Landgericht München I Beschluss, 23. Nov. 2016 - 1 T 18932/16

published on 23/11/2016 00:00
Landgericht München I Beschluss, 23. Nov. 2016 - 1 T 18932/16
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Amtsgericht Starnberg, 3 C 1277/16 WEG eV, 20/10/2016

Gericht

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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 31.10.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 20.10.2016, Az. 3 C 1277/16 WEG eV, dahingehend abgeändert, dass die Vollziehung des in der Eigentümerversammlung der WEG ... vom 05.10.2016 gefassten Beschlusses über die Bestellung der Fa. ... zum Verwalter der WEG einstweilen bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens beim Amtsgericht Starnberg, Az: 3 C 1260/16 WEG, betreffend die Anfechtungsklage der hiesigen Antragstellerin gegen den vorbenannten Beschluss, ausgesetzt wird.

2. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens in 1. und 2. Instanz.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 1.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 31.10.2016, bei Gericht eingegangen am 03.11.2016, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 20.10.2016, Az. 3 C 1277/16 WEG eV, der Antragstellerin zugestellt am 22.10.2016, ist zulässig und in der Sache auch erfolgreich. Die Antragstellerin hat sowohl das Bestehen eines Verfügungsanspruchs als auch das Bestehen eines Verfügungsgrundes entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hinreichend glaubhaft gemacht, weshalb ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. §§ 935, 940 ZPO stattzugeben war.

1. Nach summarischer Prüfung dürfte die von der Antragstellerin gegen den streitgegenständlichen Beschluss erhobene Anfechtungsklage offensichtlich erfolgreich sein, so dass ein Verfügungsanspruch besteht.

1.1 Zwar hat die Antragstellerin nach summarischer Prüfung, Gründe, aus denen sich die Nichtigkeit des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 05.10.2016 ergeben könnte, nicht vorgetragen. Insbesondere kann die Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses in der Wohnungseigentümerversammlung auch konkludent erfolgen; eine Aufnahme in der Niederschrift ist nicht erforderlich. Da für die Auslegung von Beschlüssen grundsätzlich nur solche Umstände Berücksichtigung finden können, die für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, sich insbesondere aus der Niederschrift ergeben, wird für die Annahme einer konkludenten Feststellung des Beschlussergebnisses in der Wohnungseigentümerversammlung in der Regel die bloße Wiedergabe des für sich genommen eindeutigen Abstimmungsergebnisses in der Niederschrift genügen (vgl. Bärmann, 13. Aufl., Rn. 45 zu § 23 WEG). Die als Anlage ASt 4 vorgelegte Niederschrift gibt das Abstimmungsergebnis eindeutig wieder, in dem es dort heißt, die Firma ... sei einstimmig gewählt worden. Daher ist vorliegend von einer zumindest konkludenten Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses auszugehen. Letztlich bedürfte es aber, wenn der Beschluss bereits nichtig wäre, auch der von Antragstellerseite beantragten einstweiligen Verfügung gar nicht, weil der Beschluss dann von vornherein ungültig wäre und keine Rechtswirkungen entfalten könnte (vgl. § 23 IV WEG).

1.2 Der Beschluss widerspricht jedoch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, weil er die Eckpunkte des abzuschließenden Verwaltervertrages in wesentlichen Umrissen nicht regelt und auch sonst in der Versammlung vom 05.10.2016 ein Beschluss betreffend die Eckpunkte des abzuschließenden Verwaltervertrages in seinen wesentlichen Umrissen nicht gefasst wurde, zudem keine Alternativangebote anderer Verwaltungen vorlagen.

Die Bestellung des Verwalters entspricht grundsätzlich nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn in derselben Eigentümerversammlung, in der die Bestellung erfolgt, auch die Eckpunkte des abzuschließenden Verwaltervertrages (Laufzeit und Vergütung) in wesentlichen Umrissen geregelt werden; hiervon kann nur unter besonderen Umständen übergangsweise abgewichen werden (BGH, Urteil vom 27.02.2015, Az: V ZR 114/14, juris Rn. 9-12). Für das Bestehen solcher besonderer Umstände ist vorliegend nichts ersichtlich.

Auch entspricht die erstmalige Bestellung einer Verwaltung grundsätzlich nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn mehrere Angebote verschiedener Verwalter eingeholt werden, zwischen denen die Eigentümer auswählen können (BGH, Urteil vom 27.02.2015, Az: V ZR 114/14, juris Rn. 10). Dies ist vorliegend offensichtlich nicht erfolgt. Weder aus der als Anlage ASt 3 vorgelegten Einladung zur Eigentümerversammlung noch aus der Niederschrift der Eigentümerversammlung vom 05.10.2016 (Anlage ASt 4) ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass mehrere Angebote eingeholt wurden und mehrere Verwalter zur Auswahl standen.

Die Antragstellerin hat durch Vorlage einer Abschrift der Klageschrift vom 12.10.2016 (Anlage ASt 5), in der sie ausdrücklich rügt, dass die Eckdaten des abzuschließenden Verwaltervertrages in der Versammlung vom 05.10.2016 nicht festgelegt und keine Alternativangebote eingeholt wurden, auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie die materiellen Ausschlussfristen des § 461 Satz 2 ZPO eingehalten hat.

1. Zwar darf die Wirkung des § 23 IV Satz 2 WEG nur dann vorläufig außer Kraft gesetzt werden, eine einstweilige Verfügung daher nur dann erlassen werden, wenn dem Anfechtenden bei Abwägung der widerstreitenden Belange unter Würdigung des prinzipiellen Vorrangs der gesetzlichen Wirksamkeitsanordnung ein Abwarten einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist (vgl. Bärmann, 13. Aufl., Rn. 77 vor § 43 WEG). Diese Voraussetzung sind vorliegend jedoch nach summarischer Prüfung gegeben, so dass auch ein Verfügungsgrund besteht.

Der Antragsteller droht ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung ein wesentlicher Nachteil schon deshalb, weil sie dann für die Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens anteilig zur Zahlung einer Verwaltervergütung für den bestellten Verwalter verpflichtet wäre. Auch wenn ein Beschluss über den Abschluss eines Verwaltervertrages nicht gefasst wurde und die wesentlichen Eckdaten des Verwaltervertrages nicht festgelegt wurden, dürfte dem Verwalter nach summarischer Prüfung gemäß §§ 675, 612 I, II BGB bzw. nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ein Vergütungsanspruch in Höhe der üblichen Vergütung zustehen (vgl. BGH, Urteil vom 06.03.1997, Az: III ZR 248/95, juris Rn. 20), zumindest besteht die Gefahr, dass die Antragstellerin später zur Zahlung einer solchen anteiligen Vergütung verpflichtet wird und dadurch einen finanziellen Schaden erleidet.

Dass durch die einstweilige Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses die Eigentümergemeinschaft bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren letztendlich keinen Verwalter hat, wiegt demgegenüber vor dem Hintergrund, dass die Eigentümergemeinschaft nur aus vier familiär miteinander verbundenen Mitglieder besteht und auch bis zu dem streitgegenständlichen Beschluss vom 05.10.2016 keinen Verwalter bestellt hatte, nicht so schwer und kann ein Absehen vom Erlass der einstweiligen Verfügung nicht rechtfertigen. In die Abwägung war dabei auch einzubeziehen, dass der Beschluss offensichtlich nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, die inmitten stehenden Fragen insbesondere bereits höchstrichterlich geklärt sind, die Hauptsacheklage daher mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird.

II.

1. Die Entscheidung über die Kosten in 1. und 2. Instanz beruht auf § 91 I ZPO.

2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wurde in Übereinstimmung mit der Streitwertfestsetzung des Amtsgerichts auf € 1.000,00 festgesetzt.

3. Die Entscheidung erging gemäß § 568 I Satz 1 ZPO durch den Einzelrichter.

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Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
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Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
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published on 27/02/2015 00:00

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Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.