforderliche Vor- und Nachbereitung der einzelnen Hauptverhandlungstermine sowie die Vor- und Nachbesprechungen des Verteidigers mit seinem Mandanten mit der jeweiligen Terminsgebühr abgegolten (vgl. BGH StRR 2014, 39 Rdn. 6 nach juris; StRR 2014, 198 Rdn. 6 nach juris; OLG Hamm AGS 2006, 408 Rdn. 16 nach juris; StRR 2009, 438 Rdn. 15 nach juris; OLG Karlsruhe StraFo 2008, 439 Rdn. 7 nach juris; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG aaO., W 4118 - 4123 Rdn. 5 m.w.N.; Burhoff, RVG, aaO. Vorbemerkung 4 Rdn. 62 mit zahlreichen Nachweisen zur oberlandesgerichtlichen Rspr.; anders nur OLG Bremen StraFo 2012, 39, Rdn. T1 nach juris). Nur in Ausnahmefällen ist im Rahmen der Bemessung der Pauschgebühr eine Anhebung der dem Pflichtverteidiger gesetzlich zustehenden Terminsgebühr möglich (so auch Thüringer OLG StV 2006, 204 Rdn. 18 nach juris; StRR 2008, 479 Rdn. 17 nach juris). Dies kommt in Betracht, wenn an sich in die Hauptverhandlung fallende Vorgänge - etwa das Verlesen von Urkunden durch Anordnung des Selbstleseverfahrens - nach außen verlagert werden oder im Rahmen der Hauptverhandlung neue Unterlagen (etwa umfangreiche Gutachten) bekannt werden, die eine intensive Vor- oder Nachbereitung erfordern (vgl. Burhoff, RVG aaO. § 51 Rdn. 174). Beides rechtfertigt aber nur dann eine Gebührenanhebung, wenn hierdurch ein überproportionaler Arbeits- und Zeitaufwand entsteht, dessen Abgeltung durch „die gesetzlichen Gebühren für den Pflichtverteidiger ein unzumutbares Sonderopfer darstellen würde. Hierbei ist etwa zu prüfen, ob der Zeitaufwand für das „Selbstlesen“ von Urkunden, die nach § 249 Abs. 2 StPO zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden, nicht bereits von der Verfahrensgebühr erfasst wird. Sind diese in den Akten enthalten, gehört das Lesen derselben zur allgemeinen Vorbereitung der (gesamten) Hauptverhandlung (vgl. KG JurBüro 2013, 361 Rdn. 4 nach juris; s. zu Ganzen auch Senatsbeschluss vom 30.12.2014-2 Ar 36/14, Rpfleger 2015,355 juris Rn. 87 ff.).

Im vorliegenden Fall fand eine Verlagerung von an sich in die Hauptverhandlung fallenden Vorgänge nach außen nicht statt. Die TKÜ-Protokolle, von denen der Antragsteller bereits durch Akteneinsicht Kenntnis erlangt hat, wurden bereits im Rahmen des außerordentlichen Umfangs des Verfahrens, berücksichtigt. Vorliegend ist zwar festzustellen, dass der Antragsteller im fünften Hauptverhandlungstermin vom 11.12.2012 weiteres Aktenmaterial im Umfang von 876 Seiten erhalten hat, das er bis zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 17.12.2012 bearbeitet habe. Es ist aber nicht ersichtlich, dass angesichts der vorhersehbar noch lang andauernden Hauptverhandlung eine Bearbeitung bis zum nächsten Termin erforderlich war, so dass ein durch Anhebung der Terminsgebühren auszugleichendes Sonderopfer noch nicht zu bejahen ist. Auch der Umstand, dass ihm am 15.03.2013 neun weitere Vernehmungsprotokolle und am 09.04.2013 ein psychiatrisches Sachverständigengutachten im Umfang von 54 Seiten überlassen worden sind, rechtfertigt keine Anhebung der Terminsgebühren. Die Mehrbelastung wurde aber durch eine Aufrundung des Gesamtergebnisses berücksichtigt.

Im vorliegenden Fall fand eine Verlagerung von an sich in die Hauptverhandlung fallenden Vorgänge nach außen nicht statt. Die TKÜ-Protokolle, von denen der Antragsteller bereits durch Akteneinsicht Kenntnis erlangt hat, wurden bereits im Rahmen des außerordentlichen Umfangs des Verfahrens, berücksichtigt. Vorliegend ist zwar festzustellen, dass der Antragsteller im fünften Hauptverhandlungstermin vom 11.12.2012 weiteres Aktenmaterial im Umfang von 876 Seiten erhalten hat, das er bis zum nächsten Hauptverhandlungstermin am 17.12.2012 bearbeitet habe. Es ist aber nicht ersichtlich, dass angesichts der vorhersehbar noch lang andauernden Hauptverhandlung eine Bearbeitung bis zum nächsten Termin erforderlich war, so dass ein durch Anhebung der Terminsgebühren auszugleichendes Sonderopfer noch nicht zu bejahen ist. Auch der Umstand, dass ihm am 15.03.2013 neun weitere Vernehmungsprotokolle und am 09.04.2013 ein psychiatrisches Sachverständigengutachten im Umfang von 54 Seiten überlassen worden sind, rechtfertigt keine Anhebung der Terminsgebühren. Die Mehrbelastung wurde aber durch eine Aufrundung des Gesamtergebnisses berücksichtigt.

3. Somit ergibt sich folgende Berechnung:

 

Durch diese Vergütung wird das Opfer, das die Pflichtverteidigung dem Antragsteller abgefordert hat, unter Berücksichtigung des konkreten Aufwands in angemessener Weise gemildert. Die Vergütung braucht nicht kostendeckend zu sein. Sie hat (nur) den Zweck, Unbilligkeiten zu vermeiden. Dies ist hier gewährleistet.

Hierauf sind die bereits auf die gesetzliche Pflichtverteidigervergütung ausgezahlten Beträge anzurechnen. Die bereits festgesetzten Auslagen (Post- und Telekommunikationspauschale, Tage-und Abwesenheitsgeld, Reisekosten) bleiben hiervon unberührt.

Da dem weitergehenden Antrag nicht stattgegeben wird, ist dieser im Übrigen zurückzuweisen.

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(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer
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(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind. (2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen

(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer
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published on 30/12/2014 00:00

Tenor Herrn Rechtsanwalt M … wird für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten H … im Hauptverfahren vor dem Landgericht Amberg (Az.: 11 KLs 106 Js 11453/11) eine Pauschgebühr in Höhe von 9.700 € bewilligt
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(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Dies gilt nicht, soweit Wertgebühren entstehen. Beschränkt sich die Bewilligung auf einzelne Verfahrensabschnitte, sind die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen. Eine Pauschgebühr kann auch für solche Tätigkeiten gewährt werden, für die ein Anspruch nach § 48 Absatz 6 besteht. Auf Antrag ist dem Rechtsanwalt ein angemessener Vorschuss zu bewilligen, wenn ihm insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten.

(2) Über die Anträge entscheidet das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszugs gehört, und im Fall der Beiordnung einer Kontaktperson (§ 34a des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz) das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, durch unanfechtbaren Beschluss. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat. In dem Verfahren ist die Staatskasse zu hören. § 42 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Absatz 1 gilt im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. Über den Antrag nach Absatz 1 Satz 1 bis 3 entscheidet die Verwaltungsbehörde gleichzeitig mit der Festsetzung der Vergütung.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.