Landgericht Memmingen Beschluss, 03. Feb. 2017 - 21 O 1716/16
Gericht
Tenor
Der Streitwert wird vorläufig auf 75.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Rückabwicklung zweier Darlehensverträge, die zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs und (das zweite Darlehen) zur Finanzierung von Investitionen in das erworbene Objekt bestimmt waren.
Die Kläger beantragen die Feststellung, dass sich diese zwei Darlehensverträge - für die sie bislang Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 72.998,40 € erbracht haben - in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Darlehensrückzahlungsanspruchs aus diesen Darlehensverträgen in Annahmeverzug befinde, dass die Beklagte für zukünftige Schäden aus der Verweigerung der Annahme des Widerrufs hafte und dass die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verpflichtet sei.
Während nach Ansicht der Beklagten der Streitwert nur auf den Wert der Zins- und Tilgungsleistungen, also auf 72.998,40 €, festzusetzen ist, halten die Kläger zuletzt einen solchen von 408.998,40 € für zutreffend. Sie führen aus, die streitgegenständlichen Darlehen seien mit Grundschulden besichert gewesen, deren Nominalbetrag in Höhe der Nettodarlehenssumme von 336.000,- € in den Streitwert einzubeziehen sei, weil die Grundschulden im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses von der Beklagten ebenfalls freizugeben seien. Die Auszahlung des zum Immobilienerwerb bestimmten Darlehens war ausweislich der im Darlehensvertrag getroffenen Regelungen (dort Ziffer 4) davon abhängig gemacht worden, dass die vereinbarten Sicherheiten, deren Einzelheiten in gesonderten Verträgen geregelt würden, zugunsten der Beklagten bestellt waren. Die Zweckbestimmungserklärung der dann zugunsten der Beklagten bestellten Grundschulden (Anlagenkonvolut K 1, dort die beiden letzten Seiten sowie letzte Seite des Anlagenkonvoluts K 2) geht dahin, dass diese als Sicherheit für sämtliche Forderungen der Beklagten aus den ausgereichten Krediten dienen.
II.
Im Rahmen der Streitwertfestsetzung waren der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges und der Antrag auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht zu berücksichtigen. Letzterer stellt eine Nebenforderung dar, und ersterem kommt nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH MDR 2010, 1087) keine eigenständige Bedeutung zu.
Den Feststellungsantrag bezüglich der zukünftigen Schäden hat die Kammer im Rahmen des § 3 ZPO vorläufig mit 2.001,60 € bewertet.
Für den Feststellungsantrag bezüglich der Umwandlung der Darlehensverträge in Rückgewährschuldverhältnisse setzt die Kammer den Streitwert vorläufig auf 72.998,40 € fest, also in Höhe der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen, fest. Die Kammer schließt sich insoweit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Streitwerthöhe bei derartigen Rückgewährschuldverhältnissen (BGH NJW-Spezial 2016, 380) an.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Kammer der Ansicht, dass der Anspruch auf Rückgewähr der Grundschulden den Streitwert des Verfahrens nicht beeinflusst und sieht insoweit auch keine entgegen stehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs:
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass auch der hier vorläufig festzusetzende Gebührenstreitwert - die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ist ohne Zweifel gegeben - in der Regel dem Zuständigkeitsstreitwert folgt (KG Berlin, WuM 2016, 755) und somit durch den Klageantrag bestimmt wird (Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn. 2).
In dem oben zitierten, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war ein Antrag auf Bewilligung der Löschung der Grundschuld ausdrücklich gestellt; der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sich der Wert dieses Antrag nach dem Nennwert der Grundschuld richte.
Im vorliegenden Fall ist bezüglich der Freigabe der Grundschulden ausdrücklich weder ein Feststellungs- noch ein Leistungsantrag gestellt.
Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger ist nach Auffassung der Kammer ein klägerischer Anspruch auf Freigabe der Grundschulden auch nicht aus dem zur Begründung des Rückgewähranspruchs geltend gemachten Klagegrund des Rückgewährschuldverhältnisses herzuleiten.
Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 19.01.2016, XI ZR 200/15) ausgeführt, der Rückabwicklungsanspruch eines Darlehensnehmers richte sich auch auf die Freigabe etwaiger Grundsicherheiten. Dennoch umfasst nach Auffassung der Kammer ein Klageantrag wie hier, der hingegebene Grundsicherheiten nicht ausdrücklich benennt, nicht gleichsam automatisch auch den Anspruch auf die Freigabe von Grundsicherheiten. Hierfür sind vor allem folgende Überlegungen maßgeblich:
Die Umwandlung eines Darlehensverhältnisses in ein Rückabwicklungsverhältnis muss für sich gesehen nicht zwingend dazu führen, dass ein Darlehensgeber auch Grundsicherheiten freizugeben hat. Zwar wird eine Grundschuld in der großen Mehrzahl der Fälle nur das betroffene Darlehen sichern; zwingend und aus sich heraus erkennbar ist dies aber nicht. Denn die Möglichkeit, dass eine vom Darlehensnehmer hingegebene Grundsicherheit auch noch andere Verbindlichkeiten des Darlehensgebers absichert, besteht durchaus. Würde man einen Feststellungsantrag wie den hier gestellten ohne Weiteres auch auf die Freigabe hingegebener Grundsicherheiten erstrecken, so hätte letztgenannter Umstand zur Folge, dass es in diesen Fällen zwangsläufig zu einem Teilunterliegen des Darlehensnehmers mit den damit verbundenen Kostenfolgen kommen würde. Ein solches Ergebnis kann keinesfalls im Interesse eines vernünftigen, auf das Wohl seines Mandanten bedachten Anwalts liegen.
Weiter kann aus Sicht der Kammer ein Antrag auf Feststellung der Umwandlung eines Darlehens- in ein Rückgewährschuldverhältnis nur dahingehend verstanden werden, dass damit der Anspruch auf Rückabwicklung, nicht aber schon deren Durchführung, festgestellt werden soll.
Eine Grundschuld aber sichert nun regelmäßig (vgl. Palandt-Herrler, BGB, 76. Aufl., § 1191 Rn. 19 m. w. N.) - und auch hier durch den Einbezug der gesetzlichen Ansprüche - auch Folgeansprüche wie Rückgewähr- und Bereicherungsansprüchen bei einem Scheitern des Darlehensverhältnisses.
Damit aber ist dem Sicherungsnehmer die Grundschuld so lange zu belassen, bis auch diese Ansprüche abgewickelt sind, und diese Abwicklung ist nach der eigenen Antragstellung der Kläger - die ja auch die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten bezüglich der Rückzahlung des Darlehens begehren - gerade noch nicht erfolgt. Wiederum wäre, würde man in den Feststellungsantrag auch einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zur Freigabe der Grundsicherheiten hinein interpretieren, ein Teilunterliegen der Kläger mit entsprechender Kostenfolge die Konsequenz. Denn die Verpflichtung zur Freigabe der Grundsicherheiten besteht jetzt eben noch nicht.
Im vorliegenden Fall ist die Bestellung der Sicherheiten zudem über gesonderte vertragliche Regelungen - eben die Zweckerklärung für Grundschulden - erfolgt, was zur Folge hat, dass der Darlehensvertrag selbst keine Regelungen über die Rückgabe der Sicherheiten enthält. Dieser Umstand führt aus Sicht der Kammer dazu, dass auch das sich insoweit ergebende Rückgewährschuldverhältnis keine derartigen Ansprüche enthalten kann, sondern dass diese aus den eigentlichen Sicherungsabreden herzuleiten sind, wo sie im Übrigen (siehe Ziffer 6) auch ausdrücklich enthalten sind. Dies ist auch deshalb geboten, weil nur damit der oben angesprochene Fall, dass die Grundsicherheit auch noch für andere Verbindlichkeiten bestellt ist, sachgerecht in der Weise gelöst werden kann, dass der Anspruch auf die Freigabe von Grundsicherheiten eben bei Anträgen wie dem streitgegenständlichen nicht automatisch Gegenstand des Verfahrens wird.
Schließlich gebietet aus Sicht der Kammer auch das Gebot effektiven Rechtsschutzes die hier vorgenommene Auslegung: Denn der Anspruch auf Freigabe von Grundsicherheiten ist nach deren Nominalwert zu berechnen (BGH NJW-Spezial 2016, 380), der in der Regel sehr hoch sein wird und den Betrag von Zins- und Tilgungsleistungen meist deutlich übersteigen wird.
Würde man mithin diesen Freigabeanspruch regelmäßig in den Wert von Feststellungsanträgen wie den streitgegenständlichen einrechnen, so entstünden regelmäßig deutlich höhere Gerichts- und Rechtsanwaltskosten, die durchaus geeignet wären, vor allem solche Darlehensnehmer, die nicht über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, von der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abzuhalten. Deshalb ist der - gebotene - effektive Rechtsschutz aus Sicht der Kammer nur dann erreichbar, wenn ein Kläger es durch die Gestaltung seines Feststellungsantrags bestimmen kann, ob er auch den Freigabeanspruch bezüglich seiner Grundsicherheiten zum Gegenstand des Verfahrens machen will oder nicht.
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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.