Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 18. Feb. 2015 - 3 OLG 6 Ss 10/15

published on 18/02/2015 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 18. Feb. 2015 - 3 OLG 6 Ss 10/15
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Tatbestand

Das AG hat den Angekl. wegen Nötigung in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, gebildet aus Einzelstrafen von jeweils 1 Jahr, verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angekl. hat das LG das Urteil des AG aufgehoben, den Angekl. wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angekl. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Gründe

I.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision hat bereits mit der materiellen Rüge Erfolg, so dass es auf die formelle Rüge nicht mehr ankommt.

[2 ] 1. Die Beweiswürdigung des LG ist lückenhaft.

[3 ] a) Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist allein dessen Aufgabe, den Sachverhalt festzustellen und die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu würdigen. Er hat insoweit ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu überprüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Tathergang überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH NJW 1979, 2318). Allein in seinen Verantwortungsbereich fällt es, mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus Tatsachen zu ziehen und festzulegen, unter welchen Voraussetzungen er zur Überzeugung kommt. Die Beweiswürdigung ist der Überprüfung durch das Revisionsgericht allerdings dann zugänglich, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist sowie wenn sie gegen Denkgesetze oder allgemein gültige zwingende Regeln der Lebenserfahrung verstößt.

[4 ] b) Das Urteil leidet an einem Erörterungsmangel, weil es nicht darlegt, aus welchen Gründen das Gericht die Aussage des Zeugen K., soweit der Angekl. verurteilt wurde, für glaubhaft hielt, obwohl es sich bei gleicher Beweissituation nicht von der Richtigkeit des Tatvorwurfs überzeugen konnte, soweit der Angekl. freigesprochen wurde. Kann sich das Gericht trotz der Aussage des Belastungszeugen nicht von der Richtigkeit des Tatvorwurfs überzeugen, hat es zu erläutern, warum dieser Umstand keinen Einfluss auf die Glaubhaftigkeit der weitergehenden Aussage des Zeugen zu einem gleichartigen Tatgeschehen hat. Ansonsten leidet das Urteil an einem Erörterungsmangel (BGH, Urt. v. 10.10.2013 - 4 StR 135/13 = NStZ-RR 2014, 15 = StraFo 2014, 25).

[5 ] c) Das angefochtene Urteil beruht maßgeblich auf den Angaben des Verletzten K. Nach den Urteilsgründen waren die weiteren Beweismittel lediglich geeignet, die Richtigkeit seiner Aussage indiziell zu untermauern. Feststellungen zur Tathandlung selbst konnte das Gericht jedoch nur aus der Aussage des Tatopfers gewinnen. Dabei stellte sich die Beweissituation in den beiden dem Angekl. zur Last liegenden Anklagepunkten jeweils gleich dar. Im Hinblick darauf hätte das LG nachvollziehbar darlegen müssen, warum es der Aussage des Zeugen Glauben schenke, obwohl gleichzeitig dessen Aussage zu einem identischen Tatkomplex nicht zur Überzeugungsbildung des Gerichts ausreichte. Die schlichte Feststellung, dass der Angekl. von einem Tatvorwurf „aus tatsächlichen Gründen freizusprechen“ gewesen sei, genügt zwar formell den Urteilsanforderungen an den Teilfreispruch (§ 267 V 2 StPO), war jedoch im Hinblick auf die Verurteilung nicht ausreichend.

[6 ] 2. Ungeachtet des aufgezeigten Rechtsfehlers ist das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das LG in zweifacher Weise § 331 I StPO nicht beachtet hat. Zum einen hat die Berufungskammer dadurch gegen das Verschlechterungsverbot aus § 331 I StPO verstoßen, dass es die vom AG zugebilligte Strafaussetzung zur Bewährung versagt hat. Zum anderen hat sie den Angekl. wegen eines Delikts zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, obwohl das AG für jede der beiden Taten lediglich eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr verhängt hatte. Da das Verbot der ‚reformatio in peius‘ nicht nur eine Erhöhung der Gesamtstrafe, sondern auch eine solche der Einzelstrafen ausschließt (vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.2014 - 3 OLG 8 Ss 152/14 und v. 16.10.2014 - 3 OLG 7 Ss 132/14 [bei juris]; vgl. ferner Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 331 Rn. 18, jeweils m. w. N.), hätte das Berufungsurteil trotz der zulässigen Änderung des Schuldspruchs nicht auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkennen dürfen.

II.

[7 ] Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil auf die Revision des Angekl. aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des LG zurückzuverweisen (§§ 349 IV, 353 I, 354 II 1 StPO).

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published on 10/10/2013 00:00

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