Oberlandesgericht München Beschluss, 11. Feb. 2014 - 31 Wx 468/13
Gericht
Principles
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts München I vom 4.11.2013 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin hat am Tag des Ablaufs der Frist aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG (26.9.2013) per Telefax beim Landgericht Antrag auf Bestimmung der Barabfindung von Minderheitsaktionären nach § 1 Nr. 3 SpruchG gestellt. Der bei den Akten befindliche Ausdruck des am 27.9.2013 eingegangenen 22-seitigen Originalschriftsatzes endet auf S. 5. Dort findet sich im Anschluss an die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin folgender Ausdruck:
„Von +49 72... 28... IAn ...
Zeit 201326 08:48 I Dauer 1:251 Status Fehler I Seite 005/005 Fax-API-Fehler: Verbindung durch Gegenstelle abgebrochen“.
In der Kopfzeile des ersten Blatts des Ausdrucks heißt es:
„26/09/2013 08:36 RA ...“
Nachdem das Landgericht darauf hingewiesen hat, dass der Antrag infolge des verspäteten Eingangs des vollständigen Schriftsatzes am 27.9.2013 verfristet sei, hat die Beschwerdeführerin erklärt, dass die Frist infolge der rechtzeitigen Absendung des Faxschriftsatzes gewahrt sei. Dessen vollständige Übermittlung bestätige der „OK“-Vermerk auf dem vorgelegten Sendebericht. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 4.11.2013 die Wiedereinsetzung abgelehnt. Der Antrag sei verfristet. Da es sich bei der Frist aus § 4 SpruchG um eine (materielle) Ausschlussfrist handele, könne Wiedereinsetzung nicht gewährt werden.
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin. Da infolge des „OK“-Vermerks in dem Sendebericht ein Fehler in der Sphäre des Gerichts feststehe, dessen Faxgerät auch keine Fehlermeldung übermittelt habe, sei von Fristwahrung auszugehen. Im Übrigen sei Wiedereinsetzung zu gewähren, weil § 17 FamFG entgegen der Auffassung des Landgerichts anwendbar sei und sie die Antragsfrist schuldlos versäumt habe. Auf den Hinweis des Senats, dass nach Aktenlage von einer rechtzeitigen Antragstellung nicht ausgegangen werden könne, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin eine eidesstattliche Versicherung seiner mit der Sachbearbeitung betrauten Mitarbeiterin vorgelegt, nach der diese den 22-seitigen Antragschriftsatz am 26.9.2013 morgens an das Landgericht übermittelt habe. Nach Abschluss des Versendevorgangs habe sie sich durch den Ausdruck des vorgelegten Sendeberichts, der einen „OK“-Vermerk und eine Sendedauer von 6:49 Minuten ausgewiesen habe, von der korrekten und fristgerechten Übermittlung der Antragschrift überzeugt. Auf den Hinweis des Senats, dass nunmehr hinreichende Anhaltspunkte für die fristgerechte Einreichung der Antragsschrift vorlägen, hat die Beschwerdegegnerin nach Zustellung am 10.1.2014 keine Erklärung abgegeben.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf gerichtliche Entscheidung ist rechtzeitig gestellt worden. Eine Entscheidung über das hilfsweise gestellte Wiedereinsetzungsgesuch war deshalb nicht erforderlich, so dass der Ausgangsbeschluss aufzuheben war.
1. Im vorliegenden Fall ist der Zugang des per Telefax am 26.9.2013 übermittelten Antrags am gleichen Tag zu fingieren, weil ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die abgesandten Signale - rechtzeitig - eingegangen sind, das Empfangsgerät aber keinen vollständigen Ausdruck gefertigt hat.
2. Bei der Beurteilung dieser Frage dürfen die aus der Eröffnung der Möglichkeit der Übermittlung von bestimmenden Schriftsätzen per Fax resultierenden Risiken nicht auf den Nutzer dieses Übermittlungswegs abgewälzt werden. Dies gilt nicht nur für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. Auch Störungen der Übermittlungsleitungen sind dem gewählten Übermittlungsmedium immanent, da ein Telefax nur über sie zum Empfangsgerät gelangt. Erst Leitungen und Gerät gemeinsam stellen die vom Gericht eröffnete Zugangsmöglichkeit dar. Auch bei einer Leitungsstörung versagt daher die von der Justiz angebotene Zugangseinrichtung. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er - wie im vorliegenden Fall - rechtzeitig - am Morgen des letzten Tags der Antragsfrist - mit der Übermittlung beginnt (vgl. BVerfG NJW 1996, 2857, bestätigt durch BVerfG NJW 2001, 3473, s. a. BGH, Beschluss v. 11.12.2013, XII ZR 229/13, Rdn. 6 m. w. N.).
3. Insoweit hat die Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht, dass die Mitarbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten am 26.9.2013 um 8:36 Uhr die 22-seitige Antragsschrift in das Telefaxgerät eingelegt und dieses die korrekte Übermittlung um 9:08 innerhalb 6:49 Minuten bestätigt hat. Zwar differieren die Zeitangaben des Ausgangsfaxgerätes des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin hinsichtlich Absendezeit (Ausdruck des gerichtlichen Faxgerätes: Abbruch der Sendung um 8:48 nach einer Sendezeit von 1:25 Minuten, Beginn des Empfangs ergo ab 8:46 Uhr), allerdings belegt die Kopfzeile der ersten Seite des gerichtlichen Faxausdrucks, dass es sich um das vom Sendegerät des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin um 8:36 Uhr abgesandte Fax handelt. Durch die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin seiner Verfahrensbevollmächtigten hat die Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht, dass diese sich nach Übermittlung des das vorliegende Verfahren betreffenden Antragsschriftsatzes durch den Ausdruck des mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung übermittelten Sendeberichts davon überzeugt hat, dass dieser korrekt übermittelt worden ist. Denn der von ihr um 9:08 Uhr ausgedruckte Sendeberichts ergab durch den „OK“-Vermerk in der obersten Zeile die Bestätigung der korrekten Übermittlung der letzten Sendung (22 Seiten in 6:49 Minuten).
4. Die durch einen „OK“-Vermerk unterlegte ordnungsgemäße Absendung eines Schreibens per Telefax begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über ein bloßes Indiz hinaus keinen Anscheinsbeweis für dessen tatsächlichen Zugang bei dem Empfänger, auch wenn es um die Übermittlung an ein Gericht geht. Der „OK“-Vermerk belege nur das Zustandekommen der Verbindung, nicht aber die erfolgreiche Übermittlung der Signale an das Empfangsgerät (NJW 2013, 2514
5. Allerdings darf dabei den Verfahrensbeteiligten der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten gerichtlichen Überprüfung nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 69, 381 <385>, st. Rspr.; zuletzt Beschluss vom 26.06.2012, 1 BvR 285/11
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird das Landgericht im Rahmen der noch zu treffenden Hauptsacheentscheidung zu befinden haben (vgl. dazu BGH, NJW 2006, 693 Rdn. 28 f.).
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(1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren nach § 1 kann nur binnen drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem in den Fällen
- 1.
der Nummer 1 der Unternehmensvertrag oder seine Änderung; - 2.
der Nummer 2 die Eingliederung; - 3.
der Nummer 3 der Übergang aller Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär; - 4.
der Nummer 4 die Umwandlung; - 5.
der Nummer 5 die Gründung oder Sitzverlegung der SE oder - 6.
der Nummer 6 die Gründung der Europäischen Genossenschaft
(2) Der Antragsteller muss den Antrag innerhalb der Frist nach Absatz 1 begründen. Die Antragsbegründung hat zu enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Antragsgegners; - 2.
die Darlegung der Antragsberechtigung nach § 3; - 3.
Angaben zur Art der Strukturmaßnahme und der vom Gericht zu bestimmenden Kompensation nach § 1; - 4.
Konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation nach § 1 oder gegebenenfalls gegen den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert, soweit hierzu Angaben in den in § 7 Abs. 3 genannten Unterlagen enthalten sind. Macht der Antragsteller glaubhaft, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, über diese Unterlagen nicht verfügt, so kann auf Antrag die Frist zur Begründung angemessen verlängert werden, wenn er gleichzeitig Abschrifterteilung gemäß § 7 Abs. 3 verlangt.
Dieses Gesetz ist anzuwenden auf das gerichtliche Verfahren für die Bestimmung
- 1.
des Ausgleichs für außenstehende Aktionäre und der Abfindung solcher Aktionäre bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (§§ 304 und 305 des Aktiengesetzes); - 2.
der Abfindung von ausgeschiedenen Aktionären bei der Eingliederung von Aktiengesellschaften (§ 320b des Aktiengesetzes); - 3.
der Barabfindung von Minderheitsaktionären, deren Aktien durch Beschluss der Hauptversammlung auf den Hauptaktionär übertragen worden sind (§§ 327a bis 327f des Aktiengesetzes); - 4.
der Zuzahlung oder der zusätzlich zu gewährenden Aktien an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern (§§ 15, 34, 72a, 125 Absatz 1 Satz 1, §§ 176 bis 181, 184, 186, 196, 212, 305 Absatz 2, §§ 313, 320 Absatz 2, §§ 327 und 340 des Umwandlungsgesetzes); - 5.
der Zuzahlung oder der zusätzlich zu gewährenden Aktien an Anteilsinhaber oder der Barabfindung von Anteilsinhabern bei der Gründung oder Sitzverlegung einer SE (§§ 6, 7, 9, 11 und 12 des SE-Ausführungsgesetzes); - 6.
der Zuzahlung an Mitglieder bei der Gründung einer Europäischen Genossenschaft (§ 7 des SCE-Ausführungsgesetzes).
(1) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren nach § 1 kann nur binnen drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem in den Fällen
- 1.
der Nummer 1 der Unternehmensvertrag oder seine Änderung; - 2.
der Nummer 2 die Eingliederung; - 3.
der Nummer 3 der Übergang aller Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär; - 4.
der Nummer 4 die Umwandlung; - 5.
der Nummer 5 die Gründung oder Sitzverlegung der SE oder - 6.
der Nummer 6 die Gründung der Europäischen Genossenschaft
(2) Der Antragsteller muss den Antrag innerhalb der Frist nach Absatz 1 begründen. Die Antragsbegründung hat zu enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Antragsgegners; - 2.
die Darlegung der Antragsberechtigung nach § 3; - 3.
Angaben zur Art der Strukturmaßnahme und der vom Gericht zu bestimmenden Kompensation nach § 1; - 4.
Konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation nach § 1 oder gegebenenfalls gegen den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert, soweit hierzu Angaben in den in § 7 Abs. 3 genannten Unterlagen enthalten sind. Macht der Antragsteller glaubhaft, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, über diese Unterlagen nicht verfügt, so kann auf Antrag die Frist zur Begründung angemessen verlängert werden, wenn er gleichzeitig Abschrifterteilung gemäß § 7 Abs. 3 verlangt.