Die Parteien streiten um den Widerruf eines Darlehensvertrags.
Die Kläger, beides Verbraucher, schlossen am 15.04.2009 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 318.000 EUR ab, mit dem drei andere Darlehen bei der XY-Bank abgelöst werden sollten. Die Darlehensverträge wurden in der Bank unterschrieben (Päsenzgeschäft). Dem Darlehen war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die in den maßgeblichen Passagen wie folgt lautet:
„Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat) Fußnote 1 ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
– ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
– die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags
zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs …“.
Das Darlehen wurde zum 01.08.2013 vorzeitig getilgt. Die Beklagte buchte zum 01.08.2013 wegen dieser vorzeitigen Darlehensrückzahlung einen Betrag von 34.157,44 EUR vom Konto der Kläger als Vorfälligkeitsentschädigung ab.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.01.2015 widerrief die Klagepartei den Darlehensvertrag. Im Anschluss daran entwickelte sich eine weitere Korrespondenz zwischen den Parteien, da die Beklagte den Widerruf nicht akzeptierte. Außerdem macht die Klagepartei vorgerichtliche Rechtsabwaltskosten geltend.
Die Klagepartei ist der Auffassung, die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung genüge den Vorgaben des § 355 II BGB in der vom 08.12.2004 bis 11.06.2010 geltenden Fassung nicht.
Der BGH habe unter dem Az.XI ZR 33/08 entschieden, dass durch den in der Wiederrufsbelehrung verwendeten Text der Beginn der Widerrufsfrist nicht eindeutig bestimmt werden könne. Es entstehe der Eindruck, dass ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tage des Zugangs des Angebots die Widerrufsfrist zu laufen beginne. Außerdem dürfe die Belehrung keine Erklärungen enthalten, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Belehrung von Bedeutung seien und deshalb von ihr ablenken oder den Verbraucher verwirren könnten.
In den Entscheidungen II ZR 14/10 und XI ZR 148/10 habe der BGH ähnlich lautende Widerrufsbelehrungen für nicht ausreichend erachtet.
Auf die Schutzwirkung des § 14 der BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie die Belehrung einer eigenen Bearbeitung unterzogen habe.
Das Widerrufsrecht könne auch noch nach einer einvernehmlichen Beendigung des Darlehensvertrages ausgeübt werden. Das Widerrufsrecht sei auch nicht verwirkt. Die Beklagte könne die Belehrung nachholen und damit die Widerrufsfrist in Lauf setzen, außerdem sei sie nicht schutzwürdig, da sie ihre Belehrungspflichten verletzt habe. Der Widerruf sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Die Kläger beantragen,
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1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger EUR 34.157,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.08.2013 zu bezahlen.
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2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger nicht festsetzbare außergerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von EUR 2033,00 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Sie verteidigt die Widerrufsbelehrung als ordnungsgemäß, das Widerrufsrecht sei daher im Jahr 2009 abgelaufen.
Erst anlässlich der Unterzeichnung des Darlehensvertrages in der Geschäftsstelle der Beklagten in I. am 15.04.2009 seien die Vertragsunterlagen und die gegengezeichnete Widerrufsbelehrung übergeben worden.
Dass die Widerrufsbelehrung nicht dem Muster der BGBInfoV entspreche, sei unschädlich. Der Fristbeginn sei eindeutig zu bestimmen, da dem Kläger eine Vertragsurkunde übergeben worden sei. Der Sachverhalt sei anders als in der Konstellation, die zur Entscheidung des BGH XI ZR 33/08 geführt hätte, denn dort hätte tatsächlich nur ein Vertragsangebot der Bank vorgelegen. Im vorliegenden Fall seien alle Unterlagen jedoch erst bei Vertragsunterzeichnung am 15.04.2009 übergeben worden, sodass ein Verständnis der Belehrung dahingehend, dass die Frist schon früher hätte beginnen können, überhaupt nicht möglich sei.
Der Widerruf könne nicht mehr erklärt werden, da der Vertrag einvernehmlich beendet worden sei.
Außerdem sei der Widerruf rechtsmissbräuchlich, da es den Klägern nicht darum gehe, eine in einer Überrumpelungssituation getroffene Entscheidung zu korrigieren, sondern lediglich darum, bessere Vertragskonditionen zu erreichen.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze mit den Anlagen Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme fand nicht statt.
I.
Die zulässige Klage war nicht begründet.
Der Widerruf vom 27.01.2015 blieb folgenlos, da die dem Kläger und seiner Ehefrau am 15.04.2009 erteilte Belehrung den Vorgaben des § 355 II BGB entsprach und die Widerrufsfrist in Gang setzte.
1. Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung
Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass der Schutz des Verbrauchers eine möglichst umfassende und unmissverständliche Belehrung und aus dem Verständnis des Verbrauchers eindeutige Belehrung erfordert (II ZR 140/10 mit zahlreichen Nachweisen). Diesen Anforderungen genügt die hier streitgegenständliche Belehrung.
2. Abweichung von der Musterbelehrung
Die Klagepartei kann den Prozess nicht nur deshalb gewinnen, weil die von der Beklagten verwendete Belehrung nicht dem damaligen Text der Belehrung nach der BGB-Muster-Info-Verordnung entsprach. Gemäß § 14 BGB-Info-V könnte sich die Beklagte auf die Schutzwirkung berufen, wenn ihr Widerrufstext ohne inhaltliche Bearbeitung übernommen worden ist aus dem Muster 2 der Anlage zur BGB-Info-V. Hat die Beklagte ein solches Muster nicht verwendet oder inhaltlich bearbeitet, bedeutet das indes nicht, dass die Belehrung falsch ist. Es bedeutet nur, dass sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-Info-V nicht berufen kann. Die von der Beklagten verwendete Belehrung müsste zunächst einen inhaltlichen Fehler haben, damit es auf die Gesetzlichkeitsvermutung überhaupt ankäme.
3. Abweichung von BGH XI ZR 33/08
§ 355 Abs. 2 BGB in der vom 08.12.2004 bis 10.06.2010 geltenden Fassung bestimmte für den Fristbeginn folgendes: „Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden“.
Der Angriff der Klagepartei gegen die Widerrufsbelehrung wird darauf gestützt, dass es hier heißt „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen ein Exemplar diese Widerrufsbelehrung und die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden“.
Zur Begründung ihrer Auffassung, diese Belehrung habe die Frist nicht in Gang gesetzt, stützt sich die Klagepartei auf die Entscheidung des BGH XI ZR 33/08, in der der BGH eine Belehrung mit folgendem Text für unwirksam gehalten hatte „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrags zur Verfügung gestellt wurde“.
In dem Sachverhalt XI ZR 33/08 handelte es sich um einen Darlehensvertrag, der nicht, wie hier, im Beisein beider Parteien abgeschlossen wurde, sondern bei dem den Verbrauchern von der Bank ein Vertragsangebot samt Belehrung zugeschickt wurde. Im vorliegenden Fall war Sachverhalt jedoch anders. Das Gericht geht davon aus, dass den Verbrauchern bei Unterschrift des Vertrages in der Geschäftsstelle der Beklagten in I. auch die Widerrufsbelehrung erteilt und Vertragsurkunde und Widerrufsbelehrung übergeben worden sind. Unabhängig davon, ob das Bestreiten mit Nichtwissen hier bei einer Wahrnehmung aus der Sphäre der Partei zulässig ist, § 138 ZPO, liegt mit der Anlage B 2 eine von beiden Klägern am 15.04.2009 in I. unterzeichnete Erklärung vor, in der sie den Erhalt des Darlehensvertrages, des Allgemeinen Kreditbedingungen und der Widerrufsbelehrung bestätigen. Auch der streitgegenständliche Darlehensvertrag wurde von beiden Klägern in I. am 15.04.2009 unterzeichnet (Anlage K 1). Während in dem Sachverhalt, den der BGH entschieden hat, der Kunde tatsächlich der Gefahr unterlag, insbesondere angesichts der Formulierungen „eine“ Vertragsurkunde sowie „der schriftliche Darlehensantrag“ anzunehmen, bereits die Übersendung der Unterlagen durch die Bank zusammen mit der Belehrung setze die Frist in Gang, ist in einer Konstellation wie der hiesigen für ein solches Missverständnis kein Raum. Zunächst ist die Formulierung insoweit unterschiedlich, dass es in der streitgegenständlichen Belehrung heißt „die“ Vertragsurkunde (also nicht „eine“ Vertragsurkunde). Damit ist schon präzisiert, dass es hier um die Dokumentation eines bereits abgeschlossenen Vertrages geht. Mit der Bezeichnung „eine“ Vertragsurkunde in Zusammenschau mit dem Begriff „schriftlicher Darlehensantrag“ konnte in dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt tatsächlich ein Missverständnis entstehen. Im Gesetz ist nämlich nicht vom „schriftlichen Darlehensantrag“, sondern vom „schriftlichem Antrag des Verbrauchers“ die Rede.
Bei Abschluss des hiesigen Vertrages am 15.04.2009 war auch für den unbefangenen Verbraucher klar, dass er nicht etwa nur ein Angebot der Bank erhalten hat (wie bei den schriftlich abzuschließenden Fällen im Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH im Urteil vom 10.03.2009, Az XI ZR 33/08 zugrunde lag), sondern dass der Vertrag durch Leistung beiderseitiger Unterschriften an diesem Tag abgeschlossen worden ist. Es bleibt kein Raum, für die Annahme, aus Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen ist, entstehe bei dieser Konstellation der Eindruck, die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Beklagten zu laufen. Dem Verbraucher war hier klar, dass er seine Vertragserklärung bereits abgegeben hatte oder zumindest zeitgleich mit dem Erhalt der Belehrung abgab. Die Belehrung bezog sich also auf eine konkrete Vertragserklärung, die er selbst abgegeben hatte. Somit konnte er in diesem Fall die ihm eingeräumte Überlegungsfrist auch sachgerecht wahrnehmen, vgl. BGH, 10.03.2009, XI ZR 33/08; OLG Düsseldorf 17 U 125/14).
4. Abweichen von BGH II ZR 14/10
Auch die von der Klagepartei zitierte Entscheidung des BGH vom 22.05.2012 (II ZR 14/10) ist nicht einschlägig. Der BGH hatte hier über eine Belehrung mit folgendem Inhalt zu entscheiden: „Fristablauf: Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem ich diese Widerrufsbelehrung unterschrieben habe und mir - ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und - mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde bzw. meines Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.“ In diesem Fall lag jedoch eine Haustürsituation vor. In dem vom BGH unterzeichneten Fall ging es um einen Fondsbeitritt, bei dem zwischen Zeichnung durch den Anleger und Annahme durch die Fondsgesellschaft ein längerer Zeitraum liegt, sodass in diesem Fall tatsächlich Unklarheit besteht, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt, nämlich mit Übergabe des Beitrittsformulars an den Verbraucher, Zeichnung und Übergabe der Beitrittserklärung oder erst nach der Annahme durch die Fondsgesellschaft. Hinzu kommt, dass in dem vom BGH entschiedenen Fall ein von der dortigen Beklagten selbst verfertigtes und mit Zusätzen versehenes Formular vorlag. Der BGH hat die Widerrufsbelehrung vor allem deswegen beanstandet, weil sie den Anleger nicht über das Schicksal der von ihm geleisteten Zahlungen im Falle des Widerrufs belehrte.
5. Abweichen von BGH XI ZR 148/10
Auch der Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH vom 15.02.2011, Az XI ZR 148/10, zugrunde lag, ist mit der hiesigen Konstellation nicht vergleichbar. Dort hatte der BGH über folgende Formulierung zu entscheiden: „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen - eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung und - die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurde.“ Dort bekam die Klagepartei von der Bank ein Angebot zur Prolongation eines bereits bestehenden Kredites zugesandt. Anders als im hier vorliegenden Fall bestand daher durchaus die Gefahr, dass Missverständnisse hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist entstehen könnten, da der unbefangene Verbraucher die Belehrung dahingehend verstehen könnte, dass bereits die Übersendung des Vertragsangebots der Bank die Frist in Gang setze.
5. Auf die übrigen zwischen den Parteien streitigen Fragen, ob also der Widerruf rechtsmissbräuchlich oder verwirkt wäre oder ob der Widerruf nach einvernehmlicher Vertragsbeendigung noch möglich ist, kam es daher nicht mehr an.
II.
1. Kostenentscheidung: § 91 ZPO.
2. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
3. Streitwert: § 3 ZPO.