Landgericht Würzburg Beschluss, 17. Juni 2015 - 3 T 619/15
Gericht
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 20.02.2015 wird zurückgewiesen.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Beschwerdewert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 15.05.2008 eröffnete das Amtsgericht Würzburg auf einen Eigenantrag hin das vereinfachte Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Zum Treuhänder wurde Rechtsanwalt M. aus Würzburg bestellt.
Mit Beschluss vom 23.05.2014 ordnete das Amtsgericht Würzburg gemäß § 5 Abs. 2 InsO das schriftliche Verfahren für den Schlusstermin gemäß § 197 InsO und für die Anhörung zu dem vom Schuldner gestellten Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung an. Frist zur Stellung von Anträgen auf Versagung der Restschuldbefreiung wurde gesetzt bis zum 18.07.2014.
Mit Schreiben vom 27.06.2014, eingegangen beim Amtsgericht Würzburg am selben Tag, beantragte die Bank S. (Gläubigerin Nr. 2) unter Bezugnahme auf einen entsprechenden Bericht des Treuhänders die Versagung der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verstoßen habe. Namentlich habe er Immobilienbesitz in Italien verheimlicht, um diesen der Insolvenzmasse zu entziehen. Im Zusammenhang mit diesem Tatvorwurf war der Schuldner vom Amtsgericht Würzburg wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35 € verurteilt worden.
Mit Beschluss vom 18.11.2014, auf den wegen der Einzelheiten der Begründung Bezug genommen wird (Bl. 459 ff. d. A.), versagte das Amtsgericht Würzburg dem Schuldner daraufhin die Restschuldbefreiung. Der Versagungsbeschluss wurde der anwaltlichen Vertreterin des Schuldners am 09.12.2014 zugestellt.
Mit Schriftsatz seiner anwaltlichen Vertreterin vom 17.12.2014, eingegangen beim Amtsgericht Würzburg am selben Tag, nahm der Schuldner seinen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zurück (Bl. 467 d. A.). Mit Beschluss vom 20.02.2015 erklärte das Amtsgericht Würzburg diese Antragsrücknahme für unzulässig. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss vom 20.02.2015 verwiesen (Bl. 470 ff. d. A.), der der Schuldnervertreterin unwiderleglich erst am 24.03.2015 zugestellt wurde.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2015, eingegangen beim Amtsgericht Würzburg wiederum am selben Tag, legte die Schuldnervertreterin gegen den Beschluss vom 20.02.2015 sofortige Beschwerde ein, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass für die amtsgerichtliche Entscheidung - zumal nach der neuen Rechtslage ab dem 01.07.2014 - keine Rechtsgrundlage erkennbar sei. Vielmehr sei die Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung für zulässig zu erklären. Wegen der Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf den Schriftsatz vom 27.03.2015 (Bl. 479 ff. d. A.) ebenso Bezug genommen wie auf die ergänzenden Ausführungen der Schuldnervertreterin im Schriftsatz vom 15.06.2015 (Bl. 502 ff. d. A.).
Das Amtsgericht Würzburg half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 01.04.2015 nicht ab und legte die Sache dem Landgericht Würzburg zur Entscheidung vor.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Der Schuldnervertreterin ist darin beizupflichten, dass der Bürger in die Lage versetzt werden muss, sein Verhalten auf den Inhalt der Rechtsordnung einzustellen und dementsprechend zu disponieren (Beschwerdebegründung, dort Seite 3).
Der Gesetzgeber ist diesem Grundanliegen nachgekommen, indem er in Art. 103h EGInsO bestimmt hat, dass für Insolvenzverfahren, deren Eröffnung vor dem 01.07.2014 beantragt wurde, die Insolvenzordnung in der bis dahin geltenden Fassung weiterhin Gültigkeit behält. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Der Schuldner hat Insolvenzantrag bereits am 08.05.2008 gestellt. Es ist daher das bisherige Recht weiterhin anzuwenden.
Jedenfalls nach dem bisherigen Recht war die Rücknahme eines Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung unzulässig, nachdem - wie vorliegend - ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hatte (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung-Stepfran, 3. Aufl., 2014, § 287 Rn. 33a). Aus Sicht der Kammer ist daran schon unter dem Aspekt der berechtigten Interessen des Versagungsantragstellers festzuhalten (vgl. hierzu Uhlenbruck- Sternal, Insolvenzordnung, 14. Aufl., 2015, § 287 Rn. 29).
Der Bundesgerichtshof hat zwischenzeitlich in einem Beschluss vom 18.12.2014 (Az.: IX ZB 22/13) ausdrücklich bestätigt, dass in Insolvenzverfahren, in denen vor dem 01.07.2014 der Eröffnungsantrag gestellt wurde, auch künftig die Rechtsprechungsregeln zur analogen Anwendung des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F. anwendbar sind (BGH NZI 2015, 289 Rn. 5, 7). Teil dieser Rechtsprechungsregeln ist die Unzulässigkeit der Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach Stellung eines Versagungsantrags durch einen Gläubiger. Dementsprechend ist die Rücknahme des Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung vorliegend als unzulässig zu bewerten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO i. v. m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Soweit ersichtlich, ist bisher keine Entscheidung des Bundesgerichthofs zu der Frage ergangen, ob ein Schuldner - auch im Hinblick auf die seit dem 01.07.2014 geltende Fassung der Insolvenzordnung - berechtigt sein soll, negative Folgen einer Versagung der Restschuldbefreiung dadurch zu beseitigen, dass er schlichtweg seinen Befreiungsantrag zurücknimmt - zumal wenn die Rücknahme wie vorliegend erst nach Erlass einer Versagungsentscheidung erfolgt.
Die Beschwerdekammer hielte ein solches Ergebnis für wenig begrüßenswert, zieht aber in Betracht, dass eine solche Vorgehensweise seitens anwaltlich beratener Schuldner künftig wiederholt gewählt werden könnte. Eine richtungsweisende obergerichtliche Entscheidung wäre daher wünschenswert.
Der Beschwerdewert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt. Das wirtschaftliche Interesse des Schuldners zielt auf die Möglichkeit, zeitnah einen erneuten Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung stellen zu können und nicht die gesetzlichen Sperrfristen abwarten zu müssen. Diesen zeitlichen Vorteil bemisst das Beschwerdegericht in wirtschaftlicher Hinsicht mit (allenfalls) 1.500,00 €.
moreResultsText
Annotations
(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen.
(2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen.
(3) Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden.
(4) Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
(5) Insolvenzverwalter sollen ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können. Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Merkmale erfüllt, muss der Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten und die in Satz 1 genannten Dokumente unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung stellen. Den Einsichtsberechtigten stellt der Verwalter die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung.
(1) Bei der Zustimmung zur Schlußverteilung bestimmt das Insolvenzgericht den Termin für eine abschließende Gläubigerversammlung. Dieser Termin dient
- 1.
zur Erörterung der Schlußrechnung des Insolvenzverwalters, - 2.
zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichnis und - 3.
zur Entscheidung der Gläubiger über die nicht verwertbaren Gegenstände der Insolvenzmasse.
(2) Zwischen der öffentlichen Bekanntmachung des Termins und dem Termin soll eine Frist von mindestens einem Monat und höchstens zwei Monaten liegen.
(3) Für die Entscheidung des Gerichts über Einwendungen eines Gläubigers gilt § 194 Abs. 2 und 3 entsprechend.
Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Juli 2014 beantragt worden sind, sind vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden. Auf Insolvenzverfahren nach den §§ 304 bis 314 der Insolvenzordnung in der vor dem 1. Juli 2014 geltenden Fassung, die vor diesem Datum beantragt worden sind, sind auch die §§ 217 bis 269 der Insolvenzordnung anzuwenden. § 63 Absatz 3 und § 65 der Insolvenzordnung in der ab dem 19. Juli 2013 geltenden Fassung sind auf Insolvenzverfahren, die ab dem 19. Juli 2013 beantragt worden sind, anzuwenden.
(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn
- 1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, - 2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, - 3.
(weggefallen) - 4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat, - 5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, - 6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, - 7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.
(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.