Oberlandesgericht München Beschluss, 27. Okt. 2014 - 7 W 2097/14

published on 27/10/2014 00:00
Oberlandesgericht München Beschluss, 27. Okt. 2014 - 7 W 2097/14
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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 02.09.2014 aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für unzulässig erklärt.

3. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht München verwiesen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger war Geschäftsführer der Beklagten. Er macht mit seiner Klage die vertraglich vereinbarten Bezüge für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014 geltend. Der Kläger hält die ordentlichen Gerichte für zuständig. Die Beklagte hält dagegen die Gerichte für Arbeitssachen für zuständig und hat deshalb die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten gerügt.

II.

Das angerufene Landgericht München I hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 02.09.2014 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt (Bl. 71 d. A.). Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 25.09.2014 (Bl. 84 d. A.), der das Landgericht mit Beschluss vom 22.10.2014 (Bl. 93 d. A.) nicht abgeholfen hat.

III.

Die form- und fristgerecht (§ 17 a IV 3 GVG, § 569 ZPO) eingelegte Beschwerde ist in der Sache begründet. Zuständig sind die Arbeitsgerichte.

1. Die Fiktion (Koch, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl., ArbGG, § 5 Rn. 6) des § 5 I 3 ArbGG, wonach gesetzliche Vertreter einer juristischen Person nicht Arbeitnehmer i. S. d. ArbGG sind, greift nicht ein.

a) Denn nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien (Bl. 3 der Klageschrift; Bl. 30 des Schriftsatzes der Beklagtenseite vom 24.03.2014) war der Kläger in dem Zeitraum, für den er die streitigen Bezüge geltend macht (Dez. 2013/Jan. 2014), als Geschäftsführer bereits abberufen. Die Abberufung erfolgte mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 17.04.2013 zum 01.06.2013. Die Abberufung wurde am 26.11.2013 in das Handelsregister eingetragen (Anlage K 5).

Dies hat das Landgericht verkannt; streitig ist zwischen den Parteien nämlich lediglich, ob die Kündigung des Anstellungsvertrages (u. a. aus formellen Gründen) unwirksam ist (s. Schriftsatz der Klägerseite vom 23.04.14, Bl. 2 = Bl. 19 d. A.). Auf die Frage einer Doppelrelevanz von streitigen Tatsachen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.10.2009 - VIII ZB 42/08, NJW 2010, 873, Rn. 16) kommt es daher nicht an.

b) Besteht zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag (was hier streitig ist, siehe dazu sogleich Ziff. 2), so entfällt mit „Abberufung aus der Organschaft“ (BAG, Beschluss vom 15.11.2013 - 10 AZB 28/13, Rn. 18) bzw. mit deren Eintragung in das Handelsregister (BAG, Beschluss vom 26.10.2012 - 10 AZB 55/12, Rn. 21), hier also jedenfalls für die Zeit nach dem 26.11.2013, die Fiktion des § 5 I 3 ArbGG (Koch a. a. O. Rn. 7).

2. Ausweislich des unstreitig der Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten zugrundeliegenden Vertrages vom 10.06.2010 (Anlage K 1) stand der Kläger bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis i. S. d. § 2 I Nr. 3 a ArbGG.

a) Die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH kann auf einem Arbeitsvertrag beruhen (BAG v. 26.10.2012 a. a. O. Rn. 14).

b) Der Vertrag vom 10.06.2010 ist ein Arbeitsvertrag. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Vertrages zur Arbeit im Dienst eines anderen verpflichtet ist.

Maßgeblich ist hierbei, dass die einverständliche konkrete Ausgestaltung des Vertrages als unselbstständige, persönliche Abhängigkeit begründende Arbeitsleistung zur Anwendung des Arbeitsrechts führt, selbst wenn die Parteien dies nicht wollen (Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl., BGB, § 611 Rn. 41). Der Vertrag vom 10.06.2010 ist dadurch geprägt, dass der Kläger weisungsgebunden ist (§ 1 I 2). Er hat seine gesamte Arbeitskraft der Beklagten zur Verfügung zu stellen (§ 4 I 1). Er ist zwar nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden, hat aber jederzeit der Beklagten zur Verfügung zu stehen (§ 4 I 2), was naturgemäß zur Folge hat, dass eine Tätigkeit für andere Auftraggeber praktisch ausscheidet, zumal die Übernahme jedweder anderweitigen Tätigkeit - selbst unentgeltlich - der Zustimmung der Beklagten bedarf (§ 5 I). Er hat Anspruch lediglich auf ein festes Gehalt (§ 6 I), wohingegen die Auszahlung einer variablen Vergütung (“Tantieme“) im - jedenfalls nach dem Vertragswortlaut - nicht kontrollierbaren, freien Ermessen der Beklagten steht (§ 6 II). Dem Kläger stehen 28 Tage - also eine fest bemessene Anzahl - Urlaub zu, wobei er den Urlaub nicht etwa frei bestimmen kann, sondern diesen in Abstimmung mit den übrigen Geschäftsführern und unter Wahrung der geschäftlichen Belange der Beklagten festzulegen hat (§ 11 I, II). Für Erfindungen gelten die Regelungen über Erfindungen eines Arbeitnehmers (§ 12). Insgesamt überwiegen die für ein weisungsgebundenes, von Abhängigkeit geprägtes Beschäftigungsverhältnis sprechenden Gesichtspunkte (s. dazu Preis a. a. O. Rn. 49) bei weitem, so dass vorliegend von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerseite (Schriftsatz vom 02.06.2014, Bl. 2 = Bl. 41 d. A.) kommt es somit nicht auf eine „Umwandlung“ des Anstellungsvertrages an; vielmehr ist dieser Vertrag von Anfang an - aus den soeben genannten Gründen - als Arbeitsvertrag zu qualifizieren.

d) Auch die tatsächliche - also womöglich von der vertraglichen Regelung abweichende - Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte widerspricht dem obigen Befund nicht. Denn der Kläger hat vorgetragen (Schriftsatz vom 02.06.2014, Bl. 6 = Bl. 45 d. A.), nach seiner Abberufung überhaupt nicht mehr für die Beklagte tatsächlich tätig gewesen zu sein, so dass aus dem Tatsächlichen keinerlei Rückschlüsse auf die zutreffende rechtliche Wertung (vgl. BGH, Beschluss vom 27.10.2009, a. a. O. Rn. 12) gezogen werden können.

e) Es kann daher auch dahinstehen, ob aus der neueren Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11.11.2010 - C-232/90, NJW 2011, 2343, Rn. 46-51 - Danosa) zu folgern ist, dass für den Begriff des „Arbeitnehmers“ schon ausreicht, dass der Beschäftigte - wie hier - der Weisung eines anderen Organs unterliegt, und dass er - gleichfalls wie hier - für das Unternehmen Leistungen erbringt, für die er im Gegenzug ein Entgelt erhält.

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 17 a IV 4 GVG) kommt nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 574 II ZPO); der Senat folgt der Rechtsprechung des BAG.

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Annotations

(1) Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Liegen die Erfordernisse der Nichtigkeits- oder der Restitutionsklage vor, so kann die Beschwerde auch nach Ablauf der Notfrist innerhalb der für diese Klagen geltenden Notfristen erhoben werden.

(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegt. Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt werde.

(3) Die Beschwerde kann auch durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden, wenn

1.
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen ist oder war,
2.
die Beschwerde die Prozesskostenhilfe betrifft oder
3.
sie von einem Zeugen, Sachverständigen oder Dritten im Sinne der §§ 142, 144 erhoben wird.