Oberlandesgericht München Beschluss, 19. Feb. 2019 - 2 Ws 145/19 H

published on 19/02/2019 00:00
Oberlandesgericht München Beschluss, 19. Feb. 2019 - 2 Ws 145/19 H
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Gericht

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Tenor

I. Die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeschuldigten A. R. wird angeordnet mit der Maßgabe, dass der Haftbefehl auf den Haftgrund der Fluchtgefahr, nicht mehr der Flucht, gestützt wird.

II. Die Haftprüfung wird für die nächsten drei Monate dem Landgericht München I - 12. Strafkammer - übertragen.

Gründe

Der Angeschuldigte A. R. befindet sich in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 06.06.2018, eröffnet am 10.08.2018, seit dem Tag seiner Überstellung aus Bulgarien am 09.08.2018 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Zuvor befand er sich seit seiner Festnahme am 16.07.2018 in Bulgarien in Auslieferungshaft.

Ein Urteil ist noch nicht ergangen. Dies macht die Haftprüfung durch das Oberlandesgericht erforderlich.

Sie hat ergeben, dass zu Recht Untersuchungshaft angeordnet ist, eine Haftverschonung nicht in Betracht gezogen werden kann und das Verfahren wegen der besonderen Schwierigkeiten und des Umfangs der Ermittlungen noch nicht durch ein Urteil abgeschlossen werden konnte.

Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts und der Beweislage wird auf die Anklageschrift vom 27.11.2018 und die dort genannten Beweismittel verwiesen. Der Angeschuldigte hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 18.09.2018 (Bl. 433/437) eingeräumt, dass er den rechtskräftig Verurteilten M2. und den anderweitig Verfolgten St. hinsichtlich der im Haftbefehl und in der Anklageschrift zur Last gelegten Taten vom 18.01.2016 (Ziff. 1. und 2.), 19.01.2016 (Ziff. 3.) und 20.01.2016 (Ziff. 4.) jeweils zu den Tatorten gefahren hat. Soweit er vorträgt, dass er zunächst nicht gewusst habe, dass der Verurteilte M2. Wohnungseinbruchsdiebstähle begehe, erstmals am 19.01.2016 misstrauisch geworden sei und erst auf der Rückfahrt volle Gewissheit erlangt habe, dass er in „krumme Sachen“ reingezogen werde, und hinsichtlich der letzten Fahrt am 20.01.2016 nur deshalb zum Tatort gefahren sei, weil ihm sein Arbeitgeber, der anderweitig Verfolgten St., andernfalls massiv mit der Kündigung gedroht habe, handelt es sich offensichtlich um Schutzbehauptungen, die mit den Angaben des Verurteilten M2. in seinen Beschuldigtenvernehmungen vom 24.01.2017 (Bl. 219 RS), 22.02.2017 (Bl. 239) und 27.03.2017 (Bl. 264/265) und den polizeilichen Ermittlungen nicht zu vereinbaren sind. Der Verurteilte M2. gab insbesondere an, der Angeschuldigte habe am 19.01.2016 rund 100 m vom Tatort entfernt geparkt, ihn angerufen und mitgeteilt, dass der Besitzer nach Hause komme (Bl. 219 RS). Auch an den Einbrüchen vom 18.01.2016 (Bl. 264/265) und 20.01.2016 (Bl. 239) sei der Angeschuldigte beteiligt gewesen. Nach dem Ermittlungsbericht vom 23.03.2018 telefonierten der Angeschuldigte und der Verurteilte M2. am 20.01.2016 zwischen 11:18 Uhr und 11:19 Uhr insgesamt dreimal jeweils für wenige Sekunden und befanden sich dabei in der Tatortfunkzelle (Bl. 5). Im Übrigen gab der Verurteilte M2. in seinen Vernehmungen vom 24.01.2017 (Bl. 219) und 22.02.2017 (Bl. 247/248) an, dass der Angeschuldigte („Sasho“ bzw. „Saschko“, vgl. Bl. 13) und der rechtskräftig Verurteilte Ko. nach einem Wohnungseinbruch (vermutlich am 17.11.2015; VGL: Bl: 14), der nicht Gegenstand des Haftbefehls ist, mit einem Bus gekommen seien und dabei geholfen hätten, einen entwendeten Tresor in eine Garage zu verbringen und dort mit einer Flex zu öffnen. Der Angeschuldigte habe von der Beute 400,- € erhalten und den Tresor zusammen mit dem Verurteilten Ko. entsorgt (Bl. 219). Aus den polizeilichen Ermittlungen ergibt sich zudem, dass der Verurteilte M2. nach einem weiteren Einbruch am 18.12.2015 zwischen 15:30 Uhr und 17:30 Uhr in V., bei dem ebenfalls ein Tresor entwendet wurde, den Angeschuldigten gegen 17:30 Uhr anrief (Bl. 13, 271). Schließlich gab der anderweitig Verfolgte St. in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 24.11.2016 an, dass der Angeschuldigte damals viel mit den Verurteilten M2. und Ko. unterwegs gewesen sei (Bl. 14, 287). Insoweit besteht der dringende Verdacht, dass der Angeschuldigte - entgegen seiner Einlassung - schon im November/Dezember 2015 von den Wohnungseinbruchsdiebstählen des Verurteilten M2. Kenntnis hatte und Mittäter der ihm zur Last gelegten Taten vom 18.01.2016, 19.01.2016 und 20.01.2016 ist; sein Tatbeitrag im Rahmen der Bandenabrede war jeweils, den Verurteilten M2. zu den Tatorten zu fahren, in der Umgebung im Auto zu warten und aufzupassen, den Verurteilten M2. ggf. zu warnen und die Tatbeute abzutransportieren.

Bei dem Angeschuldigten A. R. liegt der Haftgrund der Fluchtgefahr vor, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Ihm droht im Hinblick auf die Verbrechensvorwürfe des schweren Bandendiebstahls in 3 Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls länger andauernder Freiheitsentzug, der erfahrungsgemäß einen hohen Fluchtanreiz auslöst. Dieser wird durch tragfähige soziale Bindungen im Inland nicht gemindert. Der Angeschuldigte ist bulgarischer Staatsangehöriger und hat im Inland weder einen festen Wohnsitz noch familiäre oder sonstige soziale Bindungen. Zuletzt wurde er in Deutschland am 14.07.2017 von Amts wegen abgemeldet (Bl. 2); er kehrte zuvor nach Bulgarien zurück, ohne die Auflösung seines Wohnsitzes im Bundesgebiet zu melden und war für die hiesigen Strafverfolgungsbehörden unbekannten Aufenthalts. Es steht angesichts der hohen Straferwartung zu befürchten, dass er im Falle seiner Freilassung in sein Heimatland zurückkehrt, um sich dem Strafverfahren zumindest für einen längeren Zeitraum zu entziehen. Entgegen der Stellungnahme des Verteidigers vom 14.02.2019 besteht keine hinreichende Vertrauensgrundlage dafür, dass sich der Angeschuldigte dem Verfahren stellen und einer Ladung zu einem etwaigen Hauptverhandlungstermin Folge leisten wird.

Nach seiner Ergreifung und Inhaftierung ist der Haftgrund der Flucht durch den der Fluchtgefahr zu ersetzen.

Angesichts der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe ist die Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig, § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Der Senat hat insoweit den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Angeschuldigten mit den aufgrund der Strafverfolgung gebotenen Freiheitsbeschränkungen abgewogen. Weniger einschneidende Maßnahmen nach § 116 StPO kommen bei einer Gesamtschau und Würdigung der bereits erwähnten Umstände nicht in Betracht. Anders als durch den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft lässt sich der staatliche Strafanspruch nicht sichern.

Dem in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebot (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 MRK, § 121 Abs. 1 StPO) wurde entsprochen. Vermeidbare, den Strafverfolgungsorganen anzulastende Verzögerungen liegen nicht vor.

Wegen des Ablaufs des Ermittlungsverfahrens wird Bezug genommen auf die Zuleitungsberichte der Generalstaatsanwaltschaft München vom 04.02.2019 und der Staatsanwaltschaft München I vom 31.01.2019, die den Beteiligten bekannt gemacht wurden. Nach Eingang der Stellungnahme des Verteidigers vom 18.09.2018 (Bl. 433/437), in der dieser Nachermittlungen anregte, ergänzende Akteneinsicht beantragte und eine weitere Stellungnahme ankündigte, bewilligte die Staatsanwaltschaft München I mit Verfügung vom 26.09.2018 ergänzende Akteneinsicht und forderte das zu Ziff. 3. d. Haftbefehls (Tat vom 19.01.2016) vorhandene Video vom Kommissariat 53 mit dem Zusatz „EILT SEHR“ an (Bl. 438). Mit Telefax vom 01.10.2018 teilte eine Vertreterin des polizeilichen Sachbearbeiters mit, dass nach Rücksprache mit dem Sachbearbeiter (derzeit nicht im Dienst) keine Videos vorhanden seien. Diese Mitteilung wurde dem Verteidiger mit Telefax vom 08.10.2018 zur Kenntnisnahme weitergeleitet. Nach Hinweis des Verteidigers auf den Ermittlungsbericht vom 23.03.2018, wonach Videoaufnahmen vom 19.01.2016 vorhanden seien (Bl. 443/446), teilte der polizeiliche Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft München I am 29.10.2018 telefonisch mit, dass das Video doch noch vorhanden sei und übersendet werde (Bl. 451). Auf telefonische Nachfrage vom 07.11.2018 teilte er mit, dass er das Video bereits am 31.10.2018 der Staatsanwaltschaft zugeleitet habe. Nach Eingang des Videos hat die staatsanwaltschaftliche Sachbearbeiterin am 15.11.2018 die Asservierung der CD, das Anfertigen einer Kopie und das Übersenden der Kopie an den Verteidiger verfügt (Bl. 452). Zur Beschleunigung des Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft München I bereits mit Anklageschrift vom 27.11.2018 Anklage zum Landgericht München I erhoben, obwohl die angekündigte ergänzende Stellungnahme des Verteidigers und das in Auftrag gegebene DNA-Vergleichsgutachten bis dahin noch nicht eingegangen waren. Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 03.12.2018 ergänzend Stellung genommen (Bl. 467). Zwar führte die falsche polizeiliche Auskunft vom 01.10.2018 zu einer verzögerten Übersendung des Videos an den Verteidiger. Dies hatte jedoch - entgegen der Stellungnahme des Verteidigers vom 04.02.2019 - im Ergebnis keine Verzögerung des Verfahrens zur Folge. Denn das unverzüglich nach der Überstellung des Angeschuldigten aus Bulgarien - nach Entnahme von DNA-Material (Bl. 382/383) - am 13.08.2018 in Auftrag gegebene DNA-Vergleichsgutachten wurde erst am 10.12.2018 erstellt und ging bei der Staatsanwaltschaft am 20.12.2018 ein (Bl. 471/478).

Der Vorsitzende der 12. Strafkammer hat am 12.12.2018 die Zustellung der Anklageschrift verfügt und eine Einlassungsfrist von 2 Wochen verfügt; am 14.01.2019 hat der Vorsitzende ergänzend die Übersetzung der Anklageschrift in Auftrag gegeben und diese mit Verfügung vom 30.01.2019 dem Angeschuldigten zugestellt.

Von einem zügigen Fortgang des Verfahrens und dessen zeitnahem Abschluss kann daher ausgegangen werden.

Soweit der Verteidiger in der Stellungnahme vom 04.02.2019 vorträgt, die von der Staatsanwaltschaft München I in der Anklageschrift beantragte Verbindung zum gegen den Mittäter St. unter dem Az.: 12 KLs 454 Js 112908/17 anhängigen Strafverfahren führe zu einer (weiteren) Verfahrensverzögerung, kann dies - jedenfalls derzeit - einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nicht begründen. Denn das Landgericht München I hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die beantragte Verbindung noch nicht entschieden. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass etwaige Verzögerungen durch eine Verbindung unvermeidbar und vom Angeschuldigten hinzunehmen sind, wenn es sachgerecht und geboten ist, in einem Tatkomplex, an dem mehrere Täter beteiligt sind, eine gemeinsame Hauptverhandlung durchzuführen (vgl. Schultheis in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 121 StPO Rn. 14).

Die Übertragung der weiteren Haftprüfung beruht auf § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.

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(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd
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(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßr

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werd
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published on 13/06/2019 00:00

Tenor I. Die Beschwerde des Angeklagten A. R. gegen den Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts München I vom 15.05.2019 wird als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Angeklagte des Wohnungseinbruchsdiebstahls in 3 Fällen j
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(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, daß die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde. Er ist namentlich aufzuheben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt wird.

(2) Durch die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung des Beschuldigten nicht aufgehalten werden.

(3) Der Haftbefehl ist auch aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft es vor Erhebung der öffentlichen Klage beantragt. Gleichzeitig mit dem Antrag kann die Staatsanwaltschaft die Freilassung des Beschuldigten anordnen.

(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich

1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden,
2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen,
3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen,
4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.

(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.

(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.

(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn

1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt,
2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder
3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.

(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.

(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.

(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.

(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.

(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.

(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.

(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.

(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.

(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.

(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.