Oberlandesgericht München Urteil, 30. Juli 2015 - U 3028/14 Kart
Gericht
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10. Juli 2014, Az. 11 HK O 7353/13 wie folgt abgeändert:
#1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 169.098,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16. April 2013 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 86% und die Beklagte 14% zu tragen.“
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 86% und die Beklagte 14% zu tragen.
IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
„Hallo Kollegen, Stand 16.15 h Freitag hat GW [Gerhard W.] nicht angerufen! Te. ist sehr, sehr verärgert und bereitet Plan B vor. ..“
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1.die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte sie mit welchen Kunden zu welchen Konditionen auf Grundlage des Vertriebsvertrages vom 28.7.2010 (Anlage K 9) getätigt hat;
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2.die Beklagte zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskünfte an Eides statt zu versichern;
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3.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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4.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren aus und im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertriebsvertrags vom 28.7.2010 entstandenen bzw. noch entstehenden Schaden zu ersetzen;
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5.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 868.654,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
die Klage abzuweisen.
I. das Urteil des Landgerichts München I vom 10.07.2014, Az. 11 HK O 7353/13, aufzuheben;
II. Die Beklagte zu verurteilen,
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1.an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 868.654,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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2.der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte sie mit welchen Kunden zu welchen Konditionen auf Grundlage des Vertriebsvertrages vom 28.07.2010 (Anlage K 9) getätigt hat;
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3.erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Auskünfte an Eides statt zu versichern;
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4.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren aus und im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertriebsvertrags vom 28.07.2010 entstandenen bzw. noch entstehenden Schaden zu ersetzen.
die Berufung zurückzuweisen.
II.
– das seit dem August 2010 betriebene Verbringen von Produktionsmaschinen von der Klägerin zur Fl.,
– der am 22. September 2010 von Herrn B. noch während seiner Anstellung bei der Klägerin an Herrn Te. übersandte Businessplan für die „Ausgründung“ (=Fl.),
– das Angebot von Herrn I. vom 22. September 2010, Herrn Te. mit „Zahlen … oder anderen kaufmännischen Dingen…“ zu versorgen,
– die seit August 2010 betriebene Suche nach einem Produktionsstandort und schließlich die Anmietung einer Produktionshalle für die Fl. und die sachliche Ausstattung der Mitarbeiter,
– die Organisation der notwendigen Zertifizierungsunterlagen für ein Tätigwerden der Fl. durch die Herren B. und T. auf Kosten der Klägerin,
– die Sicherung wesentlicher Erfindungen der Klägerin für die Fl. durch die Herren T., S. und R.,
– die mit der Anlage K 29 dokumentierten Kalendereinträge seit dem 16. August 2010 für Planungstreffen der ausgeschiedenen Mitarbeiter der Klägerin zur Überleitung des Industriegeschäfts von der Klägerin auf die Fl.,
– die Verzögerung eines für den 10. September 2010 geplanten Angebots der Klägerin durch die Herren T. und R. zur Sicherung der Überleitung wichtiger Abnehmer (insbesondere ZF) auf die Fl. Germany GmbH,
– die in einer E-Mail vom 28. September 2010 avisierte Vorstellung der „Ausgründung“ und der beteiligten Personen durch Herrn Te.,
– die Nutzung von Kontakten des Herrn Te., um Kunden der Klägerin auf die Fl.-Gesellschaften in der T.-Gruppe überzuleiten,
– die zeitversetzte Kündigung der Beschäftigungsverhältnisse bei der Klägerin durch die Fl.-Gesellschafter T., S., B., I. und R. mit dem Ziel, dass die Herren T. und S. sogleich beginnen konnten, die Fl. aufzubauen, während die Herren B., I. und R. unter der Geschäftsführung Herrn S. bei der Klägerin verblieben und dort Angebotsabgaben verzögerten, weitere Geheimnisse zur eigenen Nutzung sicherten und diese Vorgänge kaschierten,
– die nachträgliche Aufhebung der Wettbewerbsverbote der Herren T. und Sp. durch Herrn S., um deren Konkurrenz zu ermöglichen
– die Sicherung der Aufhebung des Wettbewerbsverbotes von Herrn B.,
erfolgten erst nach dem 30. Juli 2010 und damit nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Mit Blick auf den maßgeblichen Zeitpunkt, den 28. Juli 2010, ist letztlich auch nicht von Belang, ob die betreffenden Personen im Zeitpunkt der vorgenannten Maßnahmen noch Mitarbeiter der Klägerin waren. Nach allem kann angesichts der mit dem endgültigen Scheitern einer Kooperation eingetretenen Zäsur entgegen der Behauptung der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, der am 28. Juli 2010 erfolgte Vertragsschluss falle in den Kontext der Maßnahmen zu einer „feindlichen“ Übernahme. In den von der Klägerin ausgewerteten Unterlagen ihrer ehemaligen Mitarbeiter (Kalendereinträge, E-Mail-Verkehr etc.) findet sich nichts, was den Schluss stützen könnte, die betreffenden Personen hätten bereits vor dem 30. Juli 2010 konkrete Pläne für eine „feindliche“ Übernahme geschmiedet und in diesem Zusammenhang den Vertrag vom 28. Juli 2010 geschlossen. Auch die Annahme der Klägerin, es widerspräche aller Lebenswahrscheinlichkeit, dass der Plan zu den vorgenannten Maßnahmen erst nach dem 30. Juli 2010 in nur wenigen Tagen gefasst worden sein soll, überzeugt nicht. Es ist mit Blick auf den zeitlichen Ablauf, die abgegebenen Erklärungen und die getroffenen Maßnahmen vielmehr naheliegend und auch plausibel, dass die Mitglieder des kleinen Führungskreises bis zum 30. Juli 2010 eine Kooperation mit der T.-Gruppe favorisierten und auch erhofften; in diesen Kontext passt auch der Vertragsschluss vom 28. Juli 2010, da dieser auf eine Vertriebskooperation und nicht auf eine Produktionsverlagerung abzielt. Erst nach dem endgültig bekundeten Desinteresse der Gesellschafter der Klägerin an einer Kooperation mit der T.-Gruppe traten die fraglichen Mitarbeiter der Klägerin mit Beginn des Monats August 2010 zusammen mit Herrn Te. in eine konkrete Planung zum Aufbau einer eigenständigen Produktion der T.-Gruppe ein. Diese Pläne wurden schließlich seit August 2010 sukzessive umgesetzt. Der Vertragsschluss vom 28. Juli 2010 lässt sich in diesen Kontext kaum einordnen, da dieser auf eine Vertriebskooperation und nicht auf eine Produktionsverlagerung abzielt. Auch das von der Klägerin bemühte Argument, mit den Erlösen aus dem Vertrag habe die T.-Gruppe den Aufbau einer eigenen Produktion finanzieren wollen, überzeugt nicht: Es ist schon nicht vorgetragen, dass die T.-Gruppe überhaupt Finanzierungsprobleme hatte, zumal sich die durch den Vertrag generierten Erlöse ausweislich der Schadensersatzforderung der Klägerin mit Blick auf die zum Aufbau der notwendigen Produktionsanlagen benötigten Mittel doch vergleichsweise bescheiden ausnehmen.
III.
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Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.