LSGRLP L 5 KR 250/16

published on 31/08/2017 00:00
LSGRLP L 5 KR 250/16
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Gericht

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1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25.7.2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die klagende Versicherte gegen die beklagte Krankenkasse Anspruch auf eine stationäre Liposuktionsbehandlung auf Grund einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hat.

2

Die 1956 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Mit Schreiben vom 10.12.2015, bei der Beklagten eingegangen am 11.12.2015, beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine Operation ihres Lipödems. In dem beigefügten Attest vom 27.10.2015 diagnostizierte der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie Dr. R, Praxisklinik ..., bei der Klägerin chronifizierte Lipödeme an Oberarmen und Ober-/Unterschenkel Stadium II und empfahl drei medizinisch indizierte Liposuktionen unter stationären Bedingungen. Weiter beigefügt war ein Kostenvoranschlag des Dr. R über Gesamtkosten von 4.051,71 €, u.a. auch Kosten für „2 Nächte“. Der Briefkopf enthält neben den Tätigkeitsfeldern u.a. die Angaben „D, Universitätsklinik M, K, K H “ sowie „Privat und alle Kassen“.

3

Mit Bescheid vom 12.1.2016 lehnte die Beklagte die beantragte „stationäre Behandlung“ ab mit der Begründung, die Praxisklinik a R habe keine Zulassung als Krankenhaus. Die gesetzlichen Krankenkassen dürften bei der Inanspruchnahme solcher reinen Privatkliniken keinerlei Kosten übernehmen. Der Klägerin werde empfohlen, sich von ihrem behandelnden Arzt über vertragstypische stationäre Behandlungsalternativen beraten zu lassen und gegebenenfalls einen erneuten bzw. ergänzenden Antrag zu stellen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.3.2016 zurück.

4

Bereits am 21.1.2016 hatte die Klägerin Klage auf Feststellung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erhoben. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids hat sie die Klage auf eine Leistungsklage, verbunden mit einer Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids umgestellt (Schriftsatz vom 29.3.2016, Blatt 44 der Gerichtsakte). Mit Urteil vom 25.7.2016 hat das Sozialgericht Mainz festgestellt, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung einer dreizeitigen Liposuktionsbehandlung als Sachleistung vom 11.12.2015 gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellungsklage sei zulässig, da die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe, dass die begehrte Behandlung als genehmigt gelte. Die Klage sei auch begründet. Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V beschieden, ohne der Klägerin Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen. Aufgrund der dadurch eingetretenen fiktiven Genehmigung habe die Klägerin einen Naturalleistungsanspruch auf die begehrte Leistung. Die Klägerin habe die Leistung auch für erforderlich halten dürfen, da sie ihr ärztlich empfohlen worden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Praxisklinik des behandelnden Arztes nicht als Krankenhaus zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen sei. Auf dem Briefkopf des Behandlers seien mehrere Kliniken, in denen wohl Belegbetten vorgehalten würden, sowie „Privat und alle Kassen“ angegeben. Für die Klägerin sei daher nicht ersichtlich gewesen, dass eventuell die Zulassung als Krankenhaus fehle und der Anspruch bereits daran scheitern könnte. Die fiktive Genehmigung sei von der Beklagten auch nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben worden und habe sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt.

5

Gegen das ihr am 30.8.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.9.2016 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die von der Klägerin beantragte Leistung gelte nicht nach § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt. Üblicherweise werde bei einer derartigen privaten Behandlung ein privater Behandlungsvertrag geschlossen. Hieraus gehe in der Regel eindeutig hervor, dass es sich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Außerdem spreche sowohl der Vermerk auf dem Briefkopf des Behandlers „Privat und alle Kassen“ als auch die Bezeichnung als „Praxisklinik“ dafür, dass die Behandlung ambulant durchgeführt werden soll. Bei einer ambulanten Liposuktion handele es sich eindeutig um eine neue Behandlungsmethode, die „offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs“ liege, da es an der erforderlichen Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) fehle. Sie verweist auf Entscheidungen anderer Landessozialgerichte.

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

7

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25.7.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

9

die Berufung zurückzuweisen.

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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung war.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin eine stationäre Liposuktion als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.

12

Unerheblich ist, dass das Sozialgericht, obwohl die Klägerin ihre Klage von der ursprünglich erhobenen Feststellungsklage auf eine Leistungs- und Anfechtungsklage umgestellt hatte, durch Feststellungsurteil entschieden hat. Die hierdurch allein beschwerte Klägerin hat keine Berufung eingelegt.

13

Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf die beantragten Liposuktionen auf Grund einer fingierten Genehmigung nach § 13 Abs. 3a SGB V erfüllt sind. Sie hat ihren Antrag zeitlich nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmung zum 25.2.2013 gestellt. Auch der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet, da es sich bei den beantragten Liposuktionen um Sachleistungen und nicht um unmittelbare Geldleistungen oder Rehabilitationsleistungen im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 9 SGB V handelt (vgl. dazu BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, juris Rn. 10 ff.). Als Versicherte der Beklagten war die Klägerin auch grundsätzlich leistungsberechtigt.

14

Ihr Antrag war hinreichend bestimmt, da sich aus ihm in Verbindung mit dem beigefügten ärztlichen Attest und dem Kostenvoranschlag das Behandlungsziel - hier die Operation des Lipödems entsprechend dem vorgelegten Kostenvoranschlag - mit der erforderlichen Eindeutigkeit ergibt (vgl. BSG 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R, Terminbericht; speziell zur Liposuktion BSG 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R, Terminbericht). Es handelt sich auch um eine Leistung, die die Klägerin subjektiv für erforderlich halten durfte. Hierfür genügt es, dass der Leistungsberechtigte die Leistung aufgrund der fachlichen Befürwortung subjektiv für erforderlich halten durfte, die Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt und keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch vorliegen. In dem vorgelegten ärztlichen Attest war die beantragte Behandlung fachlich befürwortet worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt die beantragte Liposuktion auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung. Offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs liegt die Leistung nur, wenn dies jedem Versicherten klar sein muss und die Berufung auf die Genehmigungsfiktion rechtsmissbräuchlich wäre (z.B. betreffend den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil beim Zahnersatz, BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, juris Rn. 26 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/11710 S. 30).

15

Im vorliegenden Fall durfte die Klägerin auf Grund der fachlichen Befürwortung durch den behandelnden Arzt von der Erforderlichkeit der Leistung ausgehen und zwar unabhängig davon, ob die beantragte Behandlung ambulant oder stationär erbracht werden sollte. Geht man von einer ambulanten Behandlung aus, handelt es sich zwar um eine neue Behandlungsmethode, die zu Lasten der Krankenkassen grundsätzlich nur erbracht werden darf, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien eine positive Empfehlung für diese Methode abgegeben hat (§ 135 Abs. 1 Satz1 SGB V). Ungeachtet der Frage, ob fehlende Empfehlungen oder Leistungsausschlüsse des GBA jedem Versicherten klar sein müssen, kann bei fehlender Empfehlung des GBA ein Leistungsanspruch bestehen, wenn ein Systemversagen, ein Seltenheitsfall oder eine Notstandssituation im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegt. Ein „offensichtlicher“ Ausschluss aus dem Leistungskatalog liegt daher nicht vor (LSG Rheinland Pfalz 2.3.2017 - L 5 KR 277/16, juris Rn. 14; im Ergebnis ebenso BSG 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R, Terminbericht).

16

Geht man von einer stationären Durchführung der Liposuktion aus, musste der Klägerin ebenfalls nicht klar sein, dass diese außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt (LSG Rheinland-Pfalz 2.3.2017 - L 5 KR 217/16, juris Rn. 14). Denn insoweit ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ob es sich um eine Behandlungsmethode handelt, die ohne entsprechende Empfehlung des GBA zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden darf, weil sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet (§ 137c Abs. 3 SGB V, verneinend LSG Rheinland-Pfalz 18.5.2017 - L 5 KR 95/15 m.w.N. auch zur Gegenansicht). Unabhängig davon sind keine Hinweise für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin erkennbar, soweit diese der fachlichen Empfehlung der behandelnden Ärzte vertraut hat (im Ergebnis wohl auch BSG 11.7.2017 B 1 KR 1/17 R, Terminbericht, lt. Terminvorschau Nr. 31/17 vom 5.7.2017 betraf der Fall sowohl ambulante als auch stationäre Liposuktionen).

17

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Genehmigungsfiktion auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Behandlung von einem nicht zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Leistungserbringer erbracht werden sollte. Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass nach dem Briefkopf des Kostenvoranschlags der in Aussicht genommene Leistungserbringer Dr. R sinngemäß angibt, auch zur Behandlung von Versicherten „aller Kassen“ zugelassen zu sein und zugelassene Kliniken aufführt. Insoweit hat das Sozialgericht zu Recht ausgeführt, dass diese Angabe dahin verstanden werden kann, dass der Arzt stationäre Behandlungen in diesen zugelassenen Kliniken (z.B. in Belegbetten) durchführt. Daher durfte die Klägerin auch insoweit subjektiv davon ausgehen, dass die Leistung im Rahmen der Zulassung zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden würde. Ungeachtet dessen ist die Klägerin jedenfalls mit der Leistungsablehnung durch die Beklagte nicht mehr an zugelassene Leistungserbringer gebunden (BSG 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R, Terminbericht; anders noch LSG Rheinland-Pfalz 01.06.2017 - L 5 KR 12/17; 18.05.2017 - L 5 KR 60/16).

18

Die Beklagte hat über den am 11.12.2015 eingegangenen Antrag der Klägerin nicht innerhalb der - mangels Mitteilung über die Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) - maßgeblichen, am 2.1.2016 endenden Frist von drei Wochen, sondern erst mit dem Bescheid vom 12.1.2016 entschieden. Damit ist die Genehmigungsfiktion eingetreten. Die Beklagte hat den dadurch begründeten Verwaltungsakt (BSG 11.7.2017 - B 1 KR 1/17 R, Terminbericht) auch nicht wirksam zurückgenommen. Insbesondere ließ der ablehnende Bescheid der Beklagten die Wirksamkeit der fingierten Genehmigung nicht entfallen (BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, juris Rn. 32). Die fingierte Genehmigung hat sich auch nicht auf andere Weise erledigt. Die Genehmigungsfiktion begründet nicht nur einen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch einen Naturalleistungsanspruch (BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/16 R, juris Rn. 25).

19

Unter Berücksichtigung der in dem vorgelegten Kostenvoranschlag genannten Pauschalbeträge für Narkose, OP-Miete und Übernachtungen weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass im Falle der Selbstbeschaffung der Leistung durch die Klägerin die Abrechnung der Leistungen den Bestimmungen der GOÄ entsprechen muss, da ansonsten keine Zahlungspflicht der Klägerin und ggf. auch kein Freistellungs- oder Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten bestehen würde.

20

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

21

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

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(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B
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(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

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Annotations

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.