Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 09. Dez. 2014 - 2 OLG 7 Ss 121/14

published on 09/12/2014 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 09. Dez. 2014 - 2 OLG 7 Ss 121/14
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Tatbestand

Das AG verurteilte den Angekl. u. a. wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten. Im Rahmen der Strafzumessung ging es zugunsten des Angekl. von verminderter Schuldfähigkeit aus. Gegen dieses Urteil wandte sich die StA mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung. Der Angekl. legte ebenfalls - zunächst unbeschränkt - Berufung ein. Nach Eingang der Akten ordnete das LG die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21, 64 StGB an. In der Hauptverhandlung beschränkte der Angekl. mit Zustimmung der StA seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch. Das LG sah die Beschränkung der Berufungen als wirksam an. In seinem Urteil ordnete es auf die Berufung der StA die Unterbringung des Angekl. in einer Entziehungsanstalt an und verwarf im Übrigen die Berufung des Angekl. sowie die weitergehende Berufung der StA als unbegründet. Die gegen das Berufungsurteil gerichtete Revision des Angekl., mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, erwies sich als begründet.

Gründe

I. Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§§ 341 I, 344, 345 StPO) Revision des Angekl. hat - zumindest vorläufigen - Erfolg, weil das LG zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist und es deshalb unterlassen hat, sämtliche gegen den Angekl. erhobenen Tatvorwürfe in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen und umfassende eigene Feststellungen zum Tatgeschehen zu treffen. Es hat damit über den Verfahrensgegenstand nur unvollständig entschieden.

1. Auf eine zulässige und ihrerseits unbeschränkte Revision hat das Revisionsgericht von Amts wegen unabhängig von einer sachlichen Beschwer des Rechtsmittelführers zu prüfen, ob das Berufungsurteil über alle Teile des erstinstanzlichen Urteils entschieden hat, die der Überprüfungskompetenz des Berufungsgerichts unterlagen (LR/Franke StPO 26. Aufl. § 337 Rn. 37; Graf/Eschelbach StPO 2. Aufl. § 318 Rn. 31). Aus diesem Grund muss das Revisionsgericht auch nachprüfen, ob und inwieweit erklärte Berufungsbeschränkungen rechtswirksam waren (Senatsbeschl. v. 31.07.2014 - 2 Ss 77/14 [unveröffentlicht]; OLG Bamberg, Urt. v. 25.06.2013 - 3 Ss 36/13 = DAR 2013, 585 = OLGSt StVG § 21 Nr. 10; OLG München, Beschl. v. 08.06.2012 - 4 StRR 97/12 = zfs 2012, 472; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 318 Rn. 33 mit § 352 Rn. 4).

a) Die Zulässigkeit der Beschränkung der Berufung setzt eine Trennbarkeit und Widerspruchsfreiheit zwischen den nicht angefochtenen Teilen des Ersturteils und der Entscheidung des Berufungsgerichts voraus. Eine Beschränkung ist demnach nur auf solche Beschwerdepunkte möglich, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles losgelöst vom nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und gegebenenfalls tatsächlich beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen. Unwirksam ist eine Beschränkung demgemäß, wenn anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles eine Beurteilung der angegriffenen Punkte einer Entscheidung nicht möglich ist, ohne dass dadurch die nicht angefochtenen Teile beeinflusst werden, weil sonst widersprüchliche Entscheidungen getroffen werden könnten (Meyer-Goßner/Schmitt § 318 Rn. 5 ff; Graf/Eschelbach § 318 Rn. 10; KK/Paul StPO 7. Aufl. § 318 Rn. 1, jeweils m. w. N.).

b) Insoweit entspricht es gefestigter Rspr. (auch des Senats), dass das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung von Amts wegen endgültig erst aus der Sicht des Ergebnisses der Beratung über die zu treffende Entscheidung zu prüfen hat, weil nur so im konkreten Einzelfall geprüft werden kann, ob - ggf. auch unter Berücksichtigung etwa durchgeführter Beweiserhebungen zum Rechtsfolgenausspruch - Trennbarkeit und Widerspruchsfreiheit im oben angeführten Sinn bejaht werden kann (BGHSt 27, 70, 72; OLG Koblenz NStZ-RR 2005, 178; OLG Bamberg, Beschl. v. 10.09.2012 - 2 Ss 91/2012; KG, Beschl. v. 27.08.2013 - 161 Ss 101/13 [bei juris] = BeckRS 2013, 18258; OLG Bamberg, Beschl. vom 30.05.2014 - 2 Ss 67/14 [unveröffentlicht]; Meyer-Goßner/Schmitt § 318 Rn. 8; KK/Paul § 318 Rn. 1 a.E.).

c) Anerkannt ist auch, dass - wovon ersichtlich auch das LG ausgeht - eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch grundsätzlich zulässig ist und dass die Frage der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB, welche zur Rechtsfolge gehört, grundsätzlich von der Frage der Schuldfähigkeit nach § 20 StGB, die dem Schuldspruch zuzurechnen ist, trennbar ist. Allerdings ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch dann unwirksam, wenn bereits das AG weder die Frage der Schuldfähigkeit nach § 20 StGB geprüft, obwohl aufgrund seiner eigenen Feststellungen Anlass hierfür bestand, noch eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB rechtsfehlerfrei begründet hat (OLG Köln NStZ 1984, 379; BayObLGSt 1994, 253 ff.; BayObLG NZV 2001, 353 f.; BGH NJW 2001, 1435 ff.; BayObLG NJW 2003, 2397 [zur Frage der Beschränkung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl]; OLG Hamm BA 45, 262 ff; OLG Hamm NStZ-RR 2008, 138 und Beschl. v. 14.01.2014 - 3 RVs 97/13 [bei juris] = BeckRS 2014, 12983; Meyer-Goßner/Schmitt § 318 Rn. 17 m. w. N.; Graf/Eschelbach § 318 Rn. 18 a.E. m. w. N.). In einem solchen Fall kann aufgrund der (lückenhaften) Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Angekl. schuldunfähig war. Damit besteht zwischen der Schuld- und Straffrage eine derart enge Verbindung, dass eine isolierte Überprüfung des angefochtenen Teils nicht möglich ist.

d) Hierzu hat die GenStA in ihrer Antragsschrift ausgeführt: „Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nicht möglich, wenn das angefochtene Urteil seine Prüfung nicht ermöglicht. Dies ist der Fall, wenn die Feststellungen zu der Tat, sei es auch nur zur inneren Tatseite so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. BGH NStZ 1994, 130; BayObLG NStZ-RR 2003, 310; OLG Bamberg wistra 2013, 117; OLGSt StPO § 318 Nr. 20; Meyer-Goßner/Schmitt § 318 Rn. 16 m. w. N.). Dies ist dann der Fall, wenn das AG die Frage der Schuldfähigkeit nicht geprüft hat, obwohl Anlass dafür bestand (vgl. BGH NJW 2001, 1435, 1436; Meyer-Goßner/Schmitt § 318 Rn. 17; KK/Paul StPO 7. Auf. § 318 Rn. 7a, jeweils m. w. N.). Das AG hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 StGB nicht überprüft, es hat lediglich zugunsten des Angekl. eine erhebliche Alkoholisierung und die Voraussetzungen verminderter Schuldfähigkeit i. S. d. § 21 StGB angenommen, obwohl der Angekl. bei beiden zur Verurteilung gelangten Taten von Bier und/oder Wodkagenuss berichtet, sich jeweils als stark alkoholisiert bezeichnet sowie Erinnerungsausfälle beschrieben hat und er von dem Zeugen der ersten Tat, dem Zeugen L., neben standunsicher auch als erkennbar stark alkoholisiert beschrieben worden ist. Zudem war die zweite Tat [...] aus sich heraus nicht verständlich. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen der sachverständig beratenen Kammer bei dem Angekl. ein mehrjähriger Alkoholmissbrauch und ein unterbrochener stationärer Therapieversuch sowie eine Alkoholabhängigkeit vorliegen. Das LG hätte daher nicht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgehen dürfen und das Urteil des AG umfassend im Schuldspruch mit eigenen Feststellungen zur Frage der Schuldfähigkeit überprüfen müssen (vgl. BayObLG NZV 2001, 353, 354). Es hat es demgegenüber in der unzutreffenden Annahme, die Berufung sei wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden, unterlassen, den dem Angekl. gemachten Tatvorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen und eigene Feststellungen zum Tatgeschehen zu treffen. Daran ändert nichts, dass das LG gleichwohl - erstmals - die Frage der Schuldfähigkeit des Angekl. geprüft und hierzu eigene Feststellungen getroffen hat, weil es sich hierauf beschränkt und die gebotene weitere Nachprüfung nicht vorgenommen hat (vgl. BayObLGSt 1994, 253, 254). Dass das LG den Schuldspruch teilweise, nämlich hinsichtlich der Frage eines Ausschlusses der Schuldfähigkeit, überprüft und dabei angenommen hat, Schuldunfähigkeit liege nicht vor, ist insoweit unerheblich (BayObLG a. a. O. S. 255).“

e) Diesen zutreffenden Ausführungen vermag der Senat nicht entgegenzutreten. Das AG wäre bereits aufgrund seiner eigenen Feststellungen gehalten gewesen, nähere Einzelheiten zur Alkoholaufnahme vor der Tat bzw. zum Verhalten und zum Erscheinungsbild des Angekl. während des eigentlichen Tatgeschehens aufzuklären, um - ggf. sachverständig beraten - die Schuldunfähigkeit i. S. v. § 20 StGB zu prüfen und eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB rechtsfehlerfrei feststellen zu können. Dies hat das AG unterlassen und ist lediglich unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes zugunsten des Angekl. vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB ausgegangen. Die Urteilsfeststellungen des AG erweisen sich insoweit als lückenhaft, so dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden können, weil bei dieser Konstellation die den Schuldspruch betreffende Frage der Schuldunfähigkeit nicht getrennt von der zum Rechtsfolgenausspruch gehörenden Frage der verminderten Schuldfähigkeit geprüft werden kann (OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2014 - 3 RVs 97/13 [bei juris] = BeckRS 2014, 12983). Diese Lückenhaftigkeit der erstinstanzlichen Urteilsfeststellungen hat das LG ersichtlich auch erkannt, weil es die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nur zu den Voraussetzungen des § 21 StGB, sondern auch des § 20 StGB angeordnet hat und auch im Wege der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vom 06.05.2014 den Versuch unternommen hat, Erkenntnisse zum Alkoholisierungsgrad des Angekl. zu gewinnen.

f) Ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam, hat das Berufungsgericht aber sämtliche Feststellungen zur Sache, auf die es den Schuldspruch und den Rechtsfolgenausspruch stützt, selbst zu treffen. Insoweit genügt es nicht, lediglich hinsichtlich der als unzureichend erkannten Feststellungen ergänzende Feststellungen zu treffen und im Übrigen auf die amtsgerichtlichen Feststellungen zu verweisen (OLG Hamm, Beschl. v. 29.01.2013 - III-3 RVs 4/13 [bei juris] = StRR 2013, 426 f.; BayObLGSt 1994, 253; unklar insoweit OLG Hamm, Beschl. vom 07.08.2014 - 1 RVs 66/16 [bei juris] = StraFo 2014, 465, das die Frage aufwirft, inwieweit ergänzende Feststellungen zum Zwecke der ‚Heilung‘ einer unwirksamen Berufungsbeschränkung generell zulässig seien). Eine ‚Heilung‘ durch lediglich ergänzende Feststellungen kommt nicht in Betracht. Der Berufungsrechtszug ist eine zweite Tatsacheninstanz, gleichsam eine „2. Erstinstanz“ (Meyer-Goßner/Schmitt vor § 312 Rn. 1).

aa) Das Berufungsgericht hat deshalb - soweit nicht durch eine wirksame Berufungsbeschränkung Rechtskraft eingetreten ist - auf der Grundlage des Eröffnungsbeschlusses über alle Tat- und Rechtsfragen nach dem Ergebnis der Berufungshauptverhandlung neu zu entscheiden. Es darf keine Feststellungen der Vorinstanz übernehmen, es muss sie selbstständig treffen und seine eigene Überzeugung bilden (Meyer-Goßner/Schmitt § 327 Rn. 3; KK/Paul § 327 Rn. 4, 6). Danach genügt es hier nicht, wenn das LG - im Widerspruch zu seiner eigenen Auffassung, der Schuldspruch des amtsgerichtlichen Urteils sei infolge der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung in Rechtskraft erwachsen - den Schuldspruch teilweise, nämlich hinsichtlich der Frage einer Aufhebung der Schuldfähigkeit, doch überprüft hat und dabei in rechtlich nicht zu beanstandender Weise - sachverständig beraten - zu der Erkenntnis gelangt ist, Schuldunfähigkeit liege nicht vor. Die Unwirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch bleibt hiervon unberührt.

bb) Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass die Erklärung der Berufungsbeschränkung erst nach Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens erfolgte. Selbst wenn die Beschränkung der Berufung erst am Ende der Berufungshauptverhandlung erklärt worden wäre, würde dies nichts daran ändern, dass die Urteilsgründe des AG zum maßgeblichen Zeitpunkt der Prüfung der Wirksamkeit der Beschränkung lückenhaft geblieben wären und eine isolierte Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung nicht ermöglicht hätten, ohne dass auch der nicht angefochtene Schuldspruch mit berührt worden wäre, weil die Schuldfähigkeit erst aufgrund der Feststellungen des sachverständig beratenen Berufungsgerichts bejaht werden konnte. Der Unterschied zu den Fallgestaltungen, die den Entscheidungen des KG (Beschl. v. 27.08.2013 - 161 Ss 101/13 [bei juris] = BeckRS 2013, 18258) sowie des OLG Köln (Beschl. v. 14.02.1984 = NStZ 1984, 379) zugrunde lagen, ist darin begründet, dass sich anders als in den dortigen Verfahren das AG vorliegend aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zu den Taten des Angekl. sowie zu seinem Alkoholmissbrauch hätte gedrängt sehen müssen, die Frage der Schuldfähigkeit im Einzelnen zu überprüfen, hiervon aber abgesehen hat. Daher konnten weder die StA noch der Angekl. die Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränken, ohne dass es darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt die Berufungsbeschränkungen erklärt wurden.

2. Hat das Berufungsgericht nicht über alle Bestandteile entschieden, die von der Berufung erfasst wurden, führt dies nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung, um die Sache auch zu dem Teil neu zu verhandeln, der zu Unrecht als rechtskräftig beurteilt worden war (Meyer-Goßner/Schmitt § 352 Rn. 4). Einer solchen Aufhebung bedarf es aber ausnahmsweise dann nicht, wenn das Berufungsgericht unbeschadet seines Irrtums über die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung gleichwohl vollständige Feststellungen auch zur Schuldfrage getroffen hat oder wenn ausgeschlossen erscheint, dass das Urteil auf den fehlenden Feststellungen beruht (LR/Franke § 337 Rn. 38 m. w. N.). Einen solchen Ausnahmefall vermag der Senat hier allerdings letztlich nicht zu bejahen.

a) Zwar lässt sich den Urteilsgründen noch entnehmen, dass das LG hinsichtlich des Tatgeschehens vom 19.10.2012 zum Nachteil der Geschädigten T. nicht nur zu der zum Rechtsfolgenausspruch gehörenden Frage der Schadenswiedergutmachung durch Vernehmung der Geschädigten Beweis erhoben hat, sondern auch zu den zum Schuldspruch gehörenden Fragen des Tathergangs und der Schadenshöhe. Auch im Rahmen der Wiedergabe der Einlassung des Angekl. zeigt sich, dass es bei der Anhörung des Angekl. nicht lediglich um die Frage der Schadenswiedergutmachung gegangen ist, sondern auch um den Wurf des Stuhles. Darüber hinaus hat das LG auch selbst Feststellungen zur Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses der StA an der Strafverfolgung hinsichtlich der Sachbeschädigung getroffen und im Rahmen der rechtlichen Würdigung sogar ausdrücklich eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung geprüft und bejaht. Aus diesen Umständen lässt sich jedoch nicht hinreichend belegen, dass das LG insoweit eigene Feststellungen zum Schuldspruch getroffen hat und auch treffen wollte, zumal es die abweichenden Angaben der Zeugin zur Schadenshöhe ersichtlich nicht zugrunde gelegt hat und die Prüfung von Verfahrenshindernissen und Strafverfolgungsvoraussetzungen auch bei beschränkter Berufung zu erfolgen hat (KK/Paul § 327 Rn. 3). Entscheidend gegen eigene Feststellungen zum Tatgeschehen spricht jedoch der Umstand, dass das LG nach dem Einleitungssatz zur Beweiswürdigung ersichtlich nur Feststellungen treffen und in seine Überzeugungsbildung einbeziehen wollte, „soweit sie über das vom erstinstanzlichen Gericht mit Bindungswirkung für die Berufungskammer Festgestellte hinausgehen“.

b) Dasselbe gilt auch hinsichtlich des Tatgeschehens vom Abend des 18.10.2012. Zwar lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass das LG Feststellungen zum Vorliegen der Strafanträge der Geschädigten PHM O. und PHM L. und damit zu den Strafverfolgungsvoraussetzungen getroffen hat. Außerdem wurde der Angekl. nach dem Inhalt seiner in den Urteilgründen wiedergegebenen Einlassung auch zum Tatgeschehen befragt und das LG gelangte aus der Einvernahme des Angekl. zu der Erkenntnis, dass dieser die Vorfälle einräumen und dafür Verantwortung übernehmen wolle. Auch hat das LG im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausdrücklich eine Strafbarkeit des Angekl. wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzung und Beleidigung zum Nachteil der Geschädigten PHM O. und PHM L. geprüft und bejaht. Aber selbst wenn man hier eigene Erwägungen des LG aufgrund einer Würdigung der Angaben des Angekl. bejahen wollte, würden die Feststellungen des LG zum Kerntatgeschehen lediglich auf den Angaben des Angekl. beruhen. Insoweit ergibt sich allerdings aus den Urteilsgründen, dass dieser die Taten zwar einräumen wollte, sich aber an die Auseinandersetzung mit den Polizeibeamten nicht mehr richtig erinnern konnte. Ein solches ‚Geständnis‘, das sich letztlich darauf beschränkt, dass der Angekl. den Tatvorwurf prozessual anerkennt bzw. ihm nicht entgegentreten will, kann aber von vornherein keine Beweisgrundlage sein, sondern allenfalls ein Tatindiz (KK/Ott § 261 Rn. 28a unter Hinweis auf BGH StV 1999, 410; NStZ-RR 2008, 173 f.), auf das allein das LG eine etwaige Überzeugungbildung schon deshalb nicht stützen konnte, weil es nicht aus sich heraus auf seine Richtigkeit überprüft werden konnte und auch die (leicht mögliche) Vernehmung der nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls anwesenden Geschädigten als Zeugen nicht vorgenommen wurde bzw. werden sollte.

c) Vor dem Hintergrund, dass das LG zum eigentlichen Tatgeschehen keine Beweisaufnahme durchgeführt hat und insbesondere zum Tatgeschehen vom 18.10.2012 auch kein hinreichend qualifiziertes Geständnis des Angekl. vorliegt, kann schließlich nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf den fehlenden Feststellungen beruht. Für den Senat, der bei der Überprüfung dieser Frage auf die Urteilsurkunde beschränkt ist, ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass das LG bei einer Einvernahme der Geschädigten zu den selben Feststellungen gelangt wäre.

3. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, weil das LG die Tragweite der Berufung infolge der unwirksamen Beschränkung verkannt und deshalb über den Verfahrensgegenstand nicht vollständig entschieden hat.

II. Auf die Revision des Angekl. hin ist daher das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§§ 349 IV, 353 I, II StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Strafkammer des LGs zurückverwiesen (§ 354 II 1 StPO). Die Entscheidung ergeht nach § 349 IV StPO.

III. Hinsichtlich des Einwandes der Verteidigung, bei einer ausgesprochenen Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten entspreche die Verhängung (gemeint ist wohl die Anordnung) einer Unterbringung nicht mehr der Verhältnismäßigkeit, bemerkt der Senat ergänzend: Von einer Anordnung gemäß § 64 StGB darf nicht bereits deshalb abgesehen werden, weil die (ggf. von einem Sachverständigen prognostizierte) Behandlungsdauer die Länge der zugleich verhängten Freiheitsstrafe übersteigt, weil der Hauptgrund nicht in dem Gewicht der Anlasstat liegt, sondern in der Gefährlichkeitsprognose (Fischer StGB 61. Aufl. § 64 Rn. 24a und § 67 Rn. 22; BGH, Beschl. v. 09.06.2011 - 2 StR 158/11 [bei juris]).

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
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published on 09/06/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 158/11 vom 9. Juni 2011 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls mit Waffen u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Juni
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Annotations

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte sowie gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Urteile der Oberlandesgerichte ist Revision zulässig.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder ihm das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist, oder
2.
als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten ist.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer

1.
eine Tat nach Absatz 1 fahrlässig begeht,
2.
vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist, oder
3.
vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach § 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 kann das Kraftfahrzeug, auf das sich die Tat bezieht, eingezogen werden, wenn der Täter

1.
das Fahrzeug geführt hat, obwohl ihm die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder obwohl eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs gegen ihn angeordnet war,
2.
als Halter des Fahrzeugs angeordnet oder zugelassen hat, dass jemand das Fahrzeug führte, dem die Fahrerlaubnis entzogen oder das Führen des Fahrzeugs nach § 44 des Strafgesetzbuchs oder nach § 25 dieses Gesetzes verboten war oder gegen den eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuchs angeordnet war, oder
3.
in den letzten drei Jahren vor der Tat schon einmal wegen einer Tat nach Absatz 1 verurteilt worden ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.