Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 11. Feb. 2015 - 3 OLG 8 Ss 4/15

published on 11/02/2015 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 11. Feb. 2015 - 3 OLG 8 Ss 4/15
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Tatbestand

Das AG verurteilte den Angekl. am 28.01.2014 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angekl. vor Ablauf von 2 Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Auf die Berufung des Angekl. hat das LG das Urteil des AG im Rechtsfolgenausspruch unter Beibehaltung der erstinstanzlich verhängten isolierten Sperre nach § 69a I 3 StGB dahin „abgeändert“, dass es den Angekl. zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt hat. Gegen das Berufungsurteil wendet sich die StA mit ihrer „auf den Rechtsfolgenausspruch“ beschränkten Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel erwies sich als erfolgreich.

Gründe

I.

Die zulässige, ausweislich der Revisionsbegründung der StA im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs über diesen hinaus wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs in dem von der Revision verfolgten Umfang.

[2 ] 1. Die Verurteilung des Angekl. zu einer Geldstrafe hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[3 ] a) Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters, weil nur er in der Lage ist, sich aufgrund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Ihm obliegt deshalb auch die Entscheidung darüber, ob besondere Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe i. S. v. § 47 I StGB zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Die Höhe der vom Tatrichter für den konkreten Fall bestimmten Strafe kann vom Revisionsgericht anhand der im Urteil dargelegten Umstände deshalb nicht ohne weiteres nachgeprüft werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Umstände spielen vielmehr die aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und dem Eindruck von der Persönlichkeit des Angekl. gewonnenen Eindrücke eine Rolle, die sich einer exakten Richtigkeitskontrolle entziehen und schon deshalb eine volle Nachprüfung des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht ausschließen.

[4 ] b) Das Revisionsgericht hat auf die Sachrüge jedoch zu überprüfen und gegebenenfalls einzugreifen, wenn bei der Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind, etwa weil das Tatgericht einschlägige Rechtsbegriffe verkannt hat, von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Strafzumessungserwägungen unvollständig, in sich widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft sind, insbesondere rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht gelassen wurden, oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten inhaltlich löst, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Schuld und Strafe besteht. Denn in diesem Rahmen kann eine „Verletzung des Gesetzes“ i. S. d. § 337 StPO vorliegen. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (vgl. grundlegend BGHSt 34, 345 = NJW 1987, 3014 = wistra 1987, 287 = StV 1987, 337 sowie zuletzt Senatsurteil vom 24.09.2014 - 3 Ss 94/14 [bei juris] = BeckRS 2014, 19902).

[5 ] 2. Auch bei Berücksichtigung der nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.

[6 ] a) Das LG gelangt zwar, wenn auch mit nur sehr knappen Erwägungen, im Hinblick auf die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen des Angekl. zu dem Ergebnis, dass die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe unerlässlich i. S. d. § 47 I StGB sei. Es meint aber, gegen die Verhängung einer Freiheitsstrafe spreche das „Übermaßverbot“. Denn „würde es bei der unbedingten Verurteilung des Erstgerichts […] verbleiben, hätte dies zur Folge, dass der Angeklagte sowohl die verhängte Freiheitsstrafe von 4 Monaten als auch die zu widerrufende Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verbüßen müsste“. Stelle „man daher die Umstände der Tat und die Folgen, die eine oben angesprochene Verurteilung hätte, gegenüber, wäre der Grundsatz des Übermaßverbotes verletzt“.

[7 ] b) Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft.

[8 ] aa) Das LG vermengt in rechtfehlerhafter Weise die Entscheidung über die Verhängung einer von ihm selbst als unerlässlich angesehenen ‚kurzen’ Freiheitsstrafe unter 6 Monaten wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 47 I StGB mit der Frage, welche Folgewirkungen hieraus gegebenenfalls für den Fortbestand einer Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung hinsichtlich früherer Freiheitsstrafen resultieren könnten.

[9 ] bb) Ferner ist der Rekurs des LG auf das Übermaßverbot mit § 47 I StGB unvereinbar. Denn dabei wird übersehen, dass die Regelung des § 47 I StGB eine speziell auf die Frage der Anordnungsvoraussetzungen für die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen zugeschnittene einfach-gesetzliche Konkretisierung des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes darstellt, so dass bei der Frage, ob eine kurzfristige Freiheitsstrafe zu verhängen ist, im Falle der Bejahung ihrer Unerlässlichkeit für darüber hinausgehende Verhältnismäßigkeitserwägungen weder Raum noch Notwendigkeit besteht, was sich ohne weiteres aus den Zweck des § 47 StGB erschließt.

[10 ] (a) Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen erfolgen. Sie kommt demgemäß nur in Betracht, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände als unerlässlich erweist. Unerlässlich zur Einwirkung auf den Täter ist eine kurze Freiheitsstrafe jedenfalls dann, wenn auf sie nicht verzichtet werden kann, weil jedes andere im konkreten Fall zulässige Reaktionsmittel, namentlich eine hohe, aber noch schuldangemessene Geldstrafe, die erforderliche Spezialprävention voraussichtlich nicht gewährleistet (vgl. nur BGHR StGB § 47 I Umstände 6 und 7).

[11 ] (b) Die Argumentation des LG, welches explizit vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 I StGB ausgeht, die Verhängung einer Freiheitsstrafe aber gleichwohl unter Berufung auf das Übermaßverbot ablehnt, ist daher in sich widersprüchlich. Hinzu kommt, dass das angefochtene Urteil gerade keine erfolgversprechenden Alternativen zur Freiheitsstrafe aufzeigt. Vielmehr fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass bei dem bislang selbst durch die Verhängung von Freiheitsstrafen unbeeinflussbaren Angekl. die erforderliche spezialpräventive Wirkung allein durch eine Geldstrafe erzielt werden könnte.

[12 ] 3. Nach alledem kann das angefochtene Urteil im Geldstrafenausspruch keinen Bestand haben. Darüber, ob die vom LG festgesetzte Geldstrafe hier auch deshalb aufzuheben wäre, weil sie sich nach den Gesamtumständen, insbesondere der Vorstrafen- und Bewährungssituation als unvertretbar niedrig erweist und sich damit nach unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. hierzu zuletzt Senatsurteil vom 24.09.2014 - 3 Ss 94/14 [bei juris] = BeckRS 2014, 19902), braucht der Senat nicht mehr zu befinden.

II.

[13 ] Die aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel begründete Revision der StA führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die gegen den Angekl. festgesetzte Geldstrafe mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 StPO). In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen (§ 354 II 1 StPO), die auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird. [...]

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(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
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(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
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published on 24/09/2014 00:00

Tatbestand Das AG verurteilte den Angekl. wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Auf seine hiergegen eingelegte Berufung änderte das LG das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es den Angekl. zu einer Geldstrafe v
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Annotations

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.