Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2014 - L 2 SO 4519/12

published on 10/12/2014 00:00
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. Dez. 2014 - L 2 SO 4519/12
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Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts F. vom 26. September 2012 sowie der Bescheid vom 6. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2012 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, dem Kläger Leistungen für eine pädagogische Hilfe im Kindergarten für den Zeitraum 1. November 2011 bis 31. August 2012 in Höhe von monatlich 460,00 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger Leistungen für eine pädagogische Hilfe im Kindergarten für den Zeitraum 01.11.2011 bis 31.08.2012 zu bewilligen hat.
Der am 2005 geborene Kläger leidet an einem Klinefelter Syndrom sowie damit verbundenen Entwicklungsverzögerungen, Interaktions- und Integrationsstörungen. Zu seinen Gunsten ist ein Grad der Behinderung von 80 seit dem 11.10.2013 festgestellt (zuvor GdB 70, anerkannte Funktionsbeeinträchtigungen: Klinefeltersyndrom, Psychomotorische Entwicklungsstörung, Lernbehinderung, Sprachentwicklungsverzögerung, Harninkontinenz).
Am 12.04.2010 beantragten die Eltern des Klägers für ihren Sohn heilpädagogische Frühförderung nach § 55 SGB IX und Eingliederungshilfe im Kindergarten nach den §§ 53, 54 SGB XII (Bl. 1 Verwaltungsakte - VA -). In einem ärztlichen Zeugnis vom 22.03.2010 bestätigte der behandelnde Kinderarzt Dr. N. das Vorliegen eines Klinefelter Syndroms, einer senso-/psychomotorisch-perzeptiven Entwicklungsverzögerung, einer Sprachentwicklungsverzögerung (rückläufig) sowie von sozioemotionalen Interaktions- und Integrationsstörungen. Organisch funktionell bestünden grob-/feinmotorische und koordinative Defizite, eine sensomotorisch-perzeptive Integrationsschwäche sowie eine sozio-emotionale Problematik (Bl. 5 VA). Entsprechende Befunde und Diagnosen finden sich auch in Berichten des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) der Universität F. vom 26.02. und 05.08.2010 (globale psychomotorische Retardierung, Verhaltensauffälligkeiten im Sinne sozialer Ängstlichkeit und Vermeidungsverhalten; eine Integrationshilfe sei notwendig, um die Spirale von Vermeidung und Rückzug zu unterbrechen und S. die Möglichkeit zu geben, sein Entwicklungspotenzial zu entfalten, Bl. 11 u. 49 VA). Der katholische Kindergarten St. J. teilte auf Nachfrage des Beklagten mit, Aufmerksamkeit, Konzentration und Ausdauer des Klägers seien begrenzt. Er benötige Unterstützung und Anleitung, um in ein konstruktives Spiel mit den anderen Kindern zu finden (Bl. 29 VA).
Mit Bewilligungsbescheid vom 09.09.2010 (Bl. 71 VA) erteilte der Beklagte eine befristete Kostenzusage für die Zeit vom 01.09.2010 bis 31.07.2011 für die Gewährung von Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII im Kindergarten St. J. in Höhe von monatlich 460,00 EUR für eine pädagogische Hilfe für den Kläger.
Laut Bericht der durchführenden Heilpädagogin vom Juni 2011 (Bl. 103 VA) wurde die Einzelintegration im Kindergarten St. J. für den Kläger seit Oktober 2010 mit 5,75 Stunden wöchentlich durchgeführt. Nachdem zunächst noch die Ergebnisse weiterer Untersuchungen am SPZ des Universitätsklinikums F. abgewartet werden sollten, bewilligte der Beklagte die Vergütung für die pädagogische Hilfe zunächst befristet weiter für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.10.2011 (weiter monatlich 460,00 EUR). Über eine Verlängerung werde entschieden, sobald der SPZ-Bericht vorliege und der konkrete Hilfebedarf im Kindergarten ermittelt worden sei (Bescheid vom 31.8.2011, Bl. 123 VA).
Laut erneutem Bericht des SPZ des Universitätsklinikums F. vom 10.10.2011 (Bl. 155 VA) bestand beim Kläger neben dem Klinefelter Syndrom ein kognitives Leistungsniveau in Höhe einer Lernbehinderung. Er sei sehr zurückhaltend und eher ängstlich in Sozialkontakten. Das im Rahmen der psychologischen Testungen erzielte Ergebnis entspreche einem kognitiven Leistungsniveau in Höhe einer Lernbehinderung an der Grenze zu einer leichten Intelligenzminderung (IQ 72). Besondere Stärken habe der Kläger im Bereich der Fertigkeiten/erworbenen Fähigkeiten gezeigt, was für eine gute Förderung des Kindes spreche. Defizite zeigten sich - trotz erfreulicherweise erreichten Fortschritten - im Bereich der sozialen Kompetenzen und in seinem Arbeits- und Kontaktverhalten. Die Fortführung der Integrationsmaßnahme im Regelkindergarten im letzten Kindergartenjahr werde für dringend indiziert gehalten. Laut Bericht einer Mitarbeiterin des Beklagten (pädagogische Fachkraft) vom 20.10.2011 (Bl. 163 VA) hielt diese nicht zuletzt mit Blick auf die aktuellen Testungen im SPZ rückblickend die seit 2010 bewilligte pädagogische Hilfe für gerechtfertigt. Sie habe im Rahmen eines Besuchs im Kindergarten feststellen können, dass der Kläger mittlerweile ansatzweise integriert sei. Er schaffe es beispielsweise, mit anderen Kindern in der Bauecke zu bauen und zu kommunizieren. In Situationen, die für ihn unvorhergesehen eintreten würden, könne er noch nicht zeitnah reagieren (z.B. Kinder wechseln das Spiel, damit den Ort und den Raum). Hier könne der Kläger nicht folgen und verliere den Anschluss an die Gruppe. In Konfliktsituationen schaffe es der Kläger vereinzelt, sich angemessen zu steuern und auch mal nachzugeben, in Interaktion zu treten und den Konflikt zu lösen. Kinder seines Alters seien in ihren Denkleistungen schneller, der Kläger komme da oft einfach noch nicht hinterher. Insgesamt sei er auf einem sehr guten Weg, der mit einem reduzierten heilpädagogischen Hilfsangebot im Kindergarten zu einem guten Ende führen werde. Die Teilhabefähigkeit sei nach einer guten Förderung durch die bisherige Integrationshilfe nur noch in geringem Umfang eingeschränkt, was eine Reduzierung der Maßnahme rechtfertige.
Mit Bescheid vom 06.12.2011 (Bl. 181 VA) erteilte der Beklagte Kostenzusage für die heilpädagogische Frühförderung des Klägers für 1,5 Behandlungseinheiten (BE) wöchentlich im katholischen Kindergarten St. J. in E. für den Zeitraum 01.11.2011 bis 31.07.2012. Die mit Bescheid vom 31.08.2011 bewilligte und bis 31.10.2011 befristete Integration im Kindergarten werde nicht mehr verlängert. Voraussetzung für die Gewährung einer Integration im Kindergarten sei gemäß § 53 SGB XII das Vorliegen einer nicht nur vorübergehenden wesentlichen geistigen, körperlichen oder seelischen Behinderung und das Vorliegen eines behinderungsbedingten zusätzlichen Mehrbedarfs. Bei dem Kläger sei in einer mehrdimensionalen Bereichsdiagnostik in der Neuropädiatrischen Ambulanz und Sozialpädiatrischen Zentrum F. ein kognitives Leistungsniveau in Form einer Lernbehinderung, Klinefelter Syndrom sowie eine Ängstlichkeit in Sozialkontakten diagnostiziert worden. Aus dem SPZ-Bericht sei zu entnehmen, dass der Kläger in neuen Situationen noch immer verschlossen und zurückhaltend reagiere und häufig Vermeidungs- und Rückzugstendenzen aufzeige. Dieser Bedarf des Klägers aufgrund seiner Lernbehinderung und nicht aufgrund seiner geistigen Behinderung könne am ehesten, auch nach Beurteilung der pädagogischen Fachkraft, mit der Zielsetzung von heilpädagogischer Frühförderung entsprochen werden.
Laut Berechnung des Kreissozialamts vom 06.12.2011 ergab sich bei 1,5 BE pro Woche (42,13 EUR pro Behandlungseinheit) ein monatlicher Betrag von 273,00 EUR (Bl. 185 VA).
Hiergegen erhob der Kläger am 05.01.2012 Widerspruch (Bl.195 VA). Aus dem Bescheid ergebe sich nicht nachvollziehbar, warum die bislang bewilligte und sachgerechte Leistung (Bescheid vom 31.08.2011) nicht mehr bewilligt werde. Vom Universitätsklinikum F. (Neuropädiatrische Ambulanz und Sozialpädiatrisches Zentrum vom 10.10.2011) werde ausdrücklich die Notwendigkeit der Fortsetzung der bisherigen Integrationsmaßnahme bestätigt. Ergänzend legte der Kläger einen weiteren Bericht von Prof. K. , Neuropädiatrische Ambulanz und Sozialpädiatrisches Zentrum des Universitätsklinikums F. vom 29.12.2011 vor, in dem nochmals darauf hingewiesen wurde, dass der beim Kläger vorliegende Intelligenzquotient von 72 einer schweren Lernbehinderung an der Grenze zur geistigen Behinderung entspreche. Auch für ihn sei es unverständlich, warum bei einem IQ-Wert von 72 mit dem Argument eines zu geringen Hilfebedarfes die Integrationshilfe abgelehnt werde. Der Wert liege ja nicht mitten im Lernbehindertenbereich, sondern unmittelbar an der Grenze zur geistigen Behinderung. Da der Kläger zusätzlich sehr schüchtern und zurückgezogen sei, sei bei ihm die endgültige Entscheidung, ob er in der Lernbehindertenschule zurechtkommen werde oder nicht doch eine G-Beschulung brauche, noch keinesfalls entschieden. Eine optimale Förderung in der Vorschulzeit sollte dazu beitragen, sein endgültiges schulisches Niveau etwas anzuheben, insbesondere im Sinne eines integrativen oder inklusiven Modells oberhalb der Geistigbehindertenschule (Bl. 237 VA).
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In einem ergänzend von Klägerseite vorgelegten Gutachten des Medizinischen Dienstes der privaten Krankenversicherungen vom 20.12.2011 wurde der Kläger in Pflegestufe I eingestuft (Bl. 241 VA).
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Einen beim Sozialgericht F. gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht (SG) mit Beschluss vom 22.03.2012 ab (S 4 SO 563/132 ER). Das SG hielt einen Anordnungsanspruch für nicht glaubhaft gemacht. Lernbehinderte Menschen seien im Allgemeinen nicht als geistig wesentlich behindert anzusehen. Aus den Berichten des Sozialpädiatrischen Zentrums, in denen ein Klinefelter Syndrom, eine kognitive Entwicklungsstörung vom Schweregrad einer schweren Lernbehinderung an der Grenze zur leichten geistigen Behinderung diagnostiziert werde, lasse sich eine drohende wesentliche Behinderung nicht herleiten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Bl. 333 VA). Eingliederungshilfe zur Integration in den Kindergarten sei nach §§ 53 und 54 SGB XII dann zu gewähren, wenn eine wesentliche Behinderung oder eine drohende wesentliche Behinderung vorliege und ein behinderungsbedingter zusätzlicher Bedarf bestehe. Bei der von der Neuropädiatrischen Ambulanz durchgeführten Testung habe der Kläger ein kognitives Leistungsniveau in Höhe einer Lernbehinderung erzielt. Ferner hätten sich Defizite im Bereich der sozialen Kompetenzen und in seinem Arbeits- und Kontaktverhalten gezeigt. Dieser Bedarf sei ebenfalls von der Fachkraft des Beklagten anlässlich eines Besuches im Kindergarten bestätigt worden. Das Aufarbeiten dieser Defizite bzw. Bedarfe könne in Einzel- oder Gruppenarbeit im Kindergarten im Rahmen der heilpädagogischen Frühförderung erfolgen. Nach § 54 SGB XII i.V.m. §§ 55 und 56 SGB IX erhielten Kinder, die noch nicht eingeschult seien, heilpädagogische Leistungen unabhängig von Art, Ausmaß und Schwere der Behinderung. Nach Auffassung des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg (Schreiben vom 04.07.2011 und Rundschreiben Landkreistag Baden-Württemberg vom 18.08.2011 sowie BT-Drucksache 14/5074 S. 111) sei das Vorliegen einer wesentlichen Behinderung bzw. drohenden wesentlichen Behinderung für die Gewährung heilpädagogischer Leistungen im Vorschulalter seit Einführung des SGB IX nicht mehr Voraussetzung. Um dem Bedarf des Klägers gerecht zu werden, obwohl hier nachweislich weder eine wesentliche noch eine drohende wesentliche Behinderung vorliege, sei mit Bescheid vom 06.12.2012 eine heilpädagogische Frühförderung in Höhe von 1,5 Behandlungseinheiten wöchentlich (monatlich 272,00 EUR) bewilligt worden. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe - pädagogische Hilfe im Kindergarten - bestehe nicht.
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Hiergegen hat der Kläger am 21.05.2012 beim Sozialgericht F. (SG) Klage erhoben. Er hat weiterhin die Gewährung einer pädagogischen Hilfe im Kindergarten bis zum 31.08.2012 begehrt, wie im Bescheid vom 31.08.2011 bewilligt. Die Eingliederungshilfeleistungen seien vom Kindergarten zwischenzeitlich auch erbracht worden, bislang aber noch nicht bezahlt. Der Kindergarten werde die Leistungen voraussichtlich bis einschließlich August 2012 weiter erbringen. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid stünden im Widerspruch zur Einschätzung des Staatlichen Schulamtes F.. Dieses habe mit Schreiben vom 24.05.2012 festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch auf eine sonderpädagogische Beschulung im Sinne der Schule für geistig Behinderte habe und ihn deshalb der Integrativen Walldorfschule in E. zugewiesen. Eine schwere Lernbehinderung sei eine geistige Behinderung im Sinne von § 2 EinglHV. Laut pädagogischem Bericht vom 15.03.2012 (Bl. 18 SG-Akte) sei die Gutachterin zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger weiterhin umfangreiche besondere Förderung benötige. In dem Bericht sei zum Entwicklungsstand ausgeführt: „S. kann selbstständig essen. Beim Ausziehen braucht er kaum Hilfe, beim Anziehen ist er jedoch immer wieder auf Unterstützung angewiesen. Er muss regelmäßig daran erinnert werden, auf die Toilette zu gehen; vor allem beim intensiven Spielen draußen im Garten vergisst er immer wieder, zur Toilette zu gehen. S. getraut sich nicht, sich alleine im Kindergarten zu bewegen, z.B. von einem Gruppenraum in den anderen. Im Straßenverkehr hat er noch keinerlei Gefahrenbewusstsein entwickelt. Auch in bekannter häuslicher Umgebung kann er keine Wegstrecken z.B. zu Nachbarn alleine bewältigen.“ Seine Wahrnehmungsfähigkeit sei eingeschränkt. Er sei z.B. nicht in der Lage, Zahlen oder kurze Sätze nachzusprechen. Seine Motorik sei nicht altersgerecht entwickelt. Er könne beispielsweise beim Schwimmen Arm- und Beinbewegungen noch nicht koordinieren und habe große Schwierigkeiten, die Finger isoliert zu bewegen. Laut weiterem Verlaufsbericht des SPZ vom 26.06.2012 (Bl. 47 SG-Akte) liege das kognitive Leistungsniveau weiterhin an der Grenze einer leichten Intelligenzminderung/geistigen Behinderung und einer deutlichen Lernschwäche. Defizite zeigten sich vor allem im Bereich des Arbeitsgedächtnisses/Merkfähigkeit. Hier lägen die Fähigkeiten in der Höhe einer leichten Intelligenzminderung/geistigen Behinderung. Die Stärken lägen eher im ganzheitlichen Verarbeiten, z.B. auch bei visuellen Aufgabenstellungen. Es werde aktuell eine Beschulung auf dem Bildungsniveau einer Schule für geistig Behinderte empfohlen, vor allem auch um den Kläger zu Beginn seiner schulischen Laufbahn nicht zu überfordern. Bereits jetzt zeige der Kläger stressinduzierte Symptome wie Nägel kauen oder beginnende vorübergehende Ticks. Eine integrative bzw. inklusive Beschulung werde als sinnvoll erachtet.
14 
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Aus dem pädagogischen Bericht ergebe sich zwar derzeit ein sonderpädagogischer Bedarf, nach wie vor bleibe es jedoch bei der Diagnose „kognitive Entwicklungsstörung vom Schweregrad einer schweren Lernbehinderung an der Grenze zur leichten geistigen Behinderung“. Es sei daher nach wie vor davon auszugehen, dass beim Kläger weder eine wesentliche geistige Behinderung noch eine drohende wesentliche geistige Behinderung vorliege. Ein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe - pädagogische Hilfe im Kindergarten - bestehe daher nicht.
15 
Mit Urteil vom 26.09.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es sei mit Prof. K. und den vorliegenden Berichten aus dem Universitätsklinikum F., Neuropädiatrische Ambulanz und Sozialpädiatrisches Zentrum davon auszugehen, dass beim Kläger ein Klinefelter Syndrom sowie eine kognitive Entwicklungsstörung vom Schweregrad einer schweren Lernbehinderung an der Grenze zur leichten geistigen Behinderung vorliege. Eine geistige Behinderung sei nicht diagnostiziert worden. Prof. K. habe lediglich für die Zukunft zunächst eine Beschulung auf dem Bildungsniveau einer Schule für geistig Behinderte empfohlen, um den Kläger zu Beginn seiner schulischen Laufbahn nicht zu überfordern. Zu beachten sei überdies, dass es sich bei dem Klinefelter Syndrom um eine Chromosomenanomalie handele, die sich auf die kognitive und körperliche Entwicklung und Leistungsfähigkeit der Jungen und Männer mit dem Klinefelter Syndrom auswirke. Dabei könne indes nicht generell gesagt werden, welche Symptome sich in welcher Ausprägung bei einem Jungen bzw. Mann ausbildeten. Daher erschiene es unzulässig, bei der Bestimmung der Eingliederungsleistungen allein auf das Vorliegen des Syndroms als solches abzustellen. Vielmehr seien die individuellen Einschränkungen des jeweils Betroffenen zu berücksichtigen.
16 
Gegen das dem Klägerbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 15.10.2012 zugestellte Urteil hat dieser am 30.10.2012 Berufung eingelegt. Das erstinstanzliche Gericht habe sich mit dem Begriff der Behinderung und der Beeinträchtigung der Teilhabechancen des Betroffenen in keiner Weise auseinandergesetzt, sondern vielmehr eine formale und vollkommen verfehlte Sichtweise vorgezogen. Weder der Beklagte noch das erstinstanzliche Gericht hätten den Bedarf sachgerecht ermittelt. Eine Behinderung im Sinne der EinglHV liege dann vor, wenn die Teilhabechancen des Betroffenen nachhaltig beeinträchtigt seien. Der Behinderungsbegriff der EinglHV sei veraltet und durch den Behinderungsbegriff des § 2 SGB IX modernisiert worden. Auch nach der EinglHV könne jedoch nicht festgestellt werden, dass eine geistige Behinderung im Sinne von § 53 SGB XII nur dann vorliege, wenn ein bestimmter Intelligenzquotient unterschritten werde. Es komme vielmehr darauf an, ob die Teilhabechancen des Betroffenen signifikant vermindert seien (so auch BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 8 SO 30/10 R, Rdnr. 18, 19). Dies könne nicht sinnvoll verneint werden, wenn das Staatliche Schulamt feststelle, dass ein Förderbedarf im Sinne der Notwendigkeit des Besuchs einer Schule für geistig Behinderte (G-Schule) vorliege. Die streitgegenständlichen Teilhabeleistungen habe der Kläger zwischenzeitlich erhalten. Der katholische Kindergarten, der die Leistungen erbracht habe, habe sie dem Kläger in Rechnung gestellt. Der Anspruch sei also nicht entfallen. Die Kosten seien nach wie vor vom Beklagten zu übernehmen. Inhaltlich handele es sich um genau dieselbe Leistung, die im Zeitraum vom 01.08.2011 bis 31.10.2011 auf Basis des Bescheides des Beklagten vom 31.08.2011 geleistet worden sei. Der Kläger sei erfolgreich durch den Kindergarten begleitet worden und besuche seit der Einschulung ebenso erfolgreich und ebenfalls mit Hilfe der erforderlichen Unterstützung die Schule.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts F. vom 26. September 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 06. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen für eine pädagogische Hilfe im Kindergarten in Höhe von monatlich 460 EUR für den Zeitraum vom 01. November 2011 bis zum 31. August 2012 zu gewähren.
19 
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
21 
Der Vorwurf des Klägers, dass der Teilhabebedarf nicht ausreichend recherchiert worden sei, sei nicht haltbar. Anlässlich eines Besuches im Kindergarten sei durch eine pädagogische Fachkraft der Teilhabebedarf des Klägers ermittelt worden. Danach hätten sich Defizite im Bereich der sozialen Kompetenzen und dem Arbeits- und Kontaktverhalten gezeigt. Um dem Bedarf des Klägers gerecht zu werden, obwohl hier nachweislich weder eine wesentliche noch drohende wesentliche Behinderung vorgelegen habe, seien Leistungen im Rahmen der heilpädagogischen Frühförderung in Höhe von monatlich 272,00 EUR bewilligt worden.
22 
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 SGG zulässig. Sie ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn dem Kläger stehen Leistungen der Eingliederungshilfe zur Einzelintegration im Kindergarten auch über den 30.10.2011 hinaus bis zum Abschluss des Kindergartens zu.
24 
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 6.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.4.2012, mit dem der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 1.11.2011 bis 31.8.2012 anstelle der begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe zur Einzelintegration im Kindergarten „nur“ noch heilpädagogische Frühforderung für 1,5 Behandlungseinheiten wöchentlich bewilligt hat.
25 
Nach § 53 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzunehmen, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 SGB IX sind erfüllt, wenn - soweit einschlägig - die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden auch heilpädagogische Leistungen für Kinder erbracht, die noch nicht eingeschult sind (§§ 54 SGB XII i.V.m. §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 56 SGB IX).
26 
Im Fall des Klägers liegt eine Behinderung im Sinne einer geistigen Leistungsstörung vor. Diese Behinderung ist nach der Überzeugung des Senats auch wesentlich.
27 
Wann eine geistige Behinderung wesentlich ist, ergibt sich aus § 2 der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Eingliederungshilfe-Verordnung - (EinglHV). Geistig wesentlich behindert im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind danach Personen, die infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte in erheblichem Umfange in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sind. Die Prüfung der Wesentlichkeit einer Behinderung ist wertend an deren Auswirkungen für die Eingliederung in der Gesellschaft auszurichten. Die „geistigen Kräfte“ im Sinne des § 2 EinglHV sind keine einheitliche Größe, sondern setzen sich aus einer Vielzahl von Komponenten zusammen (so schon BVerwG, Urt. v. 28.9.1995, 5 C 21/93, juris Rn. 13). Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (BSG, Urt. v. 22.3.2012, B 8 SO 30/10 R, juris Rn. 19). Eine erhebliche Einschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, jedenfalls dann vor, wenn die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer Grundschule entgegenstehen, weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (BSG a.a.O. sowie BSG, Urt. v. 3.11.2011, B 3 KR 8/11 R, Rn. 22).
28 
Mithin reicht - hierauf hat der Beklagte zutreffend hingewiesen - allein die Diagnose des Klinefelter-Syndromes beim Kläger nicht aus, das Vorliegen einer wesentlichen Behinderung im dargelegten Sinne zu begründen. Allerdings kann ebenso wenig ausschließlich auf den im Fall des Klägers bei den Testungen im SPZ der Universitätsklinik F. ermittelten Intelligenzquotienten von 72 verwiesen und hierauf die Annahme gestützt werden, beim Kläger liege somit „nur“ eine Lernbehinderung vor, die eine wesentliche geistige Behinderung ausschließe. Hiermit würde man der vom BSG geforderten wertenden Betrachtung der Auswirkungen der Beeinträchtigungen auf die Teilhabemöglichkeiten nicht gerecht. Als Kriterien zur Feststellung der Wesentlichkeit müssen vielmehr verschiedene Faktoren herangezogen werden. So erscheint es sinnvoll, in verschiedenen Lebensbereichen zu prüfen, ob die selbständige Ausführung möglich ist, ob Hilfsmittel benötigt werden, ob personelle Hilfe benötigt wird oder die Ausführung gar nicht möglich ist. Wesentliche Lebensbereiche sind Selbstversorgung und Mobilität, Haushaltsführung, Orientierung und Kommunikation sowie das Sozialverhalten. Ohne dass hieran eine Bindung des Gerichts bestünde, wird darauf hingewiesen, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe im Rahmen ihrer „Orientierungshilfe für die Feststellungen der Träger der Sozialhilfe zur Ermittlung der Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB XII i.V. m. der EinglHV“ vom 24.11.2009 ausdrücklich darauf hinweist, dass eine alleinige Berücksichtigung oder Nutzung von IQ-Werten nicht ausreichend ist (S. 14). Die Orientierungshilfe empfiehlt vielmehr, zur Ausfüllung der gesetzlichen Vorschriften auf die Erläuterungen des ICD-10 sowie des Diagnostischen Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM IV) zurückzugreifen. Nach dem ICD-10 müssen neben einer Minderung der Intelligenz (IQ unter 70) auch Störungen in der Anpassung an die Anforderungen des alltäglichen Lebens vorhanden sein. Nach dem DSM IV liegt eine bedeutsame und wesentliche Minderung intellektueller Fähigkeiten vor, wenn - anders als im ICD-10 - ein IQ-Wert von unter 75 vorliegt (Kriterium A), wenn erhebliche Einschränkungen der Anpassungsfähigkeit in mindestens zwei der Bereiche Kommunikation, eigenständige Versorgung, häusliches Leben, soziale/zwischenmenschliche Fähigkeiten, Nutzung öffentlicher Einrichtungen, Selbstbestimmtheit sowie funktionale Schulleistungen/Arbeit/Freizeit/Gesundheit/Sicherheit vorliegen (Kriterium B) und wenn die Störung vor dem 18. Lebensjahr aufgetreten ist (Kriterium C). Bereits die Tatsache, dass als „Grenz-IQ-Wert“ auch von Medizinern unterschiedliche Werte genannt werden, zeigt, dass es hierauf allein nicht ankommen kann.
29 
Im Fall des Klägers liegen wesentliche Defizite in mehreren der genannten Bereiche vor. In Berichten sowohl des behandelnden Kinderarztes als auch aus dem SPZ des Universitätsklinikums F. wurden dem Kläger eine Sprachentwicklungsverzögerung, organisch-funktionelle Defizite (Grob-Feinmotorik, Koordination, tapsiges Gangbild, Diadochokinese sehr ungelenk), eine globale psychomotorische Retardierung und Verhaltensauffälligkeiten (soziale Ängstlichkeit und Vermeidungsverhalten, Defizite im Bereich soziale Kompetenzen sowie Arbeits- und Kontaktverhalten, vgl. insbes. Berichte v. 10.10.2011, Bl. 155 VA, vom 29.12.2011, Bl. 237 VA und vom 26.6.2012, Bl. 47 SG-Akte) bescheinigt. In kognitiver Hinsicht haben zahlreiche Testungen ein Leistungsniveau im Grenzbereich einer leichten Intelligenzminderung (geistigen Behinderung)/deutlichen Lernbehinderung ergeben. Die Defizite im Bereich Arbeitsgedächtnis und Merkfähigkeit lagen in der Höhe einer leichten Intelligenzminderung/geistigen Behinderung, Stärken eher im ganzheitlichen Verarbeiten, z.B. auch bei visuellen Aufgabenstellungen (vgl. zuletzt Bericht SPZ vom 26.6.2012, Bl. 47 SG-Akte).
30 
Aus dem Kindergarten (Bl. 103 ff. VA) wurde von Defiziten im körperlichen Bereich (schlaffe Körperspannung, schwerer Gang, Meidung von Überkreuzbewegungen, nicht altersgerechte Auge-Hand-Koordination z.B. beim Ballfangen, verzögerte Malentwicklung) sowie im Bereich der sozio-emotionalen Entwicklung (nicht altersentsprechende Fähigkeit zum Nacherzählen von Geschichten, wenig nonverbale und verbale Kommunikation mit anderen Kindern, nicht altersgemäße Konflikt- und Frustrationsfähigkeit bzw. Fähigkeit zur Einhaltung von Regeln, mangelndes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen) berichtet. Die pädagogische Fachkraft des Beklagten Frau K. (Bereich Hilfeplanung des Beklagten, Bl. 163 VA) hat nach einem Vorortbesuch am 20.10.2011 den Kläger als lediglich „ansatzweise integriert“ in den Kindergarten beschrieben. Allerdings sah sie ihn weiterhin nur vereinzelt befähigt, in Konflikten angemessen zu reagieren und in seinen Denkleistungen im Vergleich zu den anderen Kindern deutlich langsamer. Nachdem allerdings Frau K. die Bewilligung der pädagogischen Hilfe für den vorangegangenen Zeitraum ausdrücklich als gerechtfertigt bezeichnet, erscheint nicht ganz nachvollziehbar, worin genau die Verbesserung liegen sollte, die nunmehr für die letzten Kindergartenmonate eine geänderte Bewertung (hinsichtlich der Frage der Wesentlichkeit der Behinderung) rechtfertigen könnte.
31 
Auch im Alltag zu Hause besteht nach den glaubhaften Angaben der Eltern des Klägers ein erhöhter Betreuungs- und Unterstützungsaufwand im grundpflegerischen Bereich (anhaltende Inkontinenz, gelegentlich Stuhlinkontinenz trotz Toilettentrainings, Unterstützung bei Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, eingeschränkte Fähigkeit zur Gefahrenabschätzung, deutlich erniedrigte Frustrationsschwelle, psychomotorische Unruhezustände, vgl. auch Kinder-Pflegegutachten vom 20.12.2011, Bl. 241 VA). In dem zuletzt genannten Gutachten wird dem Kläger - auch unter Berücksichtigung des kindlichen Entwicklungszustandes - eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz bescheinigt.
32 
In der Gesamtschau dieser Angaben und Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger erhebliche Defizite in mehreren verschiedenen Bereichen (Kommunikation und soziale Interaktion, Selbst- und häusliche Versorgung, kognitive Leistungen) hat, die zu einem besonderen Unterstützungsbedarf sowohl im häuslichen Bereich (Elternhaus) als auch im außerhäuslichen Bereich (Kindergarten) führen. Lediglich als ergänzendes Argument und im Sinne einer Plausibilitätskontrolle kann noch angeführt werden, dass im Fall des Klägers ein Grad der Behinderung von 70 (seit 11.10.2013 von 80) festgestellt wurde und die Merkzeichen G, B und H zuerkannt sind. Im Rahmen der vom Bundessozialgericht verlangten wertenden Betrachtung gelangt der Senat zu der Schlussfolgerung, dass das Tatbestandsmerkmal einer wesentlichen Behinderung beim Kläger entgegen der Auffassung des Beklagten auch im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt war.
33 
Der Kläger gehört daher entgegen der Auffassung des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich zum leistungsberechtigten Personenkreis i.S.d. §§ 53, 54 SGB XII.
34 
Der Kläger hatte somit auch im streitgegenständlichen Zeitraum 1.11.2011 bis 31.8.2012 Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe, vorliegend in Form der Weiterbewilligung der bereits zuvor seit dem 1.9.2010 gewährten pädagogischen Einzelintegration im Kindergarten. Hinsichtlich der Höhe erscheint dem Senat - mit Blick auf die wohl die entsprechende Verwaltungspraxis abbildende vom Beklagten zuletzt noch vorgelegte Arbeitshilfe für die Gewährung von Eingliederungshilfe in Kindergärten vom 17.12.2011 (Bl. 84 LSG-Akte) und mangels klarer Anhaltspunkte für einen deutlich geringeren Bedarf des Klägers der bereits zuvor bewilligte Betrag von 460,00 EUR weiter angemessen. Gerade unter Berücksichtigung der bisher erfolgreich verlaufenen Integration im Kindergarten und die bevorstehende Einschulung ist die Weiterbewilligung in der bisherigen Höhe auch geboten, um die Kontinuität der Förderung des Klägers und die Wirksamkeit der zuvor gewährten Hilfe zu sichern (vgl. - mit etwas anderem zugrundeliegendem Sachverhalt - insoweit bereits BVerwG, Urt. v. 28.9.1995, 5 C 21/93, juris Leitsatz Nr. 2, Rn. 19f.: Fortgewährung einer Eingliederungshilfeleistung, um die Wirksamkeit der zuvor gewährten Hilfe zu sichern).
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Der Berufung war daher stattzugeben und der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Gründe

 
23 
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144 SGG zulässig. Sie ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn dem Kläger stehen Leistungen der Eingliederungshilfe zur Einzelintegration im Kindergarten auch über den 30.10.2011 hinaus bis zum Abschluss des Kindergartens zu.
24 
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 6.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.4.2012, mit dem der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 1.11.2011 bis 31.8.2012 anstelle der begehrten Leistungen der Eingliederungshilfe zur Einzelintegration im Kindergarten „nur“ noch heilpädagogische Frühforderung für 1,5 Behandlungseinheiten wöchentlich bewilligt hat.
25 
Nach § 53 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzunehmen, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 SGB IX sind erfüllt, wenn - soweit einschlägig - die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden auch heilpädagogische Leistungen für Kinder erbracht, die noch nicht eingeschult sind (§§ 54 SGB XII i.V.m. §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 56 SGB IX).
26 
Im Fall des Klägers liegt eine Behinderung im Sinne einer geistigen Leistungsstörung vor. Diese Behinderung ist nach der Überzeugung des Senats auch wesentlich.
27 
Wann eine geistige Behinderung wesentlich ist, ergibt sich aus § 2 der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Eingliederungshilfe-Verordnung - (EinglHV). Geistig wesentlich behindert im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind danach Personen, die infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte in erheblichem Umfange in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sind. Die Prüfung der Wesentlichkeit einer Behinderung ist wertend an deren Auswirkungen für die Eingliederung in der Gesellschaft auszurichten. Die „geistigen Kräfte“ im Sinne des § 2 EinglHV sind keine einheitliche Größe, sondern setzen sich aus einer Vielzahl von Komponenten zusammen (so schon BVerwG, Urt. v. 28.9.1995, 5 C 21/93, juris Rn. 13). Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (BSG, Urt. v. 22.3.2012, B 8 SO 30/10 R, juris Rn. 19). Eine erhebliche Einschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, jedenfalls dann vor, wenn die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer Grundschule entgegenstehen, weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (BSG a.a.O. sowie BSG, Urt. v. 3.11.2011, B 3 KR 8/11 R, Rn. 22).
28 
Mithin reicht - hierauf hat der Beklagte zutreffend hingewiesen - allein die Diagnose des Klinefelter-Syndromes beim Kläger nicht aus, das Vorliegen einer wesentlichen Behinderung im dargelegten Sinne zu begründen. Allerdings kann ebenso wenig ausschließlich auf den im Fall des Klägers bei den Testungen im SPZ der Universitätsklinik F. ermittelten Intelligenzquotienten von 72 verwiesen und hierauf die Annahme gestützt werden, beim Kläger liege somit „nur“ eine Lernbehinderung vor, die eine wesentliche geistige Behinderung ausschließe. Hiermit würde man der vom BSG geforderten wertenden Betrachtung der Auswirkungen der Beeinträchtigungen auf die Teilhabemöglichkeiten nicht gerecht. Als Kriterien zur Feststellung der Wesentlichkeit müssen vielmehr verschiedene Faktoren herangezogen werden. So erscheint es sinnvoll, in verschiedenen Lebensbereichen zu prüfen, ob die selbständige Ausführung möglich ist, ob Hilfsmittel benötigt werden, ob personelle Hilfe benötigt wird oder die Ausführung gar nicht möglich ist. Wesentliche Lebensbereiche sind Selbstversorgung und Mobilität, Haushaltsführung, Orientierung und Kommunikation sowie das Sozialverhalten. Ohne dass hieran eine Bindung des Gerichts bestünde, wird darauf hingewiesen, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe im Rahmen ihrer „Orientierungshilfe für die Feststellungen der Träger der Sozialhilfe zur Ermittlung der Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB XII i.V. m. der EinglHV“ vom 24.11.2009 ausdrücklich darauf hinweist, dass eine alleinige Berücksichtigung oder Nutzung von IQ-Werten nicht ausreichend ist (S. 14). Die Orientierungshilfe empfiehlt vielmehr, zur Ausfüllung der gesetzlichen Vorschriften auf die Erläuterungen des ICD-10 sowie des Diagnostischen Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM IV) zurückzugreifen. Nach dem ICD-10 müssen neben einer Minderung der Intelligenz (IQ unter 70) auch Störungen in der Anpassung an die Anforderungen des alltäglichen Lebens vorhanden sein. Nach dem DSM IV liegt eine bedeutsame und wesentliche Minderung intellektueller Fähigkeiten vor, wenn - anders als im ICD-10 - ein IQ-Wert von unter 75 vorliegt (Kriterium A), wenn erhebliche Einschränkungen der Anpassungsfähigkeit in mindestens zwei der Bereiche Kommunikation, eigenständige Versorgung, häusliches Leben, soziale/zwischenmenschliche Fähigkeiten, Nutzung öffentlicher Einrichtungen, Selbstbestimmtheit sowie funktionale Schulleistungen/Arbeit/Freizeit/Gesundheit/Sicherheit vorliegen (Kriterium B) und wenn die Störung vor dem 18. Lebensjahr aufgetreten ist (Kriterium C). Bereits die Tatsache, dass als „Grenz-IQ-Wert“ auch von Medizinern unterschiedliche Werte genannt werden, zeigt, dass es hierauf allein nicht ankommen kann.
29 
Im Fall des Klägers liegen wesentliche Defizite in mehreren der genannten Bereiche vor. In Berichten sowohl des behandelnden Kinderarztes als auch aus dem SPZ des Universitätsklinikums F. wurden dem Kläger eine Sprachentwicklungsverzögerung, organisch-funktionelle Defizite (Grob-Feinmotorik, Koordination, tapsiges Gangbild, Diadochokinese sehr ungelenk), eine globale psychomotorische Retardierung und Verhaltensauffälligkeiten (soziale Ängstlichkeit und Vermeidungsverhalten, Defizite im Bereich soziale Kompetenzen sowie Arbeits- und Kontaktverhalten, vgl. insbes. Berichte v. 10.10.2011, Bl. 155 VA, vom 29.12.2011, Bl. 237 VA und vom 26.6.2012, Bl. 47 SG-Akte) bescheinigt. In kognitiver Hinsicht haben zahlreiche Testungen ein Leistungsniveau im Grenzbereich einer leichten Intelligenzminderung (geistigen Behinderung)/deutlichen Lernbehinderung ergeben. Die Defizite im Bereich Arbeitsgedächtnis und Merkfähigkeit lagen in der Höhe einer leichten Intelligenzminderung/geistigen Behinderung, Stärken eher im ganzheitlichen Verarbeiten, z.B. auch bei visuellen Aufgabenstellungen (vgl. zuletzt Bericht SPZ vom 26.6.2012, Bl. 47 SG-Akte).
30 
Aus dem Kindergarten (Bl. 103 ff. VA) wurde von Defiziten im körperlichen Bereich (schlaffe Körperspannung, schwerer Gang, Meidung von Überkreuzbewegungen, nicht altersgerechte Auge-Hand-Koordination z.B. beim Ballfangen, verzögerte Malentwicklung) sowie im Bereich der sozio-emotionalen Entwicklung (nicht altersentsprechende Fähigkeit zum Nacherzählen von Geschichten, wenig nonverbale und verbale Kommunikation mit anderen Kindern, nicht altersgemäße Konflikt- und Frustrationsfähigkeit bzw. Fähigkeit zur Einhaltung von Regeln, mangelndes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen) berichtet. Die pädagogische Fachkraft des Beklagten Frau K. (Bereich Hilfeplanung des Beklagten, Bl. 163 VA) hat nach einem Vorortbesuch am 20.10.2011 den Kläger als lediglich „ansatzweise integriert“ in den Kindergarten beschrieben. Allerdings sah sie ihn weiterhin nur vereinzelt befähigt, in Konflikten angemessen zu reagieren und in seinen Denkleistungen im Vergleich zu den anderen Kindern deutlich langsamer. Nachdem allerdings Frau K. die Bewilligung der pädagogischen Hilfe für den vorangegangenen Zeitraum ausdrücklich als gerechtfertigt bezeichnet, erscheint nicht ganz nachvollziehbar, worin genau die Verbesserung liegen sollte, die nunmehr für die letzten Kindergartenmonate eine geänderte Bewertung (hinsichtlich der Frage der Wesentlichkeit der Behinderung) rechtfertigen könnte.
31 
Auch im Alltag zu Hause besteht nach den glaubhaften Angaben der Eltern des Klägers ein erhöhter Betreuungs- und Unterstützungsaufwand im grundpflegerischen Bereich (anhaltende Inkontinenz, gelegentlich Stuhlinkontinenz trotz Toilettentrainings, Unterstützung bei Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, eingeschränkte Fähigkeit zur Gefahrenabschätzung, deutlich erniedrigte Frustrationsschwelle, psychomotorische Unruhezustände, vgl. auch Kinder-Pflegegutachten vom 20.12.2011, Bl. 241 VA). In dem zuletzt genannten Gutachten wird dem Kläger - auch unter Berücksichtigung des kindlichen Entwicklungszustandes - eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz bescheinigt.
32 
In der Gesamtschau dieser Angaben und Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger erhebliche Defizite in mehreren verschiedenen Bereichen (Kommunikation und soziale Interaktion, Selbst- und häusliche Versorgung, kognitive Leistungen) hat, die zu einem besonderen Unterstützungsbedarf sowohl im häuslichen Bereich (Elternhaus) als auch im außerhäuslichen Bereich (Kindergarten) führen. Lediglich als ergänzendes Argument und im Sinne einer Plausibilitätskontrolle kann noch angeführt werden, dass im Fall des Klägers ein Grad der Behinderung von 70 (seit 11.10.2013 von 80) festgestellt wurde und die Merkzeichen G, B und H zuerkannt sind. Im Rahmen der vom Bundessozialgericht verlangten wertenden Betrachtung gelangt der Senat zu der Schlussfolgerung, dass das Tatbestandsmerkmal einer wesentlichen Behinderung beim Kläger entgegen der Auffassung des Beklagten auch im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt war.
33 
Der Kläger gehört daher entgegen der Auffassung des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich zum leistungsberechtigten Personenkreis i.S.d. §§ 53, 54 SGB XII.
34 
Der Kläger hatte somit auch im streitgegenständlichen Zeitraum 1.11.2011 bis 31.8.2012 Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe, vorliegend in Form der Weiterbewilligung der bereits zuvor seit dem 1.9.2010 gewährten pädagogischen Einzelintegration im Kindergarten. Hinsichtlich der Höhe erscheint dem Senat - mit Blick auf die wohl die entsprechende Verwaltungspraxis abbildende vom Beklagten zuletzt noch vorgelegte Arbeitshilfe für die Gewährung von Eingliederungshilfe in Kindergärten vom 17.12.2011 (Bl. 84 LSG-Akte) und mangels klarer Anhaltspunkte für einen deutlich geringeren Bedarf des Klägers der bereits zuvor bewilligte Betrag von 460,00 EUR weiter angemessen. Gerade unter Berücksichtigung der bisher erfolgreich verlaufenen Integration im Kindergarten und die bevorstehende Einschulung ist die Weiterbewilligung in der bisherigen Höhe auch geboten, um die Kontinuität der Förderung des Klägers und die Wirksamkeit der zuvor gewährten Hilfe zu sichern (vgl. - mit etwas anderem zugrundeliegendem Sachverhalt - insoweit bereits BVerwG, Urt. v. 28.9.1995, 5 C 21/93, juris Leitsatz Nr. 2, Rn. 19f.: Fortgewährung einer Eingliederungshilfeleistung, um die Wirksamkeit der zuvor gewährten Hilfe zu sichern).
35 
Der Berufung war daher stattzugeben und der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 22/03/2012 00:00

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. November 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Ge
published on 03/11/2011 00:00

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 2011 - L 16 KR 185/09 - wird zurückgewiesen.
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published on 24/06/2016 00:00

Tenor Die Klagen werden abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Der Streitwert wird endgültig auf 32.340,59 Euro festgesetzt 1Tatbestand: 2Die Klägerin begehrt vom Beklagten als Sozialhilfeträger Erstattung von Leistungen der Juge
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Annotations

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (§ 219) werden erbracht, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der Menschen mit Behinderungen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.