Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 19. Juli 2017 - 3 Ss OWi 836/17

published on 19/07/2017 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 19. Juli 2017 - 3 Ss OWi 836/17
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Tatbestand

Das AG hat den Betr. wegen vorsätzlicher Nichteinhaltung des Mindestabstandes von einem vorausfahrenden Fahrzeug (§ 4 I 1 StVO) zu einer Geldbuße von 360 Euro verurteilt. Nach den Feststellungen steuerte der Betr. am 14.10.2016 gegen 11.46 Uhr einen Pkw auf der BAB A 3 in Richtung Passau. Bei Kilometer 1.485 hielt der Betr. bei einer Geschwindigkeit von 131 km/h zum vorausfahrenden Fahrzeug einen Abstand von nur 22 Metern und damit von weniger als 4/10 des halben Tachowertes ein, wobei er die Unterschreitung des erforderlichen Abstands billigend in Kauf nahm. Die hiergegen gerichtete, mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde des Betr. erwies sich als begründet.

Gründe

I. Die nach § 79 I 1 Nr. 1 OWiG ohne weiteres aufgrund der Verurteilung zu einer Geldbuße von mehr als 250 Euro statthafte und demgemäß keiner – wovon die Verteidigung allerdings auszugehen scheint – Zulassung gemäß § 79 I 2 OWiG bedürfende und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich auf die Sachrüge hin als erfolgreich. Auf die den Begründungsanforderungen des § 344 II 2 StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG ohnehin nicht genügende Verfahrensrüge kommt es nicht an.

1. Die Urteilsgründe erweisen sich als sachlich-rechtlich lückenhaft im Sinne von § 71 I OWiG i.V.m. § 267 I StPO und zwingen den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Zwar lässt sich den Urteilsgründen noch entnehmen, dass bei der „Geschwindigkeitsmessung […] zu Gunsten des Betroffenen eine Messtoleranz von 5 km/h berücksichtigt“ wurde, womit nach Sachlage offenbar die Berücksichtigung der Verkehrsfehlergrenzen der für die (standardisierte) Abstandsbestimmung ermittelten Geschwindigkeitswerte gemeint ist. Die Urteilsgründe teilen jedoch nicht mit, mit welchem konkreten Messverfahren „die Messung ordnungsgemäß durchgeführt“ und damit die verfahrensgegenständliche Abstandsunterschreitung tatsächlich festgestellt worden ist.

2. Wenn auch mit Blick auf das Bußgeldverfahren und hier gerade für das ‚entkriminalisierte‘ Verkehrsrecht als Massenverfahren des täglichen Lebens (auch zur historischen Entwicklung des OWi-Verfahrens vgl. Freymann/Wellner/Grube, Bezüge zum StVR, Rn. 1 f., 10 ff., 137, 155 ff.; ferner Burhoff/Gieg, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 149 ff., jeweils m.w.N.) wegen der entsprechend seinem Zweck gebotenen einfachen und schnellen Erledigung hinsichtlich der Abfassung der Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind (BGHSt 43, 22/26 f. = NJW 1997, 1862; BGH, Beschluss vom 08.05.2013 – 4 StR 336/12 = BGHSt 58, 243, 252 f. = DAR 2013, 477 = NJW 2013, 2837; BGHSt 39, 291, 299; ferner KG, Beschl. vom 09.10.2015 – 162 Ss 77/15 = VRS 129 [2015], 137; OLG Bamberg StraFo 2016, 116; OLG Bamberg, Beschluss vom 29.12.2016 – 3 Ss OWi 1566/16; 14.11.2016 – 3 Ss OWi 1164/16 = DAR 2017, 89 und 06.02.2017 – 3 Ss OWi 156/17; OLG Hamburg, Beschluss vom 27.03.2015 - 1 RB 58/14 = NZV 2016, 102 = NStZ 2015, 661 = VRS 128 [2015], 134 [für verständigungsbezogene Mitteilungspflichten]; OLG Bamberg ZfS 2013, 290 = VM 2013, Nr. 30 = VRR 2013, 111 [Deutscher]; OLG Düsseldorf DAR 2011, 408; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 322), kann doch für den Inhalt des Urteils in Bußgeldsachen prinzipiell nichts anderes als für Urteile in Strafsachen gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren bilden die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die sachlich-rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Sie müssen deshalb auch in Bußgeldsachen so beschaffen sein, dass ihnen das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, diese auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (st.Rspr., vgl. u.a. OLG Bamberg, Beschluss vom 29.12.2016 – 3 Ss OWi 1566/16; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.09.2016 - 2 [7] SsBs 507/16; OLG Bamberg ZfS 2016, 116; OLG Bamberg, Beschluss vom 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16 = DAR 2017, 89 und 21.11.2016 – 3 Ss OWi 1396/16; KG, Beschluss vom 09.10.2015 – 162 Ss 77/15 = VRS 129 [2015], 137; OLG Bamberg VRS 114, 456; OLG Jena VRS 114, 458; OLG Karlsruhe NZV 2007, 256 = VRR 2007, 35 [Böhm]; OLG Bamberg DAR 2009, 655 [Ls] = VRR 2010, 32 [Gieg]; Gieg/Olbermann DAR 2009, 617, 622; Göhler/Seitz, OWiG 16. Aufl. § 71 Rn. 43 ff; KK/Senge OWiG 4. Aufl. § 71 Rn. 106; Burhoff/Gieg a.a.O.).

3. Erfüllt die Abstandsmessung die Voraussetzungen eines als ‚standardisiert‘ anerkannten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des BGH (BGHSt 39, 291/301; 43, 277/282; vgl. auch BayObLGSt 1993, 55) und ergibt sich aus den Gründen des Bußgeldurteils zweifelsfrei, dass die dem Betr. vorgeworfenen Geschwindigkeits- und Abstandswerte unter Vornahme des gebotenen Toleranzabzugs ermittelt wurden, stellt es für sich genommen grundsätzlich keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils i.S.v. § 71 I OWiG i.V.m. § 267 I StPO dar, wenn sich die Verurteilung hinsichtlich des Messvorgangs auf die Mitteilung des angewendeten Messverfahrens, die errechnete Geschwindigkeit des Betr. und die Länge des vorwerfbaren Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug beschränkt. Insbesondere bedarf es dann sowohl bei der Errechnung der Geschwindigkeit des Betr. als auch bei der hieraus abgeleiteten Bestimmung des Abstandes regelmäßig keiner Mitteilung von Toleranzwerten mehr, da ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die nach der Gebrauchsanweisung des Herstellers vorgesehenen systemimmanenten Verkehrsfehlergrenzen bereits vom Rechenprogramm abgezogen und damit beim Ergebnis berücksichtigt wurden (st.Rspr.; für ViBrAM-BAMAS OLG Stuttgart NStZ-RR 2007, 382 = DAR 2007, 657; für Brückenabstandsmessverfahren VAMA OLG Bamberg ZfS 2013, 290; vgl. auch OLG Brandenburg DAR 2005, 162 und NStZ 2005, 413 [jeweils für Geschwindigkeitsermittlungen mittels VIDISTA-R]; OLG Karlsruhe NZV 2007, 256 sowie OLG Bamberg NJW 2015, 1320 = NZV 2015, 309 = DAR 2015, 396 und OLG Bamberg, Beschluss vom 21.11.2016 - 3 Ss OWi 1394/16 = DAR 2017, 91; Burhoff/Gieg Rn. 168 ff.; König, in Hentschel/König/Dauer StVO 44. Aufl. § 4 StVO Rn. 26.; Burmann, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker StVO 24. Aufl. § 4 Rn. 7; Gutt/Krenberger, ZfS 2015, 664, 666). Entsprechend der Definition (BGHSt 43, 277/284) ist als standardisiert nicht nur der mithilfe der Messanlage erfolgende Messvorgang als solcher, sondern auch die anschließende Auswertung der Messaufnahmen zu qualifizieren. Denn die Art und Weise der Auswertung, insbesondere die Berücksichtigung der Toleranzen ist Bestandteil der innerstaatlichen Bauartzulassung. Unerheblich ist hierbei, ob diese Auswertung automatisiert unter Verwendung eines Software-Programms oder konventionell von Tabellen oder auf sonstige Weise stattfindet. Gleichwohl wird sich die Mitteilung des berücksichtigten Toleranzwertes in den Urteilsgründen aber auch weiterhin empfehlen (OLG Bamberg a.a.O.).

4. Nach alledem durfte in den Urteilsgründen gerade auf die ausdrückliche Bezeichnung des konkret eingesetzten Abstandsmessverfahrens auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden, zumal sich das zum Einsatz gelangte Messverfahren wegen des äußerlich ähnlichen Messablaufs, der eingesetzten Systembestandteile und der mit ihrer Hilfe gewonnenen Beweismittel wegen ihrer vergleichbaren Relevanz für unterschiedliche (standardisierte) Abstandsmessverfahren auch nicht allein aus den unspezifischen Urteilsangaben wie „Videoaufzeichnung“, „Videokamera“, „Videoband“ oder „Videoaufzeichnungsstrecke“ entnehmen lässt.

II. Der aufgezeigte sachlich-rechtliche Darstellungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mitsamt seinen Feststellungen (§ 79 III 1 OWiG, § 353 StPO). Der Senat verweist die Sache deshalb zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurück (§ 79 VI OWiG).

III. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:

1. Wie die GenStA in ihrer Antragsschrift zutreffend feststellt, findet ein Schuldspruch wegen vorsätzlicher Verwirklichung des Abstandsverstoßes jedenfalls in den bisherigen - wegen der Urteilsaufhebung freilich nicht mehr maßgeblichen - Urteilsfeststellungen keine hinreichende Grundlage. Denn das AG hat die Annahme des (bedingten) Tatvorsatzes im Ergebnis allein mit dem Ausmaß der Abstandsunterschreitung begründet, ohne sich mit den alle Vorsatzformen charakterisierenden immanenten kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen gebührend auseinander zu setzen. Hieran ändert es nichts, dass sich die Abstandsunterschreitung über die gesamte übersehbare Videoaufzeichnungsstrecke von 350 m erstreckte, weshalb der Betr. nach Ansicht des AG den Abstand „mit einer solchen Beharrlichkeit dauerhaft […] unterschritten“ habe, dass ihm die Unterschreitung „nicht verborgen geblieben“ sein könne, „er sie vielmehr billigend in Kauf genommen“ habe. Denn die Ansicht des AG führte ohne das Hinzutreten sonstiger für eine billigende Inkaufnahme sprechender und gegebenenfalls indiziell beweisrelevanter Umstände dazu, dass in vergleichbaren Fällen stets Vorsatz anzunehmen wäre, wenn auch ab einer gewissen - hier freilich nicht erreichten – Gefährdungsgrenze, etwa wenn mit der Abstandsunterschreitung die Einstiegsgrenze für ein Fahrverbot von weniger als 3/10 des halben Tachowertes überschritten wird, also ab einem Abstand von dann nur noch 2/10 des halben Tachowertes bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h (vgl. lfd. Nr. 12.6.4 Tab. 2 Anlage BKat), bereits mehr für (bedingten) Vorsatz als für bloße Fahrlässigkeit sprechen kann.

2. Soweit das AG seine Überzeugung auf die in Augenschein genommene (bewegte) digitale Videoaufzeichnung stützt und auf diese ausdrücklich gemäß § 267 I 3 StPO Bezug nimmt, ist die Bezugnahme unwirksam. Zwar befindet sich eine Daten-CD mit der den Abstandsverstoß des Betr. für rund 10 Sekunden dokumentierenden Videosequenz bei den Akten. Allerdings scheidet insoweit eine Bezugnahme nach § 71 I OWiG i.V.m. § 267 I 3 StPO aus, da es sich nicht um eine die Außenwelt unmittelbar wiedergebende Abbildung i.S.v. § 267 I 3 StPO handelt. Als Ausnahmevorschrift erlaubt § 267 I Satz 3 StPO allein die Bezugnahme auf bei den Akten befindliche „Abbildungen“, was aber nur für unmittelbar durch Gesichts- oder Tastsinn wahrnehmbare Wiedergaben der Außenwelt zutrifft. Hieran fehlt es bei einer nur über den ‚Umweg‘ der Nutzung eines Abspielgerätes wahrnehmbaren und auf einem Datenträger gespeicherten Aufnahme (BGH, Urt. v. 02.11.2011 – 2 StR 332/11 = BGHSt 57, 53 = NJW 2012, 244 = NStZ 2012, 228 = BGHR StPO § 267 I Satz 3 Verweisung 4; KK/Senge, § 71 Rn 116 a.E.; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 267 Rn 9; Burhoff/Gieg Rn. 160, jeweils m.w.N.). […]

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese
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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese
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published on 08/05/2013 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 336/12 vom 8. Mai 2013 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ____________________________ StPO § 275 Abs. 1 Satz 2; OWiG § 77b Im Bußgeldverfahren dürfen die Urteilsgründe auch dann innerhalb d
published on 02/11/2011 00:00

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Annotations

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.