Gründe:
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz für Verluste aus Wertpapiergeschäften, die seine gesetzlichen Vertreter über die Wertpapierhandelshaus D. & B.AG (später umfirmiert in A. AG, im Folgenden einheitlich A. AG) durch die Beklagte beschaffen ließen.
Das Geschäftsmodell der A. AG bestand darin, über breit beworbene und hoch - über Marktniveau - verzinste Anlagekonten für Tagesgelder oder Kombinationsmodelle aus solchen Festgeldanlagen und einer Erstinvestition in Wertpapiere Kunden zu gewinnen und diese Kunden dann für die Investition in (weitere) Wertpapiere solcher Emittenten, mit denen sie Provisionsvereinbarungen abgeschlossen hatte, zu interessieren. Zu diesem Zweck diente sich die A. AG etwaigen Interessenten auch als Vermögensverwalterin an. Von den Beteiligten wurde dies als „Konvertierung“ der Festgeldkunden bezeichnet. Zur Kontoführung sowohl für die Anlagekonten als auch für die Wertpapierdepots und die Ausführung entsprechender Kundenaufträge hatten die A. AG und die Beklagte entsprechende Kooperationsverträge abgeschlossen. Da die Beklagte kontoführende Bank für die Anlagekonten war, musste die A. AG der Beklagten die Zinsdifferenz zum Marktniveau ersetzen.
Die Eltern des damals minderjährigen Klägers als dessen gesetzliche Vertreter eröffneten am 13. Oktober 2006 über die A. AG bei der Beklagten ein Depotkonto (Anlage B 1), das mit einer Transaktionsvollmacht für die A. AG (Anlage B 2) gekoppelt war. Mittels dieser Vollmacht sollte die A. AG dazu befugt werden, Handelsaufträge des Kunden an die Beklagte weiterzuleiten oder selbst solche Aufträge für den Kunden zu erteilen. Die A. AG wurde daher in der Vollmacht als „Vermögensverwalter“ bezeichnet, unabhängig davon, ob zwischen der A. AG und dem Kunden auch ein entsprechender Vermögensverwaltungsvertrag zustande kam. Sowohl der Antrag zur Eröffnung des Depotkontos als auch die Transaktionsvollmacht trugen das Logo sowohl der Beklagten als auch der A. AG. Gemäß den bei Vertragsschluss bekannt gegebenen Bedingungen der Beklagten sollte diese allerdings nur als sog. „execution-only“-Bank tätig werden, d. h. keine eigene Beratung des jeweiligen Kunden durchführen, sondern nur dessen, ggf. durch die A. AG erteilte, Aufträge ausführen und seine Konten verwalten.
Nach telefonischer Beratung durch Mitarbeiter der A. AG, einen Herrn V., erteilte der Kläger -durch seine Eltern - folgende Aufträge zum Erwerb von Wertpapieren:
a) B. B. PLC B. P. Idx .../7.4.11, ...1BHK4, nominal 8.000,- zum Anschaffungspreis von 8.200,- Euro am 31. März 2008 (Ankaufsbeleg: Anlage K9 Blatt 2); die Papiere wurden am 21. Januar 2009 verkauft für einen Nettoerlös von 7.203,13 Euro, (Verkaufsbeleg: Anlage K 10); rechnerischer Schaden 996,87 Euro
b) 9% C. AG Inhaberteilschuldverschreibungen 2006/2012, ISIN ...Q957, nominal 9.000,-Euro zum Anschaffungspreis von 7.291,98 Euro am 21. Januar 2009 (Ankaufsbeleg: Anlage K 9, Blatt 1). Auf diese Schuldverschreibung erhielt der Kläger Ausschüttungen von insgesamt 405,- Euro (Bl. 28 d. A.); die Papiere sind noch vorhanden, die Emittentin ist insolvent; rechnerischer Schaden: 6.886,98 Euro
Die Klagepartei beanstandet, dass die Vermögensverwaltung und die Empfehlung zum Erwerb der genannten Papiere nicht ihren tatsächlichen Interessen entsprochen habe, sondern ausschließlich wegen des Provisionsinteresses der A. AG erfolgt sei. Sie hält die Beklagte unter verschiedenen Gesichtspunkten für zum Ersatz des ihr entstandenen Schadens verpflichtet:
Die Beklagte und die A. AG hätten in Art einer Gesellschaft zusammengearbeitet, weswegen die Beklagte gemäß § 128 HGB analog auch für Fehlverhalten der A. AG hafte. Auch sei das Verhalten der Mitarbeiter der A. AG der Beklagten gemäß § 278 BGB zuzurechnen, weil die A. AG und die Beklagte gemeinsam an den Kunden herangetreten seien und die Mitarbeiter der A. AG deswegen auch im Interesse und Aufgabenkreis der Beklagten tätig gewesen seien.
Weiter habe die Beklagte aufgrund verschiedener Umstände Einblick gehabt, dass der Geschäftsbetrieb der A. AG wegen deren Provisionsinteressen zu systematischen Fehlberatungen der gemeinsamen Kunden geführt habe. Die Klagepartei bezieht sich als wichtigsten Umstand für eine solche Kenntnisvermittlung darauf, dass ein bis zum 31. Juli 2007 bei der Beklagten als Prokurist und Leiter des B2B-Bereichs - des Bereichs der Beklagten, der für die Zusammenarbeit mit der A. AG intern zuständig war - tätiger Zeuge, R. W., damals seit mehreren Jahren Mitglied des Aufsichtsrates der A. AG gewesen war. Die A. AG wurde, dies ist unstreitig, im Jahr 2007 im Auftrag der BaFin durch die KPMG AG einer Prüfung nach § 44 KWG unterzogen. Die Klagepartei behauptet unter Vorlage dieses Prüfberichts (Anlage BK 1), diese Prüfung habe schwerwiegende Mängel in der Organisation und dem Beratungsverhalten der A. AG offenbart, von denen der Zeuge W. noch während seiner Tätigkeit für die Beklagte Kenntnis erlangt habe. Ferner habe der Zeuge W. Kenntnis von laufenden Prüfungen gemäß § 36 Abs. 1 WpHG erlangt, die gleichfalls auf systematische Mängel hingewiesen hätten (insoweit von der Beklagten vorgelegt: Prüfberichte für die Jahre 2006, 2007, 2008 und 2009, Anlagen BK 3 bis BK 6). Die Kenntnisse des Zeugen W. seien der Beklagten zuzurechnen, dadurch seien als Nebenpflichten aus dem abgeschlossenen Depotvertrag entsprechende Warnpflichten der Beklagten gegenüber den gemeinsamen Kunden ausgelöst worden. Ergänzend behauptet die Klagepartei unter anderem entsprechende Erkenntnisse der Beklagten aus der Durchführung der Compliance- und Revisionstätigkeit, die die Beklagte unstreitig zeitweise für die A. AG erbracht hat.
Schließlich hafte die Beklagte auch aus Delikt, da sie Kenntnis von einem sittenwidrigen Geschäftsmodell der A. AG gehabt habe und dieses durch die mit der A. AG vereinbarte Kooperation unterstützt habe.
Der Kläger beantragt daher unter teilweiser Rücknahme weitergehender Anträge im Berufungsverfahren unter der Maßgabe der Aufhebung des Urteils des Landgerichts:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.883,85 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 4. Februar 2013 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückabtretung sämtlicher noch vorhandener Wertpapiere.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.440,03 Euro (= ausgerechnete alternative Anlagezinsen) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 4. Februar 2013 zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Gegenleistung zu Ziffer 1 in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
Sie hält unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19. März 2013 (XI ZR 431/11, juris) und 12. November 2013 (XI ZR 312/12, juris) eine Haftung aus gesellschaftlichem Verbund oder wegen zugerechneten Verhaltens für ausgeschlossen. Wegen Verletzung einer Nebenpflicht zum Depotvertrag hafte sie nicht, da sie keine entsprechenden Erkenntnisse über das behauptete - und bestrittene - Verhalten der A. AG gehabt habe. Der Zeuge W. habe schon selbst nicht den Schluss gezogen, dass durch die Prüfung der KPMG AG oder den Prüfer der Regelprüfungen nach § 36 Abs. 1 WpHG Anhaltspunkte für systematische Fehlberatung aufgezeigt worden seien. Auch der Prüfbericht der KPMG AG datiere erst vom 3. August 2007, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Herr W. nicht mehr ihr Prokurist gewesen sei, im Übrigen seien die Feststellungen der KPMG AG unzutreffend. Etwaige Erkenntnisse des Herrn W. seien ihr, der Beklagten, aber schon deswegen nicht zuzurechnen, weil Herr W. als Mitglied des Aufsichtsrates der gesetzlich verankerten und nicht abdingbaren Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 116 AktG unterlegen habe. Selbst wenn es entsprechende Erkenntnisse des Herrn W. gegeben habe und diese ihr zuzurechnen seien, habe sie, die Beklagte, den Ausgang des Prüfungsverfahrens erst abwarten dürfen, da es ihr nicht zuzumuten gewesen wäre, quasi öffentlich einen Vertragspartner gegenüber gemeinsamen Kunden ins Zwielicht zu rücken, solches Verhalten hätte sie gegenüber der A. AG ggf. sogar zum Schadensersatz verpflichtet. Aus der Compliance- und Revisionstätigkeit habe sie gleichfalls keine entsprechenden Erkenntnisse erlangt, die entsprechenden Berichte über die Prüfungstätigkeit seien auch lediglich der A. AG bekannt gegeben worden und auch ihr selbst gegenüber durch Verschwiegenheitspflichten abgeschottet gewesen. Eine deliktische Haftung treffe sie nicht, weil ihre Tätigkeit sich als neutrales berufstypisches Verhalten dargestellt habe, ein deliktischer Überhang schon mangels Kenntnis der bestrittenen Verhaltensweisen der A. AG nicht bestanden habe. Vorsorglich beruft sich die Beklagte auf die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche gemäß § 37 WpHG a. F., da ihr allenfalls fahrlässiges Verhalten zur Last falle.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Haftung der Beklagten aufgrund geschäftlicher Zusammenarbeit hat es nach Maßgabe der genannten Urteile des Bundesgerichtshofs für ausgeschlossen gehalten, von dem durch die Klagepartei zu führenden Nachweis systematischer Fehlberatung durch die A. AG konnte es sich nicht überzeugen, da schon deren Voraussetzungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt seien. Im Übrigen könne die Klagepartei nicht kumulativ komplette Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes und zugleich Herausgabe von Vermittlungserlösen beanspruchen, das Gericht habe unter den gleichstufig gestellten Ansprüchen nicht die Möglichkeit zu entscheiden, welche Ansprüche vorrangig zu behandeln seien.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T., P. (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2014, Bl. 484/495 d. A.), W., D. und B. (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2014, Bl. 521/538 d. A.). Die Parteien haben sich ferner mit der Verwertung weiterer Protokolle von Vernehmungen verschiedener Zeugen vor dem Senat einverstanden erklärt (insbesondere D. vom 7./14./21. Januar 2014, B. vom 21. Januar 2014, P. vom 14. Januar 2014, M. Sch. vom 11. September 2014, Rohleder vom 11. Februar 2014, T. und W. vom 27. Januar 2015). Die entsprechenden Protokolle wurden beigezogen und eingeführt (Bl. 616 ff.). Der Senat hat Hinweise erteilt mit Beschluss vom 8. Dezember 2014 (Bl. 543/552 d. A.).
Zur weiteren Ergänzung wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 14. Oktober 2014, 14.November 2014 und 27. Januar 2015 verwiesen.
II. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung einer Nebenpflicht zum Depotvertrag, da die Beklagte trotz ihr zurechenbarer Kenntnis von evident systematischer Fehlberatung durch die A. AG von einer Warnung an die gemeinsamen Kunden abgesehen hat, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB. Dieser Anspruch ist nicht verjährt. Ersatzansprüche auf anderer Grundlage bestehen nicht.
1. Zutreffend hat das Landgericht gesehen, dass die Klagepartei einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht auf § 128 HGB analog oder die Zurechnung von Verhalten der Beklagten gemäß § 278 BGB stützen kann. Auf die nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts, das die in Parallelverfahren ergangenen Urteile des Bundesgerichtshofs anwendet, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
2. Die Beklagte haftet ebenfalls nicht aus Delikt, weil der für eine Überschreitung berufstypisch neutraler Verhaltensweisen erforderliche Beihilfevorsatz nicht nachgewiesen werden kann.
a) Die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 830 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Demgemäß verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. In objektiver Hinsicht muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (BGHZ 137, 89, 102 f.; BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768, 1771; Urteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 34, jeweils m. w. N.).
b) Es kann schon nicht festgestellt werden, dass das Geschäftsmodell der A. AG grundsätzlich sittenwidrig gewesen wäre. Im Übrigen haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beklagte bewusst eine sogleich noch festzustellende systematische Fehlberatung der A. AG fördern wollte.
3. Die Beklagte haftet allerdings wegen Verletzung einer Nebenpflicht zum Depotvertrag, da aufgrund der ihr zuzurechnenden Kenntnisse ihres damaligen Prokuristen W. eine systematische Fehlberatung der gemeinsamen Kunden durch die A. AG für sie positiv bekannt und objektiv evident war.
a) Auch bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen bleibt es dabei, dass eine Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) dann besteht, wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei dem in Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kennt oder wenn diese Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 14 ff. zum Missbrauch der Vertretungsmacht im bargeldlosen Zahlungsverkehr m. w. N.; vgl. auch BGH, Urteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 43 zum Terminoptionsbroker und vom 29. April 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 20 f; ferner BGH, Urteile vom 19. März 2013 - XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370; vom 12. November 2013 - XI ZR 312/12, ZIP 2013, 2451; vom 4. März 2014 - XI ZR 313/12, BKR 2014, 203).
b) Die A.AG hat durch ihre Berater die gemeinsamen Kunden der A. AG und der Beklagten systematisch fehlberaten.
(1) Das unstreitige Geschäftsmodell der A. AG setzt, um wirtschaftlich gelingen zu können, voraus, dass bei einer möglichst großen Anzahl von Kunden die sog. „Konvertierung“ von Festgeldkunden in Wertpapierkunden gelingt, also höhere als durchschnittliche Provisionen aus der Wertpapierberatung erzielt werden, um den Teil der Zinsen, der über den marktüblichen Zinssatz hinausgeht, tragen und der Beklagten ersetzen zu können. Zugleich konnte die A. AG ihre überdurchschnittlich hohen Emissionsprovisionen nur aus einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Verträgen mit bestimmten, sonst kaum auf dem Markt vertretener Emittenten erwirtschaften, musste also gerade die Wertpapiere dieser Emittenten den Festgeldkunden anbieten. Hieraus ergab sich der systematische Interessensgegensatz, dass im Hinblick auf die Tagesgeldanlage risikoaversen interessierten Kunden Wertpapiere von solchen Emittenten empfohlen werden mussten, die am Markt sonst kaum vertreten waren und daher eine gewisse Marktenge aufwiesen und wegen erheblicher Provisionen wirtschaftlich deutlich riskanter waren als die in anerkannten Indices gehandelten Papiere. Dieser Gegensatz ist daher zutreffend auch im Wertpapierprospekt für Genussscheine der D. & B. AG - der Holding der A. AG - genannt. Dieser Gegensatz ist, anders als die Klagepartei meint, nicht gleichzusetzen mit einer von vorne herein feststehenden systematischen Fehlberatung. Schon der Umstand, dass auch bei der Beratung durch Banken und spezialisierte Anlageberater sonst weniger marktgängige oder zum Teil hochriskante Wertpapiere Kunden finden, zeigt, dass bei der gebotenen intensiven Abwägung der mit solchen Wertpapieren verbundenen Vor- und Nachteile bei Kunden, die sich solchen Papieren gegenüber aufgeschlossen zeigen, ein regelkonformes Beratungsgeschäft möglich ist. Allerdings ist diese grundsätzliche Gefahrneigung bei Anhaltspunkten für eine systematische Fehlberatung dahingehend zu berücksichtigen, dass hier entsprechend sensibel reagiert wird.
Soweit die Beklagte meint, dieses Geschäftsmodell sei ohne weiteres üblich, verkennt sie, wer hier dieses Geschäftsmodell praktiziert hat. Richtig ist, dass das Anwerben von Kunden über hoch verzinste Tagesgeldkonten von vielen Banken praktiziert wird, um mit den Kunden dann Folgegeschäfte abschließen zu können. Allerdings war die A. AG keine Bank samt der dazugehörigen Kapitalausstattung und dem nur einer Bank zugänglichen wesentlich breiteren Produktsortiment für Folgegeschäfte, einschließlich Finanzierungsgeschäften samt der dort üblichen Laufzeiten und Margen. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass eine Bank solche Geschäfte mit eigenem, von ihr selbst geschultem und unter ihrer Verantwortung stehenden Personal durchführt, sie auftretende Probleme selbst beobachten und sogleich abstellen kann. Dagegen kann in der hiesigen Konstellation die Bank letztlich nur darauf vertrauen, dass der Wertpapierdienstleister sein Personal hinreichend schult und überwacht und auf auftretende Probleme rasch und effektiv reagiert. Auch die in anderen Verfahren vernommenen Vorstandsmitglieder der Beklagten sahen in dem hier praktizierten Geschäftsmodell daher entweder etwas völlig einmaliges oder konnten nur eine kleine einstellige Anzahl anderer Wertpapierdienstleister nennen, mit denen die Beklagte vergleichbar kooperiert haben soll. Diese geringe Zahl vor dem Hintergrund der Tätigkeit der Beklagten als bedeutender Direktbank und ihrer Kooperation mit über 1.000 Vermögensverwaltern legt eine Üblichkeit der hier mit der A. AG praktizierten tiefgreifenden Kooperation nicht nahe.
(2) Dass die A. AG ihre Provisionserlöse aus Verträgen mit wenigen Emittenten generierte, ist belegt durch die Angaben des Zeugen P. und die Prüfberichte über die Regelprüfungen nach § 36 Abs. 1 WpHG für die Jahre 2006 und 2007 (Anlage BK 3, dort Seiten 12/13, BK 4, dort Seiten 11/13). Die Prüfberichte über die Regelprüfungen sind Sachverständigengutachten, die der Senat als Urkunden verwertet (dazu bereits BGH, Urteil vom 19. Mai 1987 - VI ZR 147/86, juris). Diese Verwertungsmöglichkeit ist durch die Einführung des § 411a ZPO nicht entfallen. Eine ergänzende Vernehmung der Sachverständigen ist durch die Beklagte nicht beantragt worden. Zweifel an der Richtigkeit der in diesen Gutachten festgestellten Umstände (die von den dort vorgenommenen Bewertungen zu trennen sind) haben sich im Übrigen nicht ergeben, so dass eine Anhörung der Sachverständigen von Amts wegen nicht geboten war. Die Beklagte hat das Gutachten gemäß Anlage BK 4 in einer Mehrzahl von Parallelverfahren selbst vorgelegt und die im Gutachten vorgenommenen Bewertungen als zutreffend für sich in Anspruch genommen.
Den von der Klagepartei als Anlage BK 1 vorgelegten Prüfbericht der KPMG, ebenfalls ein Sachverständigengutachten, verwertet der Senat ebenfalls als Urkunde. Allerdings kann sich der Senat nicht alleine auf der Grundlage dieser Verwertung von der Richtigkeit der dort dargelegten Feststellungen überzeugen, da die Beklagte nicht die Möglichkeit hatte, die Gutachter ergänzend zu befragen, ihr also das rechtliche Gehör zu diesem Gutachten nicht in hinreichender Weise gewährt werden konnte. Die BaFin erteilt, dies ist aus Parallelverfahren bekannt, keine Aussagegenehmigung für die Gutachter, so dass ein entsprechender vergeblicher Beweisantritt der Beklagten bloßer Formalismus gewesen wäre. Dass die KPMG meinte, solche Feststellungen treffen zu können, ist allerdings sogar unstreitig, umstritten ist nur, ob diese Feststellungen zutreffend sind.
Soweit die Beklagte allerdings die Auffassung vertreten hat, dieses Gutachten sei als Privatgutachten der Klagepartei oder in Art eines solchen Privatgutachtens nur als Sachvortrag der Klagepartei zu bewerten, findet diese Einschätzung in der ZPO keine Grundlage. Die Klagepartei hat dieses Gutachten schon nicht in Auftrag gegeben. Umgekehrt kann das Gutachten nicht im Sinne der Klagepartei als öffentliche Urkunde, §415 ZPO, verwertet werden, da es nur für eine öffentliche Behörde, aber nicht von einer solchen erstellt worden ist.
Der Zeuge P. führte in seiner ersten Vernehmung vor dem Senat am 14. Januar 2014 insoweit aus, es habe ein relativ kleines Produktuniversum von etwa 20 Papieren gegeben, über die die Kunden beraten und die den Kunden empfohlen worden seien. Die Steuerung des Beratungsverhaltens ergab sich dabei durch die Provisionspolitik der A. AG, wonach nur für die Erlöse aus bestimmten Produkten höhere Verkaufsprovisionen auch an die Berater bezahlt wurden. Diese Schilderung ist zutreffend (vgl. insoweit den Prüfbericht gemäß Anlage BK 5, Seite 37).
(i) Der Senat schätzt den Zeugen P. als jemanden ein, der - aufgrund des Zeitablaufs ohne weiteres nachvollziehbar - zwar bei der zeitlichen Einordnung bestimmter Vorgänge, z. B. dem Erscheinen der sog. Wirtschaftswoche-Artikel, nicht immer ganz sattelfest war, sich aber intensiv mit dem Vernehmungsgegenstand auseinander gesetzt hat und sich um wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu jedem Zeitpunkt seiner zahlreichen Vernehmungen bemüht hat. Soweit der Zeuge im Verlauf der vielen Vernehmungen immer wieder Unsicherheiten in der Sache gezeigt hat, lag dies überwiegend daran, dass ihm eine praktisch geschlossene Phalanx von entgegenstehenden Angaben der Zeugen W., T. und D. und gelegentlich B. vor- und entgegengehalten wurde, mit denen er sich erkennbar immer wieder auseinander gesetzt hat und die ihn als gutwilligen Zeugen dann ins Zweifeln am eigenen Erinnerungsvermögen gebracht haben.
(ii) Die geschlossene Phalanx der Zeugen D., B., T. und W. ist nach der Überzeugung des Senats aus mittlerweile über 30 Vernehmungsstunden allein für diese Zeugen in diesem und Parallelverfahren jedoch nicht zufällig so geschlossen. Vielmehr haben sich diese Zeugen teils aufgrund Irrtums, im Übrigen jedoch durch Verdrehungen, Verfälschungen und Unwahrheiten bewusst darum bemüht, ein zugunsten der A. AG und ihrem eigenen früheren Verhalten als (Mit-)Verantwortliche dieser Gesellschaft unangemessen positives und damit unrichtiges Bild zu zeichnen.
Beim Zeugen D. zeigt sich dieses Bild bereits anlässlich seiner Vernehmungen vom 7. und 14. Januar 2014. Der Zeuge behauptete hier in aller Dreistigkeit, die A. AG habe zwar zunächst die Zulassung durch die BaFin verloren gehabt, man habe aber im Beschwerdeverfahren gegen die BaFin „obsiegt“ und den Geschäftsbetrieb sodann fortführen können. Tatsächlich wurde im Beschwerdeverfahren vor dem VGH Frankfurt zwischen der BaFin und der A. AG Anfang 2008 ein Vergleich geschlossen, wonach die A. ihre Zulassung nur dann behalten darf, wenn bis zum 31. August 2010 die Herren D. und B. sich von ihren Vorstandsfunktionen trennen. Ferner sollten auch die Anteile an der A. AG, die zu diesem Zeitpunkt beinahe vollständig von der D. & B. AG als Holding gehalten wurden - dortige Mehrheitsgesellschafter waren die Herren D. und B. - an unabhängige Dritte veräußert werden. Entgegen der Darstellung des Zeugen D. war also im Beschwerdeverfahren keine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Sinne eines „weiter so“ erzielt worden, sondern ein nur für Zwecke des Übergangs etwas aufgeschobener, dafür aber umso radikalerer Wandel in Führung und Anteilseignerschaft erforderlich, wenn die A. AG ihre Zulassung behalten wollte. Der Zeuge wurde am 14. Januar 2014 mit diesem Widerspruch konfrontiert und erklärte dazu nur lapidar, dass sich daraus ergebe, dass man ein halbes Jahr habe weitermachen dürfen. Bemerkenswert - und bezeichnend - ist auch die Angabe des Zeugen D. zum Vorhalt, dass eine Empfehlung des § 36 WpHG-Regelprüfers, nachrangige Genussscheine in eine andere (schlechtere) Risikoklasse einzuordnen, nicht übernommen worden ist (Protokoll der Vernehmung vom 14. November 2014). Es habe sich eben nur um eine Empfehlung des Prüfers gehandelt, der Anlageausschuss habe sich anders entschieden. Der Zeuge musste im Zuge der weiteren Befragung dann einräumen, dass ein Prüfer keine Weisungen erteilen kann und kein Mitglied des Anlageausschusses auch nur annähernd eine Qualifikation aufwies, die der der Regelprüfer, zweier Wirtschaftsprüfer, entsprach. Auch einfache zeitliche Reihenfolgen schilderte der Zeuge D. ohne weiteres unzutreffend. So gab er z. B. an, er sei zunächst (Hervorhebung durch die Unterzeichner) Vorstand der D. & B. AG (= Holding; vgl. Protokoll vom 7. Januar 2014) gewesen, ferner Vorstand der A. AG seit deren Gründung. Tatsächlich war die zeitliche Reihenfolge genau umgekehrt: Die A. AG gab es bereits seit dem Jahr 2000, erst im Jahr 2005 wurde, unter anderem durch Einbringung sämtlicher Aktien der A. AG, die D.& B. AG gegründet.
Obwohl er selbst in seinen Angaben durchaus unpräzise war, warf der Zeuge D. mangelnde Präzision gerne Anderen vor. Als er mit den Angaben des § 36-WpHG-Prüfers aus dem Prüfbericht des Jahres 2008 über die Provisionspolitik konfrontiert wurde, unterstellte er diesem Prüfer einen unvollständigen Bericht (Protokoll vom 21. Januar 2014 gegen Prüfbericht Anlage BK 1, Seite 37). Es habe Provisionen auch für andere Papiere als die der Hausmeinung gegeben. Woher der Prüfer diese behauptet unvollständigen Informationen haben solle, die den Prüfer immerhin zu einer Kritik wegen des damit provozierten Interessensgegensatzes der Wertpapierberater der A. AG bewogen hatte, erklärte der Zeuge D. allerdings nicht. Fehlende Präzision wird auch den KPMG-Prüfern unterstellt, soweit diese über Abweichungen zwischen der Risikoklasse eines Depots und der darin befindlichen Papiere berichtet haben (Protokoll vom 14. Januar 2014). Der Zeuge D. bot hier vier Alternativ-Erklärungen für die Ursache einer solchen Abweichung und behauptete unter Verweis auf einen damals nur auszugsweise übergebenen Anwaltsschriftsatz (Anlage zu diesem Protokoll), die alleinige Richtigkeit dieser Alternativerklärungen habe sich durch die § 36-WpHG-Prüfung des gleichen Zeitraums bestätigt. Tatsächlich ergibt sich aus dem diesem Anwaltsschriftsatz zugrunde liegenden Bericht, dem Prüfbericht gemäß § 36 WpHG für den Zeitraum 2006/2007 (von den Klägern vollständig vorgelegt als Anlage BK 4, dort Seite 44), dass im Zuge dieser Prüfung gerade einmal 16 Depots samt den zugehörigen Abweichungsursachen von den Prüfern selbst überprüft wurden. Das Ergebnis der Regelprüfung lässt also mitnichten eine vollständige Widerlegung der Prüfergebnisse der KPMG zu, zumal die Ausgangsbasis beider Untersuchungen, die überprüften Depots, zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben wurde. Die Tatsache, dass eine solche tatsächlich nicht durch die zugrundeliegenden Prüfergebnisse berechtigte Behauptung in einem Anwaltsschriftsatz im Zuge eines aufsichtlichen Untersuchungsverfahrens aufgestellt wurde, zeigt aber die Bereitschaft des damaligen Vorstands der A. AG, der Herren D. und B., mit der Wahrheit nach eigenem Gusto umzugehen, sogar gegenüber der Aufsichtsbehörde.
Beim Zeugen B. zeigten sich derart offensichtliche Fehler, Ungenauigkeiten und Verdrehungen weniger deutlich, allerdings hauptsächlich deswegen, weil er sich generell weniger festlegen ließ und mit seinen Angaben eher im Ungefähren verblieb. Wo er sich allerdings festlegte, waren seine Angaben nicht weniger falsch als die des Zeugen D., z. B. in der Vernehmung vom 21. Januar 2014 bei der Anzahl der Wertpapiere, die im Produktkorb der A. AG gewesen seien. Es seien noch wesentlich mehr gewesen, als vom Zeugen D. angegeben. Dabei war dessen Angabe bereits zu hoch gegriffen, wie sich ohne weiteres aus den Aufzählungen der vertriebenen Papiere in den § 36-WpHG-Berichten (Anlage BK 3, Seiten 12/13: hauptsächlich 11 Wertpapiere; Anlage BK 4, Seiten 11/13: hauptsächlich 19 Wertpapiere, davon mehrere vom gleichen Emittenten) ergibt.
Der Zeuge T. unternahm den Versuch, die Erkenntnis des Senats bewusst zu manipulieren. In seiner ersten Vernehmung am 21. Januar 2014 gab der Zeuge, der zu diesem Zeitpunkt die Protokolle der Aufsichtsratssitzungen der A. AG vom 22. Juni 2007 und 11. Juli 2007 vor sich liegen hatte, nicht an, dass in der Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007 auch über den Punkt „Abweichungen bei den Einstufungen zwischen Depot und Papieren“ gesprochen wurde. Die Bitte, die Protokolle selbst zu den Akten zu übergeben, lehnte er mit der Begründung ab, dass er sich sonst in einem Interessenskonflikt befinden könne, er vertrete die Herren D. und B. persönlich gegen Anlegerklagen. In seiner dritten Vernehmung vor dem Senat am 14. Oktober 2014 wurde er ausdrücklich gebeten, das Aufsichtsratsprotokoll vom 11. Juli 2007 zu den Gegenständen, die hinsichtlich des KPMG-Berichts besprochen wurden, wörtlich vorzulesen. Vorsitzender, Beisitzer und Protokollführerin schrieben das behauptet Vorgelesene mit, glichen ihre Angaben untereinander ab und lasen es dem Zeugen erneut vor. Er bestätigte die Richtigkeit vorab und erklärte nach Ende seiner Vernehmung, nachdem er das Protokoll ausgedruckt zur Durchsicht erhalten hatte, die Aufzeichnung, in der das Zitat extra mit Anführungszeichen gekennzeichnet ist, sei richtig. In dem von dem Zeugen bekannt gegebenen Katalog der Punkte aus der KPMG-Prüfung ist wiederum nicht die Abweichung von Depoteinstufung zur Einstufung darin enthaltener Papiere genannt. Tatsächlich äußerte sich der Zeuge im weiteren Verlauf der Vernehmung vom 14. Oktober 2014 dazu erst auf ausdrückliche Nachfrage (die auslösende Nachfrage ist allerdings nicht protokolliert). Anlässlich der nächsten Vernehmung des Zeugen T. am 28. Oktober 2014 wurde er gebeten, die von ihm wiederum verwendeten Protokolle der beiden Aufsichtsratssitzungen am Richtertisch vorzulegen, damit der Inhalt mit seinen Angaben abgeglichen werden könne. Daraufhin ließ er zu, dass die beiden Aufsichtsratsprotokolle kopiert und zur Akte genommen werden. Ausweislich des Protokolls vom 11. Juli 2007 wurde dort als Kritikpunkt der KPMG, der in dieser Aufsichtsratssitzung ausdrücklich thematisiert worden war, genannt „Risikoeinstufung des Kunden ist geringer als die Papiere in seinem Depot“ (vgl. Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007, Anlage zum Protokoll der hiesigen mündlichen Verhandlung vom 14. November 2014). Auch den Inhalt der Aufsichtsratssitzung vom 22. Juni 2007 entschärfte der Zeuge T. beträchtlich. In der Vernehmung vom 14. Oktober 2014 gab er den an den Vorstand erteilten Auftrag gemäß Ziffer 1 zwar inhaltlich zutreffend wieder, „vergaß“ jedoch die im zweiten Absatz dieses Beschlusses aufgeführte Fristsetzung, die erst die besondere Dringlichkeit dieses Beschlusses zum Ausdruck bringt.
Auch der Zeuge W. präsentierte sich dem Senat mindestens als unzuverlässig. Auffällig ist insoweit bereits, dass die beiden Aufsichtsratssitzungen vom 22. Juni 2007 und 11. Juli 2007 von diesem Zeugen, der bei verschiedenen Kammern und Senaten der Gerichte in München, Schleswig und Berlin schon vielfach befragt worden war, einmal sogar unter Eid, kein einziges Mal erwähnt wurden - bis ihm durch den Senat auf der Grundlage der Angaben des Zeugen T. vom 21. Januar 2014 die Existenz dieser beiden Sitzungen das erste Mal vorgehalten werden konnte. Der Zeuge gibt seitdem zwar an, er habe an die Aufsichtsratssitzung vom 22. Juni 2007 keinerlei Erinnerung. Dies erklärt aber nicht, warum auch die Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007 bis dahin keine Erwähnung gefunden hat. Allenfalls telefonische Vorab-Berichte gegenüber dem Aufsichtsrat über den Prüfungsverlauf hatte der Zeuge W. bis dahin angegeben. Kernfragen des Senats zum Geschehen versuchte der Zeuge W. durch weitschweifige und abweichende Antworten zu umgehen. Er zeigte regelmäßig verschiedene Symptome psychischen Unbehagens, sobald der Senat durch nachfassende Befragung ein Abschweifen nicht zuließ. Immerhin ist dem Zeugen zugute zu halten, dass er seit 2007 eine größere Anzahl von Operationen hinter sich hat und verschiedene Medikamente einnehmen muss, die auch die Gedächtnisleistung beeinträchtigen - auch diese mögliche Beeinträchtigung seiner Gedächtnisleistung wurde von dem Zeugen früher nicht thematisiert. Auffällig ist wiederum, dass der Zeuge W. zwar in seiner Vernehmung vom 14. November 2014 in diesem Verfahren angab, er habe die § 36-WpHG-Berichte gelesen, solches aber in seiner Vernehmung vom 27. Januar 2015im Verfahren 5 U 938/12 ausdrücklich bestritt und sogar weiter erklärte, er habe niemals eine Lektüre dieser Berichte eingeräumt. Das ist unzutreffend, die vorläufige Aufzeichnung seiner gegenteiligen Angaben wurden dem Zeugen W. am 14. November 2014 sogar ausgedruckt und von ihm nach Kontrolle gebilligt.
(3) Die systematische Fehlberatung, die die Anlageberater der A. AG mindestens gegenüber einem Teil der Kunden durchgeführt haben, lässt sich am deutlichsten an zwei Ausprägungen belegen: Der Fehleinstufung von Wertpapieren in Risikoklassen und der Nicht-Übereinstimmung eines verkauften Produkts mit dem, was den Kunden gegenüber angegeben wurde.
(i) Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen P. hat die A. AG bei bestimmten Anlageformen eine sog. Mittelwertbildung vorgenommen (z. B. Protokoll vom 14. Oktober 2014, dort als Mischrisikoklasse bezeichnet). Diese Konstruktion betrifft z. B. die sog. Zins-Kombi-Konten, bei denen bei Anlage eines bestimmten Betrags auf ein hoch verzinstes Anlagekonto ein gleich hoher Betrag in ein bestimmtes Wertpapier investiert werden musste (vgl. dazu z. B. Prüfbericht gemäß § 36 WpHG für den Zeitraum 2006, Anlage BK 3, Seite 7/8). Die Anlage auf das Zinskonto wurde dabei intern - und zutreffend - mit der Risikoklasse 1 bewertet. Die dazu angebotenen Wertpapiere wurden intern teils mit Risikoklasse 3, teils mit Risikoklasse 4 bewertet (z. B. Genussschein der Windsor AG mit Risikoklasse 3, siehe Anlage BK 3, Seite 13; Genussschein der Magnum AG mit Risikoklasse 4, ebenda). Das Gesamtprodukt wurde dann gegenüber dem Kunden mit dem Mittelwert angegeben, also bei Festgeld plus Wertpapier der Klasse 4 mit der Gesamtrisikoklasse 3, bei Festgeld plus Wertpapier der Klasse 3 mit dem Mittelwert Klasse 2. Die Mittelwertbildung an sich bei den Zins-Kombi-Konten hat der Zeuge D. ausdrücklich bestätigt, lediglich einen Mittelwert von 2 hat er, ersichtlich vor dem Hintergrund des KPMG-Berichts, bestritten (Protokoll vom 14. November 2014). Diese Angabe des Zeugen D. ist aus den o.g. Gründen nicht glaubhaft.
Die Mittelwertbildung als solche führt zwingend zu fehlerhaften Beratungsergebnissen, da dem Kunden eine Sicherheitsstufe seiner Investition vorgespiegelt wird, die tatsächlich nicht besteht. Ein Teil der Investition ist sicherer, der andere Teil dagegen von höheren Risiken betroffen. Außerhalb einer Gesamtvermögensverwaltung, die durch einen Verantwortlichen einheitlich gesteuert wird, ist eine solche Verrechnung nach Ansicht des Senats nicht zulässig, denn sie steht im Widerspruch zur Verpflichtung des Anlageberaters, die Risiken der beschriebenen Investition zutreffend darzustellen (ständige Rechtsprechung seit BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 ff.). Hinzu kommt Folgendes: Das Angebot für die hohen Zinsen der Festzinsanlage war zeitlich befristet, zwischen 6 Monaten und einem Jahr. Wenn der Kunde diesen Teil seines Vermögens nach Ablauf der Hochzinsphase an eine andere Stelle abzieht, würde sich durch die nun wegfallende „Verrechnung“ sein Depot ohne eine inhaltliche Änderung der Depotzusammensetzung oder eine Veränderung der Fundamentaldaten der dort verwahrten Wertpapiere verändern.
Aus welchem Grund im § 36 WpHG-Prüfbericht für das Jahr 2005 ein Zins-Kombi-Konto in der Risikoklasse 4 aufgeführt wird, ist unklar. Möglicherweise hat sich die Verfahrensweise der A. AG im Jahr 2006 geändert, denn in diesem Bericht gibt es ein Zins-Kombi-Konto dieser Risikoklasse nicht mehr. Soweit die Beklagte zu meinen scheint, dass dem Senat eine solche Bewertung nicht zusteht und hier eine sachverständige Beurteilung herbeigeführt werden müsste, handelt es sich tatsächlich um rechtliche Beurteilung, die in der Kernkompetenz des Senats liegt.
Wahrscheinlich, ohne dass es darauf ankommt, liegt eine solche Mittelwertbildung einem wesentlichen Teil der Feststellung im KPMG-Prüfbericht zugrunde, wonach bei allen 1.111 untersuchten Depots der Risikoklassen 1 und 2 in diesen Depots Papiere der Risikoklassen 3 und 4 vorhanden gewesen sein sollen. Wie oben dargelegt, wurde aufgrund der vorgenommenen Mittelwertbildung ein Kunde mit einem Zins-Kombi-Konto, bei dem das zugehörige Wertpapier in die Klasse 3 eingestuft war, mit der Klasse 2 für das Kombinationsprodukt erfasst. Wenn nun ein ehemals in Risikoklasse 3 eingestuftes Papier vor der Prüfung der KPMG in Risikoklasse 4 umgestuft wurde, dann ergibt sich, dass in Depots der Risikoklasse 2 auch Wertpapiere der Risikoklasse 4 vorhanden sein können. Als Wertpapiere der Risikoklasse 2 kämen ferner noch bestimmte Zertifikate und insbesondere die Anteile am Adviser II Fonds in Betracht, wobei die KPMG gerade die Einstufung bestimmter Zertifikate und des Adviser II Fonds in diese Risikoklasse kritisierte und hier Risikoklasse 3 für angemessen hielt (vgl. Anlage BK 1, dort Seiten 54 ff.).
Der Beklagten ist zuzugeben, dass es bei über 40.000 von der A. AG betreuten Depots unwahrscheinlich ist, dass bei zufälligem Zugriff auf diese gesamte Menge von Depots gerade 1.111 Depots der Anlageklassen 1 und 2 mit darin enthaltenen Wertpapieren der Klassen 3 und 4 überprüft werden. Allerdings geht die von der Beklagten daraus abgeleitete Behauptung, dass die Ergebnisse der KPMG falsch sein müssten, am Kern der tatsächlichen Prüfung durch die KPMG vorbei. Die KPMG behauptet in ihrem Prüfbericht schon nicht, dass sie die Depots zufällig ausgesucht habe, vielmehr hat sie ausweislich ihrer Erläuterungen gerade die Depots der Risikoeinstufungen 1 und 2 zur Grundlage ihrer Prüfung gemacht. Die unter Sachverständigen-Beweis gestellte Behauptung der Beklagten, dass dieses Prüfungsergebnis falsch sei, ist daher ein auf falschen Plausibilitätsvermutungen und einem falschen Verständnis der Tatsachengrundlage beruhender Beweisantritt ins Blaue hinein, dem nicht nachgegangen werden musste. Abgesehen davon fehlt die erforderliche Substantiierung, da die Beklagte die zu würdigenden Depots und deren Inhalt nicht darstellt.
(ii) Durch die Aussage des Zeugen M. Sch. ist belegt, dass die A. AG bereits Ende des Jahres 2005 darauf hingewiesen wurde, dass nachrangige Genussscheine fälschlich in die Risikoklasse 3 eingeordnet wurden. Der Zeuge Sch. war Teil jenes Teams, das den Auftrag über die Ausführung der Revision, den die Ac. AG der Beklagten erteilt hatte, ausführte. Der Zeuge Sch. erklärte weiter, er habe die Abstellung dieses Problems im Jahr 2006 zwar nicht selbst überprüft, ihm sei aber erklärt worden, die Einstufung sei geändert worden. Der Zeuge Sch. vermittelte dem Senat den Eindruck, sich zuverlässig zu erinnern und um glaubhafte Angaben bemüht zu sein. Der Senat hat deswegen auch keinen Zweifel daran, dass Verantwortliche der A.AG dem Zeugen Sch. erklärt haben, dieses Problem sei behoben, denn sonst hätte der Zeuge, der eine Frist zur Abhilfe zunächst bis Ende 2005 gesetzt hatte, nachfassen müssen. Allerdings war diese gegenüber dem Zeugen Sch. abgegebene Erklärung über die Korrektur der Risikoeinstufung bewusst falsch. Aus den Prüfberichten nach § 36 Abs. 1 WpHG ergibt sich insoweit, dass auch diese Prüfer im Jahr 2006 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die vorangegangene Bewertung der internen Revision eine Fehleinstufung „nachrangiger Anleihen/Papiere“ kritisierten (Anlage BK 3, Seite 25). Wiederum wurde durch die A. AG dieser Mangel nicht abgestellt, weswegen auch im Prüfbericht des Folgejahres durch diese Prüfer bedauert wurde, dass sich die A. AG erneut nicht zu einer Umsetzung der Empfehlung habe entschließen können (Anlage BK 4, Seite 22). Der Zeuge D. gab hierzu - in einem nicht protokollierten Zwischenruf während eines Vorhalts, als er dazu befragt wurde, wieso diese Empfehlung durch den Anlageausschuss nicht aufgegriffen wurde - an, das hätte alle von der A.AG vertriebenen Genussscheine betroffen.
Soweit sich die Beklagte unter breitem Vortrag und Zitaten aus Wikipedia gegen die Notwendigkeit einer Einstufung der von der A. AG vertriebenen nachrangigen Genussscheine und Anleihen in die Risikoklasse 4 wendet und insoweit sachverständige Begutachtung begehrt, ist dieser Beweisantritt unsubstantiiert. Es fehlt schon an einer eingehenden Darstellung der konkret von der A. AG vertriebenen Anleihen und Genussscheine, insbesondere unter Darlegung der wirtschaftlichen Kennzahlen der Emittenten. Dem Beweisantrag ist daher nicht nachzugehen gewesen.
Tatsächlich, ohne dass es angesichts der fehlenden Substantiierung des Beweisantritts darauf ankommt, ist dem Senat aus den (vielen) Parallelverfahren kein einziger Genussschein und keine Anleihe der Unternehmen P. & Z., HPE P.E. AG, P. AG, C. F. AG, C. C. Group AG, Konservenfabrik Z., K. Automobile AG etc. bekannt geworden, die nicht nachrangig ausgestaltet gewesen wäre. Die wirtschaftlichen Kennzahlen der jeweiligen Emittenten waren gemessen an den ausgelegten Wertpapieren so schwach, dass es sich eher um hochriskante Existenzgründungsdarlehen als um solide Mittelstandsanlagen handelte. Allerdings ist nicht zu jedem Wertpapier substantiiert vorgetragen worden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass mit Ausnahme der Wertpapiere der Windsor AG heute kein Genussschein mehr bedient wird, die meisten der genannten Emittenten tatsächlich insolvent wurden.
In der Zusammenschau ergibt sich somit, dass die Verantwortlichen der A. AG trotz mehrfacher Hinweise der internen und externen Prüfer an einer Fehleinstufung nachrangiger Anleihen und Genussscheine bewusst festhielten. Anders als der Zeuge D. dies darzustellen versucht hat, war der Anlageausschuss der A. AG evident nicht hinreichend kompetent genug besetzt, um sich über solche Empfehlungen hinweg zu setzen. Tatsächlich hat die A. AG das Festhalten an einer erkannt fehlerhaften Einstufung einer bestimmten Wertpapierklasse sogar durch die bewusst falsche Angabe gegenüber dem Prüfer der internen Revision, man habe dies geändert, verschleiert.
(iii) Zutreffend ist allerdings, dass weder die damals durch die Beklagte ausgeführte interne Revision noch die Prüfer nach § 36 Abs. 1 WpHG diese Fehleinstufung der nachrangigen Genussscheine und Anleihen für einen besonders schwerwiegenden Umstand gehalten haben. Das stellt sich als kaum verständliche Fehleinschätzung dar, wenn man die Ausgestaltung des Geschäftsbetriebs der A. AG hinreichend berücksichtigt. Das Zins-Kombi-Konto, das mit einem Wertpapier der Klasse 4 gekoppelt war und den Kunden als Gesamtprodukt der Risikoklasse 3 angedient wurde, war wegen des hohen Zinssatzes auf das darin enthaltene Festgeldkonto das Einstiegsprodukt für eine erhebliche Anzahl von Kunden der A. AG, es war gerade mit dieser Zielsetzung konzipiert worden. Andere Vertriebsprodukte verfolgten ähnliche Zielsetzungen, denn Geschäftsmodell war ja die Gewinnung von Kunden mit hohen Tagesgeldzinsen zur „Konvertierung“ in Wertpapierkunden. Mit der Kundeneinstufung, wie sie z. B. aus einem Zins-Kombi-Konto der Risikoklasse 3 resultierte, war es nun ohne Verstoß gegen die von dem Zeugen D. (vgl. Protokoll vom 14. Januar 2014) aber auch der Beklagten besonders hervorgehobenen internen Kontrollen der A. AG, seien sie nun maschinell oder mittels 4-Augen-Prinzip durchgeführt worden, möglich, diesem Kunden einen nachrangigen Genussschein der Klasse 3 als weiteres geeignetes Produkt anzubieten, obwohl der Genussschein tatsächlich der Klasse 4 hätte angehören müssen. Vermieden wurde dadurch, dass der Kunde im Rahmen einer entsprechenden telefonischen Beratung über die ihm dazu abverlangte Änderung seiner Risikoeinstufung „stolpert“ und ein Engagement in den Genussschein oder eine Inhaberschuldverschreibung alleine deswegen ablehnt. Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen waren allerdings für den Vertrieb der A. AG eine sehr wichtige Kategorie (vgl. Angaben zu den Volumina der vermittelten Papiere im Prüfbericht gemäß § 36 WpHG, Anlage BK 4, Seiten 11/13). Gemäß diesem Prüfbericht für den Zeitraum 2006/2007 wurden z. B. unter den 19 am meisten vertriebenen Wertpapieren folgende Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen mit einer Zuordnung zur Risikoklasse 3 vertrieben:
-) S. Grundbesitz AG WKN ...NDO im Volumen von 35,3 Mio. Euro (dann hochgestuft auf Risikoklasse 4)
-) C. AG im Volumen von 16,6 Mio. Euro
-) P. AG im Volumen von 10,9 Mio. Euro
-) D. & B. AG im Volumen von 10,8 Mio. Euro
-) CCG C. C. G. Holding AG im Volumen von 9,6 Mio. Euro
-) S. Grundbesitz AG WKN ...060 im Volumen von 8,6 Mio. Euro
-) W. AG im Volumen von 7,8 Mio. Euro
-) P. & Z. AG im Volumen von 7,6 Mio. Euro (dann hochgestuft auf Risikoklasse 4)
Das macht ein Platzierungsvolumen von 107,2 Mio. Euro bei insgesamt 252,1 Mio. Euro Gesamtplatzierungsvolumen der 19 in diesem Zeitraum meistvertriebenen Wertpapiere. Das am häufigsten vertriebene Wertpapier waren Anteile des von der A. AG gemanagten Fonds Adviser II mit 58,0 Mio. Euro, dessen Zuordnung zur Risikoklasse 2 zweifelhaft ist, s.o.
(iv) Anders als dies die Beklagte und die Zeugen D. und T. dem Senat zu suggerieren versuchten, liegt eine Fehlberatung nicht nur vor, wenn die Risikoneigung des Anlegers fehlerhaft erfasst worden ist, sondern auch dann, wenn im Zuge einer Anlageberatung den richtig eingestuften Anlegern Produkte vermittelt werden, die ihrerseits nicht in die zutreffenden Risikoklassen eingeordnet worden sind. Es überrascht, dass die Beklagte und der Zeuge T. ihr Augenmerk einseitig auf die zutreffende Erfassung der Risikoneigung des Kunden gelegt haben, denn beide müssten es besser wissen: Die Beklagte als Bank und der Zeuge T. als Volljurist und Autor einschlägiger Rechtsliteratur (T.: Die Haftung der Anlageberater und Versicherungsvermittler, ...307-2).
(v) Soweit sich die Beklagte gegen diese Einschätzung einer systematischen Fehlberatung durch den Senat wehrt, gehen ihre Angriffe fehl. Den Zeugen D., B., T. und W., die tatsächlich Anhaltspunkte für eine systematische Fehlberatung negiert haben, schenkt der Senat aus den oben dargelegten Gründen keinen Glauben. Soweit auch der - glaubwürdige - Zeuge P. solche Anhaltspunkte nicht zu erkennen vermochte, liegt dies erkennbar an der fehlenden Fachkenntnis des Zeugen einerseits, seiner fehlenden Befassung mit möglicherweise kenntnisauslösenden Umständen andererseits. Für die fehlerhafte Einstufung der nachrangigen Genussscheine und Anleihen war er nicht verantwortlich, die vom Anlageausschuss der A. AG vorgegebenen Einstufungen musste er auch bei möglicher Kenntnis etwaiger Beanstandungen durch interne Revision und externe § 36 WpHG-Prüfer nicht hinterfragen, dies war nicht seine Aufgabe. Auch die von der A. AG vorgenommene Mittelwertbildung, die er kannte, musste sich ihm nicht als Symptom von systematischen Beratungsfehlern aufdrängen, da seine Vorstände hierzu abweichende Auffassungen vertraten und zur richtigen Bewertung hinreichende Rechtskenntnisse zur Anlageberatung erforderlich sind. Im zeitweise von dem Zeugen P. geleiteten Beschwerdemanagement sind Beschwerden über Fehlberatungen zu den in dieser Verfahrensserie angegriffenen Papieren erst dann vermehrt aufgetreten, als die von der A. AG bevorzugten Emittenten die Zahlungen auf die Genussscheine und Schuldverschreibungen eingestellt oder sich gar durch Insolvenz aus dem Wirtschaftsleben verabschiedet haben. Beides war in der Masse erst der Fall, als der Zeuge P. nicht mehr für das Beschwerdemanagement verantwortlich war. Aus dem Mithören von telefonischen Beratungsgesprächen mussten sich, wenn die Beratungsgespräche keine sonstigen Fehler aufwiesen, Fehler der Anlageberatung nur dann ergeben, wenn man zugleich wusste, dass bestimmte Wertpapiere falsch eingestuft waren. Dass der Zeuge P. auch sonst fehlerbehaftete Beratungsgespräche mitgehört habe, wird von keiner der Parteien behauptet.
c) Der Zeuge W. wurde durch die Aufsichtsratssitzungen vom 22. Juni 2007 und 11. Juli 2007 auf Anhaltspunkte für eine systematische Fehlberatung mindestens bestimmter Kundengruppen aufmerksam, mindestens war diese danach evident.
(1) Der Zeuge W. bestritt in jeder seiner Vernehmungen jeweils, dass ihm durch die beiden Aufsichtsratssitzungen oder die Prüfberichte gemäß § 36 Abs. 1 WpHG Anhaltspunkte für eine systematische Fehlberatung durch die Anlageberater der A. AG vermittelt worden seien. Der Senat hält diese Einschätzung für den bereits genannten Prüfbericht 2006 (Anlage BK 3) für möglich, da dieser Prüfbericht in der zusammenfassenden Bewertung, wie dargestellt, einen solchen Schluss nicht zieht und er von der Ausdrucksweise so moderat gehalten war, dass dem nicht sehr aufmerksamen Leser die dargestellte Brisanz der Fehleinstufung der nachrangigen Genussscheine entgehen konnte. Dass der Zeuge W. mindestens ein nicht sehr aufmerksamer Leser war, davon ist der Senat angesichts der von diesem Zeugen gezeigten Attitüde und seinem Verständnis von seiner Tätigkeit überzeugt. Entgegen der letzten Angabe der Zeugen W. ist der Senat allerdings davon überzeugt, dass der Zeuge W. diese Prüfberichte, entgegen seiner Angabe am 27. Januar 2015, doch gelesen hat und dementsprechend seine frühere Angabe vom 14. November 2014 richtig war. Aus dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 24. Juni 2006, das der Zeuge T. damals selbst verfasst hat, ergibt sich, dass der Zeuge W. Fragen genau zu dieser Prüfung gegenüber dem weiteren Aufsichtsratsmitglied Dr. W. beantwortet hat (vgl. Anlage zum Protokoll vom 27. Januar 2015 im Verfahren 5 U 938/13, Niederschrift vom 24. Juni 2006, Seite 2 Mitte). Solches ist ohne Kenntnis des Prüfberichts nicht möglich, denn dass er den Prüfungshandlungen der beauftragten Prüfer direkt beigewohnt habe, behauptet nicht einmal der Zeuge W. selbst. Dass die Zeugen T. und W. heute solche Kenntnis des Zeugen W. zu leugnen versuchen, legt allenfalls nahe, dass ihnen mittlerweile, nach entsprechenden Hinweisen des Senats an die Parteien wie z. B. dem hiesigen Hinweis vom 8. Dezember 2014, die mögliche Brisanz dieser Prüfberichte aufgefallen ist.
(2) Der Verlauf der durch die BaFin angeordneten und durch die KPMG im Mai 2007 in Vor-Ort-Untersuchungen vollzogenen Prüfung war jedoch hinreichend dramatisch, um auch den Zeugen W. auf strukturell angelegte Fehlberatung aufmerksam zu machen. Den Beginn einer entsprechenden Erkenntnis hat bereits der Umstand gesetzt, dass sich der Vorsitzende des Aufsichtsrats der A. AG, der Zeuge T., dazu bemüßigt sah, eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung für den 22. Juni 2007 einzuberufen, noch bevor Teilergebnisse durch die KPMG-Prüfer förmlich bekannt gegeben worden waren. Diese außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrats, zu der die Ladungsfristen nicht eingehalten werden konnten, musste wegen ihrer Eilbedürftigkeit auch noch telefonisch abgehalten werden (vgl. Protokoll dieser Sitzung als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2014). Einziges Thema dieser Aufsichtsratssitzung waren erste Mitteilungen aus der laufenden BaFin-Prüfung, Ergebnis waren zwei konkrete Handlungsaufträge an den Vorstand der A. AG, einer davon sogar innerhalb einer kurzen Frist bis zur nächsten außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats am 11. Juli 2007 zu erledigen. Gerade bei diesem fristbezogenen Auftrag handelte es sich um die Überprüfung der richtigen Risikoklassifizierung von Vertriebsprodukten der A. AG. Diesseits einer sofortigen Abberufung eines Vorstandsmitglieds aus konkretem Anlass kann ein Begehren eines Aufsichtsrates an einen Vorstand einer Aktiengesellschaft kaum mit größerer Dringlichkeit versehen sein, als dies das Protokoll der Aufsichtsratssitzung der A. AG vom 22. Juni 2007 zum Ausdruck bringt. Da allerdings einerseits keine konkreten Details der Hintergründe dieses Auftrags genannt werden, die dazu angebotenen und vernommenen Zeugen T. und W. sich andererseits auf Erinnerungslücken berufen und schließlich die förmliche Besprechung der bisherigen Prüfungsergebnisse erst am 9. Juli 2007 erfolgte, kann der Senat sich alleine aufgrund dieses Protokolls noch nicht die hinreichende Überzeugung bilden, dass konkret über systematisch bedingte Fehlberatungen im Aufsichtsrat gesprochen worden ist. Andererseits ergibt sich aus dem Thema des fristgebundenen Eilauftrags an den Vorstand, dass die Prüfer der KPMG Probleme bei der Risikoeinstufung der vertriebenen Wertpapiere zu erkennen gemeint haben.
(3) Die Erkenntnis systematischer Fehlberatung im oben beschriebenen Umfang folgte jedoch zwingend aus der weiteren Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007, mindestens waren solche Umstände seitdem evident.
(i) Zu diesem Zeitpunkt hatte das Gespräch mit den KPMG-Prüfern und den Prüfungsverantwortlichen der BaFin sowie dem Vorstand und den Vertretern der A. AG vom 9. Juli 2007 gerade stattgefunden. Nach den auch im Verwaltungsverfahren der BaFin zu beachtenden Grundsätzen des rechtlichen Gehörs musste den Verantwortlichen der A. AG vor Abschluss des Prüfungsverfahrens ein genauer Überblick über die bis dahin aufgefundenen vermeintlichen Mängel und Beanstandungen gegeben werden, um ihnen rechtzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme zu verschaffen. Genau diesen Zusammenhang schilderte der Zeuge P. bereits in seiner Vernehmung vom 14. Januar 2014, auch wenn er dort den Zeitpunkt dieses Gesprächs zunächst noch nicht zutreffend verortete und erst aufgrund eines Plausibilitätsvorhaltes des Senats einen entsprechenden Termin ca. im Juli oder August 2007 schlussfolgerte (zu einem Zeitpunkt, zu dem die Vernehmung des Zeugen T. mit der erstmaligen Nennung der konkreten Daten der Aufsichtsratssitzungen noch ausstand). Ob zu dieser Besprechung vom 9. Juli 2007 eine Entwurfsfassung des Prüfberichts durch die Prüfer vorgelegt oder gar vorab übersandt wurde, wie dies der Zeuge P. erinnert, ist nicht sicher erwiesen, auch wenn der Senat auch an dieser Darstellung des Zeugen P. im Grundsatz wenig Zweifel hegt. Es hätte zur hinreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs jedenfalls nahe gelegen und auch in das zeitliche Raster gepasst, denn nach den Erhebungen der KPMG vor Ort im Mai 2007 waren mittlerweile knapp 2 Monate vergangen und der fertige Prüfbericht datiert bereits vom 3. August 2007. Jedenfalls wurde die Besprechung mit einer erheblichen Detailtiefe geführt, das ergibt sich bereits aus dem kurzen Auszug eines Anwaltsschriftsatzes, den der Zeuge D. zur vermeintlichen Untermauerung seiner Darstellung in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2014 übergeben hat (vgl. Anlage zum dortigen Protokoll). Gemäß diesem Schriftsatzauszug wurde bereits in der Besprechung vom 9. Juli 2007 unter Nennung dieser Zahl angesprochen, dass die KPMG 1.111 Fälle eines fehlerhaft bestückten Depots festzustellen meinte. Nichts anderes bedeutet die dortige Formulierung „dieses Thema bereits Gegenstand der Abschlussbesprechung ... war und die WPH AG von vorneherein sowohl die Zahl von 1.111 Vermittlungskunden ... bezweifelte“. Entsprechend äußerte auch der Zeuge P., dass die in dieser Besprechung erörterten Feststellungen der KPMG sich später „1:1“ im Prüfungsbericht der KPMG wiedergefunden hätten (vgl. Protokoll vom 14. Januar 2014).
(ii) Ausweislich des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007 waren Besprechungsgegenstand unter anderem folgende Punkte, die mit den hier zu erörternden Risikoeinstufungen zusammenhängen:
-) Risikoklasseneinstufung Immobilien-Genussscheine, insbesondere Windsor -) Vertrieb P. & Z. - Genussschein nach schlechten Unternehmensnachrichten -) Risikoeinstufung des Kunden ist geringer als die Papiere im Depot -) Genussscheinangebot im Zinskombikonto über das Internet
Der vorletzte Punkt bezieht sich ersichtlich auf die genannten 1.111 Fälle, die KPMG behauptet hatte festgestellt zu haben. Dr. H., der an der Besprechung vom 9. Juli 2007 teilgenommen hat, konnte seinen Kollegen vom Aufsichtsrat nur dann nicht die zuvor bereits am 9. Juli 2007 ausdrücklich erörterte Anzahl der 1.111 Fälle (s.o.) genannt haben, wenn er durch aktive Vertuschung der von KPMG genannten Dimension den Aufsichtsrat, dem er selbst angehörte, in Unkenntnis über die Dimension der behaupteten Feststellungen lassen wollte. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Zwar wollen sich heute die Zeugen T. und W. an die Nennung dieser Zahl nicht erinnern, der Senat hat jedoch aus den oben dargelegten Gründen keinen Anlass, den Bekundungen der Zeugen zu diesem Punkt zu vertrauen. Auffällig ist insoweit bereits, dass beide Zeugen sonst eine durchaus beschränkte Erinnerung an die Inhalte dieser Aufsichtsratssitzung anführen, sich an diesen Punkt aber genau erinnern wollen.
Zum Punkt „Vertrieb P. & Z.“ behauptet der Zeuge T., der Vorstand habe in dieser Sitzung erklärt, man habe sich aus dem Vertrieb der P. & Z. Genussscheine bereits gelöst (vgl. Protokoll vom 14. Oktober 2014). Dem Senat ist aus einer Mehrzahl von Parallelverfahren bekannt, dass auch im Jahr 2008 noch Genussscheine der P. & Z. AG durch die A. AG vertrieben wurden. Da unter anderem an den Kläger im Parallelverfahren 5 U 1420/14, welches mit dem vorliegenden Verfahren parallel verhandelt wurde, sogar nach den durchaus zweifelnden Anmerkungen des § 36-Prüfberichts für das Jahr 2007 (Anlage BK 4, Seite 22) noch im Jahr 2008 diese Genussscheine weiterhin vertrieben wurden, sind entweder die Erklärung des Vorstands oder die Darstellung des Zeugen T. vor dem Senat oder beide falsch gewesen. Jedenfalls ist die von der KPMG an dem Vertrieb der P. & Z.-Genussscheine geäußerte Kritik im Aufsichtsrat erörtert worden. Die KPMG hatte hierzu reklamiert, dass trotz Vorliegens schlechter Unternehmensnachrichten über den Emittenten keine Umstufung der Risikoklasse erfolgt ist und für Kunden, denen diese Veränderung nicht bekannt war und nicht bekannt gegeben wurde, Kaufaufträge erteilt oder bereits erteilte, aber noch nicht ausgeführte Aufträge gleichwohl ausgeführt worden sind (vgl. Anlage BK 1, Seiten 23/24). Dies war ein weiterer Hinweis darauf, dass es die Berater der A. AG im Umgang mit den Risikoeinstufungen der vertriebenen Wertpapiere an der erforderlichen Sorgfalt mangeln ließen, vielmehr diese Papiere weiterhin in den Markt gedrückt wurden.
Auch beim Erörterungspunkt „Risikoklasseneinstufung Immobilien-Genussscheine“ zeigte sich, insoweit sogar nach Angabe des Zeugen T., Abhilfebedarf bei einer Fehleinstufung der Risikoklasse. Dieser Abhilfebedarf für die Zukunft implizierte für die vergangenen Vertriebsbemühungen, dass die durchgeführten Kundenberatungen unter nicht zutreffender Risikoeinstufung dieser Wertpapiere erfolgt sind.
Zum Thema „Genussscheinangebot im Zinskombikonto über das Internet“ soll es nach den Angaben des Zeuge T. um die Beanstandung bestimmter Werbeaussagen durch KPMG gegangen sein (vgl. Protokoll vom 14. Oktober 2014), es sei nicht um die Risikoklassifizierung dieser Zins-Kombi-Konten gegangen. Tatsächlich hatte KPMG jedoch eine unzureichende Aufklärung über das tatsächliche Risiko und eine fehlerhafte Einstufung des Genussscheins der S. Grundbesitz AG in die Risikoklasse 3 kritisiert, was zumindest Herrn Dr. H. als Teilnehmer der Besprechung vom 9. Juli 2007 bekannt war (vgl. Anlage BK 1, Seiten 56/58). Anhaltspunkte dafür, dass Herr Dr. H. in der folgenden Aufsichtsratssitzung über den Inhalt der Beanstandung der KPMG unzutreffende Angaben machte, bestehen nicht. Dementsprechend musste der Zeuge T. auf Vorhalt der entsprechenden Ausführungen der KPMG (vgl. Protokoll vom 14. Oktober 2014) auch einräumen, dass es möglich sei, dass er das mit „Werbeaussagen“ gemeint habe. Unabhängig von der Frage, ob „Werbeaussage“ hierfür eine zutreffende Bezeichnung durch einen Volljuristen und Fachautor ist, steht damit jedenfalls fest, dass die nach Ansicht der KPMG fehlerhafte Risikoeinstufung des Wertpapierteils der damaligen Zins-Kombi-Konten Gegenstand der Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007 war.
Zusammenfassend konnte der Zeuge W., dem das Geschäftsmodell „Konvertierung der Kunden“ der A. AG bekannt war, an dieser Besprechung des Aufsichtsrats nicht teilnehmen, ohne den Eindruck zu gewinnen, dass zumindest nach Auffassung der KPMG in der Vergangenheit teils schwere und im Vertriebssystem der A. AG angelegte Beratungsfehler gemacht worden sind. Dabei mag durchaus offen geblieben sein, ob sämtliche Beanstandungen der KPMG zutreffend erfolgt sind und/oder manche Beanstandungen nicht sehr pointiert waren. Aber der Eindruck verbreiteter Fehler im Beratungsverhalten der Mitarbeiter der A. AG konnte allenfalls unter dem Vorbehalt der weiteren Nachprüfung stehen, die in der Kürze der Zeit zwischen dem 9. und 11. Juli 2007 keinesfalls geleistet worden sein konnte. Schon die Überprüfung der behaupteten Fehlerquellen konnte in diesem Zeitraum nicht geleistet worden sein, falls die Darstellungen der KPMG zutrafen, bestand dieser Zustand am 11. Juli 2007 also noch.
(iii) Dem kann die Beklagte nicht erfolgreich mit dem Argument entgegentreten, die Beanstandungen der KPMG seien in der Sitzung des Aufsichtsrates vom 11. Juli 2007 als „beherrschbar“ dargestellt worden.
Zuzugeben ist der Beklagten zwar, dass sowohl der Zeuge T. als auch der Zeuge W. dies, unter Verwendung dieser Formulierung, ausdrücklich betonten. Diese Formulierung ist allerdings eine Selbstverständlichkeit, hinter der sich beide Zeugen erkennbar zu verstecken suchten, um die Dramatik der Schilderung der Befunde der KPMG zu verringern. „Beherrschbar“ bedeutet nichts anderes, als dass man die Probleme durch entsprechende Gegenmaßnahmen abstellen kann. Das bedarf bei Fehlern und Problemen, die auf rational gesteuertes menschliches Verhalten zurückgehen, wie hier der Anlageberatung der Kunden, keiner weiteren Erörterung. Man müsste lediglich die angegriffenen Verhaltensweisen ändern und die Probleme wären beseitigt. Konkret wären hier also die Mittelwertbildung bei den Risikoklassen der Kombinationsprodukte zu beenden und die korrekte Einstufung der nachrangigen Genussscheine und Anleihen in die richtige Risikoklasse durchzuführen gewesen, samt Umstellung der entsprechenden Verkaufsgespräche. Ferner hätten ggf. mit den Kunden, denen bisher eine fehlerhafte Anlageberatung angediehen war, Nachberatungs- und Abwicklungsgespräche geführt werden müssen. Das sind ohne weiteres „beherrschbare“ Umstellungen - die Frage, ob diese Umstellungen tatsächlich angedacht waren und ihre Realisierung begonnen werden sollte, bleibt damit völlig unbeantwortet. Die Uneinsichtigkeit, mit der die Herren D. und B. die A. AG (später) lieber in die Insolvenz geschickt haben als die im Vergleich mit der BaFin vereinbarten Änderungen an Vorstand und Anteilseignern durchzuführen, legt eine solche Änderungsbereitschaft, bei grundsätzlich gegebener „Beherrschbarkeit“ jedenfalls nicht nahe. In die gleiche Richtung zeigt das inhaltlich unwahre Verteidigungsschreiben gegenüber der BaFin mit den irreführenden Angaben zu den Ergebnissen des § 36 WpHG-Prüfers (s.o.) und auch der weitere Vertrieb des Genussscheins der P. & Z. AG. Da der Vorstand der A. AG zum 11. Juli 2007 noch nicht einmal den ihm durch den Aufsichtsrat in der Sitzung vom 22. Juni 2006 erteilten Auftrag erledigt hatte, bestand für den Zeugen W. in der Sitzung vom 11. Juli 2007 jedenfalls kein Anlass, die bloße Behauptung der „Beherrschbarkeit“ als wesentlich erleichternden Gesichtspunkt hinzunehmen.
d) Der Beklagten sind die Erkenntnisse des Zeugen W. zuzurechnen.
(1) Die oben dargestellten Kenntnisse des Zeugen W. sind von diesem in seiner beruflichen Funktion als Prokurist und damit Vertreter der Beklagten erlangt worden. Es handelt sich nicht um private Kenntnisse. Der Senat ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht restlos davon überzeugt, dass der Zeuge W. durch ein Vorstandsmitglied der Beklagten gebeten wurde, die Tätigkeit als Aufsichtsrat bei der A. AG zu übernehmen, jedoch davon, dass der Zeuge als Bereichsleiter der Beklagten für den B2B-Bereich, also auch für die Zusammenarbeit der Beklagten mit der A. AG, in Kenntnis und mit Billigung des Vorstands der Beklagten die Aufsichtsratstätigkeit bei der A. AG übernommen hat, wie der Zeuge auch selbst vorträgt.
(i) Der Zeuge W. hat eine solche Bitte eines Vorstandsmitgliedes zwar zunächst bei einer Vielzahl von Vernehmungen vor verschiedenen Gerichten - zum Teil unter Eid - geschildert und dies auch zuletzt, trotz bei ihm durch eine Rücksprache mit dem Zeugen D. hervorgerufener Zweifel, in Vernehmungen vor dem Senat für eher wahrscheinlich gehalten. Der Senat kann allerdings alleine auf eine solche Angabe des Zeugen W. seine Überzeugung nicht stützen, da eine grundsätzliche Glaubwürdigkeit dieses Zeugen nicht besteht und im Abschieben von Verantwortung auf ein nicht näher benanntes Vorstandsmitglied der Beklagten auch eine Verteidigungsstrategie des Zeugen W. liegen könnte.
(ii) Der Zeuge D. hat ein solches Herantreten an den Vorstand der Beklagten ausdrücklich verneint. Der Senat hat, wie dargelegt, in die Bekundungen dieses Zeugen keinerlei Vertrauen, aber alleine die Möglichkeit, von dem Zeugen D. -wieder einmal - mit der Unwahrheit bedient zu werden, ist zum Beweis des Gegenteils seiner Behauptung nicht geeignet.
(iii) Selbst wenn man das Wissen des Zeugen W. als privat erlangt bewerten wollte, ist es der Beklagten jedoch zuzurechnen, da es in unmittelbarer Nähe zur dienstlichen Tätigkeiten des Zeugen W. entstanden ist. Dies ergibt sich bereits aus der oben dargelegten Stellung des Zeugen innerhalb der Beklagten. Gerade diese Stellung war Grund für den Vorstand der A. AG, der zugleich als zunächst unmittelbarer und später mittelbarer Inhaber der Aktienmehrheit der A. AG über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats dieser Gesellschaft bestimmen konnte, dem Zeugen W. das Aufsichtsratsmandat zu übertragen. Wie dargelegt, war die Beklagte der wichtigste Kooperationspartner der A. AG, ohne die durch die Beklagte gewährleistete Zusammenarbeit bei der Konto- und Depotführung für die gemeinsamen Kunden wäre das Geschäftsmodell der A. AG von vorne herein so nicht durchführbar gewesen. Die hier relevante Konstellation unterscheidet sich daher in zwei wichtigen Gesichtspunkten von den Gegebenheiten, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26. Juni 2007 (XI ZR 277/05, BGHZ 173,32) zugrunde zu legen hatte. Zum einen handelte es sich um einen hochrangigen Vertreter der Beklagten, der das relevante Wissen erworben hat, und bei hochrangigen Vertretern wird eine Zurechnung auch privat erworbener Kenntnisse regelmäßig eher in Betracht kommen. Früher wurde deswegen sogar des Wissen eines verstorbenen Organmitglieds dem Unternehmen zugerechnet (Münchener Kommentar zum BGB/Schramm, Rn. 20 zu § 166 BGB). Zum anderen ist das Wissen nicht im rein privaten Umfeld, sondern im dienstlichen Nähefeld entstanden.
(iv) Das oben dargestellte Wissen des Zeugen W. war für das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der A. AG unmittelbar relevant, denn es beinhaltete Kenntnis von möglichen Pflichtverletzungen der A. AG gegenüber gemeinsamen Kunden. Es gehört sicher zu dem Kernbereich, der bei ordnungsgemäßer Organisation der Beklagten schriftlich hätte fixiert werden müssen (zu diesem aus Sicht des Senats überzeugenden Kriterium der Zurechnung von Wissen eingehend Münchener Kommentar zum BGB/Schramm, Rn. 28 ff. zu § 166 BGB).
(2) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Zeuge W. diese Erkenntnisse gegenüber anderen Berufsträgern der Beklagten nicht offenbart hat. Der Zeuge W. hat eine solche Offenbarung bei allen Vernehmungen vor dem Senat und anderen Gerichten bestritten. Der Senat hält in diesem Punkt die Angaben des Zeugen W. für zutreffend, weil sie zu dem Bild eines illoyalen Mitarbeiters passen, der sich von der Beklagten bereits innerlich gelöst hat. Tatsächlich stand zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung bereits fest, dass das Arbeitsverhältnis des Zeugen W. zum 31. Juli 2007 enden wird, der Zeuge orientierte sich beruflich bereits neu und war möglicherweise bereits freigestellt. Dementsprechend hat der Zeuge W. auch angegeben, er habe eher erwogen mit einem Verantwortlichen seines in Aussicht genommenen neuen Arbeitgebers, einem Herrn Dr. H., über die Ac. AG zu sprechen als mit der Beklagten.
(3) Der Bundesgerichtshof hat sich in den Entscheidungen zu den Parallelfällen (XI ZR 431/11, XI ZR 312/12 und XI ZR 313/12) für das dortige weitere Verfahren nicht ausdrücklich darüber geäußert, ob die Beklagte nur dann haftet, wenn ihr die Kenntnisse des Zeugen W. tatsächlich bekannt geworden sind, oder ob es ausreichend ist, wenn ihr solche Kenntnisse zugerechnet werden können. Der Senat hält es für zutreffend, wenn eine Zurechnung ausreichend ist, denn im gesamten Stellvertretungsrecht wird bei der Wissensvermittlung gemäß § 166 Abs. 1 BGB nie darauf abgestellt, ob der Stellvertreter dem Vertretenen seine Erkenntnisse tatsächlich offenbart hat.
(4) Der Zurechnung der bezeichneten Kenntnisse steht die Verschwiegenheitspflicht, die den Zeugen W. gemäß § 116 AktG im Grundsatz traf, nicht entgegen.
(i) Noch zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass Mitglieder des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft der Verschwiegenheitspflicht nach § 116 AktG unterliegen und daher Dritten nichts über die ihnen in dieser Eigenschaft bekannt gewordenen Beratungen und Geheimnisse offenbaren dürfen. Die Geltung des § 116 AktG ist zwingendes Recht, Ausnahmen kommen nur in Extremfällen, z. B. der Verteidigung gegen strafrechtliche Vorwürfe gegen ein Mitglied des Aufsichtsrats, in Betracht.
(ii) Disponibel ist nach allgemeiner Meinung aber, welche Daten der Geltung des § 116 AktG unterliegen sollen. Die Aktiengesellschaft kann sich jederzeit die Auffassung bilden, dass Daten, die zuvor einer Geheimhaltungspflicht unterlegen haben, nun freigegeben werden, z. B. zur Veröffentlichung in einer Ad-Hoc-Mitteilung.
(iii) Zwar unterfallen die Erörterungen in den Sitzungen des Aufsichtsrates vom 22. Juni und 11. Juli 2007 sowie die dadurch evident gewordenen Erkenntnisse über eine von der KPMG in ihren Auswirkungen behauptet festgestellte systematische Falschberatung der A. AG im Grundsatz ohne weiteres dem Schutzbereich des § 116 AktG.
(iv) Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass wegen der besonderen Konstellation der Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und der A. AG hier eine konkludente Willensbildung der A. AG vorlag, wonach solche Daten, die für die Durchführung der Kooperation zwischen der A. AG und der Beklagten erforderlich sind, in dem Umfang nicht der Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß §116 AktG unterfallen sollen, in dem der Beklagten gegen die A. AG ein Anspruch aus diesen Kooperationsvereinbarungen auf Bekanntgabe dieser Daten zustand. Der Senat schließt dies aus folgenden Umständen:
Allen Beteiligten - dem Zeugen W. ebenso wie den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrates der A. AG, den Mitgliedern des Vorstands der A. AG, den bei erstmaliger Berufung des Zeugen W. unmittelbaren - und nach Einbringung der A. AG in die D. & B. AG mittelbaren - Hauptaktionären der A. AG - war schon bei Berufung des Zeugen W. in das Aufsichtsratsmandat bewusst, dass bestimmte Kenntnisse, die der Zeuge W. als Aufsichtsrat erwerben könnte, für seine berufliche Tätigkeit für die Beklagte wesentlich werden könnten. Der Zeuge W. war in seiner Funktion als Bereichsleiter B2B der Beklagten gerade die Person, in deren beruflicher Zuständigkeit bei der Beklagten die Durchführung der Vertragsbeziehungen zur A. AG stand. Es wäre daher widersinnig, ihn zwar zum Aufsichtsrat der Ac. AG (und später auch der übergeordneten Holding D. & B.AG) zu bestellen, ihm aber gerade die Verwendung der Kenntnisse, die für die Durchführung dieser Vertragsbeziehungen im Hinblick auf seine damalige Arbeitgeberin, die Beklagte, relevant sind, zu untersagen. Besonders zu berücksichtigen ist dabei, dass das Geschäftsmodell der A. AG mit der Bereitschaft einer Bank als Kooperationspartner für die anzulegenden Kundenkonten und Kundendepots zur Verfügung zu stehen, steht oder fällt.
Wenn die Hauptversammlung der A. AG unter solchen Umständen gerade den Zeugen W. zum Aufsichtsrat bestellt, dann wird in dem Bestellungsakt zugleich zum Ausdruck gebracht, dass unter den genannten Begrenzungen - Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der Informationen - diese Informationsweitergabe an die Beklagte gestattet ist. Dem steht nicht entgegen, dass für die Informationsweitergabe üblicherweise der Vorstand der Aktiengesellschaft zuständig wäre. Dies wäre hier nur eine überflüssige Förmelei und würde lediglich dazu führen, dass der Vorstand der A. AG dem Zeugen W. als Ansprechpartner bei der Beklagten die Informationen aus dem Aufsichtsrat zukommen lassen muss, über die der Zeuge W. aufgrund seiner Aufsichtsratstätigkeit ohnehin - und insoweit aus erster Hand -verfügt.
(v) Dass die A. AG durch die Kooperationsverträge mit der Beklagten schon wegen der aus diesen Verträgen abzuleitenden Treuepflichten gehalten war, die Beklagte über bestimmte wesentliche Umstände der gemeinsamen Vertragsausführung zu informieren, die geeignet waren, den Zweck der Kooperationsvereinbarungen zu gefährden, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die systematische Fehlberatung der gemeinsamen Kunden von A.AG und der Beklagten gehört evident zu solchen Umständen, die die geordnete Vertragsdurchführung der verschiedenen Kooperationsverträge nachhaltig beeinträchtigen können. Die Beklagte hatte also einen Anspruch gegen die A. AG auf Information über die von der KPMG behauptet festgestellten Beanstandungen, soweit sich daraus Hinweise auf systematische Beratungsfehler ergeben.
Da die Beklagte aber Anspruch auf entsprechende aktive Informationserteilung durch die A. AG hatte, wäre es widersinnig, wenn sie sich gegen die Zurechnung einer solchen Information auf eine Schutznorm berufen könnte, die dem Schutz der A. AG, nicht aber der Beklagten, dient. Dass die Beklagte über diese Informationen tatsächlich nicht verfügen konnte, weil der Zeuge W. - oder der Vorstand der A. AG -die ihnen bekannten Informationen nicht weitergegeben haben, liegt im Organisations- und Risikobereich der Beklagten, die sich insoweit an den Zeugen W. oder die A. AG bzw. deren Verantwortliche halten mag. Jedenfalls kann nicht den Klägern der hiesigen Verfahrensserie das Defizit in der - geschuldeten -Informationsweitergabe der A. AG angelastet werden.
(vi) Dem steht nicht entgegen, dass sich der Aufsichtsrat der A. AG nach den Angaben des Zeugen T. eine Geschäftsordnung gegeben haben soll, in der die gesetzlich geregelte Verpflichtung zur Verschwiegenheit nochmals aufgegriffen und ausführlich bestimmt gewesen sein soll. Auch eine solche Geschäftsordnung, so sie denn tatsächlich existiert, geht nach Ansicht des Senats nicht weiter als die gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit (so wohl auch Münchener Kommentar zum AktG/Habersack, Rn. 64 zu § 116 AktG), von der eben, wie dargelegt, eine inhaltliche Ausnahme konkludent vereinbart worden war. Aus dem gleichen Grund steht einer solchen Zurechnung nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass auch der Zeuge W. sich seinen Angaben nach dazu verpflichtet gesehen haben mag, die Beklagte gerade nicht zu informieren, wohl aber erwogen hat, wenn auch in generalisierter Form, mit Herrn Dr. H. von seiner künftigen Arbeitgeberin, der V-Bank, zu sprechen.
e) Aufgrund der ihr zuzurechnenden Erkenntnisse des Zeugen We. war die Beklagte verpflichtet, den von der KPMG behauptet festgestellten systematischen Beratungsfehlern nachzugehen. Der Senat ist auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Rechtsstreits der Ansicht, dass zumindest die Feststellungen der KPMG, die durch die oben genannten weiteren Beweismittel bestärkt und bestätigt werden, bewiesen sind. Das konnte und musste aber die Beklagte alleine aufgrund der ihr im Gefolge der Aufsichtsratssitzungen vom 22. Juni und 11. Juli 2007 zuzurechnenden Informationen nicht sogleich erkennen. Andererseits sind die behaupteten Verstöße so schwerwiegend, dass aus den mit den gemeinsamen Kunden bestehenden Depotverträgen die Beklagte die Verpflichtung traf, die Feststellungen selbst zu prüfen und sich dazu ergänzende Informationen zu verschaffen.
(1) Zum Teil konnte die Beklagte die für eine Validierung erforderlichen Informationen selbst beschaffen, etwa durch Zugriff auf die bei ihr vorhandenen Erkenntnisse über die Durchführung der Compliance und Revision. Ferner konnte sie die Depots der Kunden darauf überprüfen, ob dort bestimmte nachrangige Genussscheine und Anleihen nur selten am Markt gehandelter Emittenten häufig vertreten waren, immerhin waren die entsprechenden Anschaffungen durch die Beklagte durchgeführt worden. Unter Zugriff auf die veröffentlichten Wertpapierprospekte und frei zugänglichen Kapitalmarktinformationen konnte sie sich schließlich unter Einsatz ihres Fachwissens als Bank ein eigenes Bild über die richtige Risikoeinstufung dieser Wertpapiere bilden.
Einen anderen Teil der Informationen, nämlich insbesondere für welchen Kunden welche Risikoklasse bei der A. AG erfasst war, musste sie von der A. AG in Erfahrung bringen. Da auch die A. AG diese Kundenverwaltung per EDV erledigte, war ein rascher Informationsaustausch leicht möglich. Schließlich hätte die Beklagte auch um Überlassung etwaiger weiterer Prüfberichte, wie z. B. der Berichte der Prüfungen nach § 36 WpHG bitten können. In der Zusammenschau dieser Informationen hätte sich dann für die Beklagte das oben dargestellte Bild einer systematischen Fehlberatung ergeben.
(2) Tatsächlich hat die Beklagte keinerlei eigene Aufklärungsversuche unternommen. Gleichwohl darf sie nach Auffassung des Senats nicht schärfer haften, d. h. ihre Haftung darf in zeitlicher Hinsicht nicht früher einsetzen, als wenn sie sich gemäß ihren vertraglichen Verpflichtungen verhalten hätte. Der Senat schätzt den Beschaffungs- und Bearbeitungsaufwand für die durchzuführenden Prüfungen auf einen Zeitraum weniger Wochen, da diese Tätigkeiten im Hinblick auf die Gefahr weiterer Fehlberatungen beschleunigt durchzuführen gewesen wären. Jedenfalls lange vor der ersten hier relevanten Anschaffung vom 31. März 2008 wären diese Tätigkeiten abgeschlossen gewesen und in einer Warnung an die Kunden vor möglichen Fehlberatungen aufgrund falscher Risikoeinstufung der beworbenen Papiere gemündet.
(3) Die Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, dass in dem Prüfbericht der BaFin keine die A. AG sanktionierenden Maßnahmen empfohlen worden sind. Es war schon nicht Teil des Auftrags der KPMG, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe eventuell gefundener Fehler bei der Tätigkeit der A. AG vorzuschlagen. Im Übrigen ist die richtige Reaktion auf etwaig gefundenes Fehlverhalten alleine Sache der BaFin im Aufsichtsverfahren zur A. AG und nicht gegenüber der Beklagten öffentlich zu machen.
(4) Die Ansicht der Beklagten, sie hätte bis zum Abschluss der aufsichtlichen Überprüfungen durch die BaFin zuwarten dürfen, ist schon im Ansatz verfehlt. Soweit die Beklagte dafür das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. März 2014 (XI ZR 178/12, BKR 214, 245) in Anspruch nimmt, überrascht bei der erforderlichen genauen Lektüre dieser Entscheidung schon diese Bezugnahme. Der Bundesgerichtshof gibt insoweit lediglich die Argumentation des OLG Schleswig wieder. Er gibt nicht zu erkennen, dieser Rechtsansicht zuzustimmen. Solches läge angesichts der Entscheidung vom 19. März 2013 eher fern.
Schon wegen der unterschiedlichen Schutzrichtungen kommt ein solches Zuwarten im Übrigen nicht in Betracht. Die Beklagte ist zur Abwehr ihr erkennbarer Schäden gemeinsamer Kunden aufgrund überlegenen Wissens von vertragswidrigen Verhaltensweisen, nämlich systematischen Beratungsfehlern der A. AG, verpflichtet. Das ist „Individualrechtsschutz“ durch einen Vertragspartner. Die BaFin trifft eine solche Verpflichtung nicht, sie ist ausdrücklich nicht dem Individualschutz verpflichtet.
(5) Soweit die Beklagte meint, ihr sei im Gefolge des sog. Kirch-Urteils eine Warnung an die gemeinsamen Kunden wegen möglicher eigener Schadensersatzverpflichtungen nicht zumutbar, verkennt sie auch insoweit den Gehalt eines Urteils des Bundesgerichtshofs, missachtet dafür eine Vielzahl einschlägiger anderer Entscheidungen. Im Kirch-Verfahren (BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 - XI ZR 384/03, NJW 2006, 830) ging es um eine Äußerung des damaligen Vorstandssprechers der Deutschen Bank AG gegenüber der Öffentlichkeit, für die es keine sofort erkennbare Motivation gab. Hier geht es um eine Warnpflicht aufgrund einer vertraglichen Sonderverbindung gegenüber diesen Vertragspartnern. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Warnpflicht in mehr als einem Dutzend Entscheidungen zum sog. „Falk-Zinsfonds“ schon vor Jahren festgestellt (z. B. BGH, Urteile vom 19. November 2009 - III ZR 108/08 und III ZR 109/08). Ähnliches wurde auch in den sog. Cinerenta-Fällen bereits judiziert (z. B. BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 - III ZR 59/07, WM 2008, 1205).
f) Der Anspruch der Klagepartei ist nicht gemäß § 37 WpHG a. F. verjährt. Die hier im Streit stehende Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Depotführungsvertrag zwischen der Beklagten und der Klagepartei fällt schon nicht unter den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Anhaltspunkte für den Ablauf der regulären kenntnisabhängigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB bestehen nicht.
g) Die Beklagte ist der Klagepartei somit zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch die Nichtbeachtung ihrer Warnpflicht entstanden ist. Bei einer entsprechenden Warnung der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Klagepartei die streitgegenständlichen Wertpapiere nicht angeschafft hätte. Zu ersetzen ist daher der Betrag, den die Klagepartei zum Erwerb der streitgegenständlichen Wertpapiere aufgewendet hat, abzüglich des erzielten Verkaufserlöses und der erhaltenen Ausschüttungen, mithin ein Betrag von noch 7.883,85 Euro, Zug um Zug gegen Übertragung der noch im Depot des Klägers vorhandenen Wertpapiere auf die Beklagte. Mit der Rückzahlung dieses Betrags befand sich die Beklagte aufgrund einer vorgerichtlichen Mahnung und der daraufhin erfolgten Zurückweisung der Ansprüche des Klägers schon vor dem 4. Februar 2013 in Verzug, so dass den ab 4. Februar 2013 begehrten Zinsen keine Einwendungen entgegenstehen. Der Ersatz von Erträgen aus einer durch diese Investition entgangenen Alternativanlage ist nicht zu ersetzen. Die Klagepartei hat Wertpapiere erworben, die nach dem vorausgesetzten (nicht dem tatsächlichen) Risiko zwar eine kontinuierliche Ausschüttung erbringen sollten, aber auch einem Kursverlustrisiko unterlagen. Zusammengenommen hat die Klagepartei unter Berücksichtigung der von ihr bewusst eingegangenen Risiken daher einen Schaden in Höhe alternativen Anlagezinses nicht substantiiert dargelegt. Da die Klagepartei rechtzeitig vor Schluss der mündlichen Verhandlung ihren Zug um Zug-Antrag auf die tatsächlich geschuldete Rückübertragung der noch vorhandenen Wertpapiere umgestellt hat und die Beklagte mit dem Antrag auf Berufungszurückweisung dieses Angebot abgelehnt hat, war der Annahmeverzug der Beklagten für die Zug um Zug-Leistung festzustellen.
Prozessuales:
Die Beklagte hat die Erteilung weiterer Hinweise beantragt, wenn der Senat trotz ihrer Ausführungen bei seiner in den Hinweisen geäußerten Einschätzung bleibe, sie werde dann ergänzend vortragen. Solche Hinweise waren nicht zu erteilen (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2013 - KVR 11/12), da die Beklagte bei sorgfältiger Beobachtung des Verfahrens nicht damit rechnen konnte, dass alleine ihre Ausführungen zu einer Auffassungsänderung führen. Im Übrigen ist die Beklagte jedenfalls unter dem Grundsatz der Beschleunigung des Zivilprozesses gehalten, sofort vollständig vorzutragen.
Soweit die Beklagte ferner die erneute Vernehmung vom Senat bereits gehörter Zeugen beantragte, war diesen Angeboten nicht nachzugehen, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass die Voraussetzungen einer wiederholten Vernehmung, § 398 ZPO, vorliegen. Soweit alleine die von der Vorstellung der Beklagten abweichende Würdigung des Inhalts einer Aussage durch den Senat Anlass für den Beweisantrag war, begründet dies ohnehin keinen Anspruch auf eine erneute Vernehmung.
Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt gemäß § 3 ZPO aus der Addition des bezifferten Klageanspruchs und der erstinstanzlich und zunächst auch zweitinstanzlich verfolgten Stufenklage, die der Senat mit 500,- Euro bewertet. Die geltend gemachten alternativen Anlagezinsen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleiben als Nebenforderung gemäß § 4 Abs. 1 ZPO ohne Berücksichtigung.
Die Revision gegen diese Entscheidung ist für die Beklagte zuzulassen, da die Frage der Berücksichtigung außerhalb der Diensttätigkeit erlangten Wissens und der Zurechnung dieses Wissens trotz grundsätzlicher Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 116 AktG weiterer Klärung durch den Bundesgerichtshof bedürfen.