Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 24. Aug. 2017 - L 1 R 2/16
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. Dezember 2015 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) vom 1. Februar 2016 bis zum 31. Januar 2019 streitig.
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Die 1956 geborene Klägerin bezieht seit 1. Februar 2008 von der Beklagten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer. Sie beantragte am 17. August 2011 bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Wegen zunehmender Bewegungsbeschwerden, urologischer Beschwerden und verstärkter Asthmasymptome könne sie nur noch Schreibarbeiten mit Unterbrechung ca. drei Stunden täglich verrichten.
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Die Beklagte zog zunächst den Entlassungsbericht der ...Klinik C. vom 15. Mai 2008 über die Anschlussheilbehandlung der Klägerin vom 22. April bis zum 11. Mai 2008 bei. Danach sollten bei einem weiteren komplikationslosen Verlauf nach der am 14. März 2008 durchgeführten Spondylodese L5/S1 bei schwerer Osteochondrose perspektivisch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden mit zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen möglich sein. Ferner zog die Beklagte das Gutachten von Frau W., erstattet unter dem 23. August 2010 für die Agentur für Arbeit S., bei. Danach sei die Klägerin vollschichtig für ständig leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen mit weiteren qualitativen Einschränkungen einsetzbar.
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Nach Einholung von Befundberichten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. S. vom 18. September 2011 und des Facharztes für Orthopädie Dr. F. vom 5. November 2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2012). Diese verfüge über ein Leistungsvermögen im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich für leichte Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen.
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Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 10. August 2012 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage gewandt. Vor allem die chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) und das Lendenwirbelsäulen (LWS)-Leiden führten zu einer Restleistungsfähigkeit von unter drei Stunden täglich. Ferner könne sie aufgrund der COPD nur noch eine Wegstrecke von 20 Metern zurücklegen. Dann müsse sie eine längere Pause einlegen. Darüber hinaus bestehe eine erhebliche Schmerzsymptomatik in sämtlichen Gelenken, vor allem in den Knie-, Schulter- und Ellenbogengelenken.
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Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von dem Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie/Allergologie Dr. G. vom 14. Januar 2013 eingeholt. Dieser hat bei einer letztmaligen Behandlung der Klägerin am 27. Februar 2012 keine wesentliche Änderung der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit angegeben. Er hat Arztbriefe anlässlich der am 4. Juni 2010 und am 27. Februar 2012 durchgeführten Ganzkörperplethysmographien übersandt. Danach bestünden eine schwere Obstruktion und Überblähung. Die periphere O2-Sättigung mit 96 % sei normal. Als Diagnose ist eine chronisch obstruktive Lungenkrankheit mit einem FEV1-Wert zwischen 35 und 50 % angegeben. Zudem sind auf Anforderung des Sozialgerichts Befundberichte von Dipl.-Med. S. vom 20. Januar 2013, von Dr. F. vom 25. Januar 2013 und von dem Neurochirurgen Dipl.-Med. V. vom 21. Februar 2013 eingeholt worden.
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Das Sozialgericht hat den Facharzt für Orthopädie Dr. R. das Gutachten vom 17. Februar 2015 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 9. Februar 2015 erstatten lassen. Bei der 152 cm großen und 84,6 kg schweren Klägerin bestünden als Diagnosen auf orthopädischem Fachgebiet:
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Impingementsyndrom links ohne Rotatorenmanschettendefekt mit begleitender Synovialitis,
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Akromioklagikulargelenksarthrose links,
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Arthroskopie des linken Kniegelenkes (18. Dezember 2012),
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Zustand nach dorsaler Spondylodese L 5/S1 am 14. März 2008,
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Zustand nach Operation Ellenbogengelenk rechts 1998,
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Zustand nach Ringbandspaltung des rechten und des linken Daumens bei Tenovaginitis stenosans.
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Bei der Klägerin lägen darüber hinaus eine chronisch obstruktive Lungenkrankheit, eine alkoholtoxische Leberzirrhose mit Aszites, eine Helicobacter Gastritis und Duodenitis, ein Zustand nach NSAR induzierter minimaler Kolitis, ein Zustand nach Septumplastik und Konchotomie und Diathermie der unteren Nasenmuschel beidseits, ein Nikotinabusus und ein chronischer Alkoholmissbrauch vor. Die Klägerin könne aus orthopädischer Sicht eine regelmäßige Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Rahmen einer körperlich leichten Tätigkeit von drei bis sechs Stunden täglich verrichten. Die Klägerin könne nur im Gehen, Stehen oder Sitzen mit überwiegenden Arbeiten im Sitzen, ohne ständig längere und häufige Zwangshaltungen oder einseitige körperliche Belastungen sowie ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel tätig sein. Die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände sei vorhanden. Vermieden werden solle das Arbeiten unter Witterungs- und Umwelteinflüssen, wie z.B. Zugluft, Nässe, Lärm, Staub, Gas, Dampf oder Rauch. Arbeiten mit Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, anamnestische und geistige Fähigkeiten seien nicht eingeschränkt. Arbeiten in Wechsel-/Nachtschicht und unter besonderem Zeitdruck seien ausgeschlossen. Für eine Gehstrecke von 500 Metern benötige die Klägerin fünf Minuten, wobei sie nach der Hälfte der Zeit eine 30 Sekunden lange Pause wegen Belastungsatemnot habe einlegen müssen. Sie könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Aus orthopädischer Sicht seien ihr Fußwege bis zu 500 Meter zumutbar. Bezüglich der Kniegelenksproblematik sei die weiterführende Diagnostik bzw. Therapie noch nicht abgeschlossen, sodass mit einer Veränderung des Befundes noch zu rechnen sei. Nicht beurteilbar seien jedoch die dominierenden internistischen Erkrankungen. Deshalb sei die Einholung eines internistischen Gutachtens zwingend erforderlich.
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Sodann hat auf Veranlassung des Sozialgerichts die Fachärztin für Innere Medizin, Diagnostische Radiologie Dr. H. das Gutachten vom 18. Juli 2015 und die ergänzende Stellungnahme vom 23. Juli 2015 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 13. Juli 2015 erstattet. Diese sei intellektuell völlig unvorbereitet zur Begutachtung gekommen und habe den ihr zuvor zugeschickten Anamnesebogen nicht ausgefüllt. Es sei eine erhebliche Non-Compliance der Klägerin bei der Beantwortung der Fragen zur Vorgeschichte festzustellen gewesen. Zum Tagesablauf befragt, habe die Klägerin angegeben, morgens nach dem Aufstehen, mittags und nachmittags am PC Spiele zu machen. Sie kümmere sich regelmäßig nachmittags um das siebenjährige Enkelkind, mit dem sie spiele und spazieren gehe. Als Hobby bastele sie 3D-Karten, häkele und nähe. Sie habe sich eine Werkstatt mit Maschinen eingerichtet und arbeite mit Holz. Seit Ostern 2015 habe sie ihren täglichen Konsum von 40 auf zehn Zigaretten reduziert. Sie leide nur außerhalb ihres Hauses an Luftnot, insbesondere nach größeren Laufstrecken. Wenn sie mit dem Kinderwagen unter-wegs sei, könne sie weiter laufen. Dr. H. hat angegeben, beim schnellen und freihändigen Treppengang zum Obergeschoss über 18 Stufen sei trotz des großen Körpervolumens keine Belastungsdyspnoe bei der Klägerin aufgetreten. Diese habe jedoch anschließend zwei bis drei Minuten im Sprechzimmer gestanden und erst dann habe eine selbstlimitierende, kurzzeitige Hyperventilation eingesetzt. Obwohl sie räumlich und zur Sache voll orientiert gewesen sei, sei korrespondierend zu einer alkoholtoxischen Enzephalopathie ein läppisches Verhalten der Klägerin bei einer mangelnden Mitarbeit aufgefallen. Die mentale Leistungsfähigkeit habe sich unauffällig gezeigt. Bei einer gestörten Persönlichkeitsstruktur seien Konzentration, Antrieb und Stimmungslage schwankend gewesen, wobei die Intelligenz im Bereich der Norm gelegen habe. Aggravation sei bei einem erheblichen Rentenbegehren durchaus möglich. Die ergometrische Untersuchung sei - beginnend mit 50 Watt und Steigerung um 25 Watt nach zwei Minuten - nach insgesamt drei Minuten wegen Dyspnoe und Hyperventilation bei erheblich hörbaren, giemenden Nebengeräuschen beendet worden. Alle messbaren Lungenvolumina der Ein- und Ausatmung seien höhergradig reduziert gewesen. Bei normaler Mitarbeit der Klägerin habe sich in der Ruhespirometrie eine gemin-derte inspiratorische Vitalkapazität von 32% gezeigt. Die forcierte Vitalkapazität (FVC) sei auf 24% stark gesenkt gewesen. Es habe sich eine kombinierte Lungenventilationsstörung mit schwerer Restriktion (= Lungenemphysem) und eine mittelschwere Obstruktion gezeigt. Ursächlich sei das Rauchen hoher Tagesdosen über viele Jahre hinweg. Als Diagnosen hat Dr. H. eine COPD Grad 3 bis 4 nach Gold mit Erstfeststellung 2010, nach der ab 2011 gültigen Einteilung Stadium C bis D bei nicht beendetem Nikotinmissbrauch, eine alkoholto-xische Fettleber ohne portale Hypertonie bei langjährigem Alkoholkonsum mit Persönlichkeitsstörung, eine Adipositas Grad 1 mit statischer Fehlbelastung und eine Fettstoffwechselstörung genannt. Kardiologisch würde die alleinige Sicht der bei der Begutachtung gezeigten Ergometrie-Belastbarkeit von 50 bis 75 Watt zwar als Basis für leichte Erwerbstätigkeit angesehen. In dieser Stufe würden jedoch pulmologisch FEV1-Messwerte von 50 bis 70 % gefordert. Die Klägerin sei mit den pathologischen Messwerten des FEV1 von 25 bis 33% jedoch davon weit entfernt. Die Klägerin sei in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten (bis zu zehn kg) im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ohne einseitige Belastungen und Zwangshaltungen, ständiges Bücken, Hocken, Knien, Arbeiten auf Leitern, Treppen und Gerüsten, ohne Absturzgefahr und Dauervibrationen und ohne ständiges Bergangehen sowie ohne Armvorhalte oder Überkopfhaltung zu verrichten. Die normale motorische Gebrauchsfähigkeit beider Hände sei nicht eingeschränkt. Arbeiten unter Witterungseinfluss, in kaltem Wasser, Kälte und Nässe, mit Staub, Rauch und Gasen seien ungünstig. Ratsam seien Arbeiten in geschlossenen Räumen. Die Intelligenz der Klägerin weiche nicht von der Norm im Altersdurchschnitt ab. Wegen einer auffälligen, läppischen und non-complienten Persönlichkeit im sozialen Kontakt seien intellektuell nur einfache Tätigkeiten unter Anleitung und Aufsicht anzuraten. Die Leibesfülle und die Gelenkprobleme limitierten das Reaktionsvermögen. Unter Berücksichtigung der vom Alkohol veränderten Persönlichkeitsstruktur seien ihr Arbeiten mit rascher Anpassung und Umstellung sowie mit einem Einsatz an laufenden Maschinen und in der Höhe sowie eine dauernde Fahrttätigkeit nicht möglich. Arbeiten im Schicht- und Nachtdienst sowie mit Leistungsdruck, im Akkord, am Fließband sowie mit Publikumsverkehr seien nicht möglich. Die Klägerin könne die zumutbaren Arbeiten in der Gesamtschau, wozu auch die auffällig gestörte Persönlichkeit zu rechnen sei, nur noch unter drei Stunden täglich ohne Pausen - bis auf die Toilettengänge - verrichten. Das Gangbild sei objektiv nicht eingeschränkt gewesen. Nach den Angaben der Klägerin müsse diese nach Gehstrecken am Stück von 100 bis 150 Metern wegen Atemnot stehen bleiben. Bei langsamer Fortbewegung müsste die Klägerin jedoch in der Lage sein, viermal am Tag auf gerader Strecke eine Distanz von 500 Metern in 20 Minuten mit einzelnen Pausen zurückzulegen. Bei Exazerbationen des Lungenleidens seien diese Gehstrecken als eingeschränkt zu beurteilen. Die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Prognostisch sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin eine Erwerbsfähigkeit von über sechs Stunden am Tag wieder erreichen könne.
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Das Sozialgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 2. Dezember 2015 unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar 2016 bis zum 31. Januar 2019 verurteilt. Ausweislich des internistischen Gutachtens von Dr. H. sei die Klägerin gegenwärtig nicht in der Lage, einer zumutbaren Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Im Hinblick auf die Reduzierung des Zigarettenkonsums der Klägerin erst im letzten Frühjahr sei jedoch eine Verbesserung des Leistungsvermögens nicht gänzlich auszuschließen.
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Gegen das ihr am 21. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Januar 2016 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Leistungsbeurteilung von Dr. H. vom 18. Juli 2015. Weiterer Sachaufklärungsbedarf sei gegeben.
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Die Beklagte beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. Dezember 2015 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, das angefochtene Urteil sei zutreffend.
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Der Senat hat den Chefarzt der Lungenklinik ... Dr. A. das Gutachten vom 1. November 2016 auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 23. September 2016 erstatten lassen. Diese habe angegeben, an Luftnot nur bei Belastung, nicht in Ruhe zu leiden. Auf die Frage nach einer Belastbarkeit ohne Luftnot habe sie langsames Gehen auf ebener Erde angegeben. Sie könne gegebenenfalls auch noch längere Wegstrecken zurücklegen. Beim Treppensteigen müsse sie ca. nach einem Stockwerk eine Pause einlegen. Je länger sie gehe, umso schwergradiger würden die Beschwerden. Auf die Frage nach einer Behandlung habe die Klägerin das Atemwegsspray angegeben. In pneumologischer Behandlung befinde sie sich nur unregelmäßig, wohl zuletzt vor ca. zwei Jahren bei Dr. G. Sie leide zudem an Rückenschmerzen. Seit einem halben Jahr bekomme sie eine Schmerzmedikation, die ganz gut helfe. Ibuprofen nehme sie nicht mehr ein. Seit 2014 konsumiere sie keinen Alkohol mehr. Sie rauche derzeit noch 15 bis 20 Zigaretten pro Tag, zuvor seien es 50 Zigaretten pro Tag gewesen. Dezidierte Angaben zum Tagesablauf habe sie nicht gemacht. Aktuell stünden bei der Klägerin Luftnotbeschwerden im Vordergrund. Funktionell bestehe eine obstruktive Ventilationsstörung, wobei das Ausmaß mitarbeitsbedingt nicht einfach einzuordnen sei. Die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung gehe mit einer Atemwegswiderstandserhöhung und leichtgradigen Überblähung wie bei einem Lungenemphysem einher. Da offensichtlich keine Exazerbationen vorlägen, könne zur Beurteilung allein das Ausmaß der Obstruktion herangezogen werden. Allerdings sei die Spirometrie mitarbeitsbedingt nur schwer verwertbar gewesen. Diese habe im Ausmaß eine schwergradige Obstruktion ergeben. Der FEV1-Wert habe mit 0,75 Liter 33,9 % des Sollwertes ergeben (Schwergradig: FEV1-Wert nach atemwegserweiternder Medikation zwischen 30 bis 50 Prozent des altersentsprechenden Soll-Mittel-Wertes). Im Rahmen der weniger mitarbeitsabhängigen Bodyplethysmographie habe die totale Lungenkapazität (TLC) im Rahmen der Norm gelegen, sodass eine Restriktion und damit auch eine Kombination aus einer restriktiven und einer obstruktiven Ventilationsstörung ausgeschlossen werden könne. Im Rahmen des Sechs-Minuten-Gehtests habe die Klägerin zunächst 400 Meter zurückgelegt. Für die Vollendung einer Gehstrecke von 500 Metern habe sie insgesamt acht Minuten benötigt, ebenfalls ohne eine Pause für die Gesamtgehstrecke einzulegen. Die Gehstrecke sei als altersentsprechend normal zu werten. Die spiroergometrische Fahrradbelastung sei mit einer Leistung von 15 Watt begonnen und allerdings nach 3:50 Minuten bei 34 Watt aufgrund von Knieschmerzen und Schmerzen in den Handgelenken abgebrochen worden. Der aerobe/anerobe Übergang sowie die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit seien nicht erreicht worden. Insofern könne die kardiopulmonale Leistungsbreite mitarbeitsbedingt nicht zuverlässig angegeben werden.
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Bei der Klägerin bestünden eine anzunehmend schwergradige chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (GOLD-Kategorie D, Grad III) aufgrund eines in- und extensiv betriebenen Tabakkonsums über viele Jahrzehnte und eine Übergewichtigkeit mit einem Gewichtsverlust von acht Kilo gegenüber der Begutachtung vor einem Jahr (BMI 30,4).). Der im krankhaften Ausmaß betriebene Alkoholkonsum scheine kontrolliert. Dazu passten die nahezu vollständigen normwertigen Laborwerte. Aggravationstendenzen seien feststellbar gewesen. Insgesamt sei die Belastungsluftnot vor dem Hintergrund der verwertbaren Befunde glaubhaft. Bei der Gehtestbelastung sei allerdings die Luftnot nach Belastungsende nur mit sehr geringem Ausmaß angegeben worden. Der Belastungsabbruch bei der spiroergometrischen Untersuchung sei nicht luftnotbedingt erfolgt. Aufgrund der Skeletterkrankung und auch der obstruktiven Lungenerkrankung seien nur noch leichtere körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne ausschließlich gehende Tätigkeit in geschlossenen Räumen), ohne einseitige körperliche Belastungen und Zwangshaltungen, ohne wiederkehrendes Knien, Hocken, Bücken bzw. Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ohne Gerüst- und Leiterarbeiten, ohne Einfluss von Nässe, Zugluft, starken Temperaturschwankungen, ohne intensive Witterungs- und Umwelt-einflüsse, ohne besonderen Zeitdruck sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Arbeiten mit einfachen geistigen Anforderungen und geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit sei die Klägerin gewachsen. Klebe- oder Sortiertätigkeiten oder auch das Verpacken von nicht zu schweren Gegenständen seien nicht auszuschließen. Zu berücksichtigen sei ferner noch eine erhebliche Dekonditionierung der Klägerin hinsichtlich einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit. Voraussetzung wäre eine adäquate Therapie für die relevanten funktionsbeeinträchtigenden Leiden auf pneumologischem und orthopädischem Fachgebiet, gegebenenfalls auch auf dem Abhängigkeitsgebiet. Unter Berücksichtigung sämtlicher aktenkundiger Befunde sei keine besondere Dynamik der COPD festzustellen. Über den gesamten Beobachtungszeitraum seit 2010/2011 sei von einer schwergradigen Lungenerkrankung mit entsprechender Funktionsbeeinträchtigung auszugehen. Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit sei bei einer optimierten Therapieführung, bei Motivation und Beachtung der Kriterien hinsichtlich der Arbeitsschwere möglich. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt. Diese könne Gehstrecken von etwas mehr als 500 Metern in einem Zeitraum ca. 20 Minuten ohne weiteres auch mehrmals täglich zurücklegen. Sie könne auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Die Angaben im Gutachten aus dem Jahr 2015 auf internistischem Fachgebiet seien nicht ohne weiteres heranzuziehen, da wesentliche und relevante Befundinformationen fehlten. Andererseits sei nicht davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin weiter derartig verschlechtert habe, dass eine erhebliche Reduktion im Leistungsvermögen gegenüber 2015 anzunehmen sei. Dringend erforderlich sei eine optimierte Therapie inklusive Rehabilitationsmaßnahmen.
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In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 9. November 2016 und 13. Januar 2017 hat Dr. A. darauf hingewiesen, trotz zweifelsfrei nachgewiesener schwergradiger obstruktiver Ventilationsstörung mit im Wesentlichen irreversiblen Charakter bestehe noch eine Restleis-tungsfähigkeit der Klägerin für leichteste Tätigkeiten. Wegen der Unplausibilitäten des Gutachtens von Dr. H. seien daraus Rückschlüsse hinsichtlich der Leistungsfähigkeit nicht möglich.
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Dr. H. hat mit Schriftsatz vom 4. März 2017 aufgezeigt, dass bei der Durchführung der Spirometrie eine normale Mitarbeit der Klägerin vorgelegen habe. Sie habe im Gutachten darauf verwiesen, dass sie ihr sozialmedizinisches Statement in der medizinischen Gesamtschau getroffen und dabei auch die auffällig gestörte Persönlichkeitsstruktur der Klägerin berücksichtigt habe.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind
Entscheidungsgründe
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Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entschieden.
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Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar 2016 bis zum 31. Januar 2019. Der den Anspruch auf volle Erwerbsminderung ablehnende Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Das insoweit stattge-bende Urteil des Sozialgerichts war abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, also wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
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Abweichend vom Wortlaut des § 43 Abs. 1 SGB VI haben aber auch Versicherte, die teilweise erwerbsgemindert sind, also nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) führt die teilweise Erwerbsminderung bei praktischer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes für Tätigkeiten in einem täglichen zeitlichen Rahmen von drei bis unter sechs Stunden zu einer vollen Erwerbsminderung auf Zeit (vgl. schon zu § 1247 Reichsversicherungsordnung (RVO), BSG, Großer Senat (GS), Beschlüsse vom 12. Dezember 1976, GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75 und GS 3/76; Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar SGB VI, § 43, Rn. 31ff.; Reinhardt, SGB VI, Lehr- und Praxiskommentar, 2. Aufl., § 43 Rn. 11).
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Streitgegenstand ist allein die Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar 2016 bis zum 31. Januar 2019, da nur die Beklagte Berufung eingelegt hat.
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Der Eintritt des Leistungsfalls der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI ist weder mit der Begutachtung durch Dr. H. am 13. Juli 2015 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachgewiesen. Das Gericht muss sich grundsätzlich die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Ausreichend ist insoweit eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 24. November 2010, - B 11 AL 35/09 - juris). Im sozialgerichtlichen Verfahren trägt derjenige die objektive Beweislast für die einen Anspruch begründenden Tatsachen, der den Anspruch geltend macht. Der Grundsatz der objektiven Beweislast kommt immer dann zum Tragen, wenn trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung der Sachverhalt nicht mehr vollständig aufklärbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 118 Rdnr. 6).
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Die Klägerin kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes seit dem 13. Juli 2015 mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Sie ist in der Lage, leichteste körperliche Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne ausschließlich gehende Tätigkeit in geschlossenen Räumen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände ist gegeben. Ausgeschlossen sind einseitige körperliche Belastungen und Zwangshaltungen, wiederkehrendes Knien, Hocken, Bücken bzw. Heben und Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Gerüst- und Leiterarbeiten, Überkopfarbeiten, Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Zugluft, starken Temperaturschwankungen sowie unter Witterungs- und Umwelteinflüssen. Arbeiten in Wechsel-/Nachtschicht und unter besonderem Zeitdruck sind zu vermeiden. Die Klägerin ist Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, mit einfachen geistigen Anforderungen und geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen. Arbeiten mit Publikumsverkehr sind zumutbar.
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Dies ergibt sich insbesondere aus den Gutachten von Dr. A. vom 1. November 2016 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 9. November 2016 und 13. Januar 2017 sowie dem Gutachten von Dr. R. vom 17. Februar 2015.
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Bei der Klägerin besteht auf pulmologischem Fachgebiet eine schwergradige chronisch-obstruktive Lungenerkrankung bei fortgesetztem, langjährigem Nikotinkonsum. Daraus resultiert eine Leistungslimitation in qualitativer Hinsicht. Ein quantitativ gemindertes Leis-tungsvermögen der Klägerin ist jedoch nicht nachgewiesen. Dr. A. hat zwar eine schwere Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin durch das Lungenleiden aufgezeigt. Allerdings hat er nachvollziehbar dargelegt, dass das exakte Ausmaß der Lungeneinschränkung und deren Auswirkung auf das Leistungsvermögen der Klägerin im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen nicht festgestellt werden konnten. Die Lungenfunktionsuntersuchungen sind mitarbeitsbedingt schwierig einzuordnen gewesen.
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Die bei ihm durchgeführte Spirometrie sei mitarbeitsbedingt nicht verwertbar gewesen. Eine Diffusionsmessung habe er mitarbeitsbedingt nicht durchführen können Die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, dem Atemkommando adäquat zu folgen bzw. einer ausreichend lange Zeit die Luft anzuhalten. Eine Diffusionseinschränkung habe nicht nachgewiesen werden können. Der Sauerstoffpartialdruck habe in Ruhe und unter der kurzen Belastungsphase sowie in der Nachbelastungsphase im Normbereich gelegen bzw. seien ansteigende Sauerstoffpartialdruckwerte festzustellen gewesen. Bei der Klägerin habe ferner keine Störung der Atemmechanik nachgewiesen werden können. Sowohl bei der Gehtestbelastung als auch bei spiroergometrischen Belastung habe von Anfang bis zum Ende eine normokapnische Ventilation bestanden. Die noch im Bereich der Sollwerte liegenden Blutgaswerte ließen nicht auf einen chronischen Sauerstoffmangel schließen. Auch die sonstigen Blutbildwerte lägen im Bereich der Norm. Die Laborwerte ließen auf keine auffällige Pathologie schließen, die auf eine funktionelle Beeinträchtigung hinweisen können. Im Rahmen der weniger mitarbeitsabhängigen Bodyplethysmographie habe der TLC im Rahmen der Norm gelegen. Eine Restriktion und damit auch eine Kombination aus einer restriktiven und einer obstruktiven Ventilationsstörung hätten ausgeschlossen werden können.
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Der durchgeführte Gehtest erbrachte einen altersentsprechenden Normalbefund ohne Zeichen einer Dekompensation. Die Klägerin konnte nachweislich ohne Abfall des Sauerstoffgehaltes und ohne Anstieg des Kohlendioxidgehaltes eine normwertige Gehstrecke von 400 bzw. 500 Metern ohne Einlegen einer einzigen Pause zurücklegen. Die Klägerin selbst hat von keiner schwergradigen Luftnot berichtet. Hinweise für eine Gasaustauschstörung durch eine Lungenerkrankung bzw. für eine Erschöpfung der Atempumpe haben sich nicht ergeben.
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Zudem ist eine unzureichende Nutzung ambulanter Versorgungsangebote durch die Klägerin zu verzeichnen. Nach ihren Angaben ist diese in den die letzten zwei Jahren vor der Begut-achtung bei Dr. A. nicht in lungenfachärztlicher Behandlung gewesen. Zur Behandlung benutzt sie lediglich ein Atemwegsspray. Bereits ausweislich der Arztbriefe von Dr. G. vom 4. Juni 2010 und 27. Februar 2012 ist den durchgeführten Ganzkörperplethysmographien eine schwere Obstruktion zu entnehmen. Dr. A. hat aufgezeigt, dass bereits während des stationären Aufenthaltes in der Lungenklinik ... vom 19. bis zum 23. Februar 2013 ein vergleichbares Ausmaß des Schweregrades der obstruktiven Komponente vorgelegen habe. Der dort gemessene FEV1-Wert von 0,9 Liter sei ebenfalls als schwergradig zu werten, da er zwischen 30 bis 50 Prozent des altersentsprechenden Soll-Mittel-Wertes liege. Weitere Ergebnisse von Lungenfunktionstests außerhalb der Begutachtungen liegen nicht vor.
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Der Leistungseinschätzung von Dr. H. im Sinne eines unter dreistündigen täglichen Leistungsvermögens vermag der Senat nicht zu folgen. Diese stützt die quantitative Leistungsminderung der Klägerin vorrangig auf die pulmonale Funktionsminderung, die sie aus den Funktionsmesswerten der Lungendiagnostik abgeleitet hat. Dr. H. hat zwar angegeben, dass die spirometrische Untersuchung bei guter Mitarbeit der Klägerin durchgeführt worden sei. Bei Nachreichung der Flusskurven durch Dr. H. hat der prüfärztliche Dienst der Beklagten jedoch festgestellt, dass die Reproduzierbarkeit durch mehrere nacheinander durchgeführte Spirogramme von der Gutachterin nicht geprüft worden ist. Das von der Mitarbeit abhängige Ergebnis der spirometrischen Untersuchung ist somit nicht mit letzter Sicherheit aussagekräftig. Hinzu kommt, dass Dr. H. eine erhebliche Noncompliance der Klägerin beschrieben und auch eine Aggravation bei einem erheblichen Rentenbegehren angenommen hat. Insoweit erscheint es nicht ausreichend, sich auf eine mitarbeitsabhängige Untersuchungsmethode bei der Einschätzung des Leistungsvermögens zu stützen. Hingegen ist die Bodyplethysmographie eine von der Mitarbeit des Probanden weitgehend unabhängige, nicht invasive Untersuchungsmethode mit hoher Sensitivität. Diese Untersuchung hat die Gutachterin jedoch nicht durchgeführt.
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Im Übrigen fehlen entsprechende klinische Befunde für die Leistungseinschätzung von Dr. H. Eine Belastungsdyspnoe der Klägerin konnte nach dem Zurücklegen der 18 Stufen hinauf ins Obergeschoss nicht festgestellt werden. Die ergometrische Untersuchung ist ohne objektive Abbruchgründe bei 75 Watt/1 min beendet worden. Die Sauerstoffsättigungswerte sind bei 50 Watt nicht unter die Norm abgefallen. Darüber hinaus konnte die Klägerin bei Dr. A. 500 Meter in acht Minuten im Normaltempo zurücklegen.
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Auswirkungen auf das Leistungsvermögen der Klägerin durch funktionelle Einschränkungen aufgrund einer gestörten Persönlichkeit sind nicht nachgewiesen. Die von Dr. H. im Rahmen der medizinischen Anamnese beschriebene fehlende Compliance der Klägerin und ihr im Hinblick auf die anstehende Begutachtung unvorbereitetes Verhalten stellen weniger Gründe für eine Persönlichkeitsstörung als für ein zweckgerichtetes Verhalten im Sinne eines Rentenbegehrens bzw. Anhaltspunkte für ein aggravatorisches Verhalten dar. Dr. H. selbst hat eine unauffällig mentale Leistungsfähigkeit der Klägerin beschrieben. Konzentration, Antrieb und Stimmungslage sind bei gestörter Persönlichkeitsstruktur zwar schwankend gewesen, der Intelligenzeindruck ist jedoch im Bereich der Norm gewesen. Erhebliche psychisch bedingte Auffälligkeiten hat die Gutachterin nicht beschrieben. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin regelmäßig nachmittags ihren siebenjährigen Enkel betreut. Insoweit sind auch entgegen der Einschätzung von Dr. H. der Klägerin Arbeiten mit Publikumsverkehr zumutbar.
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Bei der Klägerin bestehen auf orthopädischem Fachgebiet ein Impingementsyndrom links ohne Rotatorenmanschettendefekt mit begleitender Synovialitis sowie eine Akromioklagikulargelenksarthrose links, ein Zustand nach Arthroskopie des linken Kniegelenkes am 18. Dezember 2012, ein Zustand nach dorsaler Spondylodese L 5/S1 am 14. März 2008, ein Zustand nach Operation am Ellenbogengelenk rechts 1998 sowie ein Zustand nach Ringbandspaltung des rechten und des linken Daumens bei Tenovaginitis stenosans. Daraus resultiert eine bewegungsabhängige Schmerzsymptomatik mit Einschränkung des Bewegungsausmaßes im Bereich des linken Schultergelenkes. Die im Jahr 2008 durchgeführte Versteifung der unteren LWS hat die Beschwerdesymptomatik reduzieren können. Bei Dr. A. hat die Klägerin angegeben, die aktuelle Schmerzmedikation sei wirkungsvoll. Zudem besteht ein belastungsabhängiger Schmerz im Bereich des linken Kniegelenkes. Diese Einschränkungen lassen eine noch mindestens sechsstündige Erwerbstätigkeit der Klägerin zu, wenn o.g. Leistungsbild beachtet wird.
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Schließlich liegen eine Adipositas Grad I (BMI 30,4) und ein Zustand nach Alkoholabusus mit einer von der Klägerin angegebenen Abstinenz seit 2014 vor. Diese Erkrankungen stehen dem o.g. Leistungsbild nicht entgegen.
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Es liegen bei der Klägerin seit 13. Juli 2015 auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz der sechsstündigen Einsetzbarkeit zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führten. Die Beklagte ist daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Denn das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R -, juris). Die Klägerin verfügt über die notwendigen körperlichen, geistigen und anamnestischen Fähigkeiten. Insbesondere besteht eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände.
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Zudem ist für die Klägerin der Arbeitsmarkt nicht verschlossen, weil es ihr an der so genann-ten Wegefähigkeit fehlte. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße eingeschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Ist ein Arbeits-platz auf andere Art als zu Fuß erreichbar, z.B. mit einem eigenen Kraftfahrzeug, ist der Arbeitsmarkt ebenfalls nicht verschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - juris). Die Gehfähigkeit der Klägerin ist zwar aufgrund der Lungenerkrankung und der daraus resultierenden Belastungsdyspnoe eingeschränkt. Nach der übereinstimmenden Einschätzung sämtlicher Gutachter kann die Klägerin noch mehr als 500 Meter viermal täglich jeweils binnen 20 Minuten zu Fuß bewältigen. Insbesondere der bei Dr. A. durchgeführte Gehtest belegt die Wegefähigkeit der Klägerin. Zudem ist diese in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
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Die Klägerin ist in der Lage, zu arbeitsmarktüblichen Bedingungen und nicht nur unter Anleitung und Aufsicht wie z.B. in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu arbeiten. Funktionelle Einschränkungen aufgrund einer gestörten Persönlichkeit sind, wie oben angeführt, nicht nachgewiesen.
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Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
- 1.
teilweise erwerbsgemindert sind, - 2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und - 3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
- 1.
voll erwerbsgemindert sind, - 2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und - 3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
- 1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und - 2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:
- 1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, - 2.
Berücksichtigungszeiten, - 3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt, - 4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.
(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.
(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.